Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anita H*****, vertreten durch Dr. Dietmar Lirk, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien Benjamin und Ivona K*****, vertreten durch Dr. Otto Franz Müller, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung und Löschung, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Dezember 1983, GZ 1 R 228/83-22, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. September 1983, GZ 5 Cg 505/82-14, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 25.537,15 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 2.135,96 S Barauslagen und 1.858,79 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin verkaufte den Beklagten mit Kaufvertrag vom 10. 8./26. 9. 1978 die Liegenschaft EZ***** KG ***** „Brandstattgut in *****“ gegen einen Barkaufpreis von 770.000 S, Übernahme einer Hypothek von 600.000 S, Einräumung eines Wohnungsrechts und eine monatliche, wertgesicherte Versorgungsleibrente von 12.608,10 S. Der Kaufvertrag enthält eine (unbedingte Aufsandungserklärung der Klägerin zum Zweck der Einverleibung des Eigentumsrechts für die Beklagten. Die faktische Übergabe des Kaufobjekts erfolgte bereits mit 1. 9. 1978. Die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Beklagten wurden aufgrund ihres Gesuchs vom 13. 7. 1982 mit Beschluss des Bezirksgerichts Neumarkt vom 11. 8. 1982, TZ 984/82 bewilligt, der den Parteien am 8. 9. 1982 zugestellt wurde und sodann unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist. Mit ihrem Schreiben vom 13. 9. 1982 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag für den Fall, als die Beklagten rückständige Leistungen nicht bis 21. 9. 1982 erbringen würden. Am 23. 9. 1982 erhob die Klägerin die vorliegende Klage mit dem Begehren, der Kaufvertrag zwischen den Streitteilen sei aufgehoben und die aufgrund dieses Kaufvertrags durchgeführte Einverleibung des Eigentumsrechts der Beklagten werde für unwirksam erklärt und sei im Grundbuch zu löschen.
Der Erstrichter wies dieses Klagebegehren ab. Er vertrat auf der Grundlage des eingangs dargestellten Sachverhalts die Rechtsansicht, die Löschungsklage nach § 61 GBG setze eine ursprünglich ungültige Eintragung oder wenigstens den nachträglichen Wegfall des Rechtstitels, auf dem sie beruht, für den Zeitpunkt der Bewilligung und des Vollzugs der bücherlichen Einverleibung voraus. Der Verkäufer könne zwar bei Verzug des Käufers trotz faktischer Besitzübergabe bis zur Einverleibung des Eigentumsrechts des Käufers vom Vertrag zurücktreten, mit der bücherlichen Einverleibung gehe aber das Eigentumsrecht an der unbeweglichen Sache gemäß § 431 ABGB und § 4 GBG auf den Käufer über. Im Falle der unbekämpften Bewilligung der Grundbuchseintragung sei für diesen Eigentumsübergang der Zeitpunkt des Einlangens des bewilligten Grundbuchsgesuchs maßgebend. Im vorliegenden Fall sei der Rücktritt der Klägerin erst nach diesem Zeitpunkt und damit verspätet erfolgt.
Das Berufungsgericht hob infolge Berufung der Klägerin das Ersturteil mit Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 300.000 S übersteigt. Es billigte zwar die dargestellte Rechtsansicht des Erstrichters, weil nach herrschender Rechtsansicht auch im allgemeinen Zivilrecht ein Rücktritt vom Kaufvertrag nach § 918 ABGB nicht mehr möglich sei, wenn das Kaufobjekt übergeben, bei Liegenschaften also der Käufer als Eigentümer einverleibt und der Kaufpreis gestundet wurde. Die Rechtssache sei jedoch aus einem anderen Grunde nicht spruchreif. Aus der Urkunde Beilage 6 könne festgestellt werden, dass noch vor der Überreichung des Verbücherungsgesuchs der Rechtsvertreter der Klägerin an den Verfasser des Kaufvertrags, Notar Dr. Fehreberger, der dann das Verbücherungsgesuch für die Beklagten überreichte, ausdrücklich einen Vorbehalt gegen die bücherliche Durchführung wegen Leistungsrückständen der Beklagten und einer Gefährdung der Forderungen der Klägerin geltend machte. Diese Erklärung, die auch den Beklagten als zugekommen zu gelten habe, sei als Geltendmachung der Unsicherheitseinrede im Sinn des § 1052 ABGB oder des Wegfalls der Vorleistungspflicht anzusehen und zu prüfen, weil damit rechtzeitig noch vor dem Verbücherungsgesuch die Leistung der Verkäuferin rechtmäßig verweigert worden wäre, wenn die Behauptungen zuträfen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts ist berechtigt.
Zunächst ist die Meinung der Klägerin zu prüfen, wonach nach erfolgter Übergabe des Kaufgegenstands zwar im Sinn der herrschenden Rechtsansicht ein Rücktritt vom Vertrag nach § 918 ABGB nicht mehr möglich sei, entgegen der Ansicht der Vorinstanzen wohl aber wie hier innerhalb der Rekursfrist gegen den Grundbuchsbeschluss noch zulässig und rechtzeitig erfolgt sei, weil die Einverleibung des Eigentumsrechts sicherlich nicht schon mit der Überreichung des Gesuchs erfolgt sei und es auch nicht auf die Zufälligkeit des Geschäftsgangs, nämlich den Zeitpunkt der Bewilligung und des Vollzugs der Eintragung ankommen könne.
Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Wie die Rekursgegnerin selbst erkennt, treten die Rechtswirkungen der Eigentumseinverleibung nicht erst mit dem Vollzug der Eintragung im Hauptbuch ein, sondern im Falle der rechtskräftigen Bewilligung schon im Zeitpunkte des Einlangens des Grundbuchsgesuchs. Das Eigentum an einer veräußerten Liegenschaft geht demnach grundsätzlich schon in diesem Zeitpunkt des Einlangens des später bewilligten und vollzogenen Grundbuchsgesuchs auf den Erwerber über (§ 431 ABGB, §§ 4, 29 und 93 GBG; SZ 39/152, SZ 51/151 ua; ebenso Ehrenzweig2 I/2, 121, Spielbüchler in Rummel, ABGB I Rz 8 zu § 431 und Heller-Berger-Stix, EO4 901). Wenngleich diese Rechtswirkung nur unter der Bedingung eintritt, dass der Bewilligungsbeschluss rechtskräftig wird, kann die Überreichung einer Löschungsklage erst zwischen dem Einlangen des Grundbuchsgesuchs und dem Eintritt der Rechtskraft selbst im Zusammenhang mit einer Anmerkung dieser Klage im Grundbuch die Rückwirkung der Einverleibung des Eigentums des Käufers auf den Zeitpunkt des Einlangens des Grundbuchsgesuchs nicht mehr ändern. Während nämlich ein erfolgreicher Rekurs die Bewilligung der Grundbuchseintragung aus der Welt schafft, setzt die Löschungsklage gemäß § 61 GBG einen Verstoß der bewilligten und durchgeführten Eintragung gegen das materielle Recht voraus, sodass ein späterer Rücktritt vom Vertrag die Rückwirkung der Einverleibungsbewilligung auf den Zeitpunkt des Einlangens des Grundbuchsgesuchs nicht mehr hindern kann. Gegen diese Rechtslage sprechen auch nicht die von der Rekursgegnerin zitierten Lehrmeinungen: Die Löschung der zwischen dem Einlangen des Grundbuchsgesuchs und der Rechtskraft der Einverleibung erfolgten Eintragungen (Gschnitzer-Faistenberger, Sachenrecht2 57) bezieht sich auf Eintragungen gegen den früheren Eigentümer (§ 61 Abs 2 GBG), während die hier bewilligte Klagsanmerkung bereits gegen die Beklagten als Erwerber und nunmehr grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft erfolgt ist; deshalb war sie naturgemäß nach Rechtskraft der Einverleibung deren Eigentumsrechts nicht zu löschen. Der Schutz gutgläubiger Dritter durch das positive Publizitätsprinzip hingegen (Koziol-Welser, Grundriss7 98) ist hier schon deshalb nicht von Bedeutung, weil einander noch die ursprünglichen Parteien des Kaufvertrags gegenüberstehen. Dass ein gutgläubiger Dritter, der erst von den Beklagten Rechte erworben hätte, bis zur Erledigung des angemerkten Rechtsstreits nicht vollkommen geschützt wäre, führt entgegen der Ansicht der Klägerin keineswegs zu dem Schluss, dass die Beklagten Eigentum erst mit der Rechtskraft des Bewilligungsbeschlusses erwerben konnten. Es ist deshalb der Meinung der Vorinstanzen beizupflichten, dass der Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag erst nach Überreichung des Einverleibungsgesuchs der Beklagten verspätet war, weil er das durch die unangefochten gebliebene Bewilligung der Eigentumseinverleibung rückwirkend erworbene Eigentum nicht mehr aus der Welt schaffen konnte. Damit konnte auch der Rechtstitel zur Einverleibung nicht mehr nachträglich wegfallen. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass die Klägerin noch vor der Überreichung des Grundbuchsgesuchs der Beklagten eine Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung erwirkte, weil sie diese unbestrittenermaßen nicht innerhalb der Jahresfrist des § 55 GBG zugunsten eines (gutgläubigen) Dritten ausgenützt hat.
Hingegen bekämpfen die Beklagten mit Recht den Auftrag des Berufungsgerichts zu weiteren Erhebungen in Richtung einer schon vor der Überreichung des Verbücherungsgesuchs der Beklagten seitens der Klägerin wirksam im Sinne einer Unsicherheitseinrede nach § 1052 ABGB geäußerten Rückziehung ihrer Bereitschaft zur Übergabe der Liegenschaft. Abgesehen davon, dass die Klage nur auf den Vertragsrücktritt gestützt wurde, kann dem Berufungsgericht insofern schon im Ansatz nicht gefolgt werden. Die Klägerin hatte im Kaufvertrag eine unbedingte Aufsandungserklärung abgegeben und trotzdem den Kaufpreis gestundet. Sie war demnach vorleistungspflichtig. Nach § 1052 zweiter Satz ABGB stand ihr allerdings das Recht zu, ihre Leistung bis zur Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung zu verweigern, wenn diese durch schlechte Vermögensverhältnisse des anderen Teils gefährdet war, die ihr selbst zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht bekannt sein mussten. Die zitierte Bestimmung gibt aber dem Vorleistungspflichtigen nur das Recht zur Zurückhaltung der eigenen Leistung und damit zur Erhebung der Unsicherheitseinrede gegen eine Leistungsklage, die bei begründeter Einrede zur Klagsabweisung führt (Aicher in Rummel, ABGB I Rz 28 und 34 zu § 1052). Dasselbe gilt sinngemäß auch für die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 1052 erster Satz ABGB (Aicher aaO Rz 14), sodass hier dahingestellt werden kann, ob durch den behaupteten Leistungsverzug der Beklagten die Vorleistungspflicht der Klägerin weggefallen wäre. Von einer solchen Verweigerung oder Zurückbehaltung einer noch zu erbringenden Leistung der Klägerin kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. Bei unbeweglichen Sachen, bei denen die Eigentumsübertragung durch Einverleibung des neuen Eigentümers im Grundbuch zu erfolgen hat (§ 431 ABGB), bestehen die vom Verkäufer geschuldeten Übereignungshandlungen in der Abgabe der grundbuchsrechtlich notwendigen „Aufsandungserklärung“ (§ 32 GBG) und der Mitwirkung an der Ausstellung der grundbuchsrechtlich nach den §§ 26 f und § 31 GBG sonst notwendigen Urkunden (Bydlinski in Klang2 IV/2 302 f). Diese Leistungen hatte die Klägerin im Zeitpunkte der Überreichung des erfolgreichen Grundbuchsgesuchs der Beklagten längst erbracht. Nur ausstehende Leistungen hätte sie jetzt noch zurückbehalten können. Ihr Standpunkt im Schreiben vom 1. 6. 1982 – wonach die Klägerin nur dann mit der Verbücherung des Eigentumsrechts der Beklagten (noch) einverstanden sei, wenn die Beklagten alle vertraglichen Verpflichtungen erfüllen – und die Rechtsansicht des Berufungsgerichts laufen hingegen darauf hinaus, dass eine bereits unbedingt erbrachte Leistung, nämlich die Aufsandungserklärung, zurückgezogen oder wenigestens vorläufig unwirksam gemacht werden sollte. Ein solches Recht ist aus § 1052 ABGB selbst bei Unsicherheit des Vertragspartners nicht abzuleiten. Da die Aufsandungserklärung durch die Gegenzeichnung des Vertrags seitens der Beklagten angenommen worden war, hätte sie vielmehr bloß wieder durch einen Vertrag der Streitteile außer Kraft gesetzt werden können. Ein einseitiger Widerruf war in keinem Fall zulässig. Bei dieser Rechtslage ist es dann aber gleichgültig, ob die Klägerin noch zur Übergabe bereit war und ob sie für dafür einen Widerruf ihrer Zustimmung erhebliche Gründe im Sinn des § 1052 ABGB hatte. Die Beklagten waren nicht verbunden, einen solchen Widerruf, selbst wenn er ihnen im Wege des gemeinsamen Schriftverfassers und Einreichers des Grundbuchsgesuchs bekannt wurde, zu beachten. Auch Gutglaubensregeln greifen in diesem Fall nicht ein, weil hier kein Fall eines Erwerbes vom Nichteigentümer vorliegt.
Die Geltendmachung des weiteren Rechtsgrundes des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ in der Revision ist als unzulässige Neuerung unbeachtlich.
Demnach war das Ersturteil wiederherzustellen.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Textnummer
E117249European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00564.840.0704.000Im RIS seit
27.02.2017Zuletzt aktualisiert am
27.02.2017