Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Zehetner und Dr.Riedler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf A, Postbeamter, Lebring Nr.26, vertreten durch Dr.Heinrich Kammerlander jun., Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Roman B, Zollwachebeamter, Leibnitz,
Am Hochsteg 8, 2.) Irmtraud B, Hausfrau,ebendort, beide vertreten durch Dr.Leo Häusler, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen Unterlassung (Streitwert S 30.000), infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 14.April 1983, GZ 5 R 158/83-152, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 27.Dezember 1982, GZ 4 C 5/80-141, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger und seine während des Verfahrens am 24.Februar 1981 verstorbene Ehegattin, die ursprüngliche Zweitklägerin Adelinde A, waren je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 1177 in der Katastralgemeinde C mit dem Einfamilienhaus Am Hochsteg Nr.6. Der Nachlaß nach Adelinde A wurde noch vor Schluß der Verhandlung in erster Instanz mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes D vom 23.November 1981, A 131/81-19, dem erblasserischen Witwer Rudolf A zu drei Sechstel und den drei erblasserischen Kindern Angelika, Jutta und Eva-Doris zu je einem Sechstel eingeantwortet. Zufolge der in die Einantwortungsurkunde aufgenommenen Verbücherungsklausel war nach dem Ergebnis der Verlassenschaftsabhandlung in Verbindung mit dem zwischen dem erblasserischen Witwer und den erblasserischen Kindern am 13.November 1981 geschlossenen Erbübereinkommen die Einverleibung des Eigentumsrechtes an dem Hälfteanteil der Adelinde A an der Liegenschaft EZ 1177 KG C für Rudolf A
vorzunehmen. Im genannten Erbübereinkommen hat Rudolf A 'in Ausübung des ihm im Ehevertrag vom 21.November 1964 eingeräumten Nachlaßaufgriffsrechtes den gesamten Nachlaß mit allen Aktiven und Passiven in sein Alleineigentum übernommen und sich verpflichtet, die den drei Kindern zustehenden Erbteilsbeträge von je 75.000 S an diese zu bezahlen. Der Beschluß des Bezirksgerichtes D vom 20. September 1982, A 131/81-23, mit welchem die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Rudolf A auf dem Hälfteanteil der Adelinde A an der Liegenschaft EZ 1177 KG C und
die Einverleibung des Pfandrechtes für die Erbteilsforderungen der drei Kinder angeordnet worden war, wurde laut Vermerk auf diesem Beschluß am 21.September 1982, also noch vor Schluß der Verhandlung in erster Instanz (die Verhandlung wurde am 27.September 1982 gemäß § 193 Abs 3 ZPO geschlossen), im Grundbuch vollzogen. Die beiden Beklagten sind je zur Hälfte Miteigentümer der dem Einfamilienhaus
Am Hochsteg Nr.6 benachbarten und mit dem diesbezüglichen Grundstück eine gemeinsame Grundgrenze aufweisenden Liegenschaft Katastralgemeinde C mit dem Wohnhaus Am Hochsteg Nr.8. Der Erstbeklagte ist Mitglied der Musikkapelle 'STEIERMARK SEXTETT', bei der die Zweitbeklagte als Sängerin engagiert ist.
Der Kläger und seine während des Rechtsstreites verstorbene Gattin begehrten in ihrer am 10.Dezember 1979 eingebrachten Klage, die Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, auf ihrer Liegenschaft Proben der Musikkapelle 'STEIERMARK SEXTETT' in der Zeit vom 1.November bis 1.April jeden Jahres nach 19 Uhr und in der Zeit vom 1.April bis 31.Oktober eines jeden Jahres nach 20 Uhr, mit welchen eine über das ortsübliche Ausmaß hinausgehende und somit unzumutbare Belästigung der Kläger auf deren Liegenschaft 'bewirkt ist', durchzuführen bzw. durchführen zu lassen. Von der Klagsseite wurde behauptet, das E F habe zwei- bis dreimal
wöchentlich, 'ob notwendig oder nicht', auch 'mit lautstark spielenden Blasinstrumenten' im Kellerraum des Wohnhauses der Beklagten vor dem 30.November 1979 häufig bis 22 Uhr, manchmal bis 23 Uhr und am 30.November 1979 bis 23,40 Uhr geprobt. Insbesondere zur Nachtzeit sei es zu einer unzumutbaren gesundheitsschädlichen Lärmbelästigung des Klägers und seiner Gattin gekommen. Der Kläger und seine Gattin seien in ihrem Ruhe- und Schlafbedürfnis empfindlich gestört worden. Die etwa zwei bis drei Monate vor Klagseinbringung unerträglich gewordenen Lärmbelästigungen gingen über das ortsübliche Ausmaß des verkehrsarmen, reinen Wohngebietes weit hinaus. Die Beklagten hätten trotz einer Anzeige bei der Gendarmerie ihre Lärmbelästigungen am 3.Dezember 1979 von ca.19 bis 22 Uhr und am 6.Dezember 1979 von 19,45 Uhr bis 22 Uhr fortgesetzt. Die ortsübliche Nachtruhe beginne auch nach Ansicht von örzten zur Winterszeit um 19 Uhr und im Sommer um 20 Uhr. Seit dem 23.Mai 1980 sei teilweise bei geöffnetem Fenster und offener Tür bis gegen 21,45 Uhr und 22 Uhr geprobt worden. Der Kläger und seine Gattin seien mit den Proben nie einverstanden gewesen. Wegen der Lärmbelästigungen hätten im Hause Am Hochsteg Nr.6 die Kinderzimmer verlegt werden müssen. Eine Tochter sei genötigt gewesen, in der Küche zu schlafen. Der Kläger und seine Gattin hätten die Liegenschaft am 17.März 1976 durch gerichtlichen Zuschlag erworben und das Haus am 11.August 1976 bezogen. Erst im Frühjahr 1980 seien die Wände des Probenraumes im Hause der Beklagten mit Eierkartons ausgekleidet, das Fenster am 22.März 1980 geändert, zur weiteren Schalldämmung Platten montiert und am 12.Juli 1980 Zimmererarbeiten durchgeführt worden.
Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Sie behaupteten, seit der Gründung des E FS im Jahre 1971 sei durchschnittlich ein- bis zweimal wöchentlich auf dem Anwesen der Beklagten geprobt worden, und zwar bis zum Jahre 1972 in einer Bauhütte und dann in bewußter Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft bis längstens 22 Uhr im Keller des fertiggestellten Wohnhauses der Beklagten. Dieses Musizieren habe bei der Nachbarschaft und unmittelbar nach dem Erwerb der Liegenschaft Am Hochsteg Nr.6 durch den Kläger und seine Gattin, welche schon vor ihrem Einziehen von den Beklagten auf die ein- bis zweimal wöchentlich bis 22 Uhr stattfindenden Proben hingewiesen worden seien, Anklang gefunden. Die Ehegatten A hätten ersucht, ihren Kindern den Zutritt zum Probenraum zu gestatten und im Sommer das Kellerfenster offenzuhalten, um am Musikgenuß teilhaben zu können. Dies sei in der Folge auch geschehen. Der Kläger und seine Gattin hätten bis zum Herbst 1979 an den Proben keinen Anstoß genommen. Die Instrumentierung des Sextetts sei stets gleich geblieben. Die Musik sei bereits seit dem Juni 1979 im schallverkleideten Probenraum bei geschlossenem Kellerfenster außerhalb des Hauses kaum hörbar gewesen. Erst seit Herbst 1979 hätten der Kläger und seine Gattin Immissionen fälschlicherweise bis 23 Uhr behauptet und die Beklagten bei der Verwaltungsbehörde angezeigt. Die Beklagten seien zu den regelmäßig bei geschlossenem Fenster durchgeführten Musikproben genötigt, um ihren vertraglichen Pflichten nachkommen zu können. In den Hausordnungen für Miethäuser würde die allgemein gültige Nachtruhezeit von 22 Uhr bis 6 Uhr angenommen. Die Häuser der Streitteile lägen nach dem Flächenwidmungsplan im allgemeinen Wohngebiet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die eingeschoßigen Einfamilienwohnhäuser der Streitteile liegen in einem Gebiet, welches in dem am 10.Dezember 1981 beschlossenen Flächenwidmungsplan als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen wurde. Auch in dem in der Zeit vom 7.Juli 1978 bis 1.September 1978 aufgelegt gewesenen Flächenwidmungsplan war das Gebiet südlich der Grenze der in der Katastralgemeinde C gelegenen Grundstücke Nr.392/19 (Haus Am Hochsteg Nr.6) und Nr.392/20 (Haus Am Hochsteg Nr.8) als Bauland der Kategorie 'allgemeines Wohngebiet' bezeichnet. Die entlang der Lafnitz verlaufende Landesstraße führt in einer Entfernung von rund 100 m an den Liegenschaften vorbei. Der geringste Abstand zwischen den beiden Häusern der beiden Streitteile beträgt 7,23 m. An der Westseite des Hauses der Beklagten befindet sich ein Abgang zu dem von außen zugänglichen Keller, in welchem die Proben des E FS stattfanden. Das an der Westfront des Hauses gelegene Kellerfenster ist 80 x 40 cm groß. Der Kellerraum weist eine Fläche von rund 4 x 7 m auf und ist 2,15 bis 2,20 m hoch. Am 23.Mai 1980 war der Probenraum durch eine verstellbare Wand zu etwa zwei Drittel vom übrigen Teil des Raumes abgetrennt und mit zum Eiertransport bestimmten Pappkartons verkleidet. Diese Verkleidung wurde vom Erstbeklagten vor dem 14.Mai 1981 entfernt. Das seit Frühjahr 1976 bestehende E F weist an
Instrumentierung ein Akkordeon, zwei Klarinetten, einen Baß, eine Trompete und eine Gitarre auf. Dazu kommt als Sängerin die Zweitbeklagte. Das Sextett verwendete zunächst einen Verstärker von 80 oder 100 Watt, zuletzt einen solchen von 150 Watt. Schon in den Jahren 1969 bis 1971 war in derselben Besetzung unter der Bezeichnung 'EIBISWALDER KLÖPFER-MUSIKANTEN' musiziert worden. Die Proben fanden damals in einer auf dem Grundstück der Beklagten stehenden Bauhütte statt. Dabei wurde ein Verstärker mit einer Leistung von rund 200 Watt verwendet. Nach einer Pause von einigen Jahren hieß die Musikkapelle 'ALBIN G F'. Das Haus Am Hochsteg Nr.6 wurde 1972 errichtet. Das E F probte
nie länger als bis 21,30 Uhr bzw. 22 Uhr. Die Proben waren darauf ausgerichtet, daß jeder Musiker möglichst leise spielte, damit er auch die anderen Musiker hören konnte. Es wurde immer bei geschlossenem Kellerfenster geprobt, 'und zwar nicht mit höchstmöglicher Lautstärke, ansonsten wären die Instrumente im Spielen nicht zu unterscheiden gewesen'. Am 30.November 1979 wurde im Kellerraum bis 21,45 Uhr geprobt. Nach der ersten Langspielplattenaufnahme vom 17. und 18.November 1978 wurde damit begonnen, den Probenraum mit einer 'Eierkartonverkleidung' auszustatten. Mit der Verkleidung der Wände und der Decke begann man Anfang Januar 1979. Die 'Verkleidungsarbeiten' dauerten bis Mai 1979. Zufolge einer vom Kläger am 2.Dezember 1979 erstatteten Anzeige wurde über den Erstbeklagten mit Strafverfügung vom 7. Januar 1980 wegen Verursachung unnötigen Lärms bis 23 Uhr durch Musikspielen und Störung der Nachtruhe des Klägers bzw. dessen Ehegattin eine Geldstrafe verhängt. Zufolge Einspruches des Erstbeklagten gegen diese Strafverfügung wurde das Verfahren am 12. März 1980 mit der Begründung eingestellt, der Beschuldigte habe die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen. Nach der Hausordnung der Liegenschaftsverwaltung der 'Steiermärkischen Landesregierung' beginnt die Nachtruhe um 22 Uhr und endet um 6 Uhr morgens. Vom medizinischen Standpunkt aus liegt der Beginn der Nachtruhe zwischen 22 und 23 Uhr.
Messungen an der Grundgrenze zwischen den Anwesen der Streitteile am 23.Mai 1980 bei geschlossenem Fenster des Probenraumes ergaben einen energieäquivalenten Lärmpegel bei Musikproben von 43,5 dB (A) und ohne Musikproben von 42,5 dB (A). Die Musikprobe selbst bewirkte einen Leq, der zwischen 33,5 dB (A) und 38,5 dB (A) lag. Diese Meßwerte liegen unter den in der Ö-Norm 5.021 festgelegten Richtwerten für zulässige Immissionen von Standplätzen der Kategorie 2, Wohngebiet, die dem Bauland im Sinne des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 gleichzusetzen und für die Grenzwerte während der Nachtstunden mit einen Leq von 40 dB (A) und während der Tagesstunden mit einem Leq von 50 dB (A) festgelegt sind. Die durch den Probenbetrieb des E FS im Keller des Hauses der Beklagten bewirkten Schallimmissionen auf die Liegenschaft des Klägers sind im Verhältnis zu jenen Schallimmissionen die von anderen Emittenten herrühren, untergeordnet. Bei geschlossenem Fenster und einen Leq 90 '(Höchste Lautstärke bei Musikprobe am 23.Mai 1980 bereits als unerträglich von den Musikern bezeichnet)' konnte im Hause des Klägers im Zimmer der Schwestern Eva und Jutta A der Probenbetrieb des E FS nicht wahrgenommen werden, desgleichen im Zimmer der mittlerweile ausgezogenen Tochter des Klägers Angelika. Im Zimmer des Klägers, dem seinerzeitigen ehelichen Schlafzimmer, konnte der Probenbetrieb 'kaum' wahrgenommen werden. Bei einem Leq von 73,2 im Probenraum des Kellers des Hauses der Beklagten konnte bei geschlossenem Fenster in den Räumen des Hauses des Klägers der Probenbetrieb des E FS nicht wahrgenommen werden, bei offenem Fenster des Hauses des Klägers war er nur schwach wahrnehmbar. Die am 16.April 1982 im Zuge der Schallmessungen auf dem Grundstück des Klägers bzw. in dessen Haus festgestellte Immissionsbelastung entspricht jener auf einem Bauland der Kategorie 'Allgemeines Wohngebiet' und ist im wesentlichen durch Schwerverkehr auf der Landesstraße Nr.602 bedingt.
Der bei der Telefonmontage der Post beschäftigte Kläger arbeitet bei der Neuanschaltung von Telefonanlagen und bei deren Verlegung. Dabei werden Durchbrüche mit der Bohrmaschine hergestellt und wird die Leitung verlegt.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, unter Berücksichtigung des Umstandes, daß im Flächenwidmungsplan der Gemeinden H und C das maßgebliche Gebiet in der Kategorie 'Allgemeines Bauland' ausgewiesen sei, hätten die stattgefundenen Musikproben im Keller des Hauses Am Hochsteg Nr.8 das nach den ortsüblichen Verhältnissen zulässige Ausmaß nicht überschritten. Eine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benützung des Wohnhauses des Klägers habe daher nicht angenommen werden können, weshalb eine im Sinne des § 364 Abs 2 ABGB unzulässige und zu untersagende Immission nicht vorgelegen sei. Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Grenze zulässiger Einwirkungen nach § 364 Abs 2 ABGB sei durch die Ortsüblichkeit der Störung und die ortsübliche Benützung des Grundstückes gegeben. Diese ortsübliche Benützung dürfe durch den Eingriff nicht wesentlich gestört werden. Eine ortsübliche Störung könne also nicht verboten werden, selbst wenn sie die ortsübliche Benützung wesentlich beeinträchtige. Ebensowenig rechtfertige eine mehr als ortsübliche Störung das Verbot, wenn sie nicht zugleich die ortsübliche Benützung wesentlich beeinträchtige. Schikanen seien nicht zu dulden. Es dürfe sich aber auch niemand über das aufhalten, was dem allgemeinen Ortsgebrauch entspreche. 'Ortsüblich' müsse nicht immer im Sinne der politischen Gemeinde aufgefaßt werden. Maßgebend sei die Ortsüblichkeit im Zeitpunkt der Einbringung der Klage. Bei der Prüfung der entscheidungswesentlichen Frage, ob bei den Musikproben des E FS auf der Liegenschaft der Beklagten Geräuschimmissionen entstünden, welche das nach den ortsüblichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die die ortsübliche Benützung des klägerischen Grundstückes wesentlich beeinträchtigten, sei nicht vom Flächenwidmungsplan auszugehen. Es komme vielmehr nur auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Die Beklagten hätten unter anderem das Klagebegehren mit der Begründung bestritten, sie hätten seit der Gründung des Sextetts im Jahre 1971 durchschnittlich ein- bis zweimal wöchentlich auf ihrem Anwesen geprobt. Dies hätten der Kläger und seine Ehegattin beim Erwerb des Hauses im Jahre 1976 erfahren und bis zum Herbst 1979 an diesen Proben, deren Häufigkeit, Dauer und Intensität nicht zugenommen hätten, keinen Anstoß genommen. Der Erstrichter habe, von einer anderen Rechtsmeinung ausgehend, 'die Ortsüblichkeit lediglich in einem Vergleich eines simulierten Geräuschpegels zu gutachtlich erhobenen Richtwerten für zulässige Immissionen im Wohngebiet und auch einem zusätzlich erhobenen energieäquivalenten Lärmpegel einer Musikprobe zu beurteilen gesucht'. Er habe dabei nicht bedacht, daß der Charakter der Gegend, in welcher sich das Familienwohnhaus des Klägers befinde, durch die bestehenden Verhältnisse, nämlich die bereits bei den schon vor Errichtung des klägerischen Wohnhauses mehr oder weniger regelmäßig abgehaltenen Musikproben am Nachbargrund, geprägt worden sei. Sei feststellbar, daß dieser Probenlärm 'in den folgenden Jahren seit dem Erstehen der Liegenschaft durch den Kläger' nicht ungewöhnlich zugenommen habe, könnte schon aus diesen Erwägungen eine nach § 364 Abs 2 ABGB beachtliche überschreitung 'des bisherig als durchaus gewöhnlich anzusehenden Maßes der von diesen Proben ausgehenden Geräuscheinwirkungen' auf das dem Kläger gehörige Grundstück nicht vorliegen. Der durch solche Immissionen beeinträchtigte Grundnachbar müßte sogar eine durch die normalerweise voraussehbare Entwicklung begründete Zunahme solcher Einwirkungen hinnehmen. Im fortzusetzenden Verfahren sei daher zunächst festzustellen, wie sich der Charakter der Gegend einschließlich des diesen mitprägenden Probenbetriebes auf dem Grund der Beklagten im Zeitpunkt der Errichtung des Hauses Am Hochsteg Nr.6 und im Zeitpunkt des Zuschlages dieser Liegenschaft an die Ehegatten A und wie sich deren Kenntnis hierüber
dargestellt habe, sowie ob 'diese Geräuschimmissionen seitdem ungewöhnlich, schlagartig oder wesentlich zugenommen' hätten. Sollte die Klärung 'dieser Umstände im Sinne einer Charakterisierung der Gegend durch diese Musikproben bereits vor den genannten Zeitpunkten' ergeben, daß eine ungewöhnliche Zunahme der Immissionen in der Folge nicht eingetreten sei, werde eine nach § 364 Abs 2 ABGB beachtliche überschreitung des bisherigen, als durchaus gewöhnlich anzusehenden Maßes der von den Musikproben ausgehenden Geräuscheinwirkungen auf das Grundstück des Klägers nicht vorliegen und das Klagebegehren schon deshalb neuerlich abgewiesen werden müssen.
Nur für den Fall entgegengesetzter diesbezügicher Feststellungen werde das zulässige Maß der Musikeinwirkung auf das Grundstück des Klägers nach den Verhältnissen des vorliegenden Falles zu beurteilen sein. Hiebei sei von der Lärmintensität, wie sie in der Umgebung des Hauses des Klägers ohne die Musikproben gegeben sei (Grundgeräuschpegel), auszugehen und nicht von jener, welche nach allgemeinen Richtlinien für Wohngebiete noch als zumutbar angesehen werden könne. Der energieäquivalente Dauerschallpegel der Musikproben sei hiezu in vergleichende Betrachtung zu setzen. Die im Zuge des Ortsaugenscheines durchgeführten Lärmmessungen könnten nur dann als ein taugliches Beweismittel angesehen werden, wenn sichergestellt sei, daß die Musiker während der Lärmmessungen mit derselben Lautstärke wie bei ihren Proben gespielt hätten, und wenn auch die Vergleichszeit eingehalten worden sei. Der Kläger habe sich nur über Musikbeeinträchtigungen 'grob gesprochen zur Winterszeit nach 19 Uhr und zur Sommerszeit nach 20 Uhr und nicht tagsüber beschwert erachtet'. Der Nachtruhebeginn 22 Uhr nach der Hausordnung der Liegenschaftsverwaltung der Steiermärkischen Landesregierung und nach medizinischem Standpunkt könne mangels Bezug zu den konkreten Gegebenheiten keine Lösung bringen. Im fortzusetzenden Verfahren sei somit auch zeitlich kongruent (also nach 19 Uhr bzw. 20 Uhr) der Grundgeräuschpegel auf der klägerischen Liegenschaft zu ermitteln 'und zum energieäquivalent bereits erhobenen Dauerschallpegel der Musikproben in Verhältnis zu setzen'. Da die beklagten Grundeigentümer nur das zu unterlassen schuldig seien, was über das 'unzumutbare' Maß hinausgehe, sei bei einer erforderlichen Präzisierung des Urteilsbegehrens und des Urteilsspruches nicht nur an die zeitlichen Beschränkungen, sondern auch an die Fixierung einer Lärmintensitätsgrenze zu denken. Was die für die Unterlassungsklage erforderliche Wiederholungsgefahr anlange, ergebe sich aus den Feststellungen, daß die Schalldämmungen im bisherigen Probenraum im Hause der Beklagten offenbar vor Schluß der Verhandlung in erster Instanz beseitigt worden seien. Da nach dem übrigen Akteninhalt dieser Kellerraum für Proben möglicherweise überhaupt nicht mehr benützt worden sein könnte, sei zu prüfen, ob überhaupt noch eine ernstliche Besorgnis weiterer Eingriffe in die vom Kläger behaupteten Rechte bestehe, wobei auf ein solches Verhalten der Beklagten Bedacht zu nehmen sein werde. Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß aufzuheben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen, allenfalls den Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückzuverweisen, unter Abstandnahme von den angeführten Aufhebungsgründen eine Sachentscheidung zu fällen.
Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Mit einem beim Erstgericht am 18.Juli 1983 überreichten Schriftsatz gab der Kläger einen Vertreterwechsel bekannt und legte die Fotokopie einer Stellungnahme des Univ.Prof.Dr.J.R.I vom 22.Juni 1983 zu den im Streitakt erstatteten Gutachten vom 18.August 1980 und 23.Mai 1982 vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die Rekursausführungen der Beklagten lassen insgesamt außer acht, daß weder Feststellungen über durch Schallmessungen objektiv ermittelte Lautstärken noch über die Wahrnehmbarkeit des Musiklärmes in der Zeit nach 19 Uhr vorliegen. Sie wenden sich nicht ausdrücklich gegen die Rechtsauffassungen der zweiten Instanz, die durchgeführten Lärmmessungen könnten überhaupt nur dann als taugliches Beweismittel - allerdings nur hinsichtlich der objektiven Lautstärke - angesehen werden, wenn sichergestellt sei, daß die Musiker während der Lärmmessungen mit derselben Lautstärke wie bei ihren Proben spielten und auch die Vergleichszeit eingehalten worden wäre. Die Beklagten versuchen lediglich darzustellen, daß die Schlußfolgerungen im Sachverständigengutachten auch für die vom Berufungsgericht für notwendig erachtete Vergleichszeit nach 19 Uhr Geltung hätten und sich weitere Messungen erübrigten, weil auf Grund der vorliegenden Beweisergebnisse die von den Beklagten veranlaßten Geräusche entweder überhaupt nicht oder nur schwach auf der klägerischen Liegenschaft in Erscheinung getreten seien und daher die Grenze einer unzumutbaren Geräuscheinwirkung nicht überschritten worden sei. Die Beklagten meinen, da die Feststellung des Ausmaßes einer Immission auch nicht 'subjektiven, unverifizierbaren Empfindungen' überlassen werden dürfe, sei die vom Erstgericht erwähnte Ö-Norm S 5021, welche den Grenzwert für zulässige Immissionen in Wohngebieten für die Nachtzeit mit 40 dB (A) und für die Tagzeit mit 50 dB (A) festsetze, unter dem die Geräuschwerte der Musik der Beklagten lägen, maßgebend. Die Nachtruhe sei erst ab 22 Uhr festzulegen.
Diesen Ausführungen ist folgendes zu entgegnen:
Feststellungen über die objektiven Werte des von der Liegenschaft der Beklagten stammenden Musiklärmes und über die Wahrnehmbarkeit auf der Liegenschaft des Klägers in der Zeit nach 19 Uhr fehlen. Von den Beklagten wurde die Maßgeblichkeit der für diesen Zeitraum ermittelten Werte zu Recht nicht bestritten. Einerseits wurde nämlich nur für diesen Zeitraum die Unterlassung des Musiklärmes in einer das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Stärke begehrt und andererseits ist gerade im Hinblick auf die Feststellung, daß die Immissionsbelastung bei der Schallmessung am 16.4.1982 im wesentlichen vom Schwerverkehr auf der Landesstraße 602 herrührte, dem Berufungsgericht zuzustimmen, das eine entscheidungswesentliche Verzerrung der Meßergebnisse durch den Grundgeräuschpegel deshalb für möglich hielt, weil der Grundgeräuschpegel tagsüber höher sei als während der Nachtzeit. Dem diesbezüglichen Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichtes kann daher nicht entgegengetreten werden. Es werden Feststellungen über die Lärmimmissionen und insbesonders über den Musikprobenlärm in dem entscheidungswesentlichen Zeitraum ab 19 Uhr zu treffen sein, wobei, weil - wie noch zu zeigen sein wird - die ortsübliche Nutzung der Nachbarliegenschaft nicht wesentlich beeinträchtigt werden darf, wozu auch insbesondere während der wärmeren Jahreszeit das Offenhalten der Fenster gehört, festzustellen sein wird, wie stark der Musiklärm im Hause des Klägers nicht nur bei geschlossenen, sondern auch bei geöffneten Fenstern zu hören ist. Dem Berufungsgericht ist auch insoferne beizupflichten, daß durch Lärmmessung nur die objektive Lautstärke ermittelt werden kann. Maßgebend ist aber nicht nur die (objektiv meßbare) Lautstärke, sondern auch die subjektive Lästigkeit, wobei aber nicht auf eine besondere Empfindlichkeit der betroffenen Person, sondern auf das Empfinden eines durchschnittlichen Bewohners des betroffenen Grundstückes abzustellen ist. Für diese Lästigkeit sind vor allem die Tonhöhe, die Dauer und die Eigenart der Geräusche entscheidend. Es wird daher im vorliegenden Fall bei der Feststellung der Art des Musiklärmes auch zu berücksichtigen sein, inwiefern sich der Umstand auswirkt, daß es sich um Musikproben mit den dabei üblicherweise vorkommenden Fehlern, Mißtönen und wiederholenden übungen handelt. Da gar nicht behauptet wurde, daß eine größere Zahl von Liegenschaften in dem gegenständlichen Wohngebiet so wie die Liegenschaft der Beklagten benutzt wird, kann von einer ortsüblichen Immission nicht gesprochen werden. Da - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - auch eine nicht ortsübliche Immission nicht untersagt werden kann, wenn sie nicht in beachtlicher Weise die ortsübliche Nutzung der Nachbarliegenschaft hindert, kommt es daher im vorliegenden Fall nur mehr darauf an, ob die Immission eine erhebliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung der klägerischen Liegenschaft bewirkt. Daß dies sowohl von der objektiv meßbaren Stärke der Immission, als auch von der mit Rücksicht auf die Art der Geräusche gegebenen Lästigkeit für einen durchschnittlichen Bewohner abhängt, wurde schon gesagt. Dem ist noch hinzuzufügen, daß die in der Ö-Norm S 5021 genannten Werte selbst dann nicht in der Weise verbindlich sind, daß darunter liegende Werte als nicht wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung der nachbarlichen Liegenschaft anzusehen sind, wenn man die Anwendbarkeit dieser Ö-Norm, die nach ihrer Bezeichnung die schalltechnische Grundlage für die örtliche und überörtliche Raumplanung und Raumordnung darstellt, für gegeben hielte, weil es sich jedenfalls um keine im Sinne des § 5 Normengesetz 1971 für verbindlich erklärte Norm handelt. Es werden daher für die Beurteilung, ob eine wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung der Liegenschaft des Klägers vorliegt, die Werte der genannten Ö-Norm oder anderer Richtlinien nur Anhaltspunkte bilden, wobei insbesondere bei gegebener 'Lästigkeit' des Lärmes im Einzelfall auch unter den genannten Werten die wesentliche Beeinträchtigung bejaht werden kann. Es werden daher nicht nur Feststellungen über die Lautstärke, sondern auch über die Art des Musiklärmes zu treffen sein.
Was das klägerische Begehren in zeitlicher Hinsicht betrifft, ist nicht auf eine festgelegte oder aus medizinischen Gründen zu fordernde Nachtruhe abzustellen, sondern zu berücksichtigen, daß eine auch im Hinblick auf die jeweilige Zeit wesentliche Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit der Nachbarliegenschaft zu keiner Zeit geduldet werden muß und jedenfalls daher die Unterlassung von Lärm verlangt werden kann, der das ab 19 Uhr bzw. 20 Uhr zweifellos gegebene Ruhebedürfnis eines Nachbarn mit durchschnittlichem Empfinden erheblich beeinträchtigt. Es kommt also nicht auf die Beeinträchtigung der Nachtruhe allein, sondern darauf an, daß die übliche Nutzung der gesamten nachbarlichen Liegenschaft nicht wesentlich gestört werden darf.
Dem Berufungsgericht ist auch darin grundsätzlich zuzustimmen, daß zur Berechtigung der Unterlassungsklage gemäß § 364 Abs 2 ABGB die Wiederholungsgefahr erforderlich ist. Es muß aber darauf verwiesen werden, daß bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr nicht engherzig vorgegangen werden darf, die Wiederholungsgefahr schon dann anzunehmen ist, wenn der Beklagte sein Unrecht nicht einsieht (MietSlg.29.040). Für den Wegfall der Wiederholungsgefahr sind die Beklagten behauptungs- und beweispflichtig (SZ 48/45; SZ 52/99 ua). Nicht erforderlich ist aber die vom Berufungsgericht verlangte Feststellung darüber, wie sich der Charakter der Gegend einschließlich des diesen mitprägenden Probenbetriebes auf dem Grundstück der Beklagten im Zeitpunkt des Erwerbes der Liegenschaft durch den Kläger und dessen Gattin und deren Kenntnis hierüber darstellte. Es ist zwar richtig, daß es für die Beurteilung der Ortsüblichkeit der Immission auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt, doch könnte auch eine gleichbleibende Probentätigkeit auf der Liegenschaft der Beklagten die davon ausgehende Immission - wie schon gesagt - einerseits deshalb nicht zu einer ortsüblichen machen, weil eine solche Tätigkeit auf anderen Grundstücken nicht behauptet wurde, und andererseits der Beeinträchtigte die Einwirkung nicht schon deshalb dulden muß, weil er sein Grundstück erst später erworben oder bebaut hat und ihm in diesem Zeitpunkt die Immission bereits bekannt war. Diesbezüglich gibt es keine Priorität. Es kommt grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Beurteilung an (vgl.Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rdz 15 zu § 364; Soergel/Baur, BGB 11 Rz 47 zu § 906; J, BGB 12 Rz 51 zu § 906). Gegenteiliges wurde auch in den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen SZ 48/15 und SZ 52/53, die lediglich die Erweiterung einer gewöhnlichen Immission betrafen, nicht behauptet.
Bei der vom Berufungsgericht aufgetragenen Präzisierung eines allfällig stattgebenden Urteilsspruches wird wegen der oben dargestellten Bedeutung einer allfälligen Lästigkeit des Probenlärmes bei einer Festsetzung der Lautstärke auch auf diese Lästigkeit Bedacht zu nehmen sein.
Aus diesen Erwägungen erweist sich der Rekurs der Beklagten als nicht berechtigt, weshalb ihm der Erfolg zu versagen war. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E06254European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00720.83.0828.000Dokumentnummer
JJT_19850828_OGH0002_0060OB00720_8300000_000