TE OGH 1985/8/28 1Ob589/85

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Veröffentlicht am 28.08.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel (Vorsitz) und Hon.Prof.Dr.Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Wurz und Dr.Hofmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma Baumeister Ing.Max A KG, Bauunternehmen, Westendorf, vertreten durch Dr.Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Franz B, ÖBB-Beamter, Kirchberg III/349, vertreten durch Dr.Herwig Grosch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen S 317.004,50 samt Anhang infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 5.Februar 1985, GZ 1 R 339/84-24, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 1.Oktober 1984, 13 Cg 516/83-18, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Beklagte erteilte im Jahre 1982 der klagenden Partei auf Grund deren Anbotes den Auftrag zur Errichtung eines Rohbaues einschließlich Dachstuhls und Dachdeckung zur Pauschalsumme von brutto S 1,750.000,--. Zwischen den Parteien bestand Einvernehmen darüber, daß der Baubeginn nicht besonders dränge; der Rohbau sollte aber jedenfalls im Herbst 1983 errichtet sein. Die dem Beklagten und seiner Gattin erteilte Baugenehmigung war nach bereits einmal erfolgter Verlängerung mit 11.7.1983 befristet. Der Beklagte teilte der klagenden Partei im Februar 1983 mit, daß die Finanzierung des Baues gesichert sei, mit den Bauarbeiten könne begonnen werden. Er wies die klagende Partei darauf hin, daß die Baubewilligung mit 11.7.1983 befristet sei; er habe den Wunsch, daß das Fundament bei abnehmendem Mond errichtet werde.

Die klagende Partei begehrt den Zuspruch des Schadensbetrages von S 317.004,50 samt Anhang. Der Beklagte habe, bevor die klagende Partei zu dem vereinbarten Zeitpunkt (25.Woche des Jahres 1983 bzw. 28.6.1983) mit dem Bau habe beginnen können, einem anderen Bauunternehmen zu einem niedrigeren Preis den Auftrag erteilt; er habe am 25.6. und 27.6.1983 überraschend und unberechtigt den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Die klagende Partei habe mit Schreiben vom 27.6.1983 sofort darauf hingewiesen, daß sie zur Erfüllung des Vertrages bereit sei. Der Beklagte habe für die Folgen seines rechtswidrigen Verhaltens einzustehen. Die klagende Partei habe ua bereits Teilleistungen erbracht und Verdienstentgang erlitten.

Der Beklagte wendete ein, es sei mit der klagenden Partei vereinbart worden, daß diese mit den Arbeiten spätestens zu Ostern 1983 beginne. Nachdem die klagende Partei ihre Zusage nicht eingehalten hatte, habe sie der Beklagte mehrfach zum Beginn des Baues aufgefordert und ihr Nachfristen gewährt. Da die klagende Partei bis 27.6.1983 mit den Bauarbeiten nicht begonnen habe, habe der Beklagte ihr am 25.6.1983 mündlich und am 27.6.1983 schriftlich den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Eine Verlängerung der Wirksamkeit der Baubewilligung sei nicht möglich gewesen. Hätte die klagende Partei bis zum Ablauf der Frist mit den Bauarbeiten nicht begonnen, hätte der Beklagte mit zusätzlichen Kosten rechnen müssen. Auch die Höhe der Klagsforderung wurde bestritten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, der Baubeginn sei für den 5.4.1983 festgesetzt worden. Da die klagende Partei dennoch mit dem Bau nicht begonnen habe, habe der Beklagte ab Mai 1983 wiederholt auf den Baubeginn gedrängt. Er sei aber von der klagenden Partei immer wieder vertröstet worden; diese habe erklärt, man werde bald mit dem Bau beginnen, sie sei aber im Frühjahr 1983 so ausgelastet, daß sie die entsprechenden Arbeiter vorerst nicht abstellen könne. Der Beklagte habe aber weder Nachfristen gesetzt noch den Rücktritt vom Vertrag angedroht. Am 23.6.1983 habe der Beklagte unter Hinweis auf die befristete Baubewilligung neuerlich auf den Beginn des Baues gedrängt. Ing.Werner A habe ihm aber erklärt, daß ihm der Auftrag derzeit nicht 'in das Programm passe'. Er werde mit dem Bürgermeister sprechen, um eine Verlängerung der Baubewilligung zu erreichen. Man könne dann im August 1983 mit dem Bau beginnen. Der Beklagte habe zum Ausdruck gebracht, daß er das nicht wünsche, er sich vielmehr einen Baubeginn am 27. oder 28.6.1983 vorstelle. Am 25.6.1983, einem Samstag, habe der Beklagte mit Ing.Werner A telefoniert, um einen sofortigen Baubeginn zu erwirken. Ing.Werner A habe wieder darauf verwiesen, daß er mit dem Bürgermeister reden werde. Der Beklagte habe erwidert, er lasse sich nicht mehr weiter vertrösten, er sei mit dieser Vorgangsweise nicht einverstanden. Ing. Werner A habe darauf gemeint, daß man sich bei Gericht oder beim Anwalt treffen werde, wenn der Beklagte den Vertrag nicht einhalte. Der Beklagte habe zum Ausdruck gebracht, daß er sich eine solche öußerung nicht gefallen lassen werde; die klagende Partei brauche die Arbeiten nicht mehr auszuführen. Das Telefongespräch sei damit beendet gewesen. Am 27.6.1983 richtete der Beklagtenvertreter ein Schreiben an die klagende Partei, in der er den mündlich erklärten Rücktritt wiederholte. Die klagende Partei gab ihrerseits am 27.6.1983 ein an den Beklagten gerichtetes Schreiben zur Post, in dem sie sich darauf berief, man habe den Baubeginn für den 28.6.1983 fixiert; obwohl der Beklagte den Vertrag brechen wolle, sei die klagende Partei zur Erfüllung bereit. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, der klagenden Partei habe spätestens am 23.6.1983 klar sein müssen, daß der Beklagte auf Baubeginn in der nächsten Woche bestehe. Da die klagende Partei selbst am 25.6.1983 eine solche Zusage verweigert habe, habe der Beklagte auch ohne ausdrückliche Einräumung einer Nachfrist berechtigt den Rücktritt erklärt. Es genüge eine tatsächliche Gewährung der Nachfrist; diese könne bei ernsthafter Erfüllungsverweigerung entfallen. Ein weiteres Zuwarten sei dem Beklagten nach dem Telefonat nicht mehr zumutbar gewesen. Der Beklagte habe zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen müssen, daß er nunmehr erst einen anderen Baumeister werde finden müssen, der ihm das Bauwerk in der noch knappen zur Verfügung stehenden Zeit in Angriff nehme. Im Falle ernsthafter Erfüllungsverweigerung wäre allerdings ein sofortiger Widerruf der Erfüllungsverweigerung nach Zugang der Rücktrittserklärung beachtlich. Dafür böten die Feststellungen aber keinen Anhaltspunkt. Vielmehr habe der Beklagte den Rücktritt telefonisch am 25.6.1983 erklärt, worauf ihm frühestens am 28.6.1983 das Schreiben der klagenden Partei, worin diese ihre Erfüllungsbereitschaft dokumentiert habe, zugegangen sein könne. Der Beklagte sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr veranlaßt gewesen, der klagenden Partei eine weitere Erfüllungsmöglichkeit einzuräumen.

Das Berufungsgericht hob auf Grund der Rechtsrüge der klagenden Partei das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache an dieses zur weiteren Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurück. Seinem Beschluß setzte es einen Rechtskraftvorbehalt bei. Für die Wirksamkeit der schon allein bei einem objektiven, also vom Schuldner nicht verschuldeten Verzug möglichen Rücktrittserklärung werde nach herrschender Lehre und Rechtsprechung verlangt, daß der Rücktritt unter Setzung einer angemessenen Nachfrist, die den Sinn habe, dem Schuldner nochmals eine Chance zur Erbringung der von ihm geschuldeten Leistung zu geben, erfolge; es könne nur nicht verlangt werden, daß die Nachfrist in formeller Weise und unter Verwendung dieses Ausdrucks gesetzt werde. Es werde vielmehr als ausreichend erachtet, wenn die Nachfrist tatsächlich gewährt werde. Hiebei könne die Nachfrist immer nur eine von der Rücktrittserklärung an laufende angemessene Frist zur Nachholung der Leistung sein; eine vor der Rücktrittserklärung ausdrücklich oder tatsächlich zugestandene Nachfrist enthebe den vertragstreuen Teil nicht von der Verbindlichkeit, mit der Rücktrittserklärung eine Nachfrist einzuräumen. Das Verstreichenlassen einer angemessenen Frist vor der Rücktrittserklärung genüge nicht, weil der Schuldner vor der Rücktrittserklärung davon ausgehen könne, daß der Gläubiger weiter auf Erfüllung bestehe. Rücktrittserklärungen und Nachfristsetzung müßten also eine Einheit bilden. Die Notwendigkeit der Setzung einer Nachfrist für die Wirksamkeit des Rücktrittes entfalle dann, wenn der Schuldner von vornherein die Leistung ernstlich und endgültig verweigere und diese Weigerung es ausgeschlossen erscheinen lasse, daß der Schuldner eine ihm gesetzte Nachfrist zur Nachholung der Erfüllung nützen werde. Erst bei der Besprechung vom 23.6.1983 habe der Beklagte Ing.Werner A gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß er sich einen Baubeginn am 27.6. oder 28.6.1983 vorstelle. Diese terminliche Fixierung könne nicht als Setzung einer Nachfrist und ebensowenig als Rücktrittsdrohung angesehen werden, als Setzung einer Nachfrist schon deshalb nicht, weil ein Rücktritt vom Vertrag noch gar nicht zur Sprache gekommen sei. Zwei Tage später, am 25.6.1983, einem Samstag, habe der Beklagte, der bei Ing.Werner A fernmündlich angerufen habe, um einen sofortigen Baubeginn zu erreichen, ohne eine Nachfrist zu gewähren, den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Der vom Beklagten geforderte sofortige Baubeginn hätte frühestens am darauffolgenden Montag oder Dienstag stattfinden können. Den schriftlichen Vertragsrücktritt habe der Beklagte am 27.6.1983 durch seinen Rechtsfreund erklärt. Weder die mündliche noch die schriftliche Rücktrittserklärung könne als rechtswirksam angesehen werden, weil es der Beklagte unterlassen habe, der klagenden Partei eine zeitlich bestimmte angemessene Nachfrist zu stellen. Es könne nicht gesagt werden, daß die klagende Partei die Erfüllung des ihr erteilten Auftrages geradezu verweigert habe. Verzögerungen in der Erfüllung seien einer Verweigerung der Leistung nicht gleichzusetzen. Die Erfüllungsbereitschaft der klagenden Partei ergäbe sich sowohl aus ihren öußerungen am 25.6. als auch aus ihrem Schreiben vom 27.6.1983. Dieses Schreiben wäre auch, selbst wenn man eine Schuldnerweigerung seitens der klagenden Partei annähme, als sofortiger Widerruf der Erfüllungsverweigerung nach Rücktrittszugang zu beachten. Es sei daher erforderlich, Beweise zur Höhe der Klagsforderung aufzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Beklagten ist berechtigt.

§ 918 ABGB gewährt dem Gläubiger bereits bei objektivem (EvBl 1978/2; HS 7291/28 ua; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 918; Koziol-Welser 6 I 190) Schuldnerverzug ein Wahlrecht: Er kann entweder Erfüllung und allenfalls Schadenersatz wegen Verspätung begehren oder unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag erklären.

Rücktrittserklärung und Nachfristsetzung bilden eine Einheit. Es genügt nicht, daß der Gläubiger bei Schuldnerverzug vor der Rücktrittserklärung Nachfristen setzte oder gewährte. Die Nachfrist hat der Rücktrittserklärung zeitlich nachzufolgen. Das Verstreichenlassen einer angemessenen Frist vor der Rücktrittserklärung genügt für einen wirksamen Rücktritt nicht (JBl 1976,535; HS 6334/34; HS 4295/14; Reischauer aaO Rdz 15); dem Schuldner ist nochmals eine Chance zu geben, den Verzug zu beenden (JBl 1976,535 mwN; Koziol-Welser aaO; Reischauer aaO). Eine Nachfristsetzung kann jedoch entfallen, wenn der Schuldner ernsthaft die Erfüllung verweigert (MietSlg.31.110; JBl 1977,543; SZ 40/53 ua; Reischauer aaO, Rdz 14; Koziol-Welser aaO; Gschnitzer in Klang 2 IV/1,458; Ehrenzweig 2 II/1,206), aber auch dann, wenn der Schuldner die Erfüllung in einer Weise verweigert, daß es ausgeschlossen erscheint, er werde eine ihm gesetzte Nachfrist zur Nachholung der Erfüllung benützen (SZ 40/53; SZ 32/118 ua; vgl. Reischauer aaO); in einem solchen Fall wäre eine dennoch erfolgte Setzung einer Nachfrist sinnlos.

Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, die die klagende Partei allerdings in ihrer Berufung bekämpfte, liegt ein solcher Fall vor. Als der Beklagte, nach dem schon monatelang von der klagenden Partei entgegen der getroffenen Vereinbarung hinausgeschobenen Baubeginn am 23.6.1983 zum Ausdruck brachte, daß er sich einen Baubeginn am darauffolgenden Montag oder Dienstag vorstellen könne, und anläßlich seines Telefonates vom 25.6.1983 wiederum auf einen sofortigen Baubeginn drängte, erklärte die klagende Partei, was bei einem Telefonat leicht möglich gewesen wäre, nicht etwa, die ihr bloß über das Wochenende gesetzte Nachfrist wäre unzureichend und daher nicht angemessen, sie müsse angemessen verlängert werden; aus ihrer wiederholten öußerung, sie wolle mit dem Bürgermeister reden, um eine Verlängerung der Baubewilligung zu ereichen, konnte vielmehr der Beklagte nur den Schluß ziehen, daß sie einen Beginn des Baues vor dem 11.7.1983, dem Tag des Ablaufens der Baubewilligung, ablehnte. Damit stellte sie sich für den Beklagten erkennbar auf den Standpunkt, daß sie nicht bereit war, selbst innerhalb einer angemessen scheinenden, jedenfalls längst vor dem 11.7.1983 endenden Nachfrist den Schuldnerverzug zu beenden. Lehnte die klagende Partei aber den geschuldeten und ohnehin schon hinausgezögerten Baubeginn auf solche Weise ab, wäre der Beklagte berechtigt gewesen, ohne Nachfristsetzung vom Vertrag zurückzutreten. Aus dem berechtigten Rücktritt des Beklagten könnte die klagende Partei aber keine Schadenersatzforderungen ableiten.

Da das Berufungsgericht von einer anderen Rechtsansicht ausgehend die nunmehr wesentlich erscheinende Beweisrüge der klagenden Partei nicht erledigte, ist sein Aufhebungsbeschluß aufzuheben und ihm die neuerliche Entscheidung aufzutragen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E06357

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00589.85.0828.000

Dokumentnummer

JJT_19850828_OGH0002_0010OB00589_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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