TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/28 2005/05/0095

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Veröffentlicht am 28.06.2005
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Index

22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §47;
AVG §63 Abs5;
ZPO §292;
ZustG §16 Abs1;
ZustG §16 Abs2;
ZustG §22 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des Dr. B in P, vertreten durch Dr. Isabelle Dessulemoustier-Bovekercke, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Seilergasse 6/18, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom 17. Jänner 2004 (richtig wohl: 2005), Zl. UVS-04/A/53/8518/2004/7, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafsache (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den

15. Bezirk, erließ am 28. September 2004 gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis wegen Nichteinhaltung von Verpflichtungen als Liegenschaftsmiteigentümer nach der Wiener Bauordnung. Im Akt erliegen zwei Rückscheine über die Zustellung dieses Bescheides; danach erfolgte die erste Zustellung am 5. Oktober 2004 durch Übergabe an eine Ersatzempfängerin (nach den Beschwerdeangaben die Gattin des Beschwerdeführers) als Mitbewohnerin der Abgabestelle. Nach dem zweiten Rückschein hat die Gattin des Beschwerdeführers den Bescheid auch am 15. Oktober 2004 übernommen (dieses Datum entspricht auch dem OT-Stempel des Zustellpostamtes).

Gegen das Straferkenntnis brachte der Beschwerdeführer am 2. November 2004 Berufung ein. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2004 hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor, dass der Strafbescheid laut Zustellnachweis am 5. Oktober 2004 und am 15. Oktober 2004 von einer Mitbewohnerin an der Abgabestelle übernommen worden sei. Da für die Berechnung der Berufungsfrist gemäß § 6 Zustellgesetz die erste Zustellung am 5. Oktober 2004 heranzuziehen sei, sei die Berufungsfrist bereits am 19. Oktober 2004 abgelaufen.

In der darauf abgegebenen Stellungnahme vom 28. Dezember 2004 brachte der Beschwerdeführer vor, dass er den Bescheid am 5. Oktober 2004 in unvollständigem Umfang erhalten habe. Er habe daraufhin die zuständige Sachbearbeiterin des Magistratischen Bezirksamts angerufen. Diese habe ihm mitgeteilt, dass die Zustellung damit noch nicht erfolgt sei und ihm der vollständige Bescheid noch zugestellt werde. Den vollständigen Bescheid habe er in der Folge tatsächlich erst am 18. Oktober 2004 erhalten. Der Vorhalt, dass er den Bescheid bereits am 15. Oktober 2004 übernommen habe, sei unrichtig. Zum Beweis seines Vorbringens bot er seine Parteieneinvernahme und die Einvernahme der zuständigen Magistratsbeamtin an.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers mit der Begründung zurück, es sei auf Grund des aktenkundigen Zustellvorgangs erwiesen, dass das Straferkenntnis am 15. Oktober 2004 von einer Mitbewohnerin des Beschwerdeführers an der Abgabestelle übernommen worden sei. Das Vorliegen der Voraussetzungen einer Ersatzzustellung nach § 16 Zustellgesetz sei nicht bestritten worden. Die erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist am 2. November 2004 eingebrachte Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Der Beschwerdeführer erhob darauf die vorliegende Beschwerde und beantragte, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Eine Berufung ist nach § 63 Abs. 5 AVG (in Verbindung mit § 24 VStG) binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit der an die Partei erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides.

Kann eine Sendung nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf gemäß § 16 Abs. 1 ZustG an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann Ersatzempfänger jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist.

Die Zustellung ist gemäß § 22 Abs. 1 ZustG vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden. Nach Abs. 2 hat der Übernehmer der Sendung die Übernahme durch Unterfertigung des Zustellnachweises unter Beifügung des Datums und, soweit er nicht der Empfänger ist, seines Naheverhältnisses zu diesem zu bestätigen.

Der Rückschein dient der Behörde als Beweis der ordnungsgemäßen Zustellung. Dabei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG in Verbindung mit § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit für sich hat. Diese Vermutung ist widerlegbar, wobei die Behauptung der Unrichtigkeit des Beurkundeten entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (zuletzt hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2005, Zl. 2004/16/0197). Es ist Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorgangs aufkommen zu lassen (vgl. hg. Erkenntnis vom 13. November 1992, Zl. 91/17/0047). Die bloße Behauptung, es bestehe die Möglichkeit, dass der Zusteller die Brieffächer verwechselt habe, oder die wiederholte Behauptung der Ortsabwesenheit ohne konkrete Angaben über Zeitraum und Grund der Abwesenheit begründeten beispielsweise keine Pflicht der Behörde, von Amts wegen Nachforschungen über die Zustellung anzustellen. Vielmehr hat die Partei konkrete Angaben zu machen, welche die Rechtmäßigkeit der Zustellung in Zweifel ziehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 1989, Zl. 89/02/0112, und vom 13. März 1991, Zl. 87/13/0196).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Angaben im Rückschein, dass der erstinstanzliche Bescheid am 15. Oktober 2004 von einer Ersatzempfängerin (der Gattin des Beschwerdeführers) übernommen wurde. Dem Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde vorgehalten, dass der erstinstanzliche Bescheid am 5. Oktober 2004 und am 15. Oktober 2004 von seiner Mitbewohnerin übernommen wurde; er gab dazu an, dass er den Bescheid nicht am 15. Oktober 2004, sondern am 18. Oktober 2004 "übernommen" hätte. Er bestritt aber weder die Übergabe an seine Gattin als Ersatzempfängerin noch das diesbezügliche Übergabedatum 15. Oktober 2004.

In der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, dass er den erstinstanzlichen Bescheid tatsächlich erst am 18. Oktober 2004 übernommen habe, wie er bereits vor der belangten Behörde behauptet habe. Er erachte sich dadurch in seinen Rechten verletzt, dass die belangte Behörde keinerlei Maßnahmen zur Erforschung der Richtigkeit und des genauen Zeitpunkts der Zustellung unternommen habe. So seien insbesondere weder er selbst noch die von ihm beantragte Zeugin von der Strafbehörde erster Instanz einvernommen worden. Außerdem sei ihm vor Erlassung des Berufungsbescheids nicht vorgehalten worden, dass die Zustellung am 15. Oktober 2004 rechtswirksam erfolgt sei und deshalb eine Verfristung vorliege. Auf Grund seiner Behauptung, die Zustellung sei am 18. Oktober 2004 erfolgt, hätte die Behörde nicht von der Richtigkeit des Rückscheins ausgehen dürfen. Dem Postzusteller müsse ein Irrtum beim Ausfüllen des Datums unterlaufen sein. Bei Zweifeln an den Angaben des Beschwerdeführers hätte der Beschwerdeführer, der Postzusteller und allenfalls die Gattin des Beschwerdeführers einvernommen werden müssen.

Der Umstand, dass die belangte Behörde in ihrem Schreiben vom 15. Dezember 2004 von einer ordnungsgemäßen Zustellung des Bescheides am 5. Oktober 2004 ausging, vermag nichts daran zu ändern, dass der Beschwerdeführer vor Erlass des angefochtenen Bescheides Gelegenheit dazu hatte, auf ein allenfalls falsch beurkundetes Zustelldatum (15. Oktober 2004) hinzuweisen - welches ihm jedenfalls vorgehalten worden war - und die behauptete Verfristung seiner Berufung zu widerlegen. Da die Behörde nur auf konkrete Hinweise hin eine Ermittlungspflicht über den Zustellvorgang trifft, wäre es dem Beschwerdeführer oblegen, in seiner Stellungnahme die Richtigkeit der Behauptungen der belangten Behörde, insbesondere hinsichtlich des Zustelldatums, zu bestreiten und konkrete Beweise anzubieten.

In seiner Stellungnahme vom 28. Dezember 2004 machte der Beschwerdeführer zwar Mängel der unstrittig fehlerhaften Zustellung am 5. Oktober 2004 geltend. Hinsichtlich der zweiten Zustellung begnügte er sich jedoch mit der Behauptung, er habe die Sendung erst am 18. Oktober 2004 übernommen. Er nahm in keiner Weise Bezug auf den Vorhalt, dass der Bescheid von seiner Gattin übernommen worden sei, und bestritt auch nicht, dass die diesbezügliche Zustellung bereits am 15. Oktober 2004 erfolgt sei. Da der Beschwerdeführer keine Umstände darlegte, welche die Rechtmäßigkeit und den Zeitpunkt der Zustellung, wie er auf dem Rückschein aufscheint, in Frage stellten, bestand für die belangte Behörde kein Anlass, Ermittlungen über den Zustellvorgang durchzuführen.

Zu den in der Beschwerde geäußerten Mutmaßungen, denen schon in Anbetracht des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbots keine Relevanz zukommt, sei bemerkt, dass offenbar bei der zweiten Zustellung am 15. Oktober 2004 die Ersatzempfängerin selbst das Datum einfügte.

Da die belangte Behörde somit keinen Grund hatte, an der Richtigkeit der Angaben auf dem Zustellnachweis zu zweifeln, durfte sie von einer ordnungsgemäßen Zustellung am 15. Oktober 2004 ausgehen. Daher ist in der Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde keine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch des Kostenersatzes gründet sich auf die § 47ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Juni 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005050095.X00

Im RIS seit

17.08.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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