Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29.August 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner A
wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über den Antrag auf Wiedereinsetzung sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 1.März 1985, GZ 26 Vr 2601/83-41 nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird zurückgewiesen. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit sie sich auf § 281 Abs 1 Z. 4 und 5 StPO stützt, zurückgewiesen. Im übrigen wird über sie und über die Berufungen bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Werner A 1.
des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und 2. des Vergehens der versuchten Nötigung nach § 15, 105 Abs 1 StGB schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er in Linz
1. am 24.August 1983 den Michael Manfred B durch
Versetzen von Faustschlägen in das Gesicht, wodurch dieser zu Boden stürzte, am Körper verletzt hat, wobei die Tat eine an sich schwere Körperverletzung und zwar einen doppelten Unterkieferbruch, verbunden mit einer Schädelprellung und eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatte;
2. im Oktober 1983 den Michael Manfred B durch
gefährliche Drohung, und zwar durch die Erklärung, er werde ihn wegen Raubes bei der Polizei anzeigen, zu einer Handlung, nämlich zur Zurückziehung seiner Anzeige wegen Körperverletzung und zur Leistung einer monatlichen Zahlung von 1.500 S, die Werner A für seine Lebensgefährtin Manuela C glaubte
rückfordern zu dürfen, zu nötigen versucht hat.
Rechtliche Beurteilung
Dieses, am 1.April 1985 dem Verteidiger zugestellte Urteil, wird vom Angeklagten mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a StPO gestützten, fristgerecht ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde (ON 43) angefochten. Der Strafausspruch wird sowohl vom Staatsanwalt als auch vom Angeklagten mit Berufung bekämpft. Am 26.April 1985 (somit nach Ablauf der 14-tägigen Ausführungsfrist), beantragte der Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ausführung eines weiteren Nichtigkeitsgrundes, der gleichzeitig geltend gemacht wurde (§ 281 Abs 1 Z. 4 StPO). Er bringt vor und untermauert dieses Vorbringen mit eidesstättigen Erklärungen, daß der in der Kanzlei seines gemäß § 41 Abs 2 StPO bestellten Verteidigers angestellte Rechtsanwaltsanwärter Dr. Ludwig D die Rechtsmittel auf Tonband diktierte und dann handschriftlich auf zwei Blättern noch den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z. 4 StPO ausführte. Die verläßliche Kanzleiangestellte Elke E hat jedoch irrtümlich das handschriftliche Konzept übersehen und somit nur das Tonband, nicht aber auch das Konzept mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 4 StPO übertragen. Die Reinschrift wurde vom Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Christian D unterschrieben, ohne daß ihm auffiel, daß eine Verfahrensrüge nicht erhoben wurde. In diesem Zusammenhang muß allerdings bemerkt werden, daß dem Rechtsanwalt nach der Aktenlage das Fehlen dieses Nichtigkeitsgrundes gar nicht auffallen konnte, weil schon die formelle Voraussetzung des § 281 Abs 1 Z. 4 StPO, ein in der Hauptverhandlung gestellter Beweisantrag, fehlt.
Gemäß § 285 StPO ist nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde vorgesehen. Weder vor noch nach Ablauf der Ausführungsfrist kann daher der Nichtigkeitswerber seine Beschwerde durch die Geltendmachung weiterer Verfahrens- und Begründungsmängel ergänzen (Mayerhofer-Rieder 2 § 285 StPO ENr. 36). Gemäß § 364 StPO ist eine Wiedereinsetzung nur wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung (nach der Rechtsprechung auch zur Ausführung) eines Rechtsmittels gegen ein Urteil unter den dort angeführten Voraussetzungen zulässig, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung eines Rechtsmittels ist hingegen nicht möglich. Der Wiedereinsetzungsantrag war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 5 StPO rügt zunächst der Beschwerdeführer das Urteil als undeutlich und unzureichend begründet, weil es ausspricht, daß der Angeklagte den Zeugen B mit einem Faustschlag ins Gesicht verletzte, andrerseits es aber als durchaus möglich bezeichnet, daß er B auch aufhob und ihm mit dem Knie einen Stoß gegen das Kinn versetzte. Das Urteil lasse somit offen, durch welche Tätlichkeiten (ein Faustschlag oder mehrere Faustschläge, Stoß mit dem Knie) die Verletzungen entstanden sind.
Dieser behauptete Begründungsmangel betrifft aber keine entscheidende Tatsache. Für den Schuldspruch nach § 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB ist es ohne Bedeutung, ob der Angeklagte den Zeugen durch Faustschläge oder einen Kniestoß verletzte. Genug daran, daß das Erstgericht festgestellt und ausreichend begründet hat, daß die schweren Verletzungen des Zeugen durch die Tätlichkeiten des Angeklagten verursacht wurden (S. 101 f.).
Aber auch die unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels gerügte Annahme des Erstgerichtes, daß der Angeklagte dem Zeugen den Faustschlag mit dem Vorsatz versetzte, ihn zu verletzen, und daß er zumindest ernstlich mit der Möglichkeit einer schweren Verletzung rechnete und sich damit abfand, ist mit dem Hinweis auf die allgemeine Lebenserfahrung und den kräftig geführten Schlag zureichend begründet (S. 113).
Das Erstgericht stellte fest, daß der Angeklagte Michael Manfred B mit einer Anzeige wegen Raubes bei der Polizei bedrohte, wenn B die Anzeige wegen Körperverletzung nicht zurückzieht und ihm nicht monatlich 1.500 S bezahlt (S. 102). Der Schluß des Erstgerichtes aus diesem Sachverhalt, daß der Angeklagte den Zeugen vorsätzlich zu bestimmten Handlungen nötigen wollte (S. 103, 114), widerspricht keineswegs den Gesetzen logischen Denkens, sodaß auch hinsichtlich der Feststellung der subjektiven Tatseite dem Urteil kein Begründungsmangel anzulasten ist.
Schließlich wird mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 5 StPO auch noch bemängelt, daß das Erstgericht die Annahme der Eignung der festgestellten Drohung, dem Zeugen begründete Besorgnis einzuflößen, nicht begründet hat.
Ob eine Drohung objektiv geeignet ist, den Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten übels begründete Besorgnisse einzuflößen (§ 74 Z. 5 StGB) ist eine Rechtsfrage. Der behauptete Mangel der Erörterung einer Rechtsfrage begründet jedoch keine Nichtigkeit, denn nur der Mangel von Beweisgründen für entscheidende Tatsachen ist der Sanktion des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z. 5 StPO unterworfen (Mayerhofer-Rieder 2 , § 281 Z. 5, ENr. 129, 130).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit bereits in einer nichtöffentlichen Beratung, soweit sie auf § 281 Abs 1 Z. 5 StPO gestützt wird, zum Teil gemäß § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO als offenbar unbegründet und zum Teil nach § 285 d Abs 1 Z. 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO als nicht gesetzmäßig ausgeführt, soweit sie aber den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 4 StPO geltend macht, gemäß § 285 d Abs 1 Z. 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z. 1 StPO als verspätet sofort zurückzuweisen.
über die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO) des Angeklagten und über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Anmerkung
E06609European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00112.85.0829.000Dokumentnummer
JJT_19850829_OGH0002_0120OS00112_8500000_000