TE OGH 1985/7/30 7Ob602/85

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Veröffentlicht am 30.07.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut A, Hüttenwirt, Baumkirchen, Angerstraße 9, vertreten durch Dr.Gert Kastner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Wolfgang B, Hochschüler, Wien 23., Willergasse 22/18, vertreten durch Dr.Otto Hellwich, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 132.745,68 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20. November 1984, GZ.12 R 235/84-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 9.August 1984, GZ.28 Cg 430/81-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 7.577,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.920,-Barauslagen und S 514,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte unternahm am 26.Juli 1981 gemeinsam mit Brigitte C eine Tour in die Laserz-Westwand in den Lienzer Dolomiten. Das Wetter war niederschlagsfrei und derart, daß verantwortungsbewußte Bergsteiger auf diese Tour nicht verzichtet hätten. Die Zweierseilschaft wurde vom Beklagten geführt. Dieser kletterte auf einer Platte hinauf, suchte einen Griff, rutschte dabei aus und stürzte mit der Seildehnung etwa 8 m ab, wodurch er sich einen Knöchel- und Schienbeinbruch zuzog. Da er nicht mehr in der Lage war, selbst für seinen Abtransport zu sorgen, wurde er von zwei ebenfalls in der Wand befindlichen Seilschaften unterstützt und etwa 80 m heruntergelassen. Dann wurde Hilfe von der Karlsbader Hütte geholt. Der Kläger der an diesem Tag um ca. 15 Uhr von einer von ihm geführten Tour auf die Karlsbader Hütte zurückgekehrt war, wurde vom Hüttenwirt zum Bergungseinsatz aufgefordert. Er begab sich mit zwei anderen Helfern zu jener Stelle, an der der Beklagte von den anderen Seilschaften geborgen worden war. Da der Beklagte schon unter Kälte litt und die Gefahr einer Unterkühlung bestand, beschloß der Kläger die Bergungsaktion möglichst rasch durchzuführen. Die Bergung war im flachen Teil schwieriger als im steilen. Der Beklagte wurde auf dem Rücken des Klägers ca. 200 m abgeseilt. Wegen des Geländes kam der Kläger ins Pendeln, fing sich mit dem rechten Fuß auf einem Felsen ab und verspürte einen kurzen Stich im Fuß, weshalb er 10 Minuten pausieren mußte. Der Kläger konnte zwar in der Folge die Bergung zu Ende führen und auf die Karlsbader Hütte zurückkehren, doch hatte er sich Verletzungen zugezogen. Die ihm daraus erwachsenen Schäden in der von ihm behaupteten Höhe von S 132.745,68 s.A. begehrt er vom Beklagten mit der Begründung, dieser habe den Bergungseinsatz dadurch verschuldet, daß er eine sein Können übersteigende Tour unternommen habe und für diese Tour auch schlecht ausgerüstet gewesen sei.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen, wobei sie von folgenden zusätzlichen Feststellungen ausgingen:

Die Laserzwand-Westkante weist einen Schwierigkeitsgrad von IV + auf. Der Beklagte hatte bereits eine Reihe wesentlich schwierigerer Touren hinter sich. Er war physisch und psychisch geeignet, eine Tour dieses Schwierigkeitsgrades zu führen. Seine Ausrüstung war hinreichend und geeignet. Insbesondere sind die vom Beklagten damals verwendeten profillosen Reibungskletterschuhe (Sliks) ein zweckmäßiges Schuhwerk für schwierigere Kletterfahrten. Das Erstgericht verneinte ein Verschulden des Beklagten an seinem Unfall, weshalb es das Schadenersatzbegehren aus diesem Grunde abwies.

Das Berufungsgericht ging auf die Frage eines Verschuldens des Beklagten nicht ein, sondern vertrat den Rechtsstandpunkt, die Verletzung des Klägers sei zwar eine adäquate Folge des Unfalles des Beklagten, doch liege ein rechtswidriges Verhalten des Beklagten deshalb nicht vor, weil das Unternehmen einer Bergfahrt weder gegen eine Schutzvorschrift verstoße noch einen Eingriff in absolute Rechte darstelle. Dies gelte auch dann, wenn derjenige, der die Tour unternimmt, durch Außerachtlassung der entsprechenden Sorgfalt eine Selbstgefährdung veranlasse. Die Vorgangsweise des Beklagten sei gegen niemanden gerichtet gewesen. Ein 'Eingriff' setze schon begrifflich eine gewisse Stoßrichtung des Verhaltens gegen ein Rechtsgut voraus. Ein Schadenersatzanspruch des Klägers sei sohin mangels der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten nicht gegeben. Soweit der Kläger seinen Anspruch auf den Rechtsgrund einer Geschäftsführung ohne Auftrag stütze, könne ihm darin nicht gefolgt werden, weil bei der Geschäftsführung im Notfall der Geschäftsführer keinen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm bei der Ausführung des Geschäftes entstanden ist, habe.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 503 Z.3 und 4 ZPO erhobene Revision (das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt) ist nicht gerechtfertigt. Der vom Kläger ursprünglich zur Begründung seines Anspruches hilfsweise herangezogene weitere Rechtsgrund der Geschäftsführung ohne Auftrag ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens, weshalb diesbezüglich auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes verwiesen werden kann.

Da im vorliegenden Fall lediglich eine nach § 502 Abs.4 Z.1 ZPO zugelassene Revision vorliegt, kann der Oberste Gerichtshof gemäß § 503 Abs.2 ZPO auf eine einfache Verfahrensrüge nicht eingehen.

Soweit der Kläger die übernahme erstrichterlicher Feststellungen durch das Berufungsgericht rügt, liegt im übrigen eine im Revisionsverfahren unzulässige Bekämpfung der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen vor. Beachtlich könnte lediglich die Rüge betreffend die Unterlassung der Einholung eines Sachverständigengutachtens sein, weil das Berufungsgericht auf die diesbezügliche Mängelrüge aus rechtlichen Erwägungen nicht eingegangen ist. Sohin können die Ausführungen der Revision zu diesem Punkt der Rechtsrüge zugeordnet werden.

Daß im allgemeinen für die Begründung eines Schadenersatzanspruches neben der Adäquanz des schädigenden Verhaltens und dem Verschulden des Schädigers auch die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens erforderlich ist, hat das Berufungsgericht richtig dargestellt. Dies wird vom Kläger auch gar nicht bestritten. Richtig ist, daß die Rechtsprechung die Rechtswidrigkeit nicht nur aus der Verletzung von Schutzgesetzen, sondern auch aus der Verletzung absoluter Rechte, wie des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit, ableitet (SZ 51/89 u.a.). Es ist allerdings heute allgemein anerkannt, daß aus der Beeinträchtigung eines absoluten Rechtes allein noch nicht zwingend auf die Rechtswidrigkeit der Handlung geschlossen werden kann, wenn auch in der Handlung ein gewisses Indiz für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit gelegen sein mag. Die Rechtswidrigkeit kann nur auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden. Die Persönlichkeitsrechte genießen zwar grundsätzlich Schutz gegen Eingriffe Dritter. Es ist aber nicht jedes Verhalten rechtswidrig, das diese Rechte gefährdet. Es bedarf vielmehr einer Wertung, bei welcher dem Interesse am gefährdeten Gut stets auch die Interessen des Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden müssen: Eine überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte würde zu einer unerträglichen Einschränkung der Interessen anderer und jener der Allgemeinheit führen (SZ 56/124, Koziol, Haftpflichtrecht 2 I, 93 f. u.a.). Insbesondere ist aber Voraussetzung für eine Haftung, daß ein Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit einerseits und dem Schadenseintritt andererseits besteht. Ein solcher Rechtswidrigkeitszusammenhang liegt bei der Einwirkung in eine Interessenssphäre, die nicht durch das Verbot des Angriffes geschützt ist, nicht vor (Reischauer in Rummel, Rdz 9 zu § 1295). Schäden, die vom Schutzzweck der verletzten Norm nicht erfaßt werden, stellen sogenannte mittelbare Schäden dar, die in der Regel nicht zu ersetzen sind (Koziol, Haftpflichtrecht 2 I, 151). Es ist nur für jene Schäden zu haften, die die verletzte Norm gerade verhindern will (Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung, nach deutschem und österreichischem Recht 63 f.). Diese Grundsätze gelten nicht nur wenn ein Verstoß gegen eine Schutznorm vorliegt, sondern auch dann, wenn in absolute Rechte eingegriffen wurde. Der Unterschied zwischen der Verletzung absoluter Rechte einerseits und der Verletzung von Schutzgesetzen andererseits besteht nämlich nur darin, daß die Verhaltenspflichten im ersten Fall weniger detailliert geregelt sind und daher erst genauerer Bestimmung bedürfen (Koziol a.a.O., 155). In beiden Fällen muß neben dem Verschulden auch die Rechtswidrigkeit des Verhaltens gegenüber dem Geschädigten gegeben sein (Reischauer in Rummel, Rdz 7 zu § 1295). Im vorliegenden Fall kann das Verhalten des Beklagten schon deshalb nicht als rechtswidrig gegenüber dem Kläger angesehen werden, weil es jedermann freisteht, eine Bergfahrt zu unternehmen. Selbst wenn er hiebei gewisse Vorsichtsmaßnahmen außer Acht läßt, wobei hier keinesfalls von einem gravierenden Sorgfaltsverstoß ausgegangen werden kann, handelt er nur gegen seine eigenen Interessen, die durch diese Handlungsweise gefährdet werden. Die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der bei einem Rettungseinsatz beschäftigten Personen, in Fällen wie den vorliegenden, ist aber so gering, daß sie bei der notwendigen Interessenabwägung zugunsten des Interesses des Verletzten an seiner Bewegungsfreiheit zurücktreten muß. Wie bereits ausgeführt wurde, ist bei der zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit erforderlichen Interessenabwägung auch auf die Wahrscheinlichkeit der Gefährdung fremder Interessen Bedacht zu nehmen. Diese Wahrscheinlichkeit wird auch durch das Ausmaß der Außerachtlassung der Sorgfalt mitbestimmt. Dieses Ausmaß kann hier nicht sehr groß gewesen sein, weil der Kläger selbst die Verwendung der Sliks nicht grundsätzlich als unverantwortlich bezeichnet, sondern nur im Hinblick auf die konkrete Wettersituation (S.97 d.A. und S 3 d.A.). Bezüglich der Wettersituation sind die Vorinstanzen aber nicht dem Kläger gefolgt sondern haben einwandfreies Wetter festgestellt. Selbst wenn daher die Verwendung von Sliks hier nicht ganz zweckmäßig gewesen sein sollte, wäre dies nur eine so geringe Leichtfertigkeit gewesen, daß infolge der notwendigen Interessenabwägung eine Beurteilung des Verhaltens des Beklagten als rechtswidrig ausscheidet. Mit Recht haben daher die Unterinstanzen eine Schadenersatzpflicht des Beklagten verneint.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E06561

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00602.85.0730.000

Dokumentnummer

JJT_19850730_OGH0002_0070OB00602_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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