Index
L82000 Bauordnung;Norm
BauRallg;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der Priwalow & Söhne Privatstiftung in Gmunden, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger, Dr. Otto Urban, Mag. Andreas Meissner und Mag. Thomas Laherstorfer, Rechtsanwälte in 4810 Gmunden, Franz-Josef-Platz 16, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 4. Februar 2005, Zl. BauR-013465/1-2005-Ba/En, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde Gmunden, 2. Rudolf Steiner in Gmunden, vertreten durch Grassner Lenz Thewanger & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Elisabethstraße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenbegehren der erstmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit Eingabe vom 18. Juli 2004 beantragte die zweitmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung "für die Instandsetzung und die Aufstockung eines Dachgeschosses, Liegenschaft Rinnholzplatz 4, Parz. Nr. .108, KG Gmunden". Das Baugrundstück liegt im Bauland-Kerngebiet. Es gilt der Bebauungsplan "Altstadt", der eine Bebauung mit drei Vollgeschossen vorsieht.
An der Nordseite grenzt an das Baugrundstück das Grundstück Nr. 109/2 der Beschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführerin wendete - soweit für das Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung - ein, dass der geltende Bebauungsplan lediglich die Errichtung von drei Vollgeschossen gestatte, mit dem eingereichten Projekt jedoch eine viergeschossige Bebauung geplant sei. Der Dachgeschossausbau sei nicht als ausgebauter Dachraum im Sinne des § 2 Z 1 Oö BauTG zu beurteilen, da der Bauwerber die Errichtung einer Loggia mit Fenster und Türen an der Vorderseite beabsichtige und auch die sonstigen Tatbestandsmerkmale des § 2 leg. cit. nicht vorlägen. Der Bauwerber bezeichne des Geschoss selbst im Plan als "Dachgeschoss".
Der Amtssachverständige führte in der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2004 (im hier interessierenden Umfang) aus, der vorliegende Einreichplan entspreche im Wesentlichen den Planungsgrundsätzen des Bebauungsplanes. Bei den geplanten Um- und Zubauarbeiten im Dachbereich handle es sich um den Ausbau eines Dachraumes und nicht um die Errichtung eines Voll- oder Dachgeschosses, weil der Dachstuhl mit dessen Fußpfette unmittelbar auf der bestehenden bzw. neu errichteten Geschossdecke zu liegen komme bzw. die Übermauerung nur geringfügig (etwa 24 cm) ausfalle. Die geplanten Baumaßnahmen beschränkten sich auf den südlich gelegenen und derzeit bereits dreigeschossigen Baukörper. Der zwischen diesem Baukörper und dem Nachbarobjekt auf dem Grundstück Nr. .109/2 befindliche, eingeschossige Gebäudeteil bleibe im Wesentlichen von den geplanten Um- und Zubaumaßnahmen unberührt. Lediglich die bestehende, an der nordostseitigen Grundgrenze befindliche Garage werde geringfügig geändert. Das bestehende, Richtung Nordwesten vorspringende Pultdach soll mit dem darunter liegenden Garageneinfahrtstor abgebrochen werden. Die neue Außenmauer der Garage soll mit dem Einfahrtstor fluchtgleich mit dem nordostseitigen Nachbargebäude ausgeführt werden. Die auf Nachbargrund befindliche Außenmauer der derzeitigen Garage werde nicht abgebrochen. Die Oberkante solle mit einer Blechverkleidung abgedeckt werden. Die Garage selbst werde Richtung Südwesten um ca. 70 cm verbreitert. Die neu geschaffene massive Außenmauer mit Vollwärmeschutzsystem werde unterhalb im Bereich des bestehen bleibenden Geschäftslokales (ehemalige Glaserei) auf Stahlbetonsäulen mit Einzelfundamenten aufgestellt. Der dreigeschossige (von Umbaumaßnahmen betroffene) Gebäudeteil werde mit einem ca. 42 Grad geneigten Walm- bzw. Krüppelwalmdach abgedeckt, wobei sich durch die Grundrissform des Gebäudes und durch die planerische Absicht der Einhaltung einer gleichen Traufenhöhe zwei unterschiedlich hohe Dachfirste ergeben. Die Traufe befinde sich gegenüber dem planlich dargestellten +-0,00 auf +10,33 m. Der First des niedrigeren Gebäudeteils befinde sich auf +13,70 m und jener des höheren Gebäudeteils (im Bereich der Wohnung) auf +15,30 m. Durch die Sanierung bzw. Adaptierung des Daches soll der entstandene Dachraum zur Gänze ausgebaut werden und eine Wohneinheit mit ca. 73 m2 entstehen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 16. September 2004 wurde die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen erteilt. Unter Punkt 2) der Nebenbestimmungen wurde angeordnet, dass der Baubehörde vor Baubeginn eine planliche Darstellung der Änderung des ausgebauten Dachraumes sowie der Bauausführung (Dachflächenfenster) im Bereich der ursprünglich geplanten Loggia zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen sei. Zum Dachraum wird in der Begründung dieses Bescheides ausgeführt, dass dieser (dem Grundstück der Beschwerdeführerin jedoch nicht zugewandte Bauteil) zwei Giebelmauern aufweise, die der Beschwerdeführerin zugewandte Nordseite jedoch mit nur fünf Dachflächenfenstern ausgebildet sei. Die Dachkonstruktion mit zwei Giebelmauern weise nur Dachflächenfenster auf. Der ausgebaute Dachraum habe keine Übermauerung, vielmehr liege die Dachkonstruktion direkt auf der Decke des dritten Obergeschosses, dies bedeute, dass die Traufen auf dem Niveau der obersten Geschossdecke seien.
Die in Erfüllung des Auflagenpunktes 2) des Baubewilligungsbescheides erfolgte Vorlage der Pläne betreffend die neugeplanten Dachflächenfenster wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 20. Dezember 1994 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und die Baubewilligung unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren vorgelegten Pläne erteilt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin mit der Feststellung keine Folge gegeben, dass die Beschwerdeführerin durch den Berufungsbescheid in ihren Rechten nicht verletzt wird. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die vom bautechnischen Amtssachverständigen getroffene Aussage, die Übermauerung betrage 24 cm, der planlichen Darstellung im Plan "Schnitt A-A" entspräche und somit weit unter dem höchsten zulässigen Ausmaß von 1,20 m liege. In der Dachhaut seien nur Dachflächenfenster (5 nördlich, 4 südlich) vorgesehen. Zwei Fenster seien in der südlichen Giebelwand geplant. Deren Zulässigkeit ergäbe sich aus der Ausnahmeregelung des § 2 Z. 1 lit. c Oö BauTG 1994. Im Beschwerdefall seien somit die Voraussetzungen für einen "ausgebauten Dachraum" im Sinne des § 2 Z. 1 Oö BauTG 1994 erfüllt. Dieser sei in die Gesamtgeschosszahl nicht einzuberechnen. Ein "Dachgeschoss" nach § 2 Z. 25 lit. a Oö BauTG 1994 liege nur dann vor, wenn die Begriffsmerkmale eines ausgebauten Dachraumes vor allem hinsichtlich der Höhe der Übermauerungen und der Fenster überschritten werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im "Recht auf Einhaltung des geltenden(den) Bebauungsplanes verletzt". Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligten Parteien erstatteten ebenfalls Gegenschriften mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin ist Nachbar im Sinne des § 31 Abs. 1 Z. 1 Oberösterreichische Bauordnung 1994 (in der Folge: BO). Sie hat rechtzeitig gegen das Bauvorhaben der zweitmitbeteiligte Partei Einwendungen gemäß § 31 Abs. 4 BO (betreffend die Gebäudehöhe) erhoben.
Auch vor dem Verwaltungsgerichtshof vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, mit dem bewilligten Um- und Zubau werde gegen den Bebauungsplan, der eine Beschränkung der Gebäudehöhe mit drei Vollgeschossen vorsähe, verstoßen. Der projektierte Ausbau des Dachraumes sei als Vollgeschoss zu werten. Bereits der vorgesehene Einbau einer Tür verhindere die Annahme, es liege ein Dachraum gemäß § 2 Z. 1 lit. c Oö BauTG 1994 vor. Über dem Dachraum befinde sich ein weiterer Dachraum, weshalb die darunter liegende Wand keine Giebelwand darstellen könne. Der ausgebaute Dachraum habe mehr als zwei Giebelmauern.
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Oberösterreichischen Bautechnikgesetzes 1994 (in der Folge: BauTG) haben folgenden Wortlaut:
"§ 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:
1. Ausgebauter Dachraum: ein Dachraum,
a) in dem Einbauten vorhanden oder möglich sind, die durch Wände, Dachschrägen oder Decken umschlossen sind,
b) der Übermauerungen bis höchstens 1,20 m über der Rohdeckenoberkante aufweist und
c) in dem Fenster - außer in Giebelwänden - nur in Gaupenform oder als Dachflächenfenster ausgeführt werden;
ein ausgebauter Dachraum ist in die Gesamtgeschosszahl nicht
einzurechnen;
...
14. Dachraum: ein von der Dachhaut und den Giebelwänden umschlossener Raum über der obersten Vollgeschossdecke;
...
25. Geschoss:
a) Dachgeschoss: ein Geschoss über dem obersten Vollgeschoss, das - insbesondere durch die Höhe der Übermauerungen oder durch Fenster in diesen - die Begriffsmerkmale eines ausgebauten Dachraums überschreitet, ohne jedoch diejenigen eines Vollgeschosses zu erreichen; ein Dachgeschoss ist in die Gesamtgeschosszahl einzurechnen, außer der Bebauungsplan legt etwas anderes fest;
...
d) Vollgeschoss: jedes zur Gänze und in voller lichter Raumhöhe vom aufgehenden Außenmauerwerk oder von Außenwänden umschlossene Geschoss; Umfassungswände im Dachraum gelten nicht als Außenwände;
..."
§ 2 Z. 14 BauTG definiert den Dachraum als einen von der Dachhaut und den Giebelwänden umschlossenen Raum über der obersten Vollgeschossdecke. Unerheblich für die Qualifikation als Dachraum ist somit die Anzahl der vorhandenen Giebelwände. Den Projektsunterlagen ist nicht zu entnehmen, dass der hier zu beurteilende Dachraum auch von anderen Außenwänden als Giebelwänden umschlossen wäre. In der Beschwerde wird derartiges ebenfalls nicht behauptet.
Der hier zu beurteilende Ausbau über dem obersten Vollgeschoss erfüllt die im § 2 Z. 1 BauTG normierten Voraussetzungen für einen ausgebauten Dachraum und ist daher nicht in die Gesamtgeschosszahl einzurechnen. Räume werden über Verbindungsöffnungen erreicht, welche grundsätzlich durch Türen abgeschlossen werden. Nichts anderes kann für einen (ausgebauten) Dachraum gelten, sofern nicht Gegenteiliges angeordnet ist (siehe z. B. § 12 BauTG betreffend Feuermauern). Der Einwand der Beschwerdeführerin, ein ausgebauter Dachraum könne im Beschwerdefall schon deshalb nicht vorliegen, weil eine Tür vorgesehen sei, ist nicht nachvollziehbar und mit der Begriffsbestimmung des § 2 Z. 1 BauTG nicht in Einklang zu bringen.
Ein Dachgeschoss im Sinne des § 2 Z. 25 lit. a BauTG liegt nur dann vor, wenn die im § 2 Z. 1 leg. cit. aufgezählten Begriffsmerkmale eines ausgebauten Dachraums überschritten werden und noch kein Vollgeschoss vorliegt. Beispielsweise werden im § 2 Z. 25 lit. a BauTG das Überschreiten der Höhe der Übermauerung und die Ausführung der Fenster nicht im Sinne der Anordnung des § 2 Z. 1 lit. c BauTG genannt. Unerheblich für die Qualifikation als ausgebauter Dachraum ist daher auch, ob über dem im Dachraum vorhandenen Einbau gemäß § 2 Z. 1 lit. a BauTG ein weiterer Dachraum vorhanden ist.
Mit dem unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erstatteten Beschwerdevorbringen zeigt die Beschwerdeführerin ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die nach Bewilligung des Bauvorhabens durch die Baubehörde erster Instanz vorgelegten Pläne beinhalten die im erstinstanzlichen Verfahren erörterten und mit Auflage vorgeschriebenen Abänderungen des ursprünglich eingereichten Projektes. Erst mit diesen Änderungen wurde dem Einwand der Beschwerdeführerin, das Vorhaben entspräche nicht dem Bebauungsplan, bezüglich der vorgeschriebenen Geschossanzahl Rechnung getragen. Der Beschwerdeführerin wurde diese Projektsänderung zur Kenntnis gebracht. Eine Äußerung hiezu erfolgte durch die Beschwerdeführerin nicht. Die Berufungsbehörde hat im Sinne der dem § 13 Abs. 8 AVG innewohnenden Prozessökonomie über den so geänderten Antrag des mitbeteiligten Bauwerbers frei von Rechtsirrtum entschieden. Eine wesentliche Änderung des Bauvorhabens war mit der bewilligten Änderung des Bauvorhabens nicht verbunden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenersatzbegehren der erstmitbeteiligten Gemeinde war abzuweisen (angesprochen wird Schriftsatzaufwand), weil sie nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war und weil sich § 49 Abs. 1 VwGG idF der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 auch auf § 48 Abs. 3 Z 2 VwGG bezieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, Zl. 96/08/0269).
Wien, am 28. Juni 2005
Schlagworte
Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Planung Widmung BauRallg3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005050099.X00Im RIS seit
12.08.2005