TE OGH 1985/7/23 11Os105/85

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Veröffentlicht am 23.07.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Juli 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mader als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rudolf A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengerichtes vom 11. April 1985, GZ. 18 Vr 3147/83-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 14.Jänner 1959 geborene Rudolf A 1. des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB und 2. des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe verurteilt, weil er in der Nacht vom 25. zum 26.September 1983 in Salzburg auf einer Baustelle dadurch, daß er die dort angetroffene französische Staatsbürgerin Francoise Claude B zu 1. mit beiden Händen am Hals angriff, als würde er sie würgen, sie zwang, sich auszuziehen, sich hinzulegen, um mit ihm einen Geschlechtsverkehr durchzuführen, durch gefährliche Drohung zum ae. Beischlaf nötigte; zu 2. nicht weggehen ließ, sie durch das Androhen von Schlägen dazu zwang, bei ihm auf der (auf der Baustelle errichteten) Liegestatt zu bleiben und ihr auch, als sie nach Vollziehung des Geschlechtsverkehrs zu fliehen versuchte, ein Messer an den Hals setzte, wodurch sie ernstlich befürchtete, der Angeklagte werde sie töten, von Mitternacht bis etwa 4 Uhr die persönliche Freiheit entzog. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z. 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung. Unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund (vgl. dazu Mayerhofer-Rieder, Nr. 92 zu § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO 2 ) rügt der Beschwerdeführer die Verlesung der mit Francoise B vor der Polizei aufgenommenen 'Vernehmungsprotokolle' in der Hauptverhandlung (am 11.April 1985) gegen seinen Widerspruch (S. 223). Der Rechtsmittelwerber vertritt auch die Meinung, die Verlesung der vom Untersuchungsrichter protokollierten Angaben der Zeugin (ON. 3) gemäß dem § 252 Abs. 1 Z. 1 StPO sei nicht zulässig gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist zunächst zu erwidern, daß es zu einer Verlesung von Angaben vor den Sicherheitsbehörden (hier: vor der Bundespolizeidirektion Salzburg, S. 13 bis 15) keiner Zustimmung eines Parteienvertreters bedarf. Denn gemäß dem § 252 Abs. 2 StPO müssen (u.a.) Urkunden und Schriftstücke, die für die Sache von Bedeutung sind - von dem hier nicht gegebenen Fall des Verzichts beider Parteien abgesehen -, vorgelesen werden. Zu diesen 'Urkunden und Schriftstücken' zählen auch die dem Gericht vorliegenden Akten der Sicherheitsbehörden.

Aber auch zur Verlesung gemäß dem § 252 Abs. 1 Z. 1 StPO bedarf es nicht der Zustimmung der Parteien. Voraussetzung einer solchen Verlesung ist - neben hier nicht interessierenden Fällen - die Unmöglichkeit, das persönliche Erscheinen eines Zeugen zur Hauptverhandlung zu bewerkstelligen. Das Tatopfer B, wie bereits erwähnt, eine französische Staatsangehörige, konnte weder im Weg der Interpol (s. dazu S. 213) noch durch die zuständigen französischen Justizbehörden (s. S. 175 ff.) ausgeforscht und für eine der Hauptverhandlungen stellig gemacht werden. Unter diesen Voraussetzungen entsprach auch die Verlesung des vom Untersuchungsrichter mit der Zeugin B aufgenommenen Protokolls (ON. 3) dem Gesetz. Weiterer Nachforschungen nach B bedurfte es - der Meinung des Beschwerdeführes

zuwider - nach Lage des Falles nicht. Daß die in Rede stehende Vernehmung durch den Untersuchungsrichter gegen die Vorschrift des § 167 StPO verstoßen haben soll, ist eine unbegründete Behauptung des Verteidigers (S. 223).

Durch die gemäß dem § 252 Abs. 1 Z. 1 StPO geboten gewesene Verlesung des vom Untersuchungsrichter mit Francoise Claude B aufgenommenen Zeugenprotokolles wurden mithin Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt. Die der Vorschrift des § 252 Abs. 2 StPO entsprechende Verlesung von Polizeiangaben vermag hier weder den geltend gemachten noch einen anderen im § 281 Abs. 1 StPO aufgezählten Nichtigkeitsgrund zu begründen. Unter Bezugnahme auf den § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO bringt der Beschwerdeführer - ohne einen formalen Begründungsmangel aufzuzeigen - nach Art einer Schuldberufung Argumente vor, die eine Unrichtigkeit der Angaben der Zeugin B indizieren sollen. Dabei übergeht er, daß das Erstgericht sich ausführlich mit (nicht wesentlichen) Widersprüchen in den Angaben der Zeugin bei der Polizei, wo sie mit den Beamten englisch sprach, und vor dem Untersuchungsrichter, welcher eine Dolmetscherin der französischen Sprache beizog, befaßte und diese Widersprüche - auch unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Tatopfers - in Ausübung freier Beweiswürdigung denkrichtig aufklärte (s. S. 232 unten bis 238 oben). Mit den Behauptungen, die Unterbrechung des Geschlechtsverkehrs vor dem Samenerguß oder eine Berührung der Haut des entkleideten Mannes mit den Fingern indiziere eine - vom Schöffengericht in freier Beweiswürdigung verneinte - Einwilligung der beiden Beteiligten zum Geschlechtsakt, bringt der Beschwerdeführer gleichfalls keinen gesetzlichen Nichtigkeitsgrund zur Darstellung. Er versucht nämlich auch in diesem Belang lediglich, die schöffengerichtliche Beweiswürdigung anzugreifen. Dasselbe gilt für das Beschwerdevorbringen, ein vorübergehendes Schlafen des Täters unter den vom Erstgericht festgestellten Verhältnissen schließe die Annahme einer Freiheitsbeschränkung aus. Zusammenfassend ergibt sich mithin, daß sich die Nichtigkeitsbeschwerde teils als unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO) und teils als nicht prozeßordnungsgemäß dargestellt (§ 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO i.V.m. § 285 a Z. 2 StPO) erweist, sodaß sie in einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen war. über die Berufung wird bei einem mit gesonderter Verfügung anzuberaumenden Gerichtstag entschieden werden (§ 296 Abs. 3 StPO).

Anmerkung

E06458

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00105.85.0723.000

Dokumentnummer

JJT_19850723_OGH0002_0110OS00105_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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