Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Wilhelm A, Rechtsanwalt, 1170 Wien, Hernalser Hauptstraße 116, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der prot.Firmen
1.
B Gesellschaft mbH (S 54/77 des Handelsgerichtes Wien),
2.
C Gesellschaft mbH (S 52/77 des Handelsgerichtes Wien), beide 1010 Wien, Kohlmarkt 5, wider die beklagte Partei Dr.Renate D, Rechtsanwalt, 1220 Wien, Konstanziagasse 41, wegen
S 584.387,03 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3. Oktober 1984, GZ 18 R 203/84-63, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 28. Mai 1984, GZ 39 g Cg 712/82-59, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 12.612,40 (darin S 970,-- Barauslagen und S 1.058,50 USt.) bestimmten Kosten de Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Vom Handelsgericht WIEN wurde am 9.2.1977 über das Vermögen der beiden Firmen C Gesellschaft mbH und B Gesellschaft mbH der Ausgleich und am 2.Mai 1977 über das Vermögen des ersteren (S 52/77) sowie am 4.Mai 1977 über das der letzteren (S 54/77) der Anschlußkonkurs eröffnet und in beiden Verfahren der Kläger als Masseverwalter bestellt.
Dieser begehrt von der Beklagten - nach einer Klagserweiterung - den Betrag von S 584.387,03 s.A. Diese habe als ehemalige Rechtsvertreterin beider Gesellschaften Zahlungen von verschiedenen Schuldnern derselben entgegengenommen, diese aber nicht an die Masse abgeführt, wobei sie sich bei ihrer Weigerung auf das anwaltliche Kostenpfandrecht berufe.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Sie habe nach Konkurseröffnung keine Zahlungen entgegengenommen; darüber hinaus habe sie die beiden Gesellschaften jahrelang rechtsfreundlich vertreten, sodaß sie zur Deckung ihrer Kostenansprüche die bei ihr eingegangenen Gelder zurückbehalten dürfe. Schließlich habe sie die beiden Gesellschaften auch im Ausgleichsverfahren anwaltlich vertreten; die ihr hieraus erwachsenen Kostenansprüche, die den Klagsanspruch überstiegen, wende sie aufrechnungsweise ein. Das Erstgericht gab der Klage im ersten Rechtsgang statt. Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf. Dem gegen diesen Beschluß vom Kläger erhobenen Rekurs gab der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 28.9.1982, 2 Ob 542/82, nicht Folge. Bezüglich der Einzelheiten des ersten Rechtsganges kann auf die genannte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes verwiesen werden. Das Erstgericht gab der Klage auch im zweiten Rechtsgang statt, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:
Die Beklagte vertrat die beiden Gesellschaften seit ihrer Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte im August 1976. Schon vorher war sie für die beiden Gesellschaften als Rechtsanwaltsanwärterin in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr.E, der die Gesellschaften bis dahin vertreten hatte, tätig gewesen. Die Aufträge zur rechtsfreundlichen Intervention erhielt sie in jedem einzelnen Fall vom Geschäftsführer der beiden Gesellschaften, Herbert F, mit dem sie jedoch keine besondere Vereinbarung über die Abrechnung des Anwaltshonorars traf. Bis zur Eröffnung des Ausgleichsverfahrens rechnete F in der Tat mit der Beklagten offene Kostenforderungen nicht ab. Im Zuge ihrer anwaltlichen Tätigkeit, und zwar auch nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens, gingen laufend Zahlungen verschiedener Schuldner der beiden Gesellschaften bei der Beklagten ein. Der Masseverwalter forderte die Beklagte auf, die bei ihr eingegangenen Gelder mit ihm abzurechnen. Sie übersandte auch im Juli 1977 die verlangte Abrechnung und schloß dieser einige Handakte an. Der Masseverwalter war damit nicht einverstanden und ersuchte die Beklagte, die Abrechnungen näher aufzugliedern, wobei er darauf hinwies, daß sie zur Kompensation nur die bis zur Ausgleichseröffnung erwachsenen Kostenansprüche heranziehen dürfe. Keineswegs gehe es an, daß sie ihre gesamten Honorarforderungen generell mit den eingegangenen Geldern verrechne. In der Folge übermittelte sie dem Masseverwalter am 19.8.1977 eine Abrechnung (Beilagen ./A bis ./C) und behauptete darin ein Guthaben von S 255.121,99 zu ihren Gunsten, für das ihr das anwaltliche Kostenpfandrecht zustehe. Erst jetzt erfuhr der Masseverwalter, daß die Beklagte selbst nach Konkurseröffnung Zahlungen von Schuldnern der beiden Gesellschaften entgegengenommen hatte. Er gab ihr daraufhin zu verstehen, er sei mit ihrer Abrechnung nicht einverstanden, und forderte sie auf, sämtliche nach der Konkurseröffnung eingegangenen Gelder an die Masse abzuführen. Im Zuge seiner Tätigkeit stellte der Masseverwalter fest, daß die Beklagte während der Anhängigkeit der beiden Ausgleichsverfahren von verschiedenen Schuldnern der Gesellschaften Zahlungen in der Höhe von insgesamt S 128.076,25 entgegengenommen hatte. Auch in der Folge lehnte die Beklagte die Abführung dieser Gelder an die Masse ab. Schließlich übersandte sie dem Masseverwalter noch zwei übersichten über die Zahlungseingänge für die beiden Gesellschaften während des Zeitraums vom 11.8.1977 und 13.6.1978 (Beilage ./D und ./E). Der Masseverwalter erhob noch des weiteren, daß 1978 von den Schuldnern G, H, I und J Beträge von insgesamt
S 34.525,70 bei der Beklagten eingegangen waren. Insgesamt gingen bei der Beklagten nachstehende Zahlungen von Schuldnern der beiden Gesellschaften nach der Ausgleichseröffnung ein:
a) B Gesellschaft mbH:
9.2.1966 bis 11.8.1977 (Beilage C) S 410.264,38
11.8.1977 bis 13.6.1978 (Beilage D) S 177.934,38
1978 (Beilage F) S 34.525,70
b) C Gesellschaft mbH:
9.2.1977 bis 11.8.1977 (Beilage C) S 51.585,98
11.8.1977 bis 13.6.1978 (Beilage E) S 38.152,84
S 712.463,28.
Eine Vereinbarung des Inhalts, daß die Beklagte zur Einbehaltung von Zahlungseingängen nach der Konkurseröffnung berechtigt sein sollte, traf der Masseverwalter mit der Beklagten nie. Mit Schreiben vom 26.1.1979 forderte er sie letztmals unter Klagsandrohung auf, die nach der Konkurseröffnung einbehaltenen Beträge an die Masse abzuführen, doch leistete sie auch nachher keine Zahlung. Trotz Bestreitung ihres Honoraranspruchs erfolgte kein gerichtlicher Erlag. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß die Beklagte es auch im zweiten Rechtsgang unterlassen habe, insbesondere im Lichte der Zwischenentscheidungen im ersten Rechtsgang rechtserhebliche Tatsachen, die dem Klagebegehren entgegenstehen könnten, in bestimmter Weise zu behaupten. Die Beklagte habe zumindest ein Jahr seit der Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes Zeit gehabt, durch Einsichtnahme in die nach ihren Angaben beim Kläger erliegenden Handakten, die ihr nie verwehrt wurde, bzw. in die Strafakten samt Beiakten die relevanten Tatsachen festzustellen. Ohne konkretes und bestimmtes Vorbringen sei auch ein Antrag auf Beischaffung von Beweismitteln, wie etwa der Strafakten, Buchhaltungsunterlagen und Handakten, kein geeignetes Mittel der Prozeßführung im Sinne der Zivilprozeßordnung.
Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren für mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2,3 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionsgründe nach § 503 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO liegen nicht vor, was nicht weiter zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). In der Rechtsrüge führt die Beklagte aus, die ihr von den Firmen B GmbH und C GmbH erteilten Vollmachten seien durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen dieser Gesellschaft erloschen. Da somit keine 'obligatorischen Wirkungen' mehr zwischen dem Kläger als Masseverwalter und ihr als Beklagter bestünden, fehle ihr die passive Klagslegitimation, es sei denn, es wären Anfechtungsansprüche geltend gemacht worden, was jedoch nicht der Fall sei. Auch die Aufrechnung sei von ihr bereits im ersten Rechtsgang eingewendet worden. Aus der vorgelegten Abrechnung ergebe sich ein Saldo zu ihren Gunsten. Da der Masseverwalter die entsprechenden Akten nicht vorgelegt habe, sei er als Kläger seiner Pflicht zur Detaillierung des Klagsbetrages nicht nachgekommen, was der Beklagten nicht zum Nachteil gereichen könne. Infolge der Unterlassung der Beischaffung der entsprechenden Akten hätten auch die von ihr bei der Einbringungsstelle des Oberlandesgerichtes WIEN bezahlten Zahlungsaufträge nicht vorgelegt werden können. Diesen Ausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, daß entgegen der Auffassung der Revisionswerberin durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Vollmachtgebers die ihr als Rechtsanwalt erteilten Prozeßvollmachten nicht erloschen sind (2 Ob 542/82, Fasching, ZP-Recht, Rz 431). Die von der Beklagten aus dem von ihr rechtsirrtümlich angenommenen Erlöschen der Vollmachten abgeleiteten Schlußfolgerungen, insbesondere auch hinsichtlich ihrer Passivlegitimation, gehen daher ins Leere.
Auch soweit die Beklagte hinsichtlich der von ihr als Gegenforderung eingewendeten Honoraransprüche die Auffassung vertritt, die Pflicht zur deren Detaillierung habe den Kläger getroffen, übersieht sie, daß es Sache der Beklagten ist, rechtsvernichtende Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (Fasching aaO, Rz 875 und 882). Das Berufungsgericht hat aber auch zutreffend darauf hingewiesen, daß die Beklagte zur Begründung ihrer Aufrechnungseinrede lediglich vorbrachte, daß ihr ein Honoraranspruch gegenüber den Gesellschaften zustehe, der die Klagsforderung übersteige. Weder bezüglich des Zeitpunktes des Entstehens solcher Honorarforderungen noch zu deren Höhe ist ein konkretes Vorbringen erstattet worden. Die Einrede der Beklagten läßt weder erkennen, welche Forderungen in welcher Höhe sie aufzurechnen wünscht, noch wann solche Forderungen aufrechenbar gewesen sein sollen. Schon aus diesem Grunde hat daher das Berufungsgericht mit Recht eine Berücksichtigung der eingewendeten Gegenforderung abgelehnt. Dasselbe gilt auch bezüglich der von der Beklagten behaupteten Forderungen aus der Begleichung von Zahlungsaufträgen.
Soweit die Beklagte - unrichtig unter dem Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens - ihre Pflicht zur Herausgabe der von ihr empfangenen Zahlungen von Schuldnern der beiden von ihr rechtsfreundlich vertretenen Gesellschaften bestreitet, ist ihr zu erwidern, daß sie ein Zurückbehaltungs- bzw. ein Pfandrecht an den bei ihr nach der Konkurseröffnung eingegangenen Barschaften der von ihr vertretenen Parteien nur bei Zutreffen der Voraussetzungen der §§ 19 bzw. 19 a RAO in Anspruch nehmen könnte. Da sie aber weder in der Lage war, die Voraussetzungen für das Entstehen eines Pfandrechtes im Sinne des § 19 a Abs 1 RAO an den ihr angeblich zustehenden Kostenfordeurngen der von ihr vertretenen Gesellschaften darzutun, noch die eingegangenen Barschaften gemäß § 19 Abs 3 RAO gerichtlich hinterlegt hat, gelangte das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum zur Bejahung ihrer Herausgabepflicht (vgl.auch §§ 16 und 17 K 1977) und damit zur Klagsstattgebung. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E06367European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00504.85.0910.000Dokumentnummer
JJT_19850910_OGH0002_0020OB00504_8500000_000