Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29.August 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Silvia A wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach § 289 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Jugendschöffengericht vom 19.März 1985, GZ. 22 Vr 3876/84-10, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 12.Mai 1968 geborene und sohin noch jugendliche Silvia A des Vergehens der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach § 289 StGB. schuldig erkannt.
Darnach hat sie am 28.November 1984 vor der Bundespolizeidirektion Salzburg, mithin vor einer Verwaltungsbehörde als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Behauptung: 'Ich kann zur Körperverletzungsanzeige zum Nachteil der Sieglinde B vom 11.November 1984 keine Angaben machen, weil ich zur besagten Zeit zu Hause war. Am nächsten Tag war ich aber im 'CAFE 29' und dabei wurde auch davon gesprochen, daß am Vortag 'geschlägert' wurde. Als Täterin nannte man eine 'Gabi'. Ob es sich hiebei um die mir bekannte Gabriele C handelte, kann ich nicht sagen.' falsch ausgesagt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die von der Angeklagten auf die Z. 5, '9' und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der aus dem erstgenannten Grunde Berechtigung zukommt.
Das Ersturteil stellt in den Entscheidungsgründen fest (Seite 56), daß Silvia A anläßlich ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache am 28.November 1984 als Zeugin vor der Bundespolizeidirektion Salzburg im Sinne des § 153 StPO. belehrt worden ist, ohne die Beweismittel anzuführen, auf die es diese Feststellung stützt. Im Zuge der Beweiswürdigung (Seite 58) führt das Urteil jedoch aus, es sei für den Sachausgang unerheblich, ob die Angeklagte im Sinne der genannten Gesetzesstelle belehrt worden sei, da sie ohnehin nicht im Verdacht gestanden sei, an der tätlichen Auseinandersetzung zwischen Gabriele C und Sieglinde B beteiligt gewesen zu sein.
Mit Recht rügt die Beschwerde die obgenannte Urteilsfeststellung als undeutlich begründet, da das Erstgericht offen läßt, ob der Angeklagten die Bestimmung des § 153 StPO. vorgehalten worden ist oder nicht. Entgegen der Ansicht des Ersturteiles ist diese Frage aber von entscheidungswesentlicher Bedeutung.
Gemäß § 153 StPO. kann ein Zeuge die Aussage verweigern, wenn die Ablegung des Zeugnisses oder die Beantwortung einer Frage für ihn oder einen seiner Angehörigen Schande oder die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines unmittelbaren und bedeutenden vermögensrechtlichen Nachteils mit sich brächte und er nicht zum Zeugnis verhalten wurde, weil dies wegen der besonderen Bedeutung seiner Aussage unerläßlich ist. Vorliegend hätte Silvia A anläßlich ihrer Vernehmung als Zeugin vor der Bundespolizeidirektion Salzburg die Aussage verweigern können, da sie auf Grund der Aktenlage (Seiten 4, 14 f., 18 f.) im Verdachte steht, Beteiligte im Sinne des § 12 StGB., (dritte Alternative) an der Tathandlung der Gabriele C gewesen zu sein, soll sie doch durch 'Aufhussen' bzw. Anfeuern die Genannte bei der Tatausführung in ihrem Vorhaben bestärkt haben. Die Angeklagte hat sich dahin verantwortet (S. 51), die strafbare Handlung (auch) deswegen begangen zu haben, da sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes befürchtete. Diese Verantwortung ist dahin zu deuten, daß die Angeklagte die Falschaussage aus Furcht vor dem Bekanntwerden ihrer Beteiligung an den Tätlichkeiten der Gabriele C ablegte. So gesehen könnte der Angeklagten aber, wenn sie die falsche Beweisaussage verübte, um von sich die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung abzuwenden und ihr die erwähnte Belehrung nicht erteilt worden ist, der Schuldausschließungsgrund nach § 290 Abs. 1 StGB. zugute kommen (vgl. Entscheidung Nr. 15 zu § 290 in Mayerhofer-Rieder, StGB. 2 ).
Die aufgezeigte Urteilsundeutlichkeit läßt daher eine erschöpfende rechtliche Beurteilung des Falles nicht zu; vielmehr erweist sich die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz als unumgänglich, sodaß der zum Vorteil der Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde sofort bei einer nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen war, ohne daß es einer eingehenden Erörterung der übrigen Beschwerdepunkte bedurfte; nur der Vollständigkeit halber ist der Beschwerde jedoch zu entgegnen, daß die Aktenlage keinen Anhaltspunkt dafür bietet, daß eine wahrheitsgemäße Aussage der Angeklagten als Zeugin für sie mit der Gefahr des Verlustes ihres Arbeitsplatzes verbunden gewesen wäre.
Anmerkung
E06333European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00123.85.0829.000Dokumentnummer
JJT_19850829_OGH0002_0120OS00123_8500000_000