Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Ho9n.-Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Barbara P*****, vertreten durch Dr. Eberhard Molling, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Konrad D*****, vertreten durch Dr. Arne Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 590.000 S samt Nebengebühren, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. November 1983, GZ 5 R 298/83-64, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 5. Mai 1983, GZ 7 Cg 299/80-59, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 15.221,70 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.200 S Barauslagen und 1.274,70 S Umstatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei betreibt den W*****lift in *****, der von der beklagten Partei im Jahre 1969 geliefert und montiert wurde. Am 12. 2. 1974 brach während des Betriebs des Liftes ein Stützlagerzapfen im Getriebe. Die klagende Partei war nicht bereit, der beklagten Partei die Reparaturkosten zu bezahlen, und macht mit der vorliegenden Klage einen Verdienstentgang für die restliche Wintersaison 1973/74 geltend. Die beklagte Partei bestritt ihre Haftung für eine allfällige Schadhaftigkeit des von der Schweizer Firma K***** gelieferten Getriebes.
Die Erstrichterin wies das Klagebegehren ab. Nach ihren Feststellungen waren die Allgemeinen Lieferbedingungen des Fachverbandes der Maschinen- und Stahlindustrie Österreichs aufgrund der (von der klagenden Partei gegengezeichneten) Auftragsbestätigung vom 28. 11. 1969 Bestandteil des Vertrags der Streitteile. Diese Allgemeinen Lieferbedingungen enthalten unter anderem die Bestimmung, dass der Verkäufer dem Käufer keinen Schadenersatz für Gewinnentgang zu leisten hat, sofern sich nicht aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, dass dem Verkäufer grobes Verschulden zur Last fällt. Die Betriebsgenehmigung für den Schlepplift wurde am 9. 12. 1969 von der Bezirkshauptmannschaft Reutte aufgrund eines Prüfberichts des Dipl.-Ing. Fritz M***** erteilt, wobei ein Erlass des BMHW berücksichtigt wurde, der anerkannte Regeln und den neuesten Stand der Technik foderte. Es wurde festgestellt, dass die Anlage im Wesentlichen plan- und sachgemäß erstellt worden sei.
Das Getriebe mit dem Stützlagerzapfen wurde von der Firma K***** in Z*****, einem international bekannten Getriebshersteller mit langjähriger Erfahrung im Seilbahn- und Schleppliftgetriebebau mit einem Anteil am Weltmarkt von etwa 40 %, aufgrund einer jahrelangen Geschäftsverbindung an die beklagte Partei geliefert. Die Firma K***** hatte überprüft, ob die von der beklagten Partei gewählten Getriebegröße den Belastungen entspreche. Bei der beklagten Partei selbst bestand die Eingangskontrolle in einer Überpüfung der Identität des gelieferten Getriebes mit dem bestellten, einer Überprüfung der Abmessungen und einem Probelauf ohne Belastung in der Werkstatt. Ein Dauerbruch eines Stützlagerszapfens war vor dem gegenständlichen Schadensfall bei Schleppliften überhaupt nicht bekannt gewesen. Die Ursache für den Bruch des strittigen Stützlagerzapfens lag in einem technischen Fehler bei der Herstellung durch die Firma K*****. Es konnte aber nicht geklärt werden, ob dieser Fehler in einer zu geringen Dimensionierung oder in einer falschen Formgebung der Welle bestand. Ein Nachweis, dass der Zapfen brechen musste, konnte nicht erbracht werden; er war aber bruchgefährdet. Im Zeitpunkte der Fertigung des Zapfens waren die Methoden zur Berechnung der Dauerfestigkeit in der Lehre noch stark umstritten, sie sind auch heute noch nicht voll gesichert. Die von der Behörde geforderte fünffache statische Sicherheit war gegeben. Erst nach dem Schadensfalll wurden alle ähnlichen Konstruktionen von der Firma K***** nach der nunmehrigen Berechnungsmethode nachgerechnet und alle gefährdeten Getriebewellen ausgetauscht.
Nach der Rechtsansicht des Erstgerichts könnte sich das Klagebegehren infolge Ablaufs der gesetzlichen und der vertraglichen Gewährleistungsfristen nur auf den Titel des Schadenersatzes stützen. Die Haftungsbeschränkung in den Allgemeinen Lieferbedingungen komme nicht zum Tragen, weil sie für den vorliegenden Fall des Verdienstentgangs nicht vereinbart worden sei. Infolge des Kaufes des Getriebes bei einem weltbekannten Getriebehersteller falle der beklagten Partei kein Auswahlverschulden zur Last. Sie habe aber auch die zumutbaren Kontrollen vorgenommen und hätte einen Konstruktionsfehler selbst bei einer genaueren Überprüfung nicht bemerken können. Im Übrigen falle auch der Zulieferfirma kein Verschulden an den technischen Fehler bei der Herstellung des Stützlagerzapfens zur Last, weil die Methoden der Berechnung der Dauerfestigkeit im Jahre 1969 noch umstritten waren und nicht einmal die genaue Ursache des Bruches festgestellt werden konnte.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstrichters und trat dessen rechtlicher Beurteilung mit der Ergänzung bei, dass auch eine Haftung des Produzenten für seine Erfüllungsgehilfen, wozu aber der Händler gar nicht zähle, für reine Vermögensschäden eines Dritten nicht bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Die Revisionswerberin meint, dass der Konstruktionsfehler des Stützlagerzapfens die Produktehaftung auslösen müsse, weil die beklagte Partei allein ihr als Herstellerin der Anlage gegenübergetreten sei und auch einen fremden Bestandteil einer entsprechenden Kontrolle hätte unterziehen müssen, zumal es sich um ein gefahrenträchtiges Erzeugnis handelte. Der beklagten Partei sei es nicht gelungen, ihre Schuldlosigkeit bzw die Einhaltung der Sorgfaltspflicht zu beweisen.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Nach der zutreffenden rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen ist ein Händler im Allgemeinen nicht verpflichtet, eigene kostspielige Versuche zur Prüfung der Tauglichkeit einer verkauften Ware vorzunehmen. Er kann sich regelmäßig auf die vom Produzenten gegebenen Hinweise verlassen, soferne er nicht aufgrund ihm bekannt gewordener Schadensfälle Zweifel an deren Richtigkeit haben muss (SZ 54/13, SZ 54/116 ua). Im vorliegenden Fall war der beklagten Partei, die das Getriebe für die Schleppliftanlage bei einem international bekannten Zulieferer kaufte, eine Überprüfung dieses Getriebes auf das mögliche Vorhandensein eines Konstuktionsfehlers weder zumutbar noch wäre sie geeignet gewesen, den in den Einzelheiten nicht einmal heute rekonstruierbaren Konstruktionsfehler festzustellen. Besonderheiten der Produzentenhaftung kommen schon deshalb nicht zum Tragen, weil nicht der Produzent des schadhaften Getriebes, sondern der Endlieferant unmittelbar aus dem mit ihm geschlossenen Vertrag in Anspruch genommen wird.
Die beklagte Partei war allerdings nicht bloß Verkäufer und Händler, sondern infolge der Anfertigung der Schleppliftanlage nach den besonderen Bedürfnissen der klagenden Partei wohl Werkunternehmer. Sie scheint insofern auch als Produzent der gesamten Anlage aufgetreten zu sein; in diesem Fall träfen sie die Überwachungs- und Kontrollpflichten des Produzenten selbst, weil ihm vertraut wird (Bydlinski in Klang2 IV/2, 186; SZ 52/74). Überdies wäre zu prüfen, ob der Erzeuger des Bestandteils nicht ausnahmsweise (vgl SZ 52/74 mwN ua) als Erfüllungsgehilfe des Werkunternehmers anzusehen ist (so allg Reischauer zuletzt in Rummel, ABGB II, Rz 40 ff zu § 1295), obwohl in einer arbeitsteiligen Wirtschaft regelmäßig nicht angenommen werden kann, dass ein Werkunternehmer alle Bestandteile selbst herstellt (Koziol, Haftpflichtrecht2 II 340 mwN).
Diesen Fragen kommt aber hier keine entscheidende Bedeutung zu, weil entgegen der Ansicht des Erstgerichts schon der von der beklagten Paetei eingewendete Haftungsausschluss nach den dem Vertrag zugrundegelegten Allgemeinen Lieferbedingungen zur Klagsabweisung führen muss. Da die klagende Partei einen ursprünglichen Materialfehler behauptet, muss sie auch die Vertragsbestimmung gegen sich gelten lassen, dass die beklagte Partei für Verdienstentgang nur im Falle groben Verschuldens haftet. Wer für den höheren Verschuldensgrad in einem Fall der Vertragshaftung nach § 1298 ABGB beweispflichtig ist (vgl SZ 44/87 uva und dagegen Reischauer aaO Rz 10 zu § 1298 mwN), kann hier dahingestellt bleiben, weil grobe Fahrlässigkeit selbst auf Seite des Getriebeherstellers nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen keinesfalls vorliegt.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Textnummer
E119014European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00604.840.0730.000Im RIS seit
18.08.2017Zuletzt aktualisiert am
18.08.2017