Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Egermann, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden und gefährdeten Partei Firma A, Bauträger- und Liegenschaftsverwertungsgesellschaft mbH, Wien 23., Breitenfurterstraße 282, vertreten durch Dr. Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Renate B, Arzthelferin, Wien 3., Beatrixgasse 14 b, vertreten durch Dr. Otto Kern und Dr. Wulf Kern, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung und Leistung sowie Abgabe einer Willenserklärung, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 29. März 1985, GZ 11 R 53/85-9, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 4. Jänner 1985, GZ 29 Cg 435/84-3, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei (im folgenden nur Beklagte) ist zu 1/3-Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 477 KG Oberlaa-Land. Mit Kaufvertrag vom 1. Oktober 1982 verkaufte sie ihre Miteigentumsanteile der klagenden und gefährdeten Partei (im folgenden nur Klägerin). Nach Punkt XII des Kaufvertrages erteilte die Beklagte im Hinblick auf die Dauer der Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin ihre Einwilligung zur Einverleibung eines Pfandrechtes für eine Darlehensforderung von maximal S 15 Mill. auf Kosten der Klägerin. Mit Vertrag vom 30. Mai 1983 bzw. 5. Juli 1983 vereinbarten die Parteien, den Kaufvertrag vom 1. Oktober 1982 mit Rücksicht auf die nunmehr mögliche Realteilung der Liegenschaft aufzuheben. Sie schlossen einen zweiten Kaufvertrag vom 17. Juni 1983 bzw. 2. August 1983, nach dessen Punkt
2) die Miteigentümer der Liegenschaft EZ 477 KG Oberlaa-Land am 14. Dezember 1982 die Realteilung der Liegenschaft gemäß dem von Dipl.Ing. Manfred C erstellten Teilungsplan beschlossen haben. Gegenstand des zweiten Kaufvertrages war das der Beklagten auf Grund dieses Teilungsplanes zukommende Trennstück (Baufläche A). Auch der zweite Kaufvertrag enthält unter Punkt XII eine dem Punkt XII des ersten Kaufvertrages gleichlautende Vertragsbestimmung. übereinstimmung herrscht zwischen den Streitteilen nunmehr darüber, daß mangels Zustimmung aller Miteigentümer eine Realteilungsvereinbarung zwischen den Miteigentümern der Liegenschaft nicht wirksam zustande gekommen ist. Die Beklagte erhob überdies zu 10 Cg 211/83 des Handelsgerichtes Wien Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des zweiten Kaufvertrages mangels eines bestimmbaren Kaufgegenstandes.
Die Klägerin behauptet, daß sie bei Abschluß des Aufhebungsvertrages betreffend den ersten Kaufvertrag und bei Abschluß des zweiten Kaufvertrages über das Vorliegen einer Realteilungsvereinbarung zwischen den Miteigentümern von der Beklagten listig in Irrtum geführt worden und das Vorhandensein eines Realteilungsabkommens Geschäftsgrundlage des Aufhebungsvertrages und des zweiten Kaufvertrages gewesen sei. Mit ihrer am 13. September 1984 zu 29 Cg 318/84 des Erstgerichtes eingebrachten Klage begehrt sie die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Aufhebungsvertrages und der Rechtswirksamkeit des ersten Kaufvertrages sowie die Verpflichtung der Beklagten zur übertragung ihres 1/3 Anteiles an der Liegenschaft EZ 477 KG Oberlaa-Land an die Klägerin. Mit ihrer Klage verband sie den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch Veräußerungs-, Belastungs- und Verpfändungsverbot.
Das Erstgericht erließ am 21. September 1984 das begehrte Verbot unter Auferlegung einer Sicherheitsleistung von S 1,5 Mill. Die Sicherheitsleistung wurde von der Klägerin nicht erlegt. Mit ihrer am 31. Dezember 1984 zu 29 Cg 435/84 eingebrachten weiteren Klage begehrt die Klägerin, gestützt auf die Punkte XII beider Kaufverträge, die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Einverleibung von Höchstbetragshypotheken von zusammen S 13,1 Mill. zugunsten der D E F ob ihrem Miteigentumsanteil an der obgenannten Liegenschaft einzuwilligen. Auch zur Sicherung dieses Anspruches begehrt die Klägerin ein einstweiliges Veräußerungs-, Belastungs- und Verpfändungsverbot sowie ferner die gerichtliche Abnahme und Verwahrung des beim Beklagtenvertreter befindlichen Rangordnungsbeschlusses vom 24. September 1984 über die beabsichtigte Veräußerung der Miteigentumsanteile der Beklagten. Die Beklagte habe ihre Liegenschaftsanteile mit Pfandrechten belastet und die Absicht, ihre Liegenschaftsanteile an Dritte zu verkaufen, und zu diesem Zwecke bereits den erwähnten Rangordnungsbeschluß erwirkt.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag im Umfang des begehrten Veräußerungs-, Belastungs- und Verpfändungsverbot zurück, im übrigen jedoch ab. Es vertrat die Auffassung, daß die Rechtskraft der bereits erlassenen einstweiligen Verfügung vom 21. September 1984 dem weiteren, inhaltlich gleichlautenden Sicherungsbegehren entgegenstehe. Den Antrag auf Abnahme und Verwahrung des Rangordnungsbeschlusses erachtete das Erstgericht mangels ausreichender Bescheinigung des Anspruches als nicht gerechtfertigt. Die beiden Rechtssachen verband das Erstgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin teilweise Folge. Es bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß im Umfang der Abweisung, erließ jedoch das begehrte Veräußerungs-, Belastungs- und Verpfändungsverbot. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Es nahm als bescheinigt an, daß nach Abschluß des zweiten Kaufvertrages auf dem Liegenschaftsanteil der Beklagten weitere vollstreckbare Pfandrechte einverleibt wurden und die Beklagte eine bis 23. September 1985 wirksame Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung ihres Liegenschaftsanteiles erwirkte. Das Rekursgericht lehnte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Rechtskraft der einstweiligen Verfügung vom 21. September 1984 der Erlassung der nunmehr begehrten einstweiligen Verfügung entgegenstehe, ab. Abgesehen davon, daß die einstweilige Verfügung vom 21. September 1984 nicht mehr vollstreckt werden könne, liege keine Identität der mit den beiden Verfügungen zu sichernden Ansprüche vor. Das Rekursgericht nahm auch eine ausreichende Anspruchsbescheinigung als gegeben an: Das Fehlen einer Realteilungsvereinbarung zwischen den Miteigentümern werde von der Beklagten nicht bestritten. Nach dem Inhalt der Auflösungsvereinbarung hätten die Parteien aber gerade wegen der Realteilungsvereinbarung die Aufhebung des ersten Kaufvertrages beschlossen. Aus dieser Vertragsbestimmung ergebe sich, daß die Parteien einem gemeinsamen Irrtum unterlegen seien, wenn nicht der Irrtum der Klägerin durch die Beklagte herbeigeführt worden sein sollte. Auch ein gemeinsamer Irrtum könne zur Vertragsaufhebung führen, was zur Folge habe, daß der erste Kaufvertrag vom 1. Oktober 1982 wieder Wirksamkeit erlange. Nach Punkt XII dieses Vertrages habe aber die Beklagte ihre Einwilligung zur Pfandrechtseinverleibung erteilt. Die Gefährdung der Klägerin ergebe sich aus den Pfandrechtseintragungen und der von der Beklagten erwirkten Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung. Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht berechtigt. Die am 26. Juni 1985 zur Post gegebene Revisionsrekursbeantwortung der Klägerin ist verspätet.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 402 EO beträgt die Frist für den Rekurs und auch für dessen Beantwortung 14 Tage. Da der Revisionsrekurs der Klägerin am 30. Mai 1985 zugestellt wurde, endete die Frist für die Revisionsrekursbeantwortung am 13. Juni 1985.
Der Auffassung der Beklagten über die Rechtskraftwirkung der einstweiligen Verfügung vom 21. September 1984 ist entgegenzuhalten, daß zwar auch Anträge auf Erlassung von einstweiligen Verfügungen ein Rechtsschutzbegehren enthalten. Beschlüsse, mit denen über solche Anträge entschieden wird, erwachsen daher analog nach § 411 ZPO in materielle Rechtskraft. Der Stellung eines neuen Antrages steht jedoch die Rechtskraft der Entscheidung über eine einstweilige Verfügung nur bei unverändertem Anspruchs- und Gefährdungssachverhalt entgegen (Fasching III 698). Wird daher aus dem gleichen Rechtsverhältnis bei gleichbleibendem Gefährdungstatbestand ein weiterer Anspruch erhoben, der bisher noch nicht geltend gemacht wurde, steht dessen Sicherung durch einstweilige Verfügung nicht die materielle Rechtskraft einer einen anderen, aus dem gleichen Rechtsverhältnis abgeleiteten Anspruch betreffenden einstweiligen Verfügung entgegen (vgl. SZ 41/103; SZ 22/190).
Dem Rekursgericht ist darin beizupflichten, daß zwischen dem Anspruch der Klägerin auf Zustimmung der Beklagten zur Pfandrechtsbegründung bereits vor Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin und dem vorher erhobenen Feststellungsanspruch mangels Deckungsgleichheit keine Identität besteht. Eine Anspruchsidentität liegt nur dann vor, wenn das neu gestellte Begehren sowohl inhaltlich dieselbe Leistung, Feststellung oder Rechtsgestaltung fordert, wie die rechtskräftig zuerkannte Leistung, als auch die zur Begründung des neuen Begehrens vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen dieselben sind, auf die sich auch die rechtskräftige Entscheidung gründet (Fasching LB Rz 1515). Abgesehen von der fehlenden Deckungsgleichheit der Begehren, erforderte der mit der zweiten Klage geltend gemachte Anspruch auch weitere Tatsachenbehauptungen über die Vereinbarung einer Pfandrechtsbestellung. Die Ableitung mehrerer Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis bewirkt noch keine Anspruchsidentität. Die Gleichheit der Sicherungsmittel ist für die Frage der materiellen Rechtskraft ohne Bedeutung. Die Rechtskraft der einstweiligen Verfügung vom 21. September 1984 stand daher entgegen der Meinung der Beklagten der Erlassung der bekämpften einstweiligen Verfügung nicht entgegen.
Die den Anspruch betreffenden neuen Tatsachenbehauptungen im Revisionsrekurs sind wegen des auch im Rechtsmittelverfahren gegen einstweilige Verfügungen geltenden Neuerungsverbotes (EvBl. 1983/144; ÖBl. 1979, 105 ua) unbeachtlich. Dem Gegner der gefährdeten Partei ist es zwar grundsätzlich nicht verwehrt, dem von der gefährdeten Partei behaupteten Anspruch durch Gegenbescheinigung entgegenzutreten. Der vor Erlassung der einstweiligen Verfügung nicht gehörte Gegner der gefährdeten Partei ist jedoch mit diesen Einwendungen auf das Widerspruchsverfahren verwiesen (6 Ob 697/78). Bei Beurteilung der Anspruchsbescheinigung ist davon auszugehen, daß das Gesetz im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung vom Antragsteller nicht den Beweis seines Anspruches verlangt, sondern sich mit dessen Glaubhaftmachung begnügt (SZ 51/39 ua). Die materielle Rechtslage ist daher keiner strengen Prüfung zu unterziehen (MietSlg. 33.754/28). Eine nach diesen Grundsätzen vorgenommene Auslegung der vorliegenden Urkunden ergibt aber, daß die Parteien bei Abschluß des Dissolutionsvertrages von der Möglichkeit der Realteilung der Liegenschaft ausgegangen sind und diese daher im Sinne des § 901 ABGB zur Bedingung des Aufhebungsvertrages gemacht haben. Unabhängig von der Frage der Irreführung oder eines gemeinsamen Irrtums ist damit aber bereits der von der Klägerin behauptete Anspruch mit einer für das Provisorialverfahren ausreichenden Wahrscheinlichkeit dargetan, weil die Unwirksamkeit des Dissolutionsvertrages die Rechtswirksamkeit des davon betroffenen Kaufvertrages vom 1. Oktober 1982 zur Folge hat, aus dem sich die Verpflichtung der Beklagten zur Pfandrechtsbestellung ergibt.
Mangels Bekämpfung der vom Rekursgericht - übrigens völlig zutreffend - angenommenen Gefahrenbescheinigung ist diese nicht zu erörtern (2 Ob 576/78; ähnlich zur Anspruchsbescheinigung 1 Ob 502/76).
Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 402, 78 EO und auf den §§ 40, 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E06274European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00604.85.0724.000Dokumentnummer
JJT_19850724_OGH0002_0070OB00604_8500000_000