Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10.September 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Dallinger als Schriftführers, in der Strafsache gegen Andreas A wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengerichtes vom 3.April 1985, GZ 1c Vr 1674/84-14, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.April 1968 geborene, sohin jugendliche Andreas A des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Das Erstgericht legte ihm - laut Urteilstenor - zur Last, am 5. August 1984 in Wien versucht zu haben, dem Staat in seinem Recht, Fahrzeuge, welche die materiellen Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllen, vom öffentlichen Straßenverkehr auszuschließen, absichtlich einen Schaden dadurch zuzufügen, daß er Organe der Straßenverkehrsaufsicht durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Zulassungsverhältnisse seines Motorfahrrades, zur Unterlassung des Einschreitens zu verleiten trachtete, indem er an seinem zum Verkehr nicht zugelassenen und nicht haftpflichtversicherten Motorfahrrad das (ihm für ein anderes Motorfahrrad zugewiesene) Kennzeichen W 23.976 anbrachte und mit dem (nicht zugelassenen) Fahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilnahm.
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 und 9 (zu ergänzen: lit a) des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlaß der Beschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß das Urteil an einer vom Beschwerdeführer in dieser Richtung nicht geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeit leidet:
Der Tatbestand nach dem § 108 Abs. 1 StGB läßt auf der subjektiven Tatseite für die Verleitung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung durch Täuschung über Tatsachen bedingten Vorsatz genügen, verlangt aber für die Schadenszufügung Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB). Es muß also, auf den vorliegenden Fall bezogen, die Schädigung eines Rechtes des Staates auf konkrete, in den bestehenden Rechtsvorschriften begründete rechtserhebliche Maßnahmen in der Zielvorstellung des Täters liegen; es genügt nicht, ein anderes Ziel mit dem Bewußtsein anzustreben, daß mit der Erreichung allenfalls auch beim Staat der Eintritt eines Schadens verbunden ist (vgl Mayerhofer-Rieder, StGB 2 , § 108, Nr 5 und 6). Ein ausschließlich der Verfolgungsvereitlung (durch Verwaltungsbehörden) in bezug auf ein bereits begangenes Verwaltungsdelikt dienendes Verhalten ist, wenn außer dem verletzten Rechtsgut und dem ius puniendi kein weiteres Rechtsgut verletzt wurde, überhaupt nicht strafbar (SSt 48/18; 49/13; vgl auch LSK 1985/42, 43). Das Ersturteil enthält nur Konstatierungen über die Wissensseite des Vorsatzes (S 67) und das - aus dem mehrdeutigen Satz der Verantwortung ('ganz hatte ich nicht das Gefühl, daß es richtig sei') abgeleitete - Unrechtsbewußtsein des Angeklagten, der angab, daß er das Motorfahrrad vor der 'Umtypisierung' nur ausprobieren wollte, entbehrt jedoch jeglicher begründeter Feststellung (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO) zur Frage der Absichtlichkeit und damit zur Willenskomponente, wie sie im § 108 Abs. 1 StGB in Beziehung auf das geschützte Rechtsgut gefordert wird.
Aus dem Urteilsspruch allein, der allerdings das Wort 'absichtlich' enthält, ist in Anbetracht der angeführten Feststellungsmängel der angefochtenen Entscheidung im gegebenen Zusammenhang allein nichts zu gewinnen.
Da sich somit zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO - nach Anhörung der Generalprokuratur - bereits bei einer nichtöffentlichen Sitzung wie im Spruch zu erkennen.
Mit seiner dadurch gegenstandslos gewordenen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E06597European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00101.85.0910.000Dokumentnummer
JJT_19850910_OGH0002_0110OS00101_8500000_000