Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22.August 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Erich A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 2 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27.Februar 1985, GZ. 3 a Vr 7344/84-53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch Faktum 1 wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 2 StGB. und demgemäß im gesamten Strafausspruch aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung verwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erich A des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 2 StGB. (Faktum 1) schuldig gesprochen, weil er am 20.September 1984 eine fremde bewegliche Sache, nämlich den PKW. Mercedes 230 E mit dem Kennzeichen W 87.330 im Wert von 150.000 S der ATELIERBAU-Ges.m.b.H. mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Er wurde hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von eineinhalb Jahren verurteilt. Er wurde ferner des Vergehens des fahrlässigen Ansichbringens, Verheimlichens oder Verhandelns von Sachen nach § 165 StGB. (Faktum 2) schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Vorhaft wurde auf die ausgesprochene Strafe (richtig: auf die ausgesprochenen Strafen) angerechnet.
Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes hat der Angeklagte um den 20.September 1984 einen PKW., der bereits längere Zeit vorher am 29.August 1984 gestohlen wurde, unversperrt aufgefunden und sich diesen in Diebstahlsabsicht zugeeignet. Bereits am 23.September 1984 erfolgte die Anhaltung des Angeklagten. Dieses Urteil, inhaltlich jedoch nur der Schuldspruch wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls (Faktum 1) wird vom Angeklagten mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5, 9, 10 und 11 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde angefochten. Gegen die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe richtet sich die Berufung des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Die auf den erstgenannten Nichtigkeitsgrund gegründete Beschwerde ist berechtigt.
Das Erstgericht stützt seine Feststellung, daß der Angeklagte den PKW. nicht nur vorübergehend in Gebrauch nehmen wollte, sondern ihn vielmehr mit Bereicherungsvorsatz weggenommen hat, primär auf die in der Anzeige sinngemäß festgehaltene Verantwortung des Angeklagten (unmittelbar nach seiner Anhaltung am 23. September 1984), er habe den PKW. vor einigen Tagen gestohlen, weil er kein Fahrzeug hatte, und er habe diesen auch weiterhin behalten wollen (S. 267, 451 f.). Diese Aussage läßt verschiedene Deutungen zu. sodaß das Schöffengericht verhalten war, sich mit dem Sinngehalt der Aussage und ihrer richtigen Wiedergabe in der Anzeige (es wurde mit dem Angeklagten kein Protokoll aufgenommen) auseinanderzusetzen. Im Urteil fehlt jedoch jede Erörterung dieser Verantwortung. Obwohl in der Hauptverhandlung der dazu eingehend vernommene Anzeigenverfasser Revierinspektor Helmut B als Zeuge unter anderem aussagte, er könne sich an die genaue Einlassung des Angeklagten nicht mehr erinnern und daher auch nicht ausschließen, der Angeklagte habe angegeben, das Auto (nur) für ein paar Tage behalten zu wollen (S. 440, 443), hat das Schöffengericht diese Beweisergebnisse überhaupt nicht gewürdigt. Mit Recht wird daher dieser Umstand in der Beschwerde als Unvollständigkeit des Ausspruches des Gerichtes über entscheidende Tatsachen, nämlich den Bereicherungsvorsatz des Angeklagten, als nichtig i.S.d. § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. gerügt.
In sich widersprechend sind im übrigen auch die Urteilsannahmen, die Verantwortung des Angeklagten, den PKW. lediglich drei Tage gefahren zu sein, sei nicht richtig, andererseits aber, daß die diesbezügliche Verantwortung nicht zu widerlegen sei (S. 452 letzter Absatz).
Das Erstgericht wertete die Verantwortung des Angeklagten, er habe den PKW. zurückgeben wollen, sobald er den von ihm Mitte September 1984 gekauften PKW. 'Volvo 244' ausgefolgt erhält, und er habe diesen PKW. tatsächlich am 26.September 1984 ausgefolgt bekommen (S. 431-436), als Schutzbehauptung (S. 453), übergeht jedoch den in der Hauptverhandlung verlesenen Bericht der Bundespolizeidirektion Wien vom 5.Dezember 1984, daß für den Angeklagten ein PKW. 'Volvo 244 L' mit Kennzeichen W 374.021 zumindest zu diesem Zeitpunkt zugelassen war (S. 403). Da sich das Urteil mit diesem wesentlichen Verhandlungsergebnis nicht auseinandersetzt, leidet die Begründung gleichfalls an einer Unvollständigkeit im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. Schon wegen dieser Begründungsmängel, die die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich machen, mußte in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Grunde des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. der Schuldspruch im Umfang der Anfechtung, also im Punkt 1, bereits in einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 e StPO. sofort aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen werden, ohne daß es eines Eingehens auf die übrigen geltend gemachten Nichtigkeitsgründe bedarf.
Der unangefochtene Schuldspruch wegen des Vergehens des fahrlässigen Ansichbringens, Verheimlichens oder Verhandelns von Sachen nach § 165 StGB. (Punkt 2), bleibt durch diese Entscheidung unberührt.
Als Folge der Aufhebung eines Teiles des Schuldspruchs mußte aber auch der (vom Schuldspruch untrennbare) Strafausspruch, und zwar zur Gänze, aufgehoben werden, denn es ist nicht auszuschließen, daß im Falle eines Schuldspruchs im Faktum 1 (nur) wegen unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 StGB. lediglich eine Geldstrafe verhängt wird. In einem solchen Fall (bei Zusammentreffen mit einem Delikt für das nur eine Geldstrafe angedroht ist; § 165 StGB.) ist aber nur eine einzige Geldstrafe (§ 28 Abs. 1 bis 3 StGB., Leukauf-Steininger Komm. 2 § 28 RN. 16-19) auszusprechen. Falls jedoch im neuen Rechtsgang eine Freiheitsstrafe verhängt werden sollte, wird für das Vergehen nach § 165 StGB. auch eine Geldstrafe gemäß § 28 Abs. 2 StGB. unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes nach §§ 290 Abs. 2, 295 Abs. 2 StPO. zu bestimmen sein.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E06194European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00130.85.0822.000Dokumentnummer
JJT_19850822_OGH0002_0120OS00130_8500000_000