Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Juli 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schrott als Schriftführer, in der Strafsache gegen Siegfried A wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB. über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 30.November 1984, GZ. 1 U 210/84-7, sowie das Urteil des Kreis- als Berufungsgerichtes Wels vom 29.April 1985, AZ. 15 Bl 5/85, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, jedoch in Abwesenheit des gehörig geladenen Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 30.November 1984, GZ. 1 U 210/84-7, verletzt insoweit, als Siegfried A damit schuldig erkannt wurde, das Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB. auch in der Zeit vom 8. Juli 1984 bis zum 29.November 1984 begangen zu haben, das Gesetz in der Bestimmung des § 267 (§ 447 Abs. 1) StPO.
Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im bezeichneten Umfang des Schuldspruches sowie im Strafausspruch aufgehoben, desgleichen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 29.April 1985, AZ. 15 Bl 5/85, soweit es den gesetzwidrigen Teil des gegenständlichen Urteils des Bezirksgerichtes Wels (einschließlich des Strafausspruches) betrifft. Gemäß §§ 288 Abs. 2 Z. 3, 292 StPO. wird im Umfang der Urteilsaufhebung in der Sache selbst erkannt:
Siegfried A wird für das ihm gemäß dem unberührt gebliebenen Teil des erstgerichtlichen Schuldspruches weiterhin zur Last fallende Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB. gemäß dieser Gesetzesstelle zu 3 (drei) Wochen Freiheitsstrafe verurteilt.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 30.November 1984, GZ. 1 U 210/84-7, wurde Siegfried A des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von vier Wochen verurteilt, weil er in der Zeit vom 6.März 1984 bis zum 29.November 1984 - jedoch mit Ausnahme des Zeitraumes vom 23.Juni 1984 bis zum 7.Juli 1984 (während dessen er sich in Haft befunden hatte) - seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber seinen minderjährigen (ehelichen) Kindern Claudia, Silke, Markus, Cornelia, Elisabeth und Jasmin A gröblich verletzt und dadurch bewirkt hat, daß der Unterhalt der Kinder ohne Hilfe von anderer Seite (Sozialhilfe) gefährdet gewesen wäre.
Mit dem Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 29. April 1985, AZ. 15 Bl 5/85, wurde auf die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit keine Rücksicht genommen und seine Berufung wegen Schuld und Strafe als unbegründet zurückgewiesen. Auf Grund dieser Urteile sind noch keine weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Verfügungen ergangen.
Rechtliche Beurteilung
Das eingangs bezeichnete Urteil des Bezirksgerichtes Wels steht insofern mit dem Gesetz nicht im Einklang, als der Schuldspruch auch die Verletzung der Unterhaltspflicht in der Zeit vom 8.Juli 1984 bis zum 29.November 1984 erfaßt. Denn bei der Hauptverhandlung am 30. November 1984 beantragte der Bezirksanwalt im Schlußantrag (§ 457 StPO.) die Bestrafung des Beschuldigten 'im Sinne des schriftlichen Strafantrages' (S. 29). Der betreffende schriftliche Antrag auf Bestrafung des Siegfried A wegen des Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB. (§ 451 Abs. 1 StPO.) war am 2.Juli 1984 gestellt worden (S. 1 a); er konnte sich denknotwendig nicht auf künftige Ereignisse, sondern nur auf ein Verhalten des Beschuldigten bis zu jenem Tag erstrecken. Eine Ausdehnung der Anklage auf ein Tatverhalten bis zum Tag vor der Hauptverhandlung ist demnach - anders als im Fall der Entscheidung EvBl. 1979/211, in dem der Schlußantrag immerhin auf 'Anwendung des Gesetzes' (§ 457 StPO.) lautete - durch die bloße Bezugnahme auf den schriftlichen Strafantrag (wie auch sonst) nicht erfolgt (vgl. EvBl. 1980/41, SSt. 51/27 u.a.). Soweit der Schuldspruch eine Verletzung der Unterhaltspflicht durch den Beschuldigten nach dem 2. Juli 1984 - nämlich in der Zeit vom 8.Juli 1984 bis zum 29. November 1984 - erfaßt, hat das Bezirksgericht Wels folglich die Anklage überschritten und damit das Gesetz im § 267 (§ 447 Abs. 1) StPO. verletzt, da es an die Anträge des Anklägers insoweit gebunden war, als es den Beschuldigten nicht wegen einer Tat verurteilen durfte, auf welche die Anklage weder ursprünglich gerichtet noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt worden war. Auf den dem Urteil des Bezirksgerichtes sohin anhaftenden Nichtigkeitsgrund (§§ 468 Abs. 1 Z. 4, 281 Abs. 1 Z. 8 StPO.) konnte allerdings, da ihn der Angeklagte nicht geltend gemacht hatte, vom Kreisgericht Wels als Berufungsgericht, das diesen Umstand wahrgenommen und ein Vorgehen gemäß § 33 Abs. 2 StPO. angeregt hat, selbst keine Rücksicht genommen werden (§ 477 Abs. 1 StPO.).
Der deshalb von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO. zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben und der die Anklage überschreitende Teil des Schuldspruches und des Strafausspruches sowie die sich darauf beziehende Rechtsmittelentscheidung aufzuheben.
Bei der sonach vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Strafneubemessung war kein Umstand mildernd; erschwerend hingegen die einschlägige Vorstrafe und die Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber mehreren Kindern.
Eine Freiheitsstrafe von 3 Wochen erschien angemessen. Deren bedingte Nachsicht schied wegen des Vorlebens des Angeklagten und seiner beharrlichen Weigerung, eine geregelte Beschäftigung anzunehmen, aus.
Anmerkung
E06177European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00087.85.0730.000Dokumentnummer
JJT_19850730_OGH0002_0100OS00087_8500000_000