TE OGH 1985/9/10 11Os107/85 (11Os108/85)

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Veröffentlicht am 10.09.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. September 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Dallinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Friedrich A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 31. Jänner 1985, GZ 8 a Vr 2.451/84-140, verbunden mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der genannten Rechtsmittel, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Angeklagten wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung bewilligt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Mit gesonderter Verfügung wird ein Gerichtstag zur öffentlichen

Verhandlung über die Berufung angeordnet werden.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 8. Februar 1935 geborene Kellner Friedrich A des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB (Schuldspruchfakten I 1 bis 4) und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB (Schuldspruchfaktum II) schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, in Wien in der Zeit vom 15. bis 23. Oktober 1980 Angestellte des Hotels 'CAPRICORNI' zur Ausfolgung eines Betrages von 4.720 S als Darlehen (I 1 des Urteilssatzes), am 5. November 1980 Angestellte des Hotels 'BAVARIA' zum Abschluß eines Monatsmietvertrages und zur Gewährung von Unterkunft, Schaden 2.600 S (I 2 des Urteilssatzes), am 26. November 1980 Kurt B zur Gewährung eines Darlehens von 600 S (I 3 des Urteilssatzes), am 6. Februar 1984 Aloisia C zur Ausfolgung von Briefmarken im Gesamtwert von ca. 900.000 S (I 4 des Urteilssatzes) betrügerisch verleitet und am 7. Februar 1984 in München einen für Franz D ausgestellten österreichischen Reisepaß, den er dadurch, daß er ihn mit seinem eigenen Lichtbild versah, verfälscht hatte, im Rechtsverkehr zum Nachweis seiner Identität gegenüber Polizeiorganen gebraucht zu haben (II des Urteilssatzes). Zu weiteren Anklagepunkten erging ein Freispruch.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte fristgerecht Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Er unterließ es jedoch nach Urteilszustellung, diese Rechtsmittel innerhalb der Frist des § 285 Abs. 1 bzw. § 294 Abs. 2 StPO auszuführen. Deshalb wurde seine Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20. Mai 1985, GZ 8 a Vr 2.451/84-146, gemäß dem § 285 a Z 2 StPO zurückgewiesen.

In einem am 4. Juni 1985 zur Post gegebenen Schriftsatz stellte der Angeklagte nunmehr den Antrag, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelausführungsfrist zu bewilligen. Gleichzeitig holte er die versäumten Prozeßhandlungen nach.

Zum Wiedereinsetzungsantrag:

Gemäß dem § 364 Abs. 1 StPO ist einem Beschuldigten (Angeklagten) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung (Ausführung) eines Rechtsmittels gegen ein Urteil zu erteilen, sofern er 1.) nachzuweisen vermag, daß es ihm durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Vertreters Verschulden unmöglich gemacht wurde, die Frist einzuhalten, 2.) um die Wiedereinsetzung innerhalb von vierzehn Tagen nach dem Aufhören des Hindernisses ansucht und 3.) die Anmeldung (Ausführung) zugleich anbringt.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor:

Der Wiedereinsetzungswerber vermochte glaubhaft darzutun, daß die Fristversäumnis allein auf den Fehler der Angestellten seines Verteidigers Ursula E zurückzuführen ist, die zwar den Rückscheinbrief, der die Urteilsausfertigung enthielt, für ihren Dienstgeber übernommen, jedoch aus nicht eindeutig geklärter Ursache, möglicherweise weil sie annahm, er enthalte nur die begehrte Abschrift des Hauptverhandlungsprotokolles, es unterlassen hatte, ihn dem Verteidiger vorzulegen. Daher erlangte dieser erst am 28. Mai 1985 von der bereits am 29. April 1985 stattgefundenen Urteilszustellung und damit von der Versäumung der Frist zur Rechtsmittelausführung Kenntnis.

Im Hinblick darauf, daß die genannte Angestellte sich bis dahin jahrelang durch absolute Zuverlässigkeit und besondere Sorgfalt ausgezeichnet hatte, ist daher die Fristversäumnis auf einen unabwendbaren Umstand zurückzuführen und liegt ein Verschulden des Angeklagten oder seines Verteidigers in diesem Zusammenhang nicht vor.

Mithin war über den Wiedereinsetzungsantrag spruchgemäß zu

erkennen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Der Rechtsmittelwerber macht die Nichtigkeitsgründe der Z 1

und 5 des § 281 Abs. 1 StPO geltend.

Dazu wurde erwogen:

Wohl trifft zu, daß der Vorsitzende des Schöffensenates im Zug der Voruntersuchung die Enthaftung des Angeklagten gegen Gelöbnis verfügte und auch das Gelöbnis abnahm (ON 5 des Aktes). Diese untersuchungsrichterliche Tätigkeit läßt ihn auch von der Mitwirkung und der Entscheidung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen erscheinen (§ 68 Abs. 2 StPO).

Dennoch liegt die behauptete Urteilsnichtigkeit nicht vor, weil es der Angeklagte unterließ, den die Nichtigkeit begründenden Tatumstand schon bei Beginn der Hauptverhandlung geltend zu machen (§ 281 Abs. 1 Z 1, zweiter Halbsatz StPO). Daß - wie in der Nichtigkeitsbeschwerde vorgebracht wird - der relevante Sachverhalt erst 'im Zuge der Vorbereitung der Nichtigkeitsbeschwerde hervorgekommen ist', erscheint nicht glaubwürdig, weil der Angeklagte den nunmehrigen Vorsitzenden des Schöffensenates zwangsläufig schon bei der Leistung des Gelöbnisses anläßlich seiner Enthaftung persönlich kennengelernt hatte.

Unter Bezugnahme auf den zweiten ziffernmäßig geltend gemachten Nichtigkeitsgrund behauptet der Beschwerdeführer, die Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite der Urteilsfakten I 1 und 2 seien unzureichend begründet, weil sich das Erstgericht insoweit nur darauf stütze, daß 'der behauptete Erstattungsantrag nicht zu objektivieren war'. Ferner führe das Urteil an der gleichen Stelle aus, daß aus dem unbedenklichen Akteninhalt 'zweifelsfrei abzuleiten' sei, der Angeklagte habe 'mangels jeglicher Anhaltspunkte hiefür' bei seiner Haftentlassung keineswegs ein noch aufrechtes Steuerguthaben erwarten können.

Damit vernachlässigt aber der Beschwerdeführer die übrigen Urteilsausführungen zur subjektiven Tatseite, mit denen das Schöffengericht auch noch auf weitere konkrete Verfahrensergebnisse Bezug nimmt und in sehr eingehender Weise seine Überlegungen darlegt, die in ihm die überzeugung vom Vorliegen der subjektiven Tatbestandselemente erweckten (Band II S 166 ff des Aktes). Solcherart gelangt aber - mangels Aktentreue - eine Mängelrüge nicht zu einer der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO entsprechenden Darstellung. Mithin war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit dem § 285 a Z 2 StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden (§ 296 Abs. 3 StPO). Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E06456

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00107.85.0910.000

Dokumentnummer

JJT_19850910_OGH0002_0110OS00107_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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