TE OGH 1985/9/10 11Os129/85

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Veröffentlicht am 10.09.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.September 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Dallinger als Schriftführers in der Strafsache gegen Karl A wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs 1 StGB und anderer Delikte über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengerichts vom 19. Oktober 1984, GZ 21 Vr 3878/83-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 14.Jänner 1941 geborene Holzschnitzer Karl A des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs 1 StGB (1), des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs 1 StGB (2) und des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt. Darnach versuchte er am 18. August 1983 in St.Johann im Pongau, im Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten Faustinus A den Gendarmeriebeamten Manfred B an einer Amtshandlung, nämlich seiner Anhaltung und Feststellung seiner Personalien wegen der vorher im Gasthaus 'ARLERWALDWIRT' begangenen Straftaten (Fakten 2 und 3 b), mit Gewalt zu hindern, wobei er den Beamten am Hemd riß und mit der Hand stieß (1). Zuvor hatte er Antonia C und Lisbeth D (Wirtin und Kellnerin im genannten Gasthaus, die das Autokennzeichen notieren wollten) mit den Worten: 'Verschwindet sofort hinein, sonst bringe ich euch um!', wobei er einen Holzprügel drohend schwang, gefährlich bedroht, um sie zur sofortigen Rückkehr in den Gastraum zu nötigen (2). Karl A liegt nämlich weiter zur Last, in diesem Gasthaus Karl E vorsätzlich eine Verletzung auf der Nase und an der Oberlippe zugefügt (3 b) und anläßlich einer Auseinandersetzung am 8. Oktober 1983 in Goldegg/Tweng Faustinus A leicht verletzt zu haben (3 a aa).

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch wegen des Vergehens nach den § 15, 269 Abs 1 StGB (1) ficht der Angeklagte gestützt auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a, allenfalls 10, StPO und den Schuldspruch wegen Nötigung (2) aus den Gründen nach § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde an, während er den Strafausspruch mit Berufung bekämpft.

Zum Faktum 1:

In seinen Verteidigungsrechten behindert (Z 4) fühlt sich der Angeklagte durch die Anordnung des Vorsitzenden, die an den Zeugen Manfred B gestellte Frage, ob er (anläßlich der Anhaltung) zu Karl A gesagt habe, er wolle ihn wegen der Vorfälle beim 'ARLERWALDWIRT' befragen, nicht zuzulassen (S 229), weil durch präzisere Befragung und dementsprechende Antworten des Zeugen die Beweiswürdigung 'möglicherweise' anders ausgefallen wäre. Dem ist grundsätzlich entgegenzuhalten, daß nur eine Entscheidung des Gerichtshofs, nicht aber eine prozeßleitende Verfügung des Vorsitzenden, als Zwischenerkenntnis im Sinn des § 281 Abs 1 Z 4 StPO anzusehen ist. Da es der Verteidiger inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokolles unterließ, eine Entscheidung des Senats einzuholen, fehlt es der Verfahrensrüge schon an den formellen Voraussetzungen, abgesehen davon, daß sich der Beschwerdeführer nur auf Erkundungsmöglichkeiten beruft (Mayerhofer-Rieder 2 , E 6, 7 zu § 281 Z 4 StPO).

Die Mängelrüge (Z 5) wirft dem Urteil unter Anführung mehrerer Details des vom Beschwerdeführer behaupteten Geschehensablaufes eine unvollständige und nur scheinbare Begründung vor, weil es sich mit Einzelheiten von Aussagen zu wenig auseinandergesetzt und gerade deshalb 'möglicherweise' zu keiner anderen (für den Beschwerdeführer günstigeren) Beweiswürdigung gelangt sei.

Die Tatrichter legten den beiden Angeklagten zur Last, im Bewußtsein, wegen des vorhergegangenen Vorfalls im Gasthof von der Gendarmerie angehalten zu werden, sofort nach ihrer Anhaltung aus dem Auto gesprungen zu sein und die Beamten beschimpft zu haben. Trotz Aufforderung, ihre Identität bekanntzugeben, und trotz mehrfacher Abmahnungen gingen sie schließlich tätlich gegen den Beamten Manfred B vor, um ihre weitere Anhaltung und Feststellung der Personalien zu verhindern. Erst nach Abgabe eines Warnschusses und Eintreffen der per Funk herbeigerufenen Verstärkung konnten die beiden Täter festgenommen und im Gebäude des Gendarmeriepostenkommandos St.Johann bis zum nächsten Tag verwahrt werden. Dann legten sie ein Geständnis ab (S 259 a bis 261). Diese Feststellungen stützte das Gericht auf die Geständnisse der beiden Angeklagten vor der Gendarmerie (S 115 bis 121). Wenngleich nur Faustinus A seine geständige Verantwortung bis in die Hauptverhandlung beibehielt (ON 16, S 211-220), während Karl A schon vor dem Untersuchungsrichter behauptete, er sei von der Gendarmerie zum Geständnis gezwungen worden (ON 7 a, S 220 bis 226), hatten die Tatrichter keine Bedenken, den Tathergang nach den Schilderungen der Gendarmeriebeamten, die auch jede Mißhandlung des Beschwerdeführers zur Erzwingung eines Geständnisses entschieden in Abrede stellten (S 83 bis 86, ON 8 und 9, S 226 bis 235), als erwiesen anzunehmen (S 263). Wenn die Beschwerde meint, das Schöffengericht hätte sich mit den Vorgängen während der Verwahrung bei der Gendarmerie näher auseinandersetzen, mit der den Erhebungsergebnissen nicht entsprechenden (S 67), in der Hauptverhandlung geäußerten Meinung des Zeugen F, sein Kollege B habe die beiden schon gekannt (S 231), beschäftigen und Unstimmigkeiten (Erfassen am Rock oder Hemd) oder Unsicherheiten in der Aussage (Berufung auf Niederschrift) näher würdigen müssen, überzieht sie den durch die Vorschrift des § 270 Abs 2 Z 5 StPO normierten Rahmen einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe und unternimmt letztlich nur den im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung des Erstgerichts als allenfalls unzutreffend hinzustellen, obwohl die vorliegenden geringfügigen Widersprüche keinesfalls übergangen wurden (S 263). Ganz deutlich wird dieses Bestreben in der Argumentation, die Tatsache des Befolgens der Anhalteaufforderung durch die Gendarmerie spreche schon allein für den mangelnden Vorsatz, die Amtshandlung zu verhindern. Die behaupteten formellen Begründungsmängel liegen somit nicht vor. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a oder 10), es sei nicht festgestellt, daß die Handlungsweise des Angeklagten vom Vorsatz umfaßt war, eine Amtshandlung zu verhindern, weshalb der Tatbestand nach dem § 269 StGB 'keineswegs' vorliegen könnte, ist jedoch nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil sie die bereits zitierte ausdrückliche Konstatierung übergeht, daß die beiden Täter gegen den Gendarmeriebeamten tätlich vorgingen, um ihre Anhaltung und Feststellung der Personalien zu verhindern (S 259 a verso, 261). Diese nicht nur Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB), sondern sogar Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) zum Ausdruck bringende Urteilsannahme läßt am Vorliegen der subjektiven Tatseite keinerlei Zweifel offen, sodaß das Vorbringen den Anforderungen für die prozeßordnungsgemäße Darlegung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes nicht genügt.

Zum Faktum 2:

Die Mängelrüge (Z 5) glaubt, auch hier dem Schöffengericht unzureichende und unvollständige Begründung vorwerfen zu müssen, weil es sich mit der Behauptung des Angeklagten, das Holz im Auto bloß umgeschichtet und nur eine milieubedingte Unmutsäußerung von sich gegeben zu haben, nicht näher auseinandersetzte. Die Aussagen des (zu diesem Punkt nicht angeklagten) Faustinus A seien ohne Bedeutung und kein Beweismittel spreche für einen Nötigungsvorsatz, zumal auch die Zeugin C hiezu keine Angaben mache.

Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, daß Karl A die Äußerungen als solche auch in der Hauptverhandlung nicht bestritt (S 221), daß die Tatrichter aber seiner Behauptung, es sei keine Drohung, sondern nur ein 'Abschiedsgruß' gewesen, keinen Wahrheitsgehalt zumaßen, vielmehr gestützt auf die glaubwürdigen Angaben des Zweitangeklagten (S 215) und der Zeuginnen G (S 246) und C (S 241) die tatsächlichen Vorgänge und die Motivation des Angeklagten (Verhindern des Notierens des Kennzeichens) feststellten und hieraus ohne Verstoß gegen die Denkgesetze den Schluß zogen, daß Karl A durch die drohenden Worte und das Zugehen auf die Frauen mit erhobenem Holzprügel beabsichtigte, sie zu zwingen, in das Lokal zurückzulaufen, was ihm auch gelang. Wenn also - was auch gar nicht zu erwarten wäre - die bedrohten Frauen keine dezidierten Angaben zum subjektiven Vorhaben des Täters machten, war es dem Gericht nicht verwehrt, im Rahmen freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) auf die nach der Situation naheliegende Absicht des Angeklagten zu schließen. Der behauptete Nichtigkeitsgrund haftet dem Urteil somit auch in diesem Punkt nicht an.

Dem Gericht unterlief aber auch kein Subsumtionsfehler (Z 9 lit a), wenn es das festgestellte Verhalten dem Tatbestand des § 105 Abs 1 StGB unterstellte. Die Beschwerdebehauptung, aus den Feststellungen gehe nicht hervor, daß der Vorsatz, die Frauen zu einer Handlung (Rückkehr ins Gasthaus) zu nötigen, schon zum Zeitpunkt der Drohung vorlag, kann wohl nur als Fehlinterpretation der auch in der Rechtsmittelschrift zitierten Urteilsfeststellungen angesehen werden. Zwingt doch die (Urteils-)Formulierung, daß der Angeklagte die Frauen wörtlich bedrohte, dabei den Prügel schwang, worauf C und D ins Lokal zurückliefen, wie dies der Angeklagte beabsichtigt hatte (S 259 a unten und verso), zur Deutung, daß das gewalttätige Vorgehen gegen die Frauen in der bereits bestehenden Absicht geschah, sie zu vertreiben. Es verläßt daher auch diese Rechtsrüge den Boden der Feststellungen, weshalb sie ebenfalls einer dem Gesetz entsprechenden Ausführung entbehrt. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als zum größten Teil nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt gemäß dem § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit dem § 285 a Z 2 StPO, im übrigen als unbegründet gemäß dem § 281 Abs 1 Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung wird ein Gerichtstag angeordnet werden (§ 296 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E06601

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00129.85.0910.000

Dokumentnummer

JJT_19850910_OGH0002_0110OS00129_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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