Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29.August 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral (Berichterstatter), Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Petko A wegen des Vergehens nach § 61 LMG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 13.März 1985, AZ Bl 141/85, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 13.März 1985, AZ Bl 141/85, mit dem in Stattgebung der Beschwerde des Petko A der Beschlagnahmebeschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 12.Februar 1985, GZ 9 U 226/85-4, aufgehoben wurde, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen des § 40 Abs. 1 und Abs. 2 LMG 1975.
Text
Gründe:
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 12.Februar 1985, GZ 9 U 226/85-4, wurden gemäß § 40 Abs. 2 LMG 1975 - nach vorläufiger Beschlagnahme gemäß § 40 Abs. 1 LMG 1975 teils durch den Stadtmagistrat Innsbruck, Abteilung VII/M, Lebensmittelaufsicht (Marktamt), am 8.Jänner 1985, teils durch die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck am 9.Jänner 1985 - insgesamt 12.670 kg getrocknete Aprikosen, gerichtlich beschlagnahmt, weil sie einen über die zufolge Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 6.Juli 1977, BGBl Nr 429/1977, über Konservierungsmittel (Konservierungsmittelverordnung) mit 0,3 g/kg (vgl § 1 Z 5 und § 2 in Verbindung mit der Anlage 1 Z 15 lit a dieser Verordnung) als zulässig festgesetzte Höchstmenge an Schwefeldioxyd (SO 2 ) hinausgehenden Gehalt an Schwefeldioxyd, nämlich zwischen 0,777 und 1,183 g/kg aufwiesen. Gegen diesen Beschlagnahmebeschluß erhob der davon betroffene Kaufmann Petko A (als Importeur der beschlagnahmten Aprikosen) Beschwerde. Das Landesgericht Innsbruck als Beschwerdegericht gab mit Beschluß vom 13. März 1985, AZ Bl 141/85 (= ON 9 des Aktes 9 U 226/85 des Bezirksgerichtes Innsbruck) dieser Beschwerde Folge und hob den vorerwähnten Beschlagnahmebeschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck (zur Gänze) auf. Dies wurde im wesentlichen damit begründet, daß nach den vom Beschwerdegericht weiterhin als maßgeblich erachteten Beurteilungsrichtlinien des Österreichischen Lebensmittelbuches (Codex), III. Auflage, Bes. Teil, Abschnitt B 4, Punkt 24/g) in Verbindung mit Punkt 23/k), in Ansehung der beschlagnahmten getrockneten Aprikosen wegen deren Gehaltes an Schwefeldioxyd (zwischen 0,777 und 1,183 g/kg) nur eine - im Falle einer bloß fahrlässigen Tatbegehung gerichtlich nicht
strafbare - Falschbezeichnung (im Sinne der Begriffsbestimmung des § 8 lit f LMG 1975) vorliege, sodaß die im § 40 Abs. 1 LMG 1975, insbesondere in der lit b dieser Gesetzesstelle, normierten Beschlagnahmevoraussetzungen auf die im vorliegenden Fall wegen des überhöhten Gehaltes an SO 2 beanstandeten getrockneten Aprikosen nicht zutreffen. Außerdem meinte das Beschwerdegericht, daß die vom Bezirksgericht Innsbruck verfügte und nunmehr bekämpfte Beschlagnahme, trotz dem im vorliegenden Fall vom Beschwerdegericht bejahten Verstoß gegen das Verbot des § 11 LMG 1975, auch nicht auf die Vorschrift des § 40 Abs. 1 lit a Z 2 LMG 1975 gestützt werden könne, weil das Erheblichkeitserfordernis nach dieser Gesetzesstelle im Hinblick darauf, daß nur eine (möglicherweise bloß fahrlässig begangene) Falschbezeichnung in Betracht komme, zu verneinen sei.
Rechtliche Beurteilung
Diese den Beschlagnahmebeschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 12.Februar 1985 aufhebende Beschwerdeentscheidung des Landesgerichtes Innsbruck steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 LMG 1975 ist vom Gericht (wegen Vergehens) zu bestrafen, wer u a Lebensmittel in Verkehr bringt, die zugelassene Zusatzstoffe in unerlaubten Mengen enthalten. Nach dem im § 11 LMG 1975 für Zusatzstoffe statuierten Verbotsprinzip ist u a (vgl die lit b dieser Gesetzesstelle) das Inverkehrbringen von Lebensmitteln (oder Verzehrprodukten) mit nicht zugelassenen, den Zulassungsbedingungen nicht entsprechenden oder mit unerlaubten Mengen von Zusatzstoffen ausdrücklich verboten. In der auf Grund des LMG 1975, insbesodere der §§ 10 und 12 dieses Gesetzes, vom Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz am 6.Juli 1977, BGBl Nr 429/1977, über Konservierungsmittel erlassenen Verordnung (Konservierungsmittelverordnung) wird für Lebensmittel der hier in Rede stehenden Kategorie (Trockenobst) bloß eine Höchstmenge von 0,3 g/kg an Schwefeldioxyd (SO 2 ) als Konservierungsmittelzusatz für zulässig erklärt (vgl § 1 Z 5 und § 2 der vorerwähnten Konservierungsverordnung in Verbindung mit der Anlage 1 Punkt 15./ a/ zu dieser Verordnung). Nach dem Vorgesagten kommt somit bei dem von der Beschlagnahmeverfügung des Bezirksgerichtes Innsbruck betroffenen Lebensmittel (getrocknete Aprikosen) infolge Verletzung des Verbotes des § 11 lit b LMG 1975 (in Verbindung mit der laut Konservierungsmittelverordnung für diese Kategorie von Lebensmittel für zulässig erklärten Höchstmenge an SO 2 ) allein der Vergehenstatbestand nach § 61 Abs. 1 Z 2 LMG 1975 in Betracht, sodaß sich in diesem Zusammenhang die vom Landesgericht Innsbruck als Beschwerdegericht erörterte Frage, ob das vom Bezirksgericht Innsbruck beschlagnahmte Lebensmittel als verfälscht (im Sinne der Begriffsbestimmung des § 8 lit e LMG 1975) oder bloß als falsch bezeichnet (im Sinne der Begriffsbestimmung des § 8 lit f LMG 1975) zu beurteilen sei, gar nicht stellt. Setzt doch keiner der im § 61 LMG 1975 umschriebenen Deliktsfälle zur Tatbestandsverwirklichung das Vorliegen eines der im § 8 LMG 1975 angeführten Beanstandungsgründe (also etwa eine Verfälschung oder eine Falschbezeichnung) voraus (vgl Brustbauer, Jesionek, Petuely, Wrabetz, Das LMG 1975, S 60, 61, 281, 282, sowie die Subsidiaritätsklausel des § 63 Abs. 3 LMG 1975).
Zutreffend hat demnach das Bezirksgericht Innsbruck als Erstgericht das Vorliegen der Beschlagnahmevoraussetzungen des § 40 Abs. 1 lit a Z 2 LMG 1975 bejaht, bestand doch nach den vorliegenden Anzeigengutachten der begründete Verdacht, daß das vom Beschlagnahmebeschluß dieses Gerichtes betroffene Lebensmittel (getrocknete Aprikosen) dem Verbot des § 11 lit b LMG 1975 (und der zum Schutz der Gesundheit erlassenen Konservierungsmittelverordnung, BGBl Nr 429/1977) im erheblichen Maß widersprach. Das - als Beschlagnahmevoraussetzung nach der Bestimmung des § 40 Abs. 1 lit a Z 2 LMG 1975
statuierte - Erheblichkeitserfordernis ist aber angesichts des Umstandes, daß in dem von der Beschlagnahmeverfügung des Bezirksgerichtes Innsbruck betroffenen Lebensmittel die (nach der Konservierungsmittelverordnung) für zulässig erklärte Höchstmenge des Konservierungsmittels Schwefeldioxyd von 0,3 g/kg zumindest um mehr als das Zweifache bis nahezu zum Vierfachen der erlaubten Menge überschritten wurde, eindeutig zu bejahen.
Die Beschwerdeentscheidung des Landesgerichtes Innsbruck vom 13. März 1985, Bl 141/85, mit der in Stattgebung der Beschwerde des von der gerichtlichen Beschlagnahme betroffenen Petko A der Beschlagnahmebeschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 12. Februar 1985 aufgehoben wurde, verletzt sohin das Gesetz in den Bestimmungen des § 40 Abs. 1 und Abs. 2 LMG 1975. Da diese Beschwerdeentscheidung dem betroffenen Petko A zum Vorteil gereicht, hatte sich die, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes getroffene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes auf die Feststellung dieser Gesetzesverletzung zu beschränken.
Anmerkung
E06462European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00115.85.0829.000Dokumentnummer
JJT_19850829_OGH0002_0120OS00115_8500000_000