TE OGH 1985/7/9 4Ob518/85

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Veröffentlicht am 09.07.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Kuderna, Dr. Vogel und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Berta A, Hausfrau, St. Stefan, Langegg 22, vertreten durch Dr. Franz Eisner, Rechtsanwalt in Köflach, wider die beklagte Partei Johann A, Soldat, Graz, Straßgangerstraße 360, vertreten durch Dr. Gerhard Schmidt, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterhalt (Revisionsstreitwert S 72.000,--), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 28.Jänner 1985, GZ 1 R 17/85-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 30.Oktober 1984, GZ 31 C 99/84-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur Fällung einer neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die Parteien haben am 30.7.1977 die dem Bande nach aufrecht bestehende Ehe geschlossen, der die am 31.12.1978 geborene mj. Manuela entstammt. Seit 29.4.1984 ist die Lebensgemeinschaft der Parteien aufgehoben.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 3.000.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung im wesentlichen mit der Begründung, die Klägerin habe ihn aus der Ehewohnung verwiesen und somit ihren Unterhaltsanspruch verwirkt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende für das Revisionsverfahren wesentliche Feststellungen:

Die Parteien hoben Mitte Feber 1984 ihre Lebensgemeinschaft auf, versöhnten sich jedoch nach etwa vier Wochen, worauf der Beklagte in die Ehegemeinschaft zurückkehrte. Die Ehewohnung befand sich im Haus der Eltern der Klägerin, doch bauten die Parteien auf einem ihnen von diesen Eltern geschenkten Grundstück ein Haus. Der Beklagte ist zeitverpflichteter Soldat des Bundesheeres. Die Klägerin verrichtet näher festgestellte Gelegenheitsarbeiten, führt den Haushalt und betreut das Kind. Der Beklagte trug zur Haushaltsführung nichts bei. Das Wochenende zum 28.4.1984 verbrachte der Beklagte nicht zu Hause. Die Parteien hatten vereinbart, sich erst wieder am Montag nach diesem Wochenende zu treffen. Der Beklagte hielt sich am Sonntag dem 29.4.1984 bei Hannes B auf, um dort seinen Hund in Verwahrung zu geben. Die Klägerin rief in dieser Wohnung an und erkundigte sich, ob es richtig sei, daß der Hund zwischen 18 Uhr und 19 Uhr abzugeben sei. Sie verneinte dann die Frage, ob sie den Beklagten sprechen wolle, und legte den Hörer auf. Der Beklagte rief hierauf die Klägerin an. Auf deren Frage, wo er sich während des Wochenendes aufgehalten habe, sagte er, er werde ihr dies am Montag erzählen. Die Klägerin gab hierauf zur Antwort, sie wolle sich scheiden lassen; wenn er noch einmal nach Hause komme, werde er von ihr und ihrem Vater aus dem Haus geworfen. Nach etwa 14 Tagen gab der Beklagte den Schlüssel zur Ehewohnung der Klägerin auf deren Verlangen zurück und holte seine Sachen ab. Die Klägerin ist erst in der letzten Zeit der Ehe eifersüchtig geworden. Sie hatte sich zwei- oder dreimal aus Eifersucht telefonisch nach dem Aufenthalt des Beklagten bei Lotte C erkundigt. Die Klägerin fand einmal beim Beklagten die Fotografie einer anderen Frau. In der mündlichen Streitverhandlung erklärte der Beklagte auf Befragen, daß es sich um die Fotografie der Frau oder Freundin seines Freundes gehandelt habe, welcher diese Aufnahme selbst gemacht habe. Der Klägerin ist es nicht gelungen, Beziehungen des Beklagten zu einer anderen Frau nachzuweisen. Der Beklagte war weiterhin bestrebt, die Ehe aufrecht zu erhalten. Er bemühte sich auch während der beim Erstgericht vorgenommenen Vergleichsgespräche um eine Versöhnung. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, das Unterhaltsbegehren der Klägerin sei verwirkt, weil sie ihn aus dem Haus gewiesen habe.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es der Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.000 zusprach. Im übrigen bestätigte es das abweisliche Urteil. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Ohne auf die Beweisrüge einzugehen oder eine Beweiswiederholung durchzuführen, hielt es den Unterhaltsanspruch der Klägerin nicht für verwirkt und das Unterhaltsbegehren daher für berechtigt. Nur besonders krasse Eheverfehlungen des Unterhaltsklägers rechtfertigten die Annahme einer Unterhaltsverwirkung, weil in solchen Fällen die Geltendmachung des Unterhaltsanspruches grob unbillig (rechtsmißbräuchlich) erscheine. Ein solch krasser Fall einer Eheverfehlung könne aber der Klägerin nicht vorgeworfen werden. Der Beklagte habe den Besitz der erwähnten Fotografie nicht plausibel aufklären können, sodaß die Klägerin durchaus habe annehmen dürfen, er kenne eine andere Frau und habe mit dieser das gegenständliche Wochenende verbracht, zumal er am Telefon sein Verbleiben nicht sofort habe aufklären wollen. Man könne sich auch angesichts des vorausgegangenen Verlassens der Ehewohnung durch den Beklagten des Eindrucks nicht erwehren, daß ihm die Äußerung der Klägerin über das Hinauswerfen aus der Wohnung nicht ungelegen gekommen sei, um von der Ehewohnung und der Klägerin fernbleiben zu können. Der Unterhaltsanspruch der Klägerin sei daher nicht verwirkt. Gegen den abändernden Teil dieser Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit einem auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzielenden Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Die außerordentliche Revision ist zulässig und berechtigt. Der Beklagte hält die ao. Revision für zulässig, weil sowohl eine Rechtsfrage des materiellen Rechts (Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach dem § 94 Abs.2 ABGB) als auch des Verfahrensrechts (Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes infolge Abweichung von den Feststellungen des Erstgerichts ohne Vornahme einer Beweiswiederholung) von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 504 Abs.4 Z. 1 ZPO vorliege. Die Frage einer Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes ist in der Tat eine solche Frage von erheblicher Bedeutung, sodaß die Revision zulässig ist.

Rechtliche Beurteilung

Sie ist aber auch berechtigt. Das Berufungsgericht ist in seiner Entscheidung von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen in entscheidenen Punkten abgewichen und auf dieser Grundlage zu einer anderen rechtlichen Beurteilung gelangt. Während das Erstgericht einen harmlosen Charakter der Fotografie und keinerlei ehewidrige Beziehungen des Beklagten zu anderen Frauen sowie eine intakte eheliche Gesinnung des Beklagten annahm, und auf Grund seiner Feststellungen in unbedenklicher Weise die Rechtsauffassung vertrat, die Geltendmachung des Unterhaltsanspruches sei rechtsmißbräuchlich erfolgt, ging das Berufungsgericht davon aus, daß der Beklagte den Besitz der Fotografie nicht habe plausibel aufklären können und daß ihm die Androhung des Hinauswurfes aus der ehelichen Wohnung nicht ungelegen gekommen sei, um die Klägerin verlassen zu können. Ein solches Abweichen von den Feststellungen des Erstgerichts ist jedoch nur nach einer unmittelbar oder mittelbar (§ 281 a ZPO) vorgenommenen Beweiswiederholung zulässig (Fasching, Lehrbuch, Rz 679; SZ 38/74 ua).

Das Berufungsverfahren ist daher mit einem Verfahrensmangel behaftet, der die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht zur Fällung einer neuen Entscheidung, in der auch die Beweisrüge der Berufungswerberin zu behandeln sein wird, notwendig macht. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 50 und 52 ZPO begründet.

Anmerkung

E06133

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00518.85.0709.000

Dokumentnummer

JJT_19850709_OGH0002_0040OB00518_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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