TE OGH 1985/8/22 12Os93/85

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Veröffentlicht am 22.08.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.August 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard A wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 131, erster Fall, StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 11.April 1985, GZ. 21 b Vr 248/85-9, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Gehart, und des Verteidigers Dr. Mäntler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard A des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und 131 erster Fall StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er am 8.Dezember 1984 in Salzburg eine fremde bewegliche Sache, nämlich ein Paar Herrenhalbschuhe im Wert von 599 S Verfügungsberechtigten der Fa. B, Filiale Lehen, bzw. der Fa. 'TOP', mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er, bei dem Diebstahl auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen den Geschäftsführer Karl C durch das Versetzen eines Stoßes und wildes Umsichschlagen mit dem Arm angewendet hat, um sich die weggenommene Sache zu erhalten.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an. Die Mängelrüge führt zunächst ins Treffen, das Erstgericht habe unterlassen zu begründen, warum es das Verhalten des Angeklagten im Zuge seiner Betretung auf frischer Tat als Gewalt im Sinne des § 131 StGB. qualifiziert habe. Mit dem bezüglichen Vorbringen wird indes ein formaler Begründungsmangel nicht aufgezeigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Tenor des Ersturteils wird angeführt, der Angeklagte habe durch das Versetzen eines Stoßes und wildes Umsichschlagen mit den Armen Gewalt gegen den Geschäftsführer Karl C angewendet, um sich die weggenommene Sache zu erhalten. In den Entscheidungsgründen (S. 83) stellt das Urteil fest, der Angeklagte habe Karl C einen 'Renner' versetzt und auch mit der Hand zu einem Schlag gegen ihn 'ausgezogen'. Nach einem Fluchtversuch sei er eingeholt und festgehalten worden. Daraufhin habe er wie wild umsichzuschlagen begonnen, sich heftig gewehrt und neuerlich versucht, sich loszureißen, um mit den gestohlenen Schuhen die Flucht fortsetzen zu können, bzw. um sich im Besitze der Schuhe zu erhalten. Auf S. 83 unten führt das Urteil weiter aus, der Vorsatz des Angeklagten sei zweifellos auch darauf gerichtet gewesen, sich durch Gewaltanwendung gegen seine Verfolger den Besitz der gestohlenen Sache zu erhalten. In der Beweiswürdigung (S. 86 unten) des Ersturteils wird festgehalten, daß sich auf Grund der Aussagen der Zeugen Helga D, Karl C, Ferdinand E, Wolfgang F und Herbert

G ergebe, der Angeklagte habe sich gegen die Abnahme des Diebsgutes gewehrt. Damit bringt aber das Urteil ersichtlich zur Darstellung, daß auf diese genannten Beweismittel die Feststellungen zum Verhalten des Angeklagten nach seiner Betretung auf frischer Tat gestützt werden.

So gesehen ist das Erstgericht aber seiner Begründungspflicht hinsichtlich entscheidender Tatsachen - vorliegend: der Gewaltanwendung -, nämlich solcher, die auf die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluß haben, in hinlänglichem Maße nachgekommen.

Ob die Urteilsfeststellungen ausreichen, die Annahme zu rechtfertigen, der Angeklagte habe im Sinne des § 131 StGB. Gewalt gegen eine Person angewendet, ist nicht unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. zu prüfen, sondern stellt eine Frage der rechtlichen Beurteilung dar. Allfällige Mängel der Entscheidungsgründe bei Rechtsausführungen können nie nach der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. (SSt. 40/23) mit Erfolg geltend gemacht werden, sondern als Feststellungsmängel im Sinne eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes (SSt. 24/15). Mit der Bekämpfung der erstrichterlichen Annahme, der Angeklagte habe Gewalt angewendet, wird der Sache nach der Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. zur Darstellung gebracht, worauf bei Erörterung der Rechtsrüge eingegangen werden wird.

Sofern der Beschwerdeführer die Urteilsfeststellung, er habe am 8. Dezember 1984 ein Paar Herrenschuhe der Fa. H weggenommen, als undeutlich bzw. unzureichend begründet erachtet, ist er gleichfalls nicht im Recht.

Undeutlichkeit im Sinne der Z. 5 liegt dann vor, wenn den Feststellungen des Urteils nicht klar zu entnehmen ist, welche entscheidenden Tatsachen sowohl auf der objektiven, als auch auf der subjektiven Tatseite das Gericht als erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen dies geschah.

Daß der Angeklagte 'gleichzeitig' jene Schuhe gestohlen hat, die der Zeuge I eben probiert hat, wird im Ersturteil nicht festgestellt; die Feststellungen des Urteils (S. 82) gehen vielmehr dahin, daß der Angeklagte und der Zeuge I Schuhe probierten und der Angeklagte dann in Diebstahlsabsicht ein Paar graue Herrenschuhe im Wert von 599 S aus dem Regal entnahm, diese anzog und das Geschäft - ohne die Schuhe zu bezahlen - verließ. Das Erstgericht hat daher - der Beschwerde zuwider - klar und eindeutig festgestellt, welche Tatsachen es - in objektiver und subjektiver Hinsicht - als erwiesen angenommen hat. Diese Feststellungen gründen sich auf eine ausführliche und schlüssige Beweiswürdigung (S. 84 und 85). Wenn der Angeklagte hinwieder aus der Aussage der Zeugin Helga D andere, für sich günstigere Ergebnisse abzuleiten versucht, macht er keinen Begründungsmangel im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. geltend, sondern bekämpft bloß in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung und bringt so den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Die Rechtsrüge wendet sich unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gegen die Annahme der Diebstahlsqualifikation des § 131 StGB. und versucht darzutun, die vom Angeklagten angewendete Gewalt habe die Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten. Sie ist jedoch ebenfalls nicht im Recht.

Ein Dieb wendet gegen eine Person dann Gewalt an, wenn er, um sich oder einem Dritten die weggenommene Sache zu erhalten, nicht bloß unerhebliche physische Kraft gegen die (ihn anhaltende) Person einsetzt, die es dieser unmöglich macht oder doch sehr erschwert, die Wegnahme der Sache zu verhindern oder sie dem Berechtigten zurückzuverschaffen (Leukauf-Steininger Kommentar 2 RN. 6 zu

§ 142 StGB.; Bertel im WK., Rz. 1 zu § 131; Kienapfel, BT. II, RN. 26 zu § 142 und RN. 19 zu § 131; Zipf im WK., Rz. 14, 15 zu

§ 142 StGB.). In dieser Form aber hat sich der Beschwerdeführer den Urteilsfeststellungen zufolge gegen seine Anhaltung zur Wehr gesetzt, zumal er sich keineswegs nur losgerissen, sondern dem Zeugen C einen Stoß ('Renner') versetzt, überdies mit der Hand zu einem Schlag gegen den Genannten ausgeholt und wild umsichgeschlagen und solcherart den Einsatz weiterer Personen zur Unterstützung des Zeugen C nötig gemacht hat (S. 83). Hierin ist insgesamt eine Gewaltanwendung zu erblicken, die die Erheblichkeitsschwelle übersteigt. Das Erstgericht unterlag somit keinem Rechtsirrtum, wenn es die Qualifikation des Diebstahls zum Verbrechen nach (dem ersten Anwendungsfall des) § 131 StGB. angenommen hat.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten. Bei der Strafbemessung wertete es als mildernd die Schadensgutmachung durch Sicherstellung, als erschwerend die sieben einschlägigen Vorstrafen. Unter Abwägung dieser Strafbemessungsgründe erschien dem Erstgericht die ausgesprochene Freiheitsstrafe tätergerecht und schuldangemessen.

Die Berufung des Angeklagten, die eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe begehrt, ist nicht begründet.

Das Schöffengericht hat die besonderen Strafbemessungsgründe im wesentlichen vollständig und richtig angeführt. Der Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit kommt strafmildernde Wirkung nicht zu, da dieser bereits in den Strafverfahren 15 Vr 1842/67 des Landesgerichtes Salzburg, 16 U 609/78 des Bezirksgerichtes Salzburg und 7 E Vr 19/82 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis sich dahin verantwortete, in alkoholisiertem Zustand die ihm in diesen Verfahren angelasteten strafbaren Handlungen gegen das Rechtsgut fremdes Vermögen begangen zu haben. Demnach ist aber dem Angeklagten bekannt, daß er in einem durch vorangegangenen Alkoholgenuß beeinträchtigten Zustand dazu neigt, gegen das genannte Rechtsgut straffällig zu werden. Demzufolge ist ihm aber seine Alkoholisierung im gegenständlichen Verfahren vorzuwerfen und nicht als strafmildernder Umstand zu werten.

Da der Angeklagte in Ansehung strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen in Anbetracht seiner Verurteilungen in den Verfahren 16 U 609/78 des Bezirksgerichtes Salzburg, 13 E Vr 135/79 des Kreisgerichtes Wels und 7 E Vr 19/82 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Rückfallstäter im Sinne des § 39 Abs. 1 StGB. anzusehen ist, kommt dem Erschwerungsumstand der einschlägigen Vorstrafen beachtliches Gewicht zu. So gesehen erweist sich die verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten - ausgehend von der Strafdrohung des § 131 StGB. - trotz des relativ geringen Wertes der Diebsbeute als nicht überhöht, so daß zu einer Reduktion kein Anlaß bestand.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E06332

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00093.85.0822.000

Dokumentnummer

JJT_19850822_OGH0002_0120OS00093_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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