TE OGH 1985/9/10 4Ob66/84

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Veröffentlicht am 10.09.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl und Dr.Kuderna sowie die Beisitzer Herbert Bauer und Mag.Karl Dirschmied als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna A, Angestellte in Bad Tatzmannsdorf, Josef-Haydn-Platz 3, vertreten durch Helmut Schreiter, Sekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten - Burgenland, Eisenstadt, Wiener Straße 7, dieser vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B C

D (E), Wien 8., Josefstädterstraße 80, vertreten durch Dr.Adolf Fiebich und Dr.Vera Kremslehner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 202.772,15 S brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 29. Dezember 1983, GZ 13 Cg 14/83-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Arbeitsgerichtes Oberwart vom 27. Juli 1983, GZ Cr 67/81-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist seit 17. Juni 1966 im Verwaltungsdienst der beklagten Versicherungsanstalt tätig. Seit 1.1.1969 ist sie Verwalterin der Kurheims Rosalienhof in Bad Tatzmannsdorf. Auf das Arbeitsverhältnis ist die Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.A) anzuwenden. Die Klägerin erhält ein monatliches Bruttogehalt von 22.491 S 14mal jährlich und außerdem - gleichfalls 14mal im Jahr - eine Funktionszulage von 4.498 S zuzüglich einer Ortszulage von 973 S. Für ihre Dienstwohnung im Kurheim zahlt sie monatlich 175 S. Die Klägerin begehrt von der beklagten Partei die Zahlung von 202.772,15 S brutto sA. Sie habe in der Zeit von Jänner 1979 bis Jänner 1982 insgesamt 1701 überstunden geleistet. Da durch die 20 %ige Funktionszulage nur 22 überstunden im Monat, für den gesamten angeführten Zeitraum also (37 x 22 =) 814 überstunden abgegolten wurden, seien die verbleibenden 887 überstunden gemäß § 59 Abs 1 DO.A zum Teil mit einem Zuschlag von 50 %, zum Teil mit einem Zuschlag von 100 % zu vergüten; der Klägerin gebühre daher aus diesem Titel eine Nachzahlung von 187.428 S brutto sA. Die durchschnittlichen überstundenleistungen seien gemäß § 6 des Urlaubsgesetzes auch für die Berechnung des Urlaubsentgeltes heranzuziehen; daraus ergebe sich für die Urlaubsjahre 1979 bis 1981 eine weitere Forderung der Klägerin von 15.344,15 S brutto. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Allfällige überstundenleistungen der Klägerin seien gemäß § 59 Abs 3 DO.A durch die Funktionszulage abgegolten. Im übrigen werde vorsichtshalber bestritten, daß die Klägerin die angeführten überstunden in dieser Höhe tatsächlich geleistet habe. Die beklagte Partei habe niemals eine überstundenleistung angeordnet, die Klägerin erstmals am 17.11.1981 einen Vergütungsanspruch erhoben. Unter Bedachtnahme auf die Ausschlußfrist des § 59 Abs 4 DO.A seien daher die Forderungen der Klägerin jedenfalls insoweit verfallen, als sie sich auf überstundenleistungen bis einschließlich April 1981 beziehen. Habe jedoch die Klägerin keinen Anspruch auf überstundenentlohnung neben ihrer Funktionszulage, dann seien solche überstunden auch nicht bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes zu berücksichtigen.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 11.3.1983 stellten die Parteien außer Streit, daß 'von der Klägerin überstunden geleistet wurden'. Die beklagte Partei bestritt jedoch ausdrücklich, daß diese überstundenleistungen über das durch die Funktionszulage gedeckte Ausmaß hinausgegangen seien, und hielt im übrigen ihren Rechtsstandpunkt aufrecht, wonach die Klägerin überhaupt keinen Anspruch auf überstundenvergütung habe. Die einschlägigen Bestimmungen der DO.A haben nachstehenden Wortlaut:

'§ 44 - Funktionszulage

(1) Eine Funktionszulage gebührt folgenden Verwaltungsangestellten:

    ........

     7. den Angestellten, die mit der verantwort-

     lichen Leitung des wirtschaftlichen, admini-

     strativen oder technischen Dienstes in Kranken-

     anstalten gemäß § 1 Abs 9 betraut sind, und

     den Stellvertretern dieser Angestellten im Aus-

     maß von 10 bis 30 v.H. der jeweiligen ständigen

     Bezüge gemäß § 35 Abs 2 Z 1 lit a und Z 6

     ......

§ 59 - überstunden

(1) Für die über die regelmäßige Arbeitszeit

(§ 9 Abs 1 erster Satz und Abs 2) hinaus angeordneten überstunden erhält der Angestellte zum einfachen Stundenlohn einen Mehrarbeitszuschlag; dieser beträgt für überstunden bei Tag 50 v.H., für überstunden an Sonntagen und gesetzlichen

Feiertagen sowie bei Nacht (20 Uhr bis 6 Uhr)

100 v.H. des Stundenlohnes gemäß Abs 2.

(2) Als Stundenlohn im Sinne des Abs 1 gilt der

166. Teil der ständigen Bezüge gemäß § 35 Abs 2 Z 1 und 6 bis 9 und der Verwendungszulage gemäß § 50, jedoch mit Ausnahme der Erschwerniszulage gemäß § 48 Abs 1 Z 2 lit e.

(3) Bei Angestellten mit Leitungszulage (§ 43) oder Funktionszulage (§ 44) ist die Vergütung für geleistete überstunden in diesen Zulagen

enthalten.

(4) Die Vergütung für die im Laufe eines Monats geleisteten überstunden ist spätestens am 15. des folgenden Kalendermonats auszuzahlen; sie ist

innerhalb der nächsten sechs Kalendermonate bei sonstigem Ausschluß geltend zu machen.

(5) Die Pauschalierung von überstundenvergütungen ist grundsätzlich ausgeschlossen. Lediglich

Angestellten in Krankenanstalten gemäß § 1 Abs 9 sowie Verwaltungsangestellten, die regelmäßig im Außendienst verwendet werden, kann, wenn sie

keinen Anspruch auf Funktionszulage haben und

ihnen die regelmäßige Leistung einer bestimmten

Anzahl von überstunden angeordnet wurde, die Vergütung hiefür in Form eines überstundenpauschales gewährt werden. Dieses Pauschale

ist unter Bedachtnahme auf die im Jahresdurchschnitt jeweils tatsächlich zu leistende

überstundenanzahl festzusetzen.'

Die der DO.A als Beilage angefügten 'Erläuterungen

(einvernehmliche Auslegung der Vertragspartner)' enthalten dazu

(u.a.) folgende Ausführungen:

'Zu § 44 - Funktionszulage

§ 37 Abs 1 sieht die Einreihung der Leiter von Organisationseinheiten (Referaten beim Hauptverband) je nach der Wertigkeit ihres Aufgabenbereiches in eine der drei Dienstklassen der Gehaltsgruppe F und ihrer Stellvertreter in die entsprechende Dienstklasse der Gehaltsgruppe E vor. Mit dieser Einreihung kann aber die notwendige Differenzierung nach der Größe der Versicherungsträger (Landesstellen, Landeskassen, Landesgeschäftsstellen) nicht entsprechend berücksichtigt werden. Diese Differenzierung soll vielmehr durch eine gestaffelte, als ständiger Bezug geltende Funktionszulage vorgenommen werden. Mit dieser Zulage sollen nicht nur die qualitativen Leistungsunterschiede, sondern auch die quantitativen Mehrleistungen (überstunden) der Leiter von Organisationseinheiten und ihrer Stellvertreter abgegolten werden. Dadurch kann eine gerechtere Differenzierung nach der Funktion und eine möglichst einheitliche Vorgangsweise bei den Versicherungsträgern gewährleistet werden. Der Anspruch auf Bezahlung von Einzelüberstunden und auf Maschinenzulage neben der Funktionszulage wird ausgeschlossen.

......

Für das Ausmaß der Funktionszulage sind in der Regel lediglich

Rahmensätze vorgesehen, innerhalb deren der Versicherungsträger die

Zulage im Einzelfall unter Berücksichtigung der Dienstleistung in

qualitativer und quantitativer Hinsicht und sonstiger Kriterien

festsetzen kann. Wenn z.B. in einer Organisationseinheit wegen deren

Größe mehrere Stellvertreter des Leiters bestellt sind, könnte das

Ausmaß der Funktionszulage unterschiedlich festgesetzt werden.

......

Zu § 59 Abs 5 - überstunden

überstunden sind grundsätzlich einzeln zu verrechnen und zu vergüten. überstundenpauschalien dürfen nur den Angestellten in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes sowie den regelmäßig im Außendienst verwendeten Verwaltungsangestellten gewährt werden. Der Bezug einer Leitungs- oder einer Funktionszulage schließt die Gewährung eines überstundenpauschales aus.

Die Festsetzung der überstundenpauschalien mit bestimmten Prozentsätzen des Gehaltes oder mit fixen Beträgen findet in den dienstrechtlichen Bestimmungen keine Deckung. Nur dann, wenn einem der in Abs 5 zweiter Satz angeführten Angestellten die regelmäßige Leistung einer bestimmten Anzahl von überstunden angeordnet wurde, kann ihm die Vergütung hiefür in Form eines Pauschales gewährt werden.'

Im zweiten Rechtsgang erkannte das Erstgericht mit Zwischenurteil zu Recht, daß der Anspruch der Klägerin auf überstundenentschädigung, soweit diese nicht durch die der Klägerin gewährte Funktionsgebühr abgegolten ist, und auf Heranziehung der durchschnittlichen überstundenleistung zur Berechnung des Urlaubsgeldes dem Grunde nach zu Recht bestehe. Dieser Entscheidung liegen folgende weitere Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:

Die Klägerin übte ihre Funktion als Leiterin des Kurheims Rosalienhof täglich zumindest in der Zeit von 7,30 Uhr bis 19,00 Uhr - abzüglich einer Mittagspause - aus. Während dieser Zeit machte sie auch dienstliche Besorgungen für das Heim, welche sie mit privaten Besorgungen verband.

Seit Jänner 1979 gab die Klägerin der beklagten Partei monatlich mit einem Formblatt jene überstunden bekannt, die geleistet zu haben sie behauptete. Die beklagte Partei nahm die Formblätter ohne Beanstandung entgegen; sie brachte aber der Klägerin gegenüber ihren Rechtsstandpunkt zum Ausdruck, daß sämtliche überstundenleistungen durch die Funktionszulage abgegolten seien.

Unbestritten ist, daß die von der Klägerin angesprochene überstundenentlohnung der Höhe nach richtig berechnet ist. Rechtlich meinte das Erstgericht, daß die überstundenleistungen der Klägerin durch die Funktionszulage nach § 44 DO.A nur dann abgegolten werden könnten, wenn diese Zulage im Durchschnitt nicht hinter jenem Entgelt zurückbleibe, das den tatsächlich geleisteten überstunden entspricht; werde hingegen durch die Funktionszulage der unabdingbare gesetzliche Anspruch auf Vergütung der Mehrarbeitsleistungen nicht annähernd befriedigt, dann gebühre der Klägerin eine gesonderte Entlohnung für weitere überstunden. Ihre durchschnittliche überstundenleistung sei dann gemäß § 6 des Urlaubsgesetzes auch bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes heranzuziehen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Tatsachenfeststellungen wie das Prozeßgericht erster Instanz; ergänzend nahm es noch folgenden weiteren Sachverhalt als erwiesen an:

Die beklagte Partei hat gegen die ihr von der Klägerin übermittelten 'überstundenaufzeichnungen' niemals Einwände erhoben. Sie hat nie die Erbringung von überstundenleistungen durch die Klägerin angeordnet, aber auch nie behauptet, die Klägerin hätte die verzeichneten überstunden ohnehin nicht erbracht. Die Klägerin hat niemals die Zustimmung der Generaldirektion der beklagten Partei zur Leistung von überstunden eingeholt.

Von der Klägerin wurden tatsächlich zahlreiche überstunden geleistet. Sie bewohnte die Dienstwohnung im Kurheim Rosalienhof, wo sie auch während der Nachtstunden anwesend war; im Regelfall sperrte sie abends das Haustor zu. Sie hatte auch die Hausarbeiten zu beaufsichtigen und die anderen Arbeitnehmer ständig zu überwachen. Ebenso half sie in der Küche aus und vertrat zB auch eine Verwaltungsangestellte während deren Urlaubes.

Mit einem Schreiben der beklagten Partei vom 22.4.1974 wurde die Klägerin davon in Kenntnis gesetzt, daß ihr nach den Bestimmungen der DO.A neben der Funktionszulage keine Vergütung für geleistete Mehrarbeit (überstunden) gezahlt werde; um jedoch die Begünstigung bei der steuerlichen Bemessung von überstundenleistungen geltend machen zu können, werde sie eingeladen, die tatsächlich geleisteten überstunden mit einer monatlich vorzulegenden überstundenaufstellung nachzuweisen. Das ist in der Folge auch regelmäßig geschehen. Die Angaben der Klägerin wurden von der beklagten Partei nicht überprüft. Davon ausgehend, hielt das Berufungsgericht die Rechtsrüge der beklagten Partei für begründet. Eine ausdrückliche Anordnung von überstunden durch die beklagte Partei, wie sie § 59 Abs 1 der - als Kollektivvertrag nach §§ 6 und 7 ABGB

auszulegenden - DO.A voraussetze, sei hier nicht geschehen. Die Klägerin habe zwar über die normale Arbeitszeit hinaus Dienstleistungen erbracht und der beklagten Partei regelmäßig 'überstundenverzeichnisse' übermittelt; sie könne jedoch daraus allein keinen Anspruch auf überstundenvergütung ableiten. Aus § 59 Abs 3 in Verbindung mit § 44 DO.A folge zwingend ein durch Kollektivvertrag ausgesprochener und daher zulässiger Verzicht auf jede überstundenentlohnung bei Zuerkennung einer Funktionszulage. Verfehlt sei auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes gemäß § 6 des Urlaubsgesetzes auch die durchschnittlichen überstundenleistungen heranzuziehen seien:

Welche Bezüge während des Urlaubs weitergezahlt werden, sei in § 59 a DO.A ausdrücklich geregelt. Da diese Bestimmung eine kollektivvertragliche Sonderregelung sei, wie sie § 6 Abs 5 des Urlaubsgesetzes ausdrücklich zulasse, könnten die Vorschriften des Urlaubsgesetzes bei der Bemessung des Urlaubsentgeltes der Klägerin überhaupt nicht herangezogen werden.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Umfang nach von der Klägerin mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO bekämpft. Die Klägerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der - vom Berufungsgericht gebilligten - Rechtsansicht der beklagten Partei, daß § 59 Abs 3 in Verbindung mit § 44 DO.A jeden Anspruch der Klägerin auf Vergütung von Einzelüberstunden ausschließe, kann nicht gefolgt werden. Sie übersieht, daß der im ursprünglichen Wortlaut des § 10 Abs 1 des Arbeitszeitgesetzes BGBl. 1969/461 (AZG) enthaltene Vorbehalt einer abweichenden Regelung der überstundenvergütung durch Kollektivvertrag ('Soweit durch Kollektivvertrag nichts anderes bestimmt wird, gebührt ....') durch Art. I Z 2 der Novelle BGBl. 1971/238 mit Wirkung vom 1.1.1972 (Art. II Abs 1 dieser Novelle) beseitigt worden ist. Der gesetzliche Anspruch auf überstundenvergütung, welcher bis dahin nur subsidiär für den Fall des Fehlens einer kollektivvertraglichen Regelung gegolten hatte, ist seither zu einer unabdingbaren Mindestnorm geworden. Durch einen Kollektivvertrag - der die DO.A ist (Arb. 8913, 8928; EvBl 1973/203 uva) - kann jetzt gemäß § 10 Abs 2 Satz 3 AZG nur noch eine vom Gesetz abweichende Berechnungsart der überstundenvergütung vereinbart, nicht aber der Vergütungsanspruch als solcher ausgeschlossen oder - etwa im Wege einer abweichenden Regelung der Bemessungsgrundlage oder einer Herabsetzung des Zuschlages unter das gesetzliche

Ausmaß - eingeschränkt werden (Cerny, Arbeitszeitrecht 91 f § 10 AZG Anm. 1, 101 f Anm. 13; Klein, Das überstundenentgelt, in Strasser-FS 1983 125 ff 133). Auch die beklagte Partei kann sich daher zur Abwehr des aus § 10 Abs 1 AZG abgeleiteten Anspruches der Klägerin auf (weitere) überstundenvergütung nicht auf die Ausschlußbestimmung des § 59 Abs 3 DO.A berufen. Aus der in der Revisionsbeantwortung angeführten Entscheidung des Obersten

Gerichtshofes vom 23.11.1971, Arb. 8935 (= RdA 1972, 255

= SozM III A 145 = ZAS 1972, 223) ist für den gegenteiligen

Rechtsstandpunkt der beklagten Partei schon deshalb nichts zu gewinnen, weil dieses Erkenntnis zur Rechtslage vor der AZG-Novelle BGBl. 1971/238 ergangen ist. Daß aber die Klägerin zu den 'leitenden Angestellten, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind' gehört hätte und deshalb vom Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen gewesen wäre (§ 1 Abs 2 Z 8 dieses Gesetzes), hat die beklagte Partei vor den Untergerichten nicht einmal behauptet; auch im Verfahren selbst sind keine Anhaltspunkte in dieser Richtung hervorgekommen (zum Begriff des 'leitenden Angestellten' im Sinne des AZG siehe insb. SZ 56/27

= Arb. 10.219 mwN; ebenso Arb. 9351 = EvBl 1976/25 = SozM III A 153

= ZAS 1977, 136 u.a.).

Da nach den bereits erwähnten 'Erläuterungen' (Beilage zu DO.A)

mit der Funktionszulage gemäß § 44 DO.A nicht nur die qualitativen

Leistungsunterschiede, sondern auch die quantitativen Mehrleistungen

(überstunden) des betreffenden Verwaltungsangestellten abgegolten

werden sollen, kommt dieser Zulage insoweit der Charakter eines

überstundenpauschales zu. Eine Pauschalentlohnung von überstunden

ist zwar von der Rechtsprechung als grundsätzlich zulässig anerkannt

worden (siehe dazu insb. SZ 11/177; Arb. 8183 = SozM I C 563;

Arb. 8651 = SozM I C 747; SozM III E 415 ua); sie kann aber den

Arbeitnehmer nicht darin hindern, über das Pauschale hinausgehende

Ansprüche zu erheben, wenn und soweit sein unabdingbarer

gesetzlicher Anspruch auf Vergütung der Mehrarbeitsleistung durch

die vereinbarte Pauschalentlohnung nicht gedeckt ist (SozM III E

269; ebenso Cerny aaO 89 Anm. 9).

Auch die Klägerin kann daher von der beklagten Partei eine

besondere Vergütung jener überstunden fordern, die sie über die - im

Wege der Funktionszulage nach § 44 DO.A - vereinbarte

Pauschalentlohnung hinaus tatsächlich geleistet hat. Da die beklagte

Partei jede überstundenleistung der Klägerin bestritten hat, die

über das durch die Funktionszulage abgedeckte Ausmaß hinausgegangen

wäre, und da auch das Berufungsgericht keine konkreten

Feststellungen in dieser Richtung getroffen hat, leidet das

angefochtene Urteil insoweit an einem auf unrichtiger rechtlicher

Beurteilung beruhenden Feststellungsmangel, der eine abschließende

Beurteilung der Streitsache verhindert. über das Zahlungsbegehren

der Klägerin wird vielmehr auch dem Grunde nach erst dann

abgesprochen werden können, wenn das tatsächliche Ausmaß ihrer

überstundenleistungen oder wenigstens höhere als die pauschal

abgegoltenen feststehen. Dabei kann die Frage, welcher Teil der

Funktionszulage nicht auf die quantitativen Mehrleistungen der

Klägerin, sondern auf die mit der Stellung als Verwalterin eines

Kurheims verbundene qualitative Höherwertigkeit ihrer Leistungen

entfällt, diesmal auf sich beruhen, weil die von der Klägerin selbst

als abgegolten anerkannten 22 überstunden im Monat bei

Zugrundelegung eines Stundenlohnes von (S 22.491 : 166 =) 135,49 S

und eines Mehrarbeitszuschlages von (nur) 50 % einer

überstundenvergütung von 4.470,84 S entsprechen, so daß die

Funktionszulage von 4.498 S durch diese 22 überstunden praktisch zur

Gänze ausgeschöpft ist.

Dem Berufungsgericht kann auch insoweit nicht gefolgt werden,

als es einen Anspruch der Klägerin auf überstundenvergütung unter

Hinweis darauf ablehnt, daß diese überstunden von der beklagten

Partei nicht ausdrücklich angeordnet worden seien. Richtig ist, daß

ein Anspruch auf Bezahlung von überstunden regelmäßig nur dann

besteht, wenn der Arbeitgeber eine solche

Mehrarbeitsleistung - ausdrücklich oder schlüssig - angeordnet oder

aber Arbeitsleistungen entgegengenommen hat, die auch bei richtiger

Einteilung der Arbeit nicht in der normalen Arbeitszeit bewältigt

werden könnten. Machen die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben

die Leistung von überstunden notwendig, dann muß er das dem

Arbeitgeber anzeigen, um sich den Anspruch auf überstundenentlohnung

zu sichern; auf eine solche Anzeige kommt es aber dann nicht an,

wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistungen entgegengenommen hat,

obgleich er wußte oder wenigstens wissen mußte, daß sie überstunden

notwendig gemacht hatten. Die Bezahlung von überstunden, die der

Arbeitgeber geduldet und entgegengenommen hat, kann er nicht unter

Berufung darauf verweigern, daß er solche überstunden nicht

angeordnet habe (Arb. 9144 = EvBl 1974/52 = SozM III A 156 mwN;

ebenso Arb. 9406 = SozM III A 165; Arb. 9454; SozM III E 415 ua;

Cerny aaO 95 Anm. 3). Im konkreten Fall hat die beklagte Partei der Klägerin jahrelang eine Funktionszulage gezahlt, welche zumindest teilweise zur Abdeckung von überstundenleistungen bestimmt war; aus den monatlichen überstundennachweisen war ihr darüber hinaus die Anzahl der von der Klägerin - ihren Behauptungen nach - geleisteten überstunden bekannt. Damit kann sich aber die beklagte Partei jetzt nicht mit Erfolg darauf berufen, von einer überstundenleistung der Klägerin überhaupt nichts gewußt und solche überstunden auch nicht angeordnet zu haben. Es wäre vielmehr ihre Sache gewesen, sich in geeigneter Weise darüber zu unterrichten, ob die von der Klägerin tatsächlich geleisteten überstunden durch das - in Form der Funktionszulage - gezahlte Pauschale abgedeckt waren (SozM III E 269). Daß die beklagte Partei das nicht getan, vielmehr die von der Klägerin übermittelten Formblätter ohne jede Beanstandung jahrelang entgegengenommen und ihre Richtigkeit nicht überprüft hat, geht allein zu ihren Lasten.

Auch ein Verzicht der Klägerin auf die jetzt eingeklagten Ansprüche kann entgegen der Meinung der beklagten Partei nicht angenommen werden. Nach der Rechtsprechung kann ein stillschweigender Verzicht (§ 863 ABGB) des Arbeitnehmers auf unabdingbare Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - also insbesondere auch auf die nach dem Gesetz gebührende Entlohnung für Mehrarbeitsleistungen - nicht schon bei bloßem Unterlassen der Geltendmachung während eines längeren Zeitraumes, sondern immer erst dann angenommen werden, wenn die verspätete Geltendmachung solcher Ansprüche im konkreten Fall mit Rücksicht auf besondere Umstände gegen Treu und Glauben verstieße (Arb. 9406 = SozM III A 165 mwN). Ein solcher Rechtsmißbrauch der Klägerin ist hier nicht zu erkennen; er kann entgegen der Meinung der beklagten Partei auch nicht darin gesehen werden, daß die Klägerin mit der Geltendmachung ihrer Ansprüche auf überstundenvergütung bis zum November 1981 zugewartet hat.

Zum Teil berechtigt ist dagegen der Verfallseinwand der beklagten Partei: Gemäß § 59 Abs 4 DO.A ist die Vergütung für die im Laufe eines Monats geleisteten überstunden spätestens am 15. des folgenden Kalendermonats auszuzahlen; sie ist

innerhalb der nächsten sechs

Kalendermonate bei sonstigem Ausschluß geltend zu machen. Nach dem Vorbringen der beklagten Partei hat die Klägerin erstmals im November 1981 die Bezahlung von Einzelüberstunden verlangt. Auch die Klägerin selbst hat keine frühere (außergerichtliche) Zahlungsaufforderung an die beklagte Partei behauptet; sie meint aber, daß die monatliche übermittlung von überstundennachweisen als 'Geltendmachung' der entsprechenden Vergütungsansprüche im Sinne des § 59 Abs 4 DO.A angesehen werden müsse. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte die beklagte Partei mit Schreiben vom 22.4.1974 eine Vergütung für geleistete Mehrarbeit (überstunden) unter Hinweis auf die Funktionszulage abgelehnt, zugleich aber die Klägerin eingeladen, zur Erlangung der steuerlichen Begünstigung die von ihr geleisteten überstunden allmonatlich mit einer entsprechenden Aufstellung nachzuweisen. Dieser Aufforderung ist die Klägerin bis Jänner 1982 regelmäßig nachgekommen; sie hat aber selbst nicht behauptet, damit jemals ein Begehren auf Auszahlung einer die Funktionszulage übersteigenden überstundenvergütung verbunden zu haben. Unter diesen Umständen war jedoch die Vorlage der monatlichen überstundennachweise für die beklagte Partei keinesfalls als 'Geltendmachung' eines Vergütungsanspruches - im Sinne einer ernstlichen Zahlungsaufforderung - erkennbar; sie konnte vielmehr mit Grund davon ausgehen, daß die Klägerin durch übermittlung der Formblätter tatsächlich nur die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung schaffen wollte. Hat aber die Klägerin auf diese Weise ihren Anspruch auf überstundenentlohnung erstmals im November 1981 gegenüber der beklagten Partei 'geltend gemacht', dann sind gemäß § 59 Abs 4 DO.A alle Vergütungsansprüche bis einschließlich März 1981 verfallen; erst für die - 22 überstunden monatlich

übersteigenden - Mehrarbeitsleistungen in den Monaten April 1981 bis Jänner 1982 kann die Klägerin im Sinne der obigen Rechtsausführungen von der beklagten Partei eine Vergütung verlangen.

Die Berechtigung des Begehrens der Klägerin, 'ihre durchschnittlichen überstundenleistungen auch für die Berechnung des Urlaubsentgeltes heranzuziehen', ergibt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes schon aus § 59 a Z 2 lit g DO.A; wonach ua die 'Vergütung für geleistete überstunden' unter Zugrundelegung des Durchschnitts des dem Urlaubsjahr vorangegangenen Kalenderjahres während des Urlaubs weitergezahlt wird. Da diese Bestimmung der DO.A für den Arbeitnehmer gleich günstig ist wie die Regelung des § 6 Abs 3 des Urlaubsgesetzes, bedarf es keines Rückgriffes auf den Kollektivvertragsvorbehalt des § 6 Abs 5 des Urlaubsgesetzes. Nur der Vollständigkeit halber soll daher in diesem Zusammenhang darauf verwiesen werden, daß nach dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle nur ein 'Kollektivvertrag im Sinne des § 18 Abs 4 ArbVG', also nur ein sogenannter 'Generalkollektivvertrag', den Begriff des 'Entgelts' abweichend von § 6 des Urlaubsgesetzes regeln könnte, während den einzelnen Branchenkollektivverträgen nach dem zweiten Satz des § 6 Abs 5 des Urlaubsgesetzes nur eine abweichende Regelung der Berechnungsart vorbehalten ist.

In Stattgebung der begründeten Revision der Klägerin war deshalb das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E06403

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00066.84.0910.000

Dokumentnummer

JJT_19850910_OGH0002_0040OB00066_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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