TE OGH 1985/9/10 11Os2/85

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Veröffentlicht am 10.09.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. September 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Dallinger als Schriftführers, in der Strafsache gegen Manfred A wegen des Vergehens des Schmuggels nach dem § 35 Abs. 1 FinStrG und anderer Delikte über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und des Zollamtes Wien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 26. September 1984, GZ 6 c Vr 552/83-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwalts Dr. Bassler als Vertreters des Generalprokurators, des Vertreters des Zollamtes, Dr. Mairinger, des Vertreters des Haftungsbeteiligten, Dr. Zeiner, und des Verteidigers Dr. Rast, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Zollamts wird zur Gänze und der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft dahin Folge gegeben, daß das angefochtene Urteil, soweit es über den beantragten Verfall der sichergestellten Gegenstände, hinsichtlich derer ein Finanzvergehen begangen wurde, nicht abspricht, aufgehoben und die Finanzstrafsache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang dieser Aufhebung zurückverwiesen wird; im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verworfen.

Ferner wird den Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Zollamtes Folge gegeben und das angefochtene Urteil in der Unterlassung eines Ausspruchs über die Haftung der Firmen ''VEGETABILE' Ölfabriks Ges.m.b.H. und Siegmund B für die über den Angeklagten Manfred A verhängten Geld- und Wertersatzstrafen aufgehoben und die Finanzstrafsache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch im Umfang dieser Aufhebung zurückverwiesen.

Der Berufung des Angeklagten wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Manfred A zu Punkt I/ des Vergehens der Hinterziehung von Eingangsabgaben nach dem § 35 Abs. 2 FinStrG, zu Punkt II/ des Vergehens des Schmuggels nach dem § 35 Abs. 1 FinStrG und zu Punkt III/ des Vergehens der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit. b FinStrG schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 und 2 FinStrG nach den §§ 35 Abs. 4, 37 Abs. 2 FinStrG zu einer Geldstrafe von 90.000 S, im Nichteinbringungsfall drei Monate Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Gemäß dem § 19 Abs. 1 lit. a FinStrG in Verbindung mit den §§ 17 Abs. 2 lit. a, 35 Abs. 4, 37 Abs. 2 FinStrG wurde 'hinsichtlich der im Spruch angeführten nicht ergriffenen Waren über Manfred A anteilig vom Betrag von 5,951.793 S die Strafe des Wertersatzes in Höhe von 297.589,65 S (im Nichteinbringungsfalle sechs Monate Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt'. Einen Ausspruch über den allfälligen Verfall der im gegenständlichen Verfahren 'sichergestellten Waren' (vgl. die Anklageschrift AS 280, 281/Bd II) enthält das Urteil ebensowenig wie einen solchen über eine allfällige Haftungsbeteiligung der C Ölfabriks Ges.m.b.H. und der Firma Siegmund B (vgl. die Anklageschrift AS 281, 282/Bd II).

Nach den maßgebenden Urteilsannahmen betrieb der Angeklagte Manfred A im Fortsetzungszusammenhang (AS 347, 349 Bd II) in der Zeit vom 7. April 1975 bis 24. April 1978 im Auftrag des ursprünglich mitangeklagten, am 5. Mai 1984 verstorbenen (AS 309 Bd II) Wilhelm A 'für die Siegmund B KG' einen

'schwungvollen' Handel 'mit in zollunredlicher verschiedenster Weise' in österreichisches Zollinland eingebrachten Antiquitäten (AS 353, 354 Bd II), von denen ein Teil sichergestellt werden konnte. Wilhelm A war 'bis zu seinem Tode im Jahre 1984' (AS 352 Bd II unter Berücksichtigung der dort unterlaufenen Namensverwechslung; vgl. auch die Gegenäußerung der Nebenbeteiligten, AS 421 Bd II) Geschäftsführer der C Ölfabriks Ges.m.b.H., die Alleineigentümerin der Firma Siegmund B ist. Manfred A war Angestellter der C Ölfabriks

Ges.m.b.H. und führte in dieser Eigenschaft den Teilbetrieb Firma Siegmund B ab Dezember 1974 'praktisch selbständig' (AS 352 Bd II).

Am 28. September 1978 erstattete Manfred A gegen Wilhelm

A Anzeige bei der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes für den

1. Bezirk. Auf Grund dieser Anzeige wurden am 7. Dezember 1978 vom Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz Hausdurchsuchungsbefehle erlassen, bei deren Vollzug am 18. Dezember 1978 die in Rede stehenden verfallsbedrohten Antiquitäten sichergestellt wurden (AS 352, 353 Bd II; Blatt 3 ff in Beilagenordner A). Am 17. Jänner 1983 wurde gegen Manfred A und Wilhelm A das gerichtliche Strafverfahren eingeleitet (AV-Bogen, S 1).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

Manfred A (ON 40):

Die erwähnten Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In rechtlicher Hinsicht wendet der Beschwerdeführer ersichtlich mit Beziehung auf § 55 FinStrG aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO ein, 'daß das Gerichtsverfahren nur nach rechtskräftigem Abschluß des Finanzstrafverfahrens unter Bezugnahme auf ihn betreffende rechtskräftige Bescheide' (offenbar gemeint nach rechtskräftiger endgültiger Abgabenfestsetzung) durchzuführen sei. Mangels bisher stattgefundener Erlassung derartiger 'Bescheide' nehme das Erstgericht auf solche auch gar nicht Bezug. In diesem Umstand liege ein Feststellungsmangel, der auf einen Rechtsirrtum des Erstgerichtes zurückgehe (AS 378; 380, 381/Bd II).

Rechtliche Beurteilung

Diese Rüge ist verfehlt.

Nach dem § 55 FinStrG darf (fallbezogen) im gerichtlichen Finanzstrafverfahren wegen Hinterziehung oder fahrlässiger Verkürzung von veranlagten Abgaben vom Einkommen oder vom Vermögen, von Gewerbesteuer (mit Ausnahme der Lohnsummensteuer), von Umsatzsteuer oder von Abgabe von alkoholischen Getränken die Hauptverhandlung erst durchgeführt werden, wenn das Ergebnis der rechtskräftigen endgültigen Abgabenfestsetzung für den Zeitraum vorliegt, den die strafbare Handlung betrifft. § 55 FinStrG bezieht sich sohin nicht auf Strafverfahren wegen des Finanzvergehens des Schmuggels nach dem § 35 Abs. 1 FinStrG oder der Hinterziehung von Eingangsabgaben (wie der Einfuhrumsatzsteuer) nach dem § 35 Abs. 2 FinStrG. Für diese Steuer (§ 1 Abs. 1 Z 3 UStG 1972) gelten nämlich nach § 24 Abs. 2 und Abs. 3 UStG 1972 die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß; zu ihrer Einhebung sind die Zollämter zuständig. Bei der Einfuhrumsatzsteuer handelt es sich sohin begrifflich um eine Eingangsabgabe, bei der die Abgabenschuld nach zollrechtlichen Vorschriften (§ 174 ZollG) entsteht, sodaß von der im § 55 FinStrG vorausgesetzten rechtskräftigen Abgabenfestsetzung für einen Zeitraum, den die strafbare Tat betrifft, nicht die Rede sein kann (EvBl. 1979/65; 1981/8). Demgemäß ist § 55 FinStrG aber auch auf (Finanzvergehen der) Abgabenhehlerei von Sachen unanwendbar, hinsichtlich welcher ein Schmuggel oder eine Verkürzung von Eingangsabgaben begangen wurde. Dem Erstgericht unterlief also in den Schuldsprüchen wegen der Finanzvergehen des Schmuggels nach dem § 35 Abs. 1 FinStrG. der Hinterziehung von Eingangsabgaben nach dem § 35 Abs. 2 FinStrG und der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit. b FinStrG weder der behauptete Rechtsirrtum noch liegt insoweit ein Feststellungsmangel vor.

Unter diesem rechtlichen Aspekt versagt aber auch die Verfahrensrüge (§ 281 Abs. 1 Z 4 StPO) des Beschwerdeführers. Denn mit dem vom Erstgericht mit Zwischenerkenntnis abgewiesenen (AS 341/Bd II) Beweisantrag auf Vernehmung eines informierten Vertreters des Zollamtes Wien (AS 339/Bd II) wollte der Angeklagte erkennbar ausschließlich unter Beweis stellen, daß ihm nur ein einziger Bescheid über eine Zollschuld in der Höhe von 25.419 S (Schuldspruchfaktum II/) zugestellt wurde (vgl. AS 335; 339/Bd II), zumal er der ihm angelasteten Tathandlungen auch zu den Schuldsprüchen Punkt I/ und III/ des Urteiles geständig war und die Richtigkeit der Höhe der - vom Zollamt Wien durch Nachbemessung festgestellten - Verkürzungsbeträge niemals in Zweifel zog. Das vom Beschwerdeführer angestrebte Ergebnis der beantragten und vom Erstgericht abgewiesenen Beweisaufnahme war daher von vornherein nicht geeignet, die dem Gericht durch die Gesamtheit der ihm bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelte Beweis- und Sachlage maßgebend zu verändern oder Einfluß auf die Entscheidung über die Schuld bzw. den anzuwendenden Strafsatz zu üben.

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge Feststellungen vermißt, 'die für die rechtliche Beurteilung der Verjährung maßgeblich sind' (sachlich: § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO), genügt - in übereinstimmung mit den Ausführungen des Erstgerichtes - der Hinweis auf die Bestimmung des § 31 Abs. 3 FinStrG (Verlängerung der Verjährungszeit), zumal der Angeklagte in der Zeit vom 7. April 1975 bis 24. April 1978 'fortgesetzt' (AS 347/Bd II) vorsätzlich eine Verkürzung von Eingangsabgaben bewirkte (Schuldspruchfaktum I/) und der Ablauf der vorliegend fünfjährigen Verjährungsfrist (§ 31 Abs. 2 FinStrG) zumindest seit 17. Jänner 1983 (Einleitung des gegenständlichen Strafverfahrens; AS 1) gehemmt ist (§ 31 Abs. 4 lit. b FinStrG).

Im übrigen erweist sich die Rechtsrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt. Denn mit der inhaltlich gegen das Schuldspruchfaktum III/ gerichteten Behauptung, 'allein die Führung einer Kartei ohne entsprechenden weiteren Zusammenhang' reiche nicht aus, ihn des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit. b FinStrG schuldig zu erkennen, übergeht er die Urteilsannahmen, wonach er im Auftrag seines Schwiegervaters Wilhelm A als de-facto-Geschäftsführer der Firma Siegmund B (AS 352, 361/Bd II) nicht nur (unter Verwendung eines Buchstabencodes) Eintragungen in die außerhalb der Firmenbuchhaltung geführte sogenannte 'schwarze Kartei' vornahm (AS 356; 361/Bd II), sondern in dieser Eigenschaft einen 'schwungvollen Handel' mit Antiquitäten betrieb, die in zollunredlicher Weise in das Zollinland gelangt waren (AS 353 f; 361/Bd II).

Eine in der Aktenlage nicht gedeckte und daher unzulässige Neuerung stellt die Behauptung des Beschwerdeführers dar, er sei '1976 als Geschäftsführer (der Firma Siegmund B ?) ausgeschieden' (AS 381/Bd II). Denn insoweit hatte sich der Angeklagte gleichbleibend dahin verantwortet, daß er bis 'Anfang' bzw. 'Frühjahr' 1978 für seinen Schwiegervater im Rahmen des Antiquitätenhandels der Firma B tätig war (AS 332, 334/Bd II). Verfehlt ist das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO), das sich inhaltlich auf die Anklagevorwürfe der Abgabenhinterziehung (Punkte I/A/2/ und II/ der Anklage, AS 272, 273/Bd II) bezieht (vgl. AS 334/Bd II; Zeugenaussage des Finanzbeamten Gerhard D). Denn insoweit erging kein Schuldspruch; beschlossen wurde eine Faktenausscheidung (AS 341/Bd II).

Im übrigen stellt sich das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Mängelrüge als unzulässiger und daher unbeachtlicher Angriff auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung dar. Denn die (negative) Beurteilung der Glaubwürdigkeit seiner Verantwortung, er habe nicht gewußt, daß Steuern hinterzogen werden (AS 362/Bd II), fällt ebenso in die unanfechtbare Beweiswürdigung des Erstgerichtes wie die Frage, welche (denkmöglichen) Schlüsse 'der kaufmännisch nicht ungebildete' Angeklagte (siehe erneut AS 362/Bd II; in der Nichtigkeitsbeschwerde urteilsfremd gegenteilig zitiert) aus den von seinem Schwiegervater angeordneten Manipulationen zog. Dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) entspricht der Hinweis, daß die - vom Erstgericht seiner Entscheidung zugrundegelegten - Verkürzungsbeträge vom Zollamt Wien in unbedenklicher Weise durch Abgabennachbemessung ermittelt wurden, basierte doch diese vom Angeklagten der Höhe nach niemals in Zweifel gezogene Nachbemessung auf seinen Angaben in der 'Selbstanzeige', seinem Geständnis vor dem Zollamt Wien und den zum Teil von ihm selbst stammenden Aufzeichnungen in der sogenannten 'schwarzen Kartei'. Das Erstgericht bezeichnete sohin mängelfrei und mit ausreichender Deutlichkeit die entscheidenden Tatsachen, die es als erwiesen annahm, und führte die Gründe an, die es zu seiner überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahme gelangen ließen. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft

(ON 41) und des Zollamtes Wien (ON 42):

Die Staatsanwaltschaft und im Ergebnis auch das Zollamt Wien sind im Recht, wenn sie mit Beziehung auf die (zwingenden) Bestimmungen des § 17 FinStrG in Verbindung mit den §§ 35 Abs. 4 und 37 Abs. 2 FinStrG das Unterbleiben eines Ausspruches über den Vorfall der sichergestellten (in der Anklageschrift bezeichneten; AS 280, 281/Bd II) Tatgegenstände rügen (§ 281 Abs. 1 Z 11 StPO). Denn das Erstgericht verhängte zwar gemäß dem § 19 Abs. 1 lit. a FinStrG in Verbindung mit den §§ 17 Abs. 2 lit. a, 35 Abs. 4 und 37 Abs. 2 FinStrG 'hinsichtlich der im Spruche angeführten nicht ergriffenen Waren' über den Angeklagten Manfred A eine (anteilige) Wertersatzstrafe, verabsäumte es aber hinsichtlich der ergriffenen, den Gegenstand von Finanzvergehen bildenden Sachen nach den bereits zitierten Gesetzesbestimmungen über die (zwingend vorgesehene) Strafe des Verfalls abzusprechen. Damit überschritt es - unbeschadet des nicht unter Nichtigkeitssanktion stehenden (vgl. Mayerhofer-Rieder II/12 2 , § 221 StPO, Nr. 14-Anmerkung; Nr. 16) Unterbleibens der Ladung der Nebenbeteiligten zur Hauptverhandlung (AS 363/Bd II) - seine Strafbefugnis. Gemäß dem § 444 Abs. 1 StPO (§ 236 FinStrG) sind allerdings u.a. Personen, die ein Recht auf die vom Verfall bedrohten Sachen haben, zur Hauptverhandlung zu laden. Entgegen der Auffassung des Zollamtes Wien (AS 384 ff/Bd II), die ersichtlich auf der ohne aktenmäßige Deckung getroffenen Urteilsannahme beruht, wonach der Angeklagte Manfred A (richtig: Wilhelm A) Geschäftsführer der C Ölfabriks Ges.m.b.H. war, die ihrerseits Eigentümerin der Firma Siegmund B ist (AS 352; 361 Bd II), konnte der Angeklagte Manfred A die Rechte der Verfallsbeteiligten in der Hauptverhandlung nicht wahren, weil er nicht (de iure) Geschäftsführer der genannten Firmen war und insbesondere zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung in keiner relevanten aktenkundigen Beziehung zu den als Verfallsbeteiligte in Betracht kommenden Firmen stand. Infolge des Verstoßes des Erstgerichtes gegen die Bestimmung des § 444 Abs. 1 StPO und mangels konkreter Urteilsannahmen über die Eigentumsverhältnisse an den im Verfahren sichergestellten Gegenständen (§ 17 Abs. 3 FinStrG) ist dem Obersten Gerichtshof eine Entscheidung in der Sache selbst verwehrt. Es war daher den Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Zollamtes Wien insoweit Folge zu geben, das Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im unterlassenen Ausspruch über die Frage des Verfalls der sichergestellten Gegenstände (Waren), hinsichtlich derer ein Finanzvergehen begangen wurde, aufzuheben und die Finanzstrafsache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung, unter Beachtung der dem Sinn nach anzuwendenden Bestimmung des § 444 Abs. 1 StPO (§ 236 FinStrG) und der Neufassung der Verfallsbestimmung des § 17 Abs. 2 lit. a FinStrG durch BGBl. Nr. 532/1984 (vgl. hiezu JABl. 1984, XI/Nr. 51), zu verweisen (§ 288 Abs. 2 Z 3 StPO).

Soweit die Staatsanwaltschaft in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z 11 StPO darüber hinaus das Unterbleiben des Ausspruches der Haftung gemäß dem § 28 Abs. 3 FinStrG der Firmen C Ölfabriks Ges.m.b.H. und Siegmund B als Dienstgeber für die über ihren Dienstnehmer Manfred A verhängten Geld- und Wertersatzstrafen (Punkt 2/ ihres Vorbringens in der Nichtigkeitsbeschwerde) sowie die Verhängung eines bloß anteiligen (anstatt des gesamten) Wertersatzes (Punkt 3/ des Vorbringens) anficht, bringt sie den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zu verwerfen.

Denn einerseits steht nach dem klaren Wortlaut des § 238 lit. a FinStrG gegen die ausdrückliche oder stillschweigende Entscheidung darüber, ob (u.a.) ein Nebenbeteiligter für die Geldstrafe oder den Wertersatz hafte, dem Staatsanwalt die Berufung zu. Auf das diesbezügliche (zutreffende) Vorbringen der Staatsanwaltschaft, welche die Anfechtung des unterbliebenen Ausspruches über eine Haftungsbeteiligung der erwähnten Firmen ausdrücklich auch zum Gegenstand ihrer Berufung macht (AS 387/Bd II), wird deshalb im Rahmen dieses Rechtsmittels einzugehen sein.

Andererseits fällt nicht nur die Frage wie, sondern auch jene, ob der Wertersatz aufzuteilen ist, in den Ermessensbereich des Schöffengerichtes, sodaß auch insoweit nur eine Bekämpfung mit Berufung in Betracht kommt (SSt. 34/70 = EvBl. 1964/290 u.a.; zuletzt 9 Os 25/84 vom 6. November 1984 n.v.). Da die Staatsanwaltschaft diesen Anfechtungspunkt der Nichtigkeitsbeschwerde nicht zum Gegenstand ihres Berufungsvorbringens macht, ist die (im übrigen zu verneinende !so schon vor der Finanzstrafgesetznovelle 1975, Richterzeitung 1962, S 225 f, Schlußabsatz; zuletzt in diesem Sinn auch 9 Os 25/84 ) Frage, ob wegen Todes des an der Tat beteiligt gewesenen Wilhelm A (AS 351, 352/Bd II) dem Angeklagten Manfred A der gesamte Wertersatz aufzuerlegen wäre, einer Erörterung im Zusammenhang mit der von der Staatsanwaltschaft insoweit allein ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde nicht zugänglich, zumal insoweit von einem bloßen Vergreifen in der Bezeichnung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft nach Lage des Falles (vgl. die differenzierten Rechtsmittelausführungen ON 41) nicht gesprochen werden kann. Zu den Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Zollamtes:

Die beiden genannten Behörden relevieren - wie (zum Teil) bereits erwähnt - mit diesen Rechtsmitteln zu Recht die nur mit der unterbliebenen Ladung der Nebenbeteiligten begründete Unterlassung des erstgerichtlichen Ausspruchs der Haftungsbeteiligung der Firmen C Ölfabriks Ges.m.b.H. und Siegmund B gemäß dem § 28 Abs. 3 FinStrG als Dienstgeber für die über ihren Dienstnehmer Manfred A verhängten Geld- und Wertersatzstrafen. Dieser Ausspruch hat gemäß dem § 215 Abs. 1 lit. c FinStrG im Urteil stattzufinden, sodaß die der - dem Sinn nach

anzuwendenden - Bestimmung des § 444 StPO (§ 236 FinStrG) widersprechende Abwesenheit der betroffenen Haftungsbeteiligten zwar allenfalls die Vertagung der Hauptverhandlung erfordern, nicht aber die Entscheidung über die Frage der Haftung nach dem § 28 FinStrG in dem (schließlich) gefällten Urteil verhindern konnte. In Stattgebung der Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Zollamtes war dem Schöffengericht sohin aufzutragen, sich der Verhandlung und Urteilsfällung auch über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Ausspruch der Haftung der genannten Firmen für die über den Angeklagten Manfred A verhängten Geld- und Wertersatzstrafen zu unterziehen.

Zur Gegenäußerung der Nebenbeteiligten zu den Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Zollamtes:

Die Nebenbeteiligten werfen - abgesehen von bereits erörterten prozessualen Fragen - im wesentlichen die Frage des Eintritts der Verjährung in Ansehung ihrer Person auf. Diese Frage ist zu verneinen:

Gemäß dem § 31 Abs. 6 FinStrG gelten die Bestimmungen der Absätze 1 bis 5 der zitierten Gesetzesstelle zwar dem Sinn nach auch für die Nebenbeteiligten (§ 76 FinStrG) und für das selbständige Verfahren (§§ 148 und 243 FinStrG). Dies besagt aber nur, daß sämtliche Verjährungsvorschriften auch den Nebenbeteiligten zustatten kommen, nicht aber auch - wie die Nebenbeteiligten, gegen welche die Einleitung eines förmlichen (Straf-)Verfahrens in der Prozeßordnung gar nicht vorgesehen ist, weil sie eben nur Beteiligte am Strafverfahren gegen eine andere (natürliche) Person sind, in ihrer Gegenäußerung meinen -, daß gegen Nebenbeteiligte eine selbständige, unabhängig bzw. isoliert vom Täter zu beurteilende Verjährungsfrist läuft. Denn Gegenstand der Verjährung ist die Strafbarkeit der Tat, die durch eine kriminelle Handlung eines bestimmten Täters determiniert ist, nicht aber die Nebenstrafe des Verfalls nach dem § 17 FinStrG oder die strafrechtliche Haftung nach dem § 28 FinStrG. Letztere verlangt schon per definitionem die Verhängung einer Geldstrafe und/oder eines Wertersatzes über eine andere, vom Haftenden verschiedene Person (§ 28 Abs. 1 bis 3 FinStrG).

Die Behauptung der Nebenbeteiligten, daß infolge Verjährung weder ein Ausspruch über den Verfall verfallsbedrohter Gegenstände noch ein Ausspruch über die Haftung der über den Angeklagten Manfred A verhängten Geld- und Wertersatzstrafen möglich sei, geht sohin mangels Verjährung der strafbaren Handlung des Täters ins Leere.

Zur Berufung des Angeklagten:

Manfred A strebt mit diesem Rechtsmittel eine Herabsetzung

der Geld- und der Wertersatzstrafe an.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Die verhängte Geldstrafe von nur 90.000 S erweist sich bereits in Anbetracht der strafbestimmenden Wertbeträge als keineswegs überhöht.

In Ansehung des Wertersatzes ging das Erstgericht zutreffend vom weitaus überwiegenden Verschulden des Wilhelm A aus und setzte die Wertersatzstrafe mit nur 5 % des Wertes der nicht ergriffenen Waren fest. Dieser Prozentsatz verträgt gleichfalls keine weitere Reduktion.

Der Berufung des Angeklagten konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Anmerkung

E06781

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00002.85.0910.000

Dokumentnummer

JJT_19850910_OGH0002_0110OS00002_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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