Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Melber, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Helmut A, Frächter, 8600 Bruck/Mur, Haydngasse 2, vertreten durch Dr. Michael Stern, Dr. Peter Stern, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Firma B Gesellschaft mbH. i.L., 8712 Niklasdorf (Rechtssache 3 Cg 261/82) und 2) Herbert B, Sägewerksbesitzer, 4284 Tragwein 240 (Rechtssache 3 Cg 359/82), beide vertreten durch Dr. Heinz Sonnberger, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wegen je 17,251.088,-- S s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 7. Dezember 1984, GZ 1 R 207,208/84-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 29. August 1984, GZ 3 Cg 261/82-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen, und zwar
a) der beklagten Partei B Gesellschaft mbH (Rechtssache 3 Cg 261/82)
b) der beklagten Partei Herbert B (Rechtssache 3 Cg 359/82) die mit je 44.294,96 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin je 3.072,27 S Umsatzsteuer und je 10.500 S Barauslagen) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Notariatsakt vom 30.5.1979 traten der Kläger und seine Ehefrau dem Herbert B von ihren Geschäftsanteilen an der Firma A & CO Holzhandels-Gesellschaft mbH (HRB 111 Bruck a.d. Mur des Kreisgerichtes Leoben) einen Teil ihrer Geschäftsanteile, der insgesamt dem Betrag von 750.000 S der übernommenen Stammeinlagen entspricht, ab. In diesem Abtretungsvertrag erklärten der Kläger und seine Ehefrau u.a., daß ihnen nach Bezahlung des vereinbarten Abtretungspreises gegenüber der Fa. A & Co Holzhandels-Gesellschaft mbH mit Ausnahme ihres Gewinnanteiles keinerlei aus welchem Rechtsgrund immer, insbesondere aus dem Rechtsgrund der Darlehensgewährung bestehende Forderungen zustehen. Sie leisteten Gewähr, daß keine weiteren Verbindlichkeiten der Gesellschaft bestehen, mit Ausnahme jener, die zum Stichtag 10.5.1979 buchhalterisch erfaßt wurden und in den vorhandenen Unterlagen der Gesellschaft aufscheinen. Allfällige weitere Schulden gingen zu ihren Lasten. Die Firma A & Co Holzhandels-Gesellschaft mbH wurde in der Folge als die Firma B Gesellschaft mbH fortgeführt (HRB 191 Leoben des Kreisgerichtes Leoben). Am 18.7.1979 wurden Herbert B und Rüdiger C zu Geschäftsführern der Fa. B
Gesellschaft mbH bestellt.
In zwei zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen begehrt der Kläger 1.) von der B Gesellschaft mbH (führender Akt, Rechtssache 3 Cg 261/82) und 2.) von Herbert B (verbundene Rechtssache 3 Cg 359/82) je 17,251.088 S s.A. mit der Begründung, er habe nach dem 10.5.1979 durch Auflösung von privaten Sparbuchguthaben und eines Guthabens bei der Fa. D Verbindlichkeiten der B Gesellschaft mbH in dieser Höhe getilgt, welcher Betrag ihm ersetzt werden müsse. Die Haftung des Herbert B begründet der Kläger damit, daß dieser für den Schaden hafte, den der Kläger dadurch erlitten habe, daß er ihm als Geschäftsführer der Fa. B Gesellschaft mbH diesen Ersatz vorenthalten habe.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung der Klage und wendeten ein, sie hätten mit dem Kläger und seiner Ehefrau mündlich vereinbart, daß diese die in der Klage erwähnten privaten Guthaben zur teilweisen Abdeckung der Verbindlichkeiten der Fa. A & Co Holzhandels-Gesellschaft mbH verwenden müßten und nur unter der Voraussetzung dieser Verringerung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft habe Herbert B Geschäftsanteile erworben. Weiters stehe der Klagsforderung auch der Verzicht des Klägers und seiner Ehefrau im Notariatsakt vom 30.5.1979 entgegen.
Das Erstgericht wies die beiden Klagen ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Die beiden Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:
Bei der Fa. A & Co Holzhandels-Gesellschaft mbH bestanden im März/April 1979 solche Liquidationsschwierigkeiten, daß eine Insolvenz befürchtet werden mußte. Ein Teil der Verbindlichkeiten bei verschiedenen Banken war durch private Sparbücher des Klägers gesichert, bei einem der Gläubiger, nämlich der tschechischen Firma D, war ein Teil der Verbindlichkeit durch ein privates Guthaben des Klägers gesichert. Diese privaten Mittel des Klägers reichten aber nicht aus, die insolvente Gesellschaft zu retten. Es wurde daher nach einem Geldgeber gesucht, der sich schließlich in der Person des Herbert B fand. Dieser war bereit, in die Gesellschaft als weiterer Gesellschafter einzutreten und eine Bareinlage von 3 Mio S zu leisten, machte aber dabei zur Bedingung, daß die erwähnten privaten Mittel des Klägers realisiert und zur Verringerung der finanziellen Verbindlichkeiten der Fa. A & Co Holzhandels-Gesellschaft mbH verwendet werden. Schriftlich wurde diese Bedingung nicht niedergelegt, um die Finanzbehörde tunlichst nicht bezüglich der vorhandenen, aber bisher nicht versteuerten Barmittel des Klägers zu mobilisieren. Der Kläger war zwar bei den Verhandlungen selbst nicht anwesend, akzeptierte aber die Bedingung des Herbert B tatsächlich dadurch, daß er in der Zeit vom 14.5.1979 bis 30.5.1979 entsprechend der von Herbert B gestellten Bedingungen die Realisierung seiner Sparguthaben und seines Guthabens bei der Fa. D veranlaßte und dadurch in der Folge die Verbindlichkeiten der Gesellschaft um den Klagsbetrag verminderte. Danach kam es am 30.5.1979 zur Unterfertigung des eingangs erwähnten Abtretungsvertrages.
In rechtlicher Hinsicht waren die Vorinstanzen der Auffassung, daß der Kläger durch seine Zahlungen nur die Verpflichtung erfüllt habe, die er im Zusammenhang mit dem Abtretungsvertrag vom 30.5.1979 übernommen habe, so daß nicht zu untersuchen sei, ob er damit eine eigene oder eine fremde Schuld beglichen habe. Auf den im Abtretungsvertrag genannten Stichtag vom 10.5.1979 komme es dabei nicht an. überdies müsse der Kläger auch den Verzicht im erwähnten Notariatsakt gegen sich gelten lassen.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern oder es aufzuheben.
Die beklagten Parteien beantragen, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision kommt keine Berechtigung zu.
Der Kläger macht bezüglich des von den Vorinstanzen angenommenen Verzichtes geltend, daß es hier an einem gültigen Titel fehle, zumindest im Zweifel sei dieser Verzicht einschränkend auszulegen. Keinesfalls seien daher Leistungen des Klägers nach dem im Notariatsakt vom 30.5.1979 angeführten Stichtag (10.5.1979) auch von diesem Verzicht erfaßt.
Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:
Es ist zwar zutreffend, daß der Verzicht in seiner Eigenschaft als Verfügungsgeschäft nur auf Grund eines gültigen Titels möglich ist (Rummel in Rummel RZ 1 zu § 1444 ABGB und RZ 31 zu § 859 ABGB und dort jeweils zitierte Rechtsprechung) und daß Verzichtserklärungen im Zweifel einschränkend auszulegen sind (Rummel in Rummel RZ 5 zu § 1444 und dort gleichfalls zitierte Rechtsprechung). Damit ist aber für die klagende Partei im vorliegenden Fall nichts zu gewinnen; denn einerseits ist ein gültiger Titel vorhanden und andererseits kann auch eine noch so einschränkende Auslegung zu keinem für die klagende Partei günstigeren Ergebnis führen. Dazu kommt, daß auch ohne Vorliegen eines Verzichtes die Voraussetzungen für einen Anspruch nach §§ 1358, 1422 ABGB nicht gegeben wären.
Die übertragung von Geschäftsanteilen einer Gesellschaft mbH erfordert nach österreichischem Recht einerseits ein gültiges Rechtsgeschäft als Rechtsgrund und andererseits gemäß § 76 Abs. 2 GmbHG einen Notariatsakt als sachenrechtlichen übertragungsakt (Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht 626). Der Notariatsakt ist also nur für das Verfügungsgeschäft, nicht für das Verpflichtungsgeschäft vorgeschrieben. Und neben den im Notariatsakt enthaltenen Vereinbarungen sind auch die nicht in Form des Notariatsaktes getroffenen Vereinbarungen im Rahmen des Verpflichtungsgeschäftes gültig und wirksam (SZ 26/143, NZ 1980, 88, SZ 56/119, vgl. auch in ähnlichem Zusammenhang SZ 48/36). Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, daß nicht nur die im schriftlichen Abtretungsvertrag vom 30.5.1979 festgehaltenen Vertragsbedingungen sondern auch die darüber hinaus vereinbarten Zusatzvereinbarungen gültig und wirksam sind. Mag der schriftliche Abtretungsvertrag den Eindruck erwecken, der Kläger und seine Ehefrau hätten den Zweitbeklagten ihre Geschäftsanteile um den Abtretungspreis von je 375.000 S schon zum Stichtag 10.5.1979 verkauft, sodaß nur vor diesem Zeitpunkt geleistete Zahlungen schon mit dem Abtretungspreis abgegolten wären, für Zahlungen nach diesem Zeitpunkt aber aus dem Abtretungsvertrag nichts mehr abzuleiten sei, so ergibt sich doch auf Grund der festgestellten Zusatzvereinbarungen, daß die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, daß noch ganz bestimmte Zahlungen der klagenden Partei nach dem 10.5.1979 erfolgen müßten, die zu einer erheblichen Verringerung der Verbindlichkeiten der erstbeklagten Partei führen sollten, und daß sich der im Abtretungsvertrag vom 30.5.1979 vereinbarte Kaufpreis für die Geschäftsanteile dahin verstand, daß dieser Preis nur unter der Voraussetzung der Verringerung dieser Verbindlichkeiten vereinbart wurde.
Daß diese Zusatzvereinbarung vom Kläger selbst nicht persönlich mit seinem Vertragspartner getroffen, sondern durch die mit seinem Wissen und Willen handelnden Vertreter abgeschlossen wurde und daß der Kläger diese Zusatzvereinbarung auch dadurch ausdrücklich anerkannte, daß er in der Zeit vom 10. bis 30.5.1979 im Sinne dieser Zusatzvereinbarung die strittigen Leistungen erbrachte, haben die Vorinstanzen zwar in rechtlicher Hinsicht nicht näher dargestellt, dies ergibt sich aber zwingend aus den getroffenen Tatsachenfeststellungen.
Der Kläger hat also durch seine Zahlungen an die Gläubiger der erstbeklagten Partei, gleichgültig, ob er für die beglichenen Verbindlichkeiten auch persönlich oder mit bestimmten Vermögensstücken gehaftet hätte (Fall des § 1358 ABGB) oder nicht (Fall des § 1422 ABGB), keinen Ersatzanspruch gegen die erstbeklagte Partei erworben. Der Kläger hatte sich vielmehr in seinem Vertrag mit dem Zweitbeklagten ausdrücklich zur Zahlung dieser Beträge auf seine Rechnung und zu seinen Lasten verpflichtet, um damit die verkauften Geschäftsanteile in die vereinbarte Beschaffenheit zu bringen, denn der Käufer der Geschäftsanteile bot nur dann den vereinbarten Kaufpreis, wenn die überschuldung der Gesellschaft auf ein erträgliches Maß herabgesetzt wurde. Wenn auch an dieser Vereinbarung die erstbeklagte Partei nicht unmittelbar beteiligt war, so sollte sich diese Vereinbarung doch jedenfalls auch zugunsten der erstbeklagten Partei auswirken (§ 2 Abs. 3:
Verzicht gegenüber der Gesellschaft, § 4 Abs. 2: Gewährleistung für einen bestimmten Stand der Verbindlichkeiten der Gesellschaft und Übernahme von Schulden der Gesellschaft, Verpflichtung zur Schadloshaltung gegenüber der Gesellschaft) und war in dieser Hinsicht auch ein Vertrag zugunsten Dritter. Und diese Vereinbarung schuf dann zwischen dem Hauptschuldner (erstbeklagte Partei) und dem zahlenden Interzedenten (Kläger) ein besonderes Verhältnis, das den Rückgriffanspruch nach § 1358 ABGB ausschloß (vgl. dazu JBl. 1983, 36, Ohmeyer in Klang 2 VI 232) bzw. - wenn man nicht von einer Haftung des Klägers für die bezahlten Verbindlichkeiten der erstbeklagten Partei ausgeht - erfolgte die Zahlung nicht zwecks Einlösung der fremden Schuld im Sinne des § 1422 ABGB, sondern zwecks Tilgung derselben (vgl. Reischauer in Rummel RZ 6 zu § 1422 ABGB).
Das vorliegende Klagebegehren ist damit schon unabhängig von der oben erwähnten Verzichtserklärung in Punkt 2 Abs. 2 des Abtretungsvertrages vom 30.5.1979 unbegründet.
Der Vollständigkeit halber sei aber angefügt, daß auch dieser Verzicht gegen die Berechtigung der Klage spricht. Rechtsgrund für diesen Verzicht war der Abschluß des Kaufvertrages über die Geschäftsanteile. Der Verzicht sollte Klarheit über den Umfang der Verbindlichkeiten der erstbeklagten Partei herbeiführen, deren Geschäftsanteile verkauft werden sollten. Der Verzicht sollte daher Bereinigungswirkung haben und hatte damit den Charakter eines Vergleiches nach § 1380 ABGB. Im Zusammenhang mit der oben behandelten wirksamen Zusatzvereinbarung, daß der Kläger zunächst sein Privatvermögen zur Herabsetzung der Verbindlichkeiten der erstbeklagten Partei verwenden solle, um erst sodann die Geschäftsanteile der dadurch in ihrer Liquidität verbesserten Gesellschaft zu übertragen, kann auch eine noch so einschränkende Auslegung nicht dazu führen, daß sich der Verzicht nicht auch auf die strittigen Zahlungen bzw. die hieraus allenfalls ableitbaren Ersatzansprüche erstrecken sollte. Die Bestimmung des § 4 Abs. 2 des Abtretungsvertrages (Gewährleistung dafür, daß keine weiteren Verbindlichkeiten der Gesellschaft bestehen, außer die zum Stichtag 10.5.1979 buchhalterisch erfaßten) einerseits und die Bestimmung des § 2 Abs. 3 des Abtretungsvertrages (Abgabe der Erklärung, daß gegenüber der Gesellschaft - ausgenommen einen Gewinnanteil - keine auf welchem Rechtsgrund immer bestehenden Forderungen zustehen) läßt sich dann durchaus miteinander vereinbaren. Gehaftet wird nicht für die im Status vom 10.5.1979 enthaltenen Verbindlichkeiten (mögen sie in der Zeit zwischen 10. und 30.5.1979 getilgt worden sein oder nicht), wohl aber für alle in diesem Status nicht aufscheinenden zusätzlichen Verbindlichkeiten. Verzichtet wurde mit Wirkung des Vertragsabschlusses, nämlich 30.5.1979, auf alle Forderungen gegen die Gesellschaft, zB eben auch auf Ansprüche nach §§ 1358, 1422
ABGB.
Daß der Verzichtsvertrag selbst zwischen dem Kläger (und seiner Ehefrau) und dem Zweitbeklagten nicht aber zwischen Kläger (und seiner Ehefrau) und der erstbeklagten Partei abgeschlossen wurde, schadet nicht, weil, wie schon ausgeführt wurde, hier ein Vertrag (Schulderlaßvertrag) zugunsten Dritter anzunehmen ist (vgl. Klang in Klang 2 VI 530, Rummel in Rummel RZ 5 zu § 881 ABGB). Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO, wobei die Gesamtkosten wegen der Selbständigkeit beider Rechtssachen je zur Hälfte auf diese aufzuteilen waren.
Anmerkung
E06509European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00544.85.0911.000Dokumentnummer
JJT_19850911_OGH0002_0030OB00544_8500000_000