Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl und Dr.Gamerith, sowie die Beisitzer Dr.Walter Urbarz und Franz Erwin Niemitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut A, Wirtschafter, Klöch, Gruisla Nr.50, vertreten durch Dr.Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dieter B, Weingutsbesitzer, Klöch, Klöchberg 73, vertreten durch Dr.Gerald Carli, Rechtsanwalt in Hartberg, wegen restlicher S 126.573,59 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 28. Februar 1985, GZ.2 Cg 6/85-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Bad Radkersburg vom 22. Oktober 1984, GZ.Cr 5/84-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 6.617,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 514,35 Umsatzsteuer und S 960,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war im Weinbau- und Kellereibetrieb des Beklagten seit Juli 1974 beschäftigt. Er behauptet, der Beklagte habe ihn am 23. Dezember 1983 aufgefordert, zwei Monate 'stempeln' zu gehen. Als sich der Kläger an den Beklagten wegen der Wiederaufnahme der Arbeit wandte, habe dieser mitgeteilt, daß er seinen Weinbaubetrieb bis auf weiteres stillgelegt habe und den Kläger bei allfälligem Arbeitsbedarf in der Landwirtschaft verständigen werde. Hierauf habe der Kläger Ansprüche wegen ungerechtfertigter Entlassung geltend gemacht. Der Beklagte habe hierauf geantwortet, daß der Kläger die Arbeit wieder aufnehmen könne, in Hinkunft aber nur mehr für Tage oder Stunden Arbeit vorhanden sein werde.
Der Kläger begehrt vom Beklagten an Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung den der Höhe nach außer Streit stehenden Betrag von insgesamt S 118.837,39
sowie weitere - teils nicht mehr strittige, teils nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens bildende - Beträge (Sonderzahlung 1983 und Schadenersatz) in der Höhe von zusammen
S 13.378,90
zusammen S 132.216,29. Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß der Kläger am 24.April 1983 ungerechtfertigt die Arbeitsaufnahme verweigert und daher keinen Anspruch auf Zahlung von Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung habe. Das Erstgericht nahm eine ungerechtfertigte Entlassung des Klägers durch den Beklagten am 23.Dezember 1983 an. Es sprach dem Kläger S 126.573,59 brutto s.A. zu und wies das Mehrbegehren von S 5.642,70 s. A. - durch den Kläger unbekämpft - ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs.1 Z.3 ArbGG von neuem und traf folgende wesentliche (mit den Feststellungen der ersten Instanz weitgehend übereinstimmende) Feststellungen:
Der Kläger wurde mit schriftlichem Dienstvertrag vom 22.Juni 1974 als 'Wirtschafter' auf unbestimmte Zeit eingestellt. Die Kündigungsfrist wurde mit drei Monaten vereinbart. Auf das Dienstverhältnis des Klägers findet der Kollektivvertrag für Arbeiter in Gutsbetrieben Anwendung. Der Kläger hatte alle im Weinbau- und Kellereibetrieb anfallenden Arbeiten zu verrichten. In der Land- und Forstwirtschaft des Beklagten war er nur insoweit beschäftigt, als dies im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Weinbaubetrieb stand.
Der Beklagte legte nach der Weinlese 1983 den Weinbaubetrieb wegen schlechter Geschäftslage still. Anläßlich der Abrechnung am 23. Dezember 1983 teilte der Beklagte dem Kläger - für diesen völlig überraschend - mit, daß das Geschäft nicht gut gehe und der Kläger zwei Monate 'stempeln' gehen möge. Am 1.März 1984 werde der Beklagte den Kläger wieder einstellen. Am 27.Dezember 1983 ersuchte der Kläger den Beklagten um einen Krankenschein. Hiebei teilte der Beklagte dem Kläger mit, daß er ihn bereits abgemeldet habe. In der Arbeitsbescheinigung vom 12.Jänner 1984 gab der Beklagte an, daß die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses wegen Arbeitsmangel erfolgt sei. Der Kläger bezog in der Folge Arbeitslosenunterstützung. Am 1. März 1984 fragte der Kläger beim Beklagten an, ob er die Arbeit wieder aufnehmen könne. Der Beklagte antwortete, er habe noch keinen Arbeitsbedarf. Der Kläger wiederholte seine Anfragen in 14-tägigen Abständen, wurde aber immer wieder vertröstet. Mit Schreiben vom 11. April 1984 begehrte der Kläger durch die Steiermärkische Landarbeiterkammer vom Beklagten seine Wiedereinstellung binnen drei Tagen. Der Beklagte antwortete darauf mit Schreiben vom 14.April 1984, daß er seinen Weinbaubetrieb stillgelegt habe und den Kläger bei Arbeitsbedarf in der Landwirtschaft und Weinkellerei sofort verständigen werde. Der Kläger forderte darauf vom Beklagten wegen ungerechtfertigter Entlassung die Zahlung von Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung. Am 19.April 1984 teilte der Beklagte der Frau des Klägers mit, daß er den Kläger 'halt für eine Woche anmelden werde, wenn dieser schon unbedingt bei ihm arbeiten wolle, dann müsse er aber wieder stempeln gehen'. Der Kläger könne die Arbeit am kommenden Mittwoch wieder aufnehmen. Am 20.April 1984 teilte der Beklagte der Frau des Klägers mit, daß dieser schon am kommenden Dienstag die Arbeit aufnehmen solle. Die Frau des Klägers fragte den Beklagten, ob der Kläger mit dem gleichen Monatslohn weiterarbeiten könne wie bisher. Der Beklagte erwiderte, daß dies nicht möglich sei. Der Kläger könne tage- oder stundenweise bei ihm arbeiten, darüber hinaus könne er für nichts garantieren.
Nach Rücksprache mit der Steiermärkischen Landarbeiterkammer nahm der Kläger die ihm unter diesen Bedingungen angebotene Arbeit beim Beklagten nicht mehr auf. Am 24.April 1984 teilte der Beklagte der Steiermärkischen Landarbeiterkammer mit, daß der Kläger die Arbeit noch nicht aufgenommen habe.
Das Berufungsgericht war der Ansicht, die Streitteile hätten das Dienstverhältnis nicht schon am 23.Dezember 1983 lösen wollen, da der Kläger wohl sonst alle bei Beendigung des Dienstverhältnisses entstandenen Ansprüche sogleich geltend gemacht hätte. Zwischen den Streitteilen sei vielmehr schlüssig das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden. Mit dem Schreiben vom 14. April 1984 habe der Beklagte deutliich zum Ausdruck gebracht, daß er nicht gewillt sei, den vertraglichen Verpflichtungen über die Wiedereinstellung des Klägers nachzukommen. Der Beklagte sei dadurch vertragsbrüchig geworden. Er habe aber mit diesem Schreiben keine Entlassung des Klägers vorgenommen, da eine auf vorzeitige Auflösung gerichtete Willenserklärung deutlich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erfolgen müsse. Erst durch die Verweigerung der Arbeitsaufnahme durch den Kläger trotz Aufforderung des Beklagten am 24.April 1984 habe der Kläger unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß er das Dienstverhältnis durch vorzeitigen Austritt zur Auflösung bringe. Dieser vorzeitige Austritt sei im Sinne des § 33 Z.3 der Steiermärkischen Landarbeitsordnung 1981 (LGBl.1981/25 = C 1981) berechtigt gewesen, da der Beklagte zum Ausdruck gebracht habe, den zwischen den Streitteilen bestehenden Dienstvertrag nicht mehr in der ursprünglichen Form einhalten zu wollen. Dem Kläger gebühre daher eine Kündigungsentschädigung, gemäß § 74 Abs.1 Z.2 C 1981 eine Urlaubsentschädigung und gemäß § 31 C 1981 eine Abfertigung. Auf die Höhe dieser Ansprüche sei nicht mehr einzugehen, da sie vom Beklagten außer Streit gestellt worden seien.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Beklagten ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Mit Recht macht der Revisionswerber geltend, daß der Kläger das Begehren auf Zahlung einer Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung nicht auf den vom Berufungsgericht als Anspruchsgrund herangezogenen begründeten vorzeitigen Austritt (nach dem 20.April 1984), sondern auf Entlassung durch den Beklagten am 23.Dezember 1983 stützte. Der Kläger machte auch ausdrücklich Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 25.Dezember 1983 bis 31.März 1984 und nicht für einen nach dem 20. April 1984 liegenden Zeitraum geltend. Die Außerstreitstellung durch den Beklagten bezog sich auf die in der Klage diesbezüglich geltend gemachten Ansprüche (Punkt 2. bis 4.).
Damit ist aber für den Beklagten im Ergebnis nichts gewonnen, weil der Meinung des Erstgerichtes, der Beklagte habe das Dienstverhältnis bereits am 23.Dezember 1983 ohne wichtigen im Gesetz anerkannten Grund einseitig aufgelöst, zuzustimmen ist. Zwischen den Streitteilen kam kein Aussetzungsvertrag schlüssig zustande. Der Aussetzungsvertrag unterscheidet sich von der Auflösung des Arbeitsverhältnisses dadurch, daß die Parteien ein (teilweises) Ruhen der beiderseitigen Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis - regelmäßig wohl für eine bestimmte oder doch bestimmbare Zeit - bei Aufrechterhaltung des Bestandes des Arbeitsverhältnisses vereinbaren (ähnlich 4 Ob 50/85). Ein auf Abschluß eines solchen Vertrages gerichteter Geschäftswille kann den Erklärungen und den weiteren Handlungen beider Streitteile - ausdrückliche Erklärungen des Klägers zu dieser Frage wurden nicht festgestellt - nicht mit der durch § 863 ABGB geforderten Zweifelsfreiheit entnommen werden. Der Kläger erklärte ausdrücklich, den Beklagten wieder einzustellen, also mit ihm am 1.März 1984 ein neues Dienstverhältnis einzugehen. Auch wenn man dem Wortlaut dieser Erklärung keine entscheidende Bedeutung beizumessen hätte, da mit der 'Wiedereinstellung' auch nur das Aufleben der Arbeits- und Entlohnungspflicht gemeint sein könnte, spricht das weitere Verhalten des Beklagten für den Willen, das Arbeitsverhältnis sofort aufzulösen, da er den Kläger bei der Krankenkasse abmeldete und in der Arbeitsbescheinigung Arbeitsmangel als Grund für die Lösung des Arbeitsverhältnisses angab. Gewiß ist es denkbar, daß die Parteien des Arbeitsvertrages zivilrechtliche Rechtsfolgen vereinbaren, die mit ihren Erklärungen gegenüber dem Sozialversicherungsträger und der Arbeitslosenversicherung in Widerspruch stehen, etwa weil sie dem Arbeitnehmer dadurch - sei es auch contra legem - gewisse Vorteile verschaffen wollen (so etwa in dem der Entscheidung 4 Ob 50/85 zugrunde liegenden Rechtsfall). Im Zweifel kann dies aber, wenn sowohl die nach dem Privatrecht als auch zur Herbeiführung sozialrechtlicher Wirkungen abgegebenen Erklärungen auf eine gänzliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses hindeuten, nicht angenommen werden. Der Kläger, der das Ansinnen des Beklagten, 'stempeln zu gehen', widerspruchslos hinnahm, konnte das Gesamtverhalten des Beklagten nur dahin verstehen, daß sein Dienstverhältnis aufgelöst sein sollte. Die Bemerkung des Beklagten, am 1.März des folgenden Jahres würde er den Kläger wieder einstellen, konnte vom Kläger nur als Zusage einer zukünftigen neuerlichen Beschäftigung aufgefaßt werden (Arb.7462). Daß der Kläger nicht unverzüglich Ansprüche aus der Beendigung seines Dienstverhältnisses erhob, bildet kein ausreichendes Indiz für das schlüssige Zustandekommen eines Aussetzungsvertrages. Der Kläger konnte ja, wenn er sich über seine arbeitsrechtlichen Ansprüche überhaupt im Klaren war, in erster Linie am Erreichen seiner Wiedereinstellung interessiert sein.
Die widerspruchslose Hinnahme der einseitigen Auflösungserklärung des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer läßt auch keineswegs zweifelsfrei auf dessen Willen schließen, das Arbeitsverhältnis auch seinerseits zu diesem Termin zu beenden (RdW 1984, 379; 4 Ob 69/83). Aus dem Unterbleiben eines Widerspruches des Klägers kann daher ebensowenig auf eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen werden, wie aus dem Umstand, daß der Kläger durch mehrere Monate keine Forderung nach Zahlung einer Kündigungsentschädigung erhob (4 Ob 69/83), sondern, als der versprochene Wiedereinstellungstermin herangekommen war, zunächst auf Erfüllung der Wiedereinstellungszusage drängte. Die Erklärung des Beklagten vom 23.Dezember 1983, das Geschäft gehe nicht gut, der Kläger solle 'stempeln' gehen, ist daher in Verbindung mit der sofortigen Abmeldung bei der Krankenkasse und der Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung, in der Arbeitsmangel als Lösungsgrund für das Beschäftigungsverhältnis bestätigt wurde, als fristlose vorzeitige Lösung des Arbeitsverhältnisses des Beklagten anzusehen. Da für diese vorzeitige Lösung kein vom Gesetz anerkannter Grund vorlag, steht dem Kläger gemäß § 35 Abs.1 C 1981 Kündigungsentschädigung, gemäß § 74 Abs.1 Z.1 C 1981 Urlaubsentschädigung und gemäß § 31 C 1981 idF LGBl.1982/31 Abfertigung zu. Die Höhe der begehrten Beträge steht außer Streit. Mit der Behauptung, zwischen den Streitteilen sei nur eine Kündigungsfrist von einem Monat vereinbart worden, weicht der Revisionswerber von den Feststellungen der zweiten Instanz ab. Eine Verfristung der Kündigungsentschädigung gemäß § 38 C 1981 wurde nicht eingewendet (Arb.8.900 mwN;
Arb.10.097).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E06241European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00088.85.0709.000Dokumentnummer
JJT_19850709_OGH0002_0040OB00088_8500000_000