TE OGH 1985/7/23 11Os97/85 (11Os98/85)

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Veröffentlicht am 23.07.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Juli 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mader als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erwin A und Johannes B wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1

und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Erwin A und Johannes B sowie den Antrag des zuletzt Genannten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 15.April 1985, GZ 18a Vr 203/85-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt, bzw zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Angeklagten Johannes B wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung bewilligt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erwin A wird zurückgewiesen.

Dagegen wird der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johannes B teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen (Schuldspruch wegen Diebstahles von Bargeld sowie im Zuspruch eines Entschädigungsbetrages von 32.745,40 S an den Privatbeteiligten Hubert C) unberührt bleibt, im Schuldspruch beider Angeklagter wegen des Diebstahles dreier Sparbücher, im Ausspruch eines 100.000 S übersteigenden Wertes der gestohlenen Sachen, in der rechtlichen Unterstellung der Tat und im (gesamten) Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) sowie im Ausspruch über die Verweisung des Privatbeteiligten mit seinem Mehrbegehren auf den Zivilrechtsweg aufgehoben und es wird die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

Im übrigen wird auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johannes B zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die beiden Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 24.Februar 1948 geborene beschäftigungslose Erwin A und der gleichfalls beschäftigungslose, am 9.März 1955 geborene Johannes B des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1 und 2 StGB schuldig erkannt. Ihnen liegt zur Last, am 21.Jänner 1985 in Feldkirch-Altenstadt in Gesellschaft als Beteiligte nach Aufbrechen eines Fensters und Einsteigen in einen Büroraum sowie durch gewaltsames Öffnen eines Wandschrankes 32.745,40 S Bargeld und drei (nicht vinkulierte) Sparbücher mit einem Gesamteinlagenstand von 290.446,52 S dem Hubert C gestohlen zu haben.

Gegen dieses Urteil meldeten beide Angeklagte fristgerecht die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung an. Alle Rechtsmittel wurden auch ausgeführt, die des Angeklagten B allerdings erst zehn Tage nach Ablauf der Frist des § 285 Abs. 1 bzw des § 294 Abs. 2 StPO, wobei B zugleich ansuchte, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelausführungsfrist zu bewilligen.

Zum Wiedereinsetzungsantrag:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß dem § 364 Abs. 1 StPO ist einem Beschuldigten (Angeklagten) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung (Ausführung) eines Rechtsmittels gegen ein Urteil zu erteilen, sofern er 1.) nachzuweisen vermag, daß es ihm durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Vertreters Verschulden unmöglich gemacht wurde, die Frist einzuhalten, 2.) um die Wiedereinsetzung innerhalb von vierzehn Tagen nach dem Aufhören des Hindernisses ansucht und 3.) die Anmeldung (Ausführung) zugleich anbringt.

Alle diese Voraussetzungen liegen hier vor:

Der Wiedereinsetzungswerber vermochte glaubhaft darzutun, daß die Fristversäumnis allein auf ein Versehen einer seit Jahren in der Kanzlei seines Verteidigers beschäftigten Hilfskraft zurückzuführen ist, die infolge unterlassener Eintragung im Terminkalender den Akt dem Verteidiger zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel verspätet vorlegte. Da diese Angestellte sich bisher durch Gewissenhaftigkeit und Verläßlichkeit auszeichnete, konnte der Vertreter des Angeklagten mit Recht darauf vertrauen, es werde auch in diesem Fall der richtige Termin von ihr wahrgenommen werden. Das unterlaufene Versehen ist daher weder dem Angeklagten noch seinem Vertreter als Verschulden anzulasten.

Mithin war über das Wiedereinsetzungsbegehren spruchgemäß zu

erkennen.

Zu den Nichtigkeitsbeschwerden:

Beide Rechtsmittelbewerber berufen sich in ihren Beschwerden allein

auf den Nichtigkeitsgrund der Ziffer 5 des § 281 Abs. 1 StPO.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A kommt keine

Berechtigung zu.

Zunächst wendet sich dieser Beschwerdeführer gegen die Urteilsausführung (im Rahmen der Beweiswürdigung), es hätten sich keine (konkreten) Anhaltspunkte für eine (bewußt wahrheitswidrige) Belastung seiner Person durch den Mitangeklagten B ergeben (siehe dazu S 237 d.A). Dazu verweist der Beschwerdeführer auf seine erste Einvernahme vor der Gendarmerie, auf seine Angaben vor dem Untersuchungsrichter und auf seine Verantwortung in der Hauptverhandlung, wonach er 'immer wieder betont' habe, er sei es gewesen, der den erhebenden Beamten die betreffenden Stiefel des B gezeigt habe und ihnen 'erlaubt' habe, sie mitzunehmen. Dem bleibt entgegenzuhalten, daß weder dem Inhalt der Gendarmerieanzeige (siehe S 63 d.A) noch dem vom Untersuchungsrichter verfaßten Vernehmungsprotokoll (ON 5 d.A) eine solche Erklärung des Beschwerdeführers zu entnehmen ist. Und auch in der Hauptverhandlung gab der Angeklagte A an, nicht zu wissen, warum er von B belastet werde, wobei er lediglich hinzufügte, B fühle sich vielleicht hineingelegt, weil er (A) den Gendarmeriebeamten die Stiefel gegeben habe (S 193 d.A). Diesem Verfahrensergebnis steht aber die bekämpfte schöffengerichtliche Argumentation nicht entgegen, zumal der Beschwerdeführer auch mit seinem zuletzt erwähnten Hinweis nicht mehr als eine bloß (entfernt) hypothetische Möglichkeit für eine Motivation des Mitangeklagten, ihn verleumderisch zu belasten, aufzeigt. Darauf brauchte das Erstgericht, das gehalten war, sich bei der Abfassung der Entscheidungsgründe einer gedrängten Darstellung (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) zu bedienen, nicht einzugehen.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers konnte aber auch die Tatsache, daß die Tat offenkundig von einer mit den örtlichen Gegebenheiten vertrauten Person verübt wurde und der Beschwerdeführer über solche Kenntnisse verfügte, (mit) als Indiz für die Täterschaft gewertet werden. Im übrigen stützte sich das Schöffengericht aber insoweit vor allem auf die belastende Aussage des Mitangeklagten (S 237 d.A).

Die weitere Rüge (Punkt 3 der Beschwerdeschrift) geht schon deshalb fehl, weil das Schöffengericht - der bezüglichen Beschwerdebehauptung zuwider - seine Überzeugung von der (Mit-)Täterschaft des Angeklagten A gar nicht auf den Umstand stützte, daß die von der Gendarmerie sichergestellten Stiefel vom Täter bei der Tatausführung getragen wurden.

Auch der Vorwurf einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung wegen Nichterörterung der Angaben des Karl D vor der Gendarmerie (Punkt 5, richtig wohl: 4 der Beschwerdeschrift) verfängt nicht. Denn nach dem Inhalt der Anzeige (S 65 d.A) bestätigte Karl D jene Umstände, die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang als für seine Entlastung bedeutsam angeführt werden, nicht. Schließlich vermag auch der Beschwerdeeinwand, es hätte die Tat, den näheren Umständen zufolge, auch von einer Person allein ausgeführt werden können, schon deshalb nicht zum Ziel zu führen, weil das Erstgericht diese Möglichkeit bei der Würdigung der Verfahrensergebnisse keineswegs ausschloß.

Keiner der behaupteten Begründungsmängel liegt somit vor. Mithin war diese Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO als offenbar unbegründet bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Dagegen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B teilweise Berechtigung zu.

Zwar kann dem Beschwerdeführer B nicht gefolgt werden, soweit er die Feststellung über die Höhe des gestohlenen Bargeldbetrages als offenbar unzureichend begründet bekämpft.

Diesbezüglich berief sich das Schöffengericht - aktengetreu - auf die Aussagen der Zeugen Christian E und Hubert C, die für die Annahme, es seien von den Tätern (zumindest) 32.745,40 S erbeutet worden, eine hinreichende Grundlage bieten. Wenn der Beschwerdeführer diese Aussagen unter Hinweis auf seine grundsätzlich geständige Verantwortung als unglaubwürdig bezeichnet, bekämpft er damit nur unzulässig - und damit unbeachtlich - die Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes.

In diesem Punkt war daher auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B - gleich jener des Angeklagten A - zurückzuweisen. Allerdings erhebt dieser Beschwerdeführer zu Recht den weiteren Vorwurf, es sei die Feststellung, daß die beiden Angeklagten auch in Ansehung der drei eingangs erwähnten Sparbücher mit dem Vorsatz handelten, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, unbegründet geblieben. Denn im Urteil findet sich dazu lediglich der Hinweis, daß dies der Ansicht des Gerichtes entspreche (S 239 d.A). Damit wird aber nichts darüber ausgesagt, auf Grund welcher Verfahrensergebnisse das Gericht zu dieser Überzeugung gelangte (vgl Mayerhofer/Rieder 2 E Nr 134 zu § 281 Z 5 StPO). Im vorliegenden Fall wiegt dieser Fehler besonders schwer, weil sich die Täter - wie der Schöffensenat weiter feststellte - schon unmittelbar nach der Tat ('auf dem Heimweg' - S 235 und S 239 d.A) wieder dieser Beutestücke entledigten, worin ein gegen einen Zueignungsvorsatz sprechendes Indiz erblickt werden könnte. Dieser formale Begründungsmangel, dessen Geltendmachung gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO auch dem Mitangeklagten A zustatten kommt, bewirkt die Nichtigkeit des Urteiles nach der Ziffer 5 des § 281 Abs. 1 StPO.

Da sich sohin zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war das angefochtene Urteil in diesem Umfang - und demgemäß auch im Strafausspruch sowie wegen des Zusammenrechnungsprinzipes (§ 29 StGB) in der rechtlichen Beurteilung der Tat insgesamt - aufzuheben und dem Erstgericht insoweit eine Verfahrenserneuerung aufzutragen (§ 285 e StPO).

Mit ihren dadurch gegenstandslos gewordenen Berufungen waren die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E06082

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00097.85.0723.000

Dokumentnummer

JJT_19850723_OGH0002_0110OS00097_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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