Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Juli 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schrott als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl A wegen des Vergehens des Ansammelns von Kampfmitteln nach § 280 Abs. 1 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Klagenfurt vom 24. April 1985, GZ 29 Vr 2062/84-62, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Essenther zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß §§ 290 Abs. 1, 344 StPO wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit d WaffG (Punkt 2 des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch im Strafausspruch (unter Aufrechterhaltung des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und gemäß § 351 StPO in der Sache selbst erkannt:
Karl A wird wegen des ihm laut Punkt 1 des Urteilssatzes weiterhin zur Last fallenden Vergehens des Ansammelns von Kampfmitteln nach § 280 Abs. 1 erster Fall StGB gemäß dieser Gesetzesstelle zu 1 (einem) Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2.November 1953 geborene, zuletzt beschäftigungslose Kraftfahrzeugmechaniker Karl A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen (1.) des Vergehens des Ansammelns von Kampfmitteln nach § 280 Abs. 1 (zu ergänzen: erster Fall) StGB und (2.) des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit d WaffG schuldig erkannt.
Darnach hat er ab einem nicht näher bekannten Zeitpunkt bis zum 27. Juli 1984 - hinsichtlich eines Maschinenpistolentrommelmagazins, eines Maschinenpistolenschlosses und dreier Maschinenpistolenstangenmagazine bis zum 3.Oktober 1984 - in St.Veit a. d.Glan
(zu 1.) einen Vorrat an Waffen, der nach Art und Umfang geeignet war, eine größere Anzahl von Menschen zum Kampf auszurüsten, nämlich zehn Maschinenpistolen der Marke Thompson, Kaliber 4,5 mm (richtig:
0,45 Zoll != ca. 12 mm , vgl S 11) mit Magazinen, ein Maschinenpistolentrommelmagazin, ein Maschinenpistolenschloß und drei Maschinenpistolenstangenmagazine angesammelt;
(zu 2.) das zu 1. beschriebene Kriegsmaterial unbefugt besessen. Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf '§ 281 Zif. 4 StGB' (gemeint: § 345 Abs. 1 Z 5 StPO) gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
In der Hauptverhandlung beantragte (S 435, 436) der Verteidiger die Einvernahme des Zeugen Bernhard B zum Beweis dafür, 'daß dieser vom Angeklagten die Uhr seinerzeit bekommen hat, ferner zum Beweis der Richtigkeit der Verantwortung des Angeklagten in bezug auf den Uhrenverkauf'. 'Zu diesem Beweis' wurde ferner die Einvernahme des Zeugen Franz A (Vater des Angeklagten) sowie der Stefanie A (Mutter des Angeklagten) beantragt. Wie lediglich aus dem Zusammenhang entnommen werden kann, sollte durch diese Beweismittel ersichtlich der Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch verholfen werden, daß er vor rund 20 Jahren mehrere Uhren (Wanduhren und Taschenuhren - S 431) geschenkt erhalten habe, wovon er eine Wanduhr schon zu jener Zeit seinem Jugendfreund Bernhard B im Eintausch gegen Briefmarken überlassen, eine zweite Wanduhr jedoch im Juni 1984 an Michael C um 40.000 S verkauft habe (S 430) und demnach die von diesem erhaltenen (zwei) Schecks über insgesamt 6.000 DM zur Bezahlung der Uhr und nicht - wie der Zeuge C behauptet - zur Bezahlung der verfahrensgegenständlichen 10 Maschinenpistolen gedient hätten.
Da die nach den Gendarmerieerhebungen ON 46 vor Jahren erfolgte tauschweise Überlassung einer Wanduhr an Bernhard B lediglich vom Angeklagten (im Vorverfahren - S 157 a verso) bestritten, in der Hauptverhandlung aber dementgegen auch von ihm selbst zugegeben worden ist (S 430), war hiezu die Einvernahme des Zeugen B jedenfalls entbehrlich. Inwieweit dieser Zeuge die Richtigkeit der Verantwortung des Angeklagten 'in bezug auf den Uhrenverkauf' (gemeint: an C) bestätigen könnte, läßt sich hinwieder weder dem Beweisantrag noch dem Kontext entnehmen, hat doch der Angeklagte niemals behauptet, Bernhard B wäre bei dem angeblichen Uhrenverkauf an Michael C zugegen gewesen oder hätte sonst diesbezügliche Wahrnehmungen gemacht. Gleiches gilt für die als Zeugen beantragten Eltern des Angeklagten, wozu noch kommt, daß diese nach dem in der Hauptverhandlung verlesenen (S 437) Erhebungsbericht ON 46 über den Besitz einer weiteren (außer der an B eingetauschten) Wanduhr nicht Bescheid wußten (S 372); Stefanie A hat sich zudem der Aussage in der Hauptverhandlung gemäß § 152 StPO entschlagen (S 435).
Durch den Zeugen Franz A sollte weiters erwiesen werden, daß der Angeklagte 'nie Maschinenpistolen besessen hat, nie Teile von Maschinenpistolen bearbeitet hat, sodaß durch den Ausbau dieser Maschinenpistolenbestandteile funktionsfähige Waffen hergestellt wurden' (S 436).
Auch diesbezüglich ist der Beweisantrag unvollständig und läßt eine Beurteilung seiner grundsätzlichen Eignung, zur besseren Aufklärung des Sachverhalts beizutragen, nicht zu. Aus den in der Hauptverhandlung verlesenen (S 437) Berichten über die Hausdurchsuchung im Wohnhaus des Angeklagten (ON 27 und 32 iVm S 175 ff) ergibt sich, daß der Beschwerdeführer im Besitz von zahlreichen Faust- und Langfeuerwaffen, unzähligen Maschinengewehrläufen, verrosteten Verschlüssen mit Läufen (S 176 f) und Teilen von Maschinenpistolen war (S 187) sowie über eine Werkstatt verfügte, sodaß im Hinblick auf die Unübersichtlichkeit dieses Waffenmaterials auch eine heimliche Bearbeitung möglich war. Demnach hätte aber der Beweisantrag Ausführungen darüber enthalten müssen, aus welchen Gründen - den eindeutigen Ergebnissen der Hausdurchsuchung zuwider - zu erwarten wäre, daß mit dem Zeugen ein negativer Beweis in der behaupteten Richtung geführt werden könnte. Schließlich wurde die Einvernahme des Zeugen Georg D 'über die Gespräche, die anläßlich des Verkaufes der Waffen zwischen C und ihm geführt wurden bzw daß C nie diesem Zeugen die Mitteilung machte, daß die Waffen vom Angeklagten stammen', beantragt (S 436).
Insoweit dieser Zeuge ganz allgemein über den Inhalt der Verkaufsgespräche mit Michael C geführt wird, handelt es sich um einen bloßen Erkundungsbeweis, denn der Antrag läßt eine konkrete Behauptung vermissen, inwiefern sich aus diesen Gesprächen eine Entlastung des Angeklagten ergeben könnte. Daß aber bei den Verkaufsgesprächen in München der Name des Angeklagten nicht genannt worden ist, ergibt sich ohnedies aus der Aussage des Zeugen C (vgl S 39 b, wonach nur vom 'Verkäufer' die Rede war). Durch die Abweisung der gestellten Beweisanträge wurden demnach in keinem Fall Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.
Aus Anlaß derselben konnte sich jedoch der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden und der Schuldspruch wegen Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit d WaffG (Punkt 2) - vom Angeklagten ungerügt - mit Nichtigkeit im Sinne der Z 12 des § 345 Abs. 1 StPO behaftet ist. Darnach wurde ihm nämlich lediglich der Besitz jenes (Kampfmittel darstellenden) Kriegsmaterials angelastet, dessen (den Besitz voraussetzendes) Ansammeln auch den Gegenstand der Verurteilung nach § 280 Abs. 1 StGB (Punkt 1) bildet. Durch die Unterstellung unter den (mit strengerer Strafe bedrohten) Tatbestand des § 280 Abs. 1 StGB wurde aber diese Tat in ihrem Unrechtsgehalt schon hinreichend erfaßt, weswegen die (verdrängte) Vorschrift des § 36 Abs. 1 lit d WaffG nicht zur Anwendung zu gelangen hatte (EvBl 1984/94; ÖJZ-LSK 1983/182, 1984/153 zu § 36 Abs. 1 WaffG). Gemäß §§ 290 Abs. 1, 344 StPO war dieser den Angeklagten benachteiligende Rechtsirrtum von Amts wegen wahrzunehmen und der bezügliche Schuldspruch aus dem Ersturteil (ohne daß deshalb ein formeller Freispruch zu fällen gewesen wäre) zu eliminieren. Dies hatte auch die Aufhebung des Strafausspruches zur Folge. Bei der sonach vom Obersten Gerichtshof vorzunehmenden Strafneubemessung konnten besondere Erschwerungs- oder Milderungsgründe nicht festgestellt werden. Bei der allgemeinen Beurteilung der aus der Tat resultierenden Gefährdung (§ 32 Abs. 3 StGB) war jedoch einerseits zu berücksichtigen, daß sich das Verschulden des Angeklagten nicht bloß auf eine - zum Tatbestand ausreichende (vgl ÖJZ-LSK 1978/285) - abstrakte Gefahr für den öffentlichen Frieden beschränkte, er vielmehr durch den Verkauf der (als Kampfmittel besonders wirksamen) Maschinenpistolen diese einer spezifischen Verwendung nähergebracht hat. (Auf die sich daraus ergebende Rechtsfrage, ob deshalb auch das Tatbild in der Erscheinungsform des Verteilens nach § 280 Abs. 1 dritter Fall StGB verwirklicht sei, konnte mangels diesbezüglich dem Verdikt der Geschwornen zu entnehmender Feststellungen nicht eingegangen werden.) Andererseits war nicht zu übersehen, daß der Umfang des angesammelten Waffenvorrats an der Untergrenze der Tatbestandsmäßigkeit gelegen und der größte Teil desselben (bis auf eine Maschinenpistole) sichergestellt worden ist. Bei Abwägung dieser Umstände erschien eine Freiheitsstrafe von einem Jahr - also im gleichen Ausmaß, wie sie das Geschwornengericht verhängt hatte - für angemessen, zumal dem Wegfall des von diesem zusätzlich angenommenen Vergehens nach dem Waffengesetz bloß formale Bedeutung zukommt.
Die - auch vom Angeklagten mit seiner Berufung (mit der er auf die Strafneubemessung zu verweisen war) angestrebte - bedingte Strafnachsicht konnte mit Rücksicht darauf gewährt werden, daß er nunmehr wieder einer geregelten Arbeit in seinem Beruf nachgeht und seine geringfügige Vorstrafe bei der Beurteilung der Verhaltensprognose vernachlässigt werden kann. Es ist somit anzunehmen, daß nunmehr die bloße Androhung der Vollziehung der - an sich empfindlichen - Freiheitsstrafe allein genügen werde, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, zumal der Angeklagte das übel des Freiheitsentzuges - erstmals - durch die in diesem Verfahren erlittene (gemäß § 38 StGB auf die Strafe angerechnete) Vorhaft von immerhin rund zwei Monaten kennengelernt hat. Belange der Generalprävention haben gegenüber diesen schwerwiegenden spezialpräventiven Gründen in den Hintergrund zu treten und erscheinen im übrigen durch die Gewährung dieser Rechtswohltat nach Lage des Falles auch nicht gefährdet.
Anmerkung
E06173European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00072.85.0730.000Dokumentnummer
JJT_19850730_OGH0002_0100OS00072_8500000_000