Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Stefanie A, Hausfrau,
3040 Neulengbach, Groß-Weinbergstraße 4, vertreten durch Dr. Walter und Dr. Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wider den Antragsgegner Alois A, Landwirt, 3053 Brand, Laaben, Pyrath 4, vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Rechtsanwalt in St.Pölten, wegen §§ 81 ff EheG, infolge Rekurse der Antragstellerin und des Antragsgegners gegen den Beschluß des Kreisgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 8. März 1985, GZ. R 66/85-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 21. Dezember 1984, GZ. 1 F 5/83-33, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Beiden Rekursen wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Nachdem die Ehe der Stefanie A mit Alois A
am 30. September 1982 rechtskräftig aus dem Verschulden des Mannes geschieden worden war, stellte die vormalige Ehefrau am 28. Jänner 1983 den Antrag, das eheliche Gebrauchsvermögen im Sinne der §§ 81 ff EheG derart aufzuteilen, daß dem Antragsgegner die von den Parteien während der Ehe je zur Hälfte erworbene und gemeinsam bewirtschaftete Landwirtschaft EZ 3 KG Pyrath samt Gebäuden und Fahrnissen zur Gänze zugewiesen und ihr als Ausgleich ein vom Antragsgegner zu zahlender Betrag von S 500.000 zuerkannt werde. Der Antragsgegner erklärte hierauf, die Liegenschaft sei mit einem Darlehen von S 800.000 belastet und stellte seinerseits den Antrag, ihm die Liegenschaft ohne Ausgleichszahlung an Stefanie A, jedoch mit der Auflage zu übertragen, daß er das offene Darlehen allein zu berichtigen habe.
Das Erstgericht übertrug die Liegenschaft an Alois
A - im folgenden Antragsgegner genannt - und verpflichtete ihn gleichzeitig zur alleinigen Tragung der auf der Liegenschaft haftenden Verbindlichkeiten sowie zur Leistung einer Ausgleichszahlung von S 250.000 an die Antragstellerin Stefanie
A. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus:
Die Parteien, deren im Jahre 1970 geschlossener Ehe fünf Kinder entstammten, haben im Jahre 1977 die gegenständliche, von ihnen schon vorher von einer Schwester des Antragsgegners gepachtete, ca. 20 ha große Landwirtschaft mittels Darlehens um S 1,1 Mio. je zur Hälfte erworben und sodann gemeinsam bewirtschaftet. Im April 1982 hat die Antragstellerin den gemeinsamen Haushalt und das Anwesen verlassen. Der Wert der Liegenschaft samt Zubehör beträgt derzeit S 1,965.752,-, die Darlehensschuld beläuft sich noch auf S 800.000,-.
In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß die Parteien kein nennenswertes Vermögen in die Ehe mitgebracht hätten, sodaß lediglich die gegenständliche, während der Ehe erworbene Liegenschaft samt Zubehör aufzuteilen sei. Deren Wert betrage unter Bedachtnahme auf bei der Aufteilung zu berücksichtigende, im einzelnen angeführte Umstände S 1,3 Mio. Nach Abzug der Darlehensschuld von S 800.000 verbleibe somit ein Betrag von S 500.000, wovon der Antragstellerin die Hälfte, demnach ein Betrag von S 250.000, zustehe.
Das von beiden Parteien angerufene Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es ihre Anträge, 'hinsichtlich der Liegenschaft EZ 3 KG Pyrath eine gerichtliche Aufteilung gemäß §§ 85 ff EheG vorzunehmen', zurückwies. Das Rekursgericht war der Ansicht, daß die genannte Liegenschaft einen landwirtschaftlichen Betrieb und damit ein Unternehmen darstelle, welches gemäß § 82 Abs. 1 Z 3 EheG nicht der Aufteilung unterliege. Für die gegenständlichen Ansprüche sei somit das Außerstreitverfahren nicht zulässig, ihre Geltendmachung müsse auf dem Rechtsweg erfolgen.
Gegen den rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß erheben beide Parteien Rekurs mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Stattgebung des jeweils gestellten Aufteilungsbegehrens, hilfsweise auf Rückverweisung der Rechtssache an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung. Die Antragstellerin bringt unter Hinweis auf die Lehrmeinung von Schwind, Kommentar zum österreichischen Eherecht, 316, vor, beim gegenständlichen landwirtschaftlichen Betrieb handle es sich zufolge seiner geringen Größe nicht um ein Unternehmen im Sinne des § 82 Abs. 1 Z 3 EheG, sondern höchstens um eine Wertanlage im Sinne des § 82 Abs. 1 Z 4 EheG. Der Aufteilungsantrag sei daher zu Recht im Außerstreitverfahren gestellt worden. Der Antragsgegner steht unter Hinweis auf die Entscheidung 6 Ob 552/82 = EfSlg. 43.762, wonach die Ehewohnung, selbst wenn sie in einem zum Unternehmen des Ehegatten gehörigen Haus liegt, jedenfalls der Aufteilung zu unterziehen ist, auf dem Standpunkt, daß vorliegendenfalls zumindest über die auf der Liegenschaft gelegene, von den Parteien bis zum Auszug der Antragstellerin benutzte Ehewohnung im Außerstreitverfahren zu entscheiden sei und hält dieses darüberhinaus auch wegen der geringen Größe des landwirtschaftlichen Betriebes und der somit angeblich mangelnden Qualifikation als Unternehmen für gesetzmäßig.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse sind im Ergebnis gerechtfertigt.
Entgegen dem Standpunkt der Rekurswerber ist dem Rekursgericht
allerdings darin beizupflichten, daß auch ein landwirtschaftlicher
Betrieb ein Unternehmen im Sinne des § 82 Abs. 1 Z 3 EheG
darstellt. Diese Rechtsansicht hat der Oberste Gerichtshof zuletzt
in den Entscheidungen 7 Ob 699,700/81 = EfSlg. 38.866 sowie
6 Ob 552/82 = EFSlg. 43.761 und 6 Ob 642/84 vertreten. Zum
Unternehmensbegriff des § 82 EheG führte der Oberste Gerichtshof
in der Entscheidung 1 Ob 501/84 in Ablehnung der Lehrmeinung von
Schwind aus, auch in der übrigen Lehre (Koziol-Welser,
Grundriß 6 II 192; Honsel in Ostheim Schwerpunkte der
Familienrechtsreform 173; Migsch in Floretta, Das neue Ehe- und
Kindschaftsrecht, 67 f; Bydlinski, Zur Neuordnung des
Ehegüterrechts, Schwind FS 40; Gschnitzer-Faistenberger,
Familienrecht 2 54; Wilhelm RdW 1983, 2, vgl. auch FN 10) herrsche
kein Zweifel darüber, daß Unternehmen grundsätzlich von der
Aufteilung auszunehmen seien, hinsichtlich der Unternehmensgröße
nicht differenziert werde, daß nach den Ausführungen im Bericht des
Justizausschusses 916 BlgNR 14. GP, 14, offenkundig die Herausnahme
aller Unternehmen aus der Aufteilung beabsichtigt war und daß das
Gesetz nach seinem Wortlaut keine Handhabe für eine Differenzierung
zwischen größeren Unternehmen, die von der Aufteilung ausgenommen
seien und Kleinbetrieben, die der Aufteilung unterlägen, biete.
Auf der Grundlage dieser Judikatur, welcher der erkennende Senat folgt, stellt somit auch die vorliegendenfalls von den Parteien ehedem gemeinsam betriebene Landwirtschaft als eine selbständig organisierte Erwerbseinheit ein Unternehmen dar, das gemäß § 82 Abs. 1 Z 3 EheG als solches nicht der Aufteilung unterliegt. Aus dem übereinstimmenden Antragsvorbringen der vormaligen Ehegatten und dem übrigen Akteninhalt geht hier, worauf im Rekurs des Antragsgegners selbst ausdrücklich verwiesen wird, aber hinreichend klar hervor (zum Antragsvorbringen siehe EvBl. 1981/71; 3 Ob 553/83), daß die auf der Liegenschaft befindlichen Baulichkeiten nicht nur dem landwirtschaftlichen Betrieb dienten, sondern im Bauernhaus, wie üblich, auch die Ehewohnung der Parteien untergebracht war.
Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 7 Ob 699,700/81 (=teilweise veröffentlicht in EfSlg. 38.866) ausgesprochen hat, verliert eine Wohnung ihre Eigenschaft als Ehewohnung nicht dadurch, daß sie in einem Haus liegt, das auch dem Unternehmen einer Landwirtschaft dient. Sie ist daher der Aufteilung zu unterziehen (ebenso 2 Ob 552/82 = EFSlg. 43.762; SZ 54/36; SZ 54/126; 1 Ob 562/84; auch 7 Ob 730/80), während die übrigen Teile der Liegenschaft von der Aufteilung ausgenommen bleiben (7 Ob 706/81; 1 Ob 756/83= JBl. 1985, 365).
Somit ist vorliegendenfalls über die auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens gemäß den §§ 81 ff EheG gerichteten Anträge der Parteien grundsätzlich im Außerstreitverfahren (§§ 229 bis 235 AußStrG) zu entscheiden. Soweit es sich bei der Liegenschaft EZ 3 KG Pyrath im Sinne der vorstehenden Ausführungen nicht um eheliches Gebrauchsvermögen handelt, hat dieses als nicht der Aufteilung unterliegend außer Betracht zu bleiben. Hinsichtlich des Wertes der nach den übereinstimmenden Parteianträgen dem Antragsgegner verbleibenden Ehewohnung steht der Festsetzung einer durch den Antrag der Antragstellerin begehrten Ausgleichszahlung grundsätzlich nichts im Wege. Die Frage, ob sich die Antragstellerin in der Zwischenzeit eine andere Wohnung verschafft hat oder nicht, erscheint ohne Bedeutung, weil von der Leistung einer angemessenen Ausgleichszahlung grundsätzlich in keinem der Fälle eine Befreiung eintreten würde (7 Ob 794/82).
Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren den Wert der von beiden Parteien angeschafften Ehewohnung zu ermitteln und zu dessen anteiliger Abgeltung dem Antragsgegner sodann unter Bedachtnahme auf die auf der Liegenschaft lastenden Verbindlichkeiten eine billige Ausgleichszahlung aufzuerlegen haben. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 234 AußStrG, 52 ZPO.
Anmerkung
E06371European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00577.85.0702.000Dokumentnummer
JJT_19850702_OGH0002_0020OB00577_8500000_000