TE OGH 1985/8/28 6Ob21/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.08.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Zehetner und Dr. Riedler als weitere Richter in der Handelsregistersache der reg. Firma A B C

Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Wien, infolge Rekurses der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien, 1010 Wien, Stubenring 8-10, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 9. Mai 1985, GZ 5 R 168/84-17, womit der Rekurs der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 29. Oktober 1984, 7 HRB 31.815-14, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird aufgetragen, über den Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund neuerlich zu entscheiden.

Text

Begründung:

Am 19. Dezember 1983 wurde die Firma A B C

Gesellschaft m.b.H. in das beim Landes- als Handelsgericht Innsbruck geführte Handelsregister eingetragen. Der Sitz der Gesellschaft war Kufstein, ihr Betriebsgegenstand lautet: 'Die Errichtung und der Betrieb von Instituten zur Durchführung von Ferien-Dialysen, medizinisch-technischer, physikalisch-therapeutischer und operativer Behandlungen sowie Diätkuren und geriatrischer Therapien sowie die Beteiligung an anderen Unternehmen gleicher oder ähnlicher Art.'

Infolge der in der Generalversammlung der Gesellschaft vom 12. März 1984 beschlossenen und ordnungsgemäß angemeldeten Sitzverlegung der Gesellschaft nach Wien wurde die Gesellschaft unter dem gleichen Firmenwortlaut und mit dem gleichen Betriebsgegenstand am 9. April 1984 in das Handelsregister Wien eingetragen. Die diesbezügliche Eintragungsverfügung vom 4. April 1984 wurde der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien am 24. Mai 1984 zugestellt (ON 6). Mit Eingabe vom 5. Juli 1984, eingelangt beim Registergericht am 10. Juli 1984, beantragte die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien, die Eintragung der Firma gemäß § 142 FGG von Amts wegen zu löschen, weil der Firmenwortlaut beim Publikum den Eindruck erwecke, daß die Gesellschaft selbst die Dialyse als eine ärztliche Tätigkeit ausübe. Dies sei jedoch nach dem Gegenstand des Unternehmens nicht der Fall. Außerdem verbiete das Ärztegesetz, daß ärztliche Tätigkeiten von Kapitalgesellschaften ausgeübt würden. Schließlich finde der Bestandteil 'Rekreation' im Unternehmensgegenstand keine Deckung. Die Gesellschaft sprach sich gegen die Einleitung dieses Verfahrens mit dem Hinweis aus, daß eine Änderung des Firmenwortlautes nicht ins Auge gefaßt werde, die Sitzverlegung gemäß § 13 c Abs 2 HGB einzutragen und eine über die Prüfung des § 30 HGB hinausgehende Nachprüfung dem Gericht des neuen Sitzes verwehrt sei. Die Handelskammer Tirol habe sich in ihrem Gutachten vom 16. November 1983 nicht gegen die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister Innsbruck ausgesprochen. Die Bestimmungen des Krankenanstaltengesetzes seien strikt eingehalten worden. Das Erstgericht nahm von der Einleitung eines Verfahrens zur amtswegigen Löschung der Gesellschaft oder der am 9. April 1984 eingetragenen Sitzverlegung derselben in das Handelsregister Wien Abstand. Es vertrat die Rechtsansicht, gemäß § 13 c HGB habe sich bei der Sitzverlegung einer Hauptniederlassung die Prüfung des Gerichtes des neuen Sitzes nur darauf zu beschränken, ob die Sitzverlegung ordnungsgemäß beschlossen worden sei und sich die neue Firma von allen anderen am selben Orte eingetragenen Firmen deutlich unterscheide. Dem Gericht sei es verwehrt, bei der Eintragung einer Sitzverlegung weitere Nachprüfungen anzustellen oder der Gesellschaft eine Änderung des Firmenwortlautes aufzutragen. Das Rekursgericht wies den Rekurs der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, demjenigen, der ein Verfahren nach § 142 FGG angeregt habe, stehe wegen des fehlenden Antragsrechtes gegen die Verweigerung der Einleitung eines solchen Verfahrens und gegen die Ablehnung der Löschung durch das Registergericht ein Rechtsmittelrecht nicht zu. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien mit dem Antrag, den Beschluß aufzuheben und dem Erstgericht die Einleitung des Löschungsverfahrens aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs, soweit er sich gegen die nach der Formalentscheidung der zweiten Instanz derzeit allein zu beurteilende Verneinung der Rechtsmittelbefugnis richtet, ist berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 11. Juli 1985, 6 Ob 20/85, in einem gleichgelagerten Fall folgendes ausgeführt:

'Die Kammer der gewerblichen Wirtschaft ist als ein im § 126 FGG genanntes Organ des Handelsstandes nicht nur verpflichtet, die Registergerichte unter anderem 'beim Einschreiten gegen unzulässigen Firmengebrauch zu unterstützen', sondern ausdrücklich als berechtigt erklärt 'zu diesem Zwecke Anträge bei den Registergerichten zu stellen und gegen Verfügungen der Registergerichte das Rechtsmittel der Beschwerde zu erheben'.

Das nach § 126 FGG den Organen des Handelsstandes im öffentlichen Interesse eingeräumte Mitwirkungsrecht beschränkt sich im Falle eines Einschreitens gegen unzulässigen Firmengebrauch nicht auf das Ordnungsstrafverfahren nach § 37 Abs 1 HGB, § 140 FGG, sondern umfaßt im Rahmen des im § 126 FGG umschriebenen Aufgabenbereiches (der dort erwähnten 'Zwecke') auch ein registergerichtliches Vorgehen nach § 142 FGG....... Ein im Rahmen des nach § 126 FGG umschriebenen Aufgabenkreises von einem Organ des Handelsstandes gestelltes Verlangen um registergerichtliches Vorgehen nach § 142 FGG ist zum Unterschied eines Einschreitens einer anderen, nicht durch § 126 FGG oder eine vergleichbare Norm zum Formalbeteiligten berufenen Person nicht bloß als Anregung aufzufassen, die als solche keine verfahrensrechtliche Beteiligungsstellung mit Rekursrecht zu verschaffen vermöchte, sondern als formelle Antragsstellung mit verfahrensrechtlichem Anspruch auf Erledigung. Eine solche Verfahrensstellung verleiht Beteiligtenstellung mit Anfechtungsbefugnis im Sinne des § 9 AußStrG. Die Organe des Handelsstandes sind zur Wahrung öffentlicher Interessen nicht nur zur Unterstützung der Registergerichte, sondern auch zur Ermöglichung einer Kontrolle der pflichtgemäßen Ermessensübung im Instanzenzug durch die Regelung nach § 126 FGG auch in das - im übrigen - amtswegige Verfahren nach § 142 FGG eingeschaltet.

Wegen dieser gesetzlich angeordneten Sonderstellung ist die vom Rekursgericht zitierte Rechtsprechung (SZ 21/81, SZ 24/49, ResRZ 1983, 36; siehe auch NZ 1952, 124 u.v.a.) über die Unanfechtbarkeit einer gerichtlichen Erledigung, mit der die Anregung auf Einleitung eines amtswegigen Verfahrens nach § 142 FGG abgelehnt wird, auf entsprechende Anträge einer nach § 126 FGG hiezu berufenen Kammer nicht anwendbar. Diese Auslegung stimmt mit der in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Auffassung überein (vgl. Jansen FGG 2 § 126 Rz 13; Schlegelberger FGG 7 § 126 Rz 4 in Verbindung mit § 141 Rz 6; Keidel/Kuntze/Winkler Freiwillige Gerichtsbarkeit Teil A 11 § 126 Rz 24; Schlegelberger-Hildebrandt-Steckhan § 8 Rz 11; Hüffer in Großkommentar HGB 4 § 8 Rz 14).

§ 126 FGG räumt in dem dort umschriebenen Bereich den Organen des Handelsstandes auch in den einem amtswegigen Einschreiten des Registergerichtes nach § 142 FGG vorbehaltenen Fällen die formelle Beteiligtenstellung nach § 9 AußStrG mit Anspruch auf Antragserledigung und Rechtsmittelbefugnis ein.'

Aus diesen auch für den vorliegenden Fall geltenden Erwägungen war der Beschluß des Rekursgerichtes aufzuheben und diesem die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Anmerkung

E06253

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00021.85.0828.000

Dokumentnummer

JJT_19850828_OGH0002_0060OB00021_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten