Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Fritz A, Rechtsanwalt, 5020 Salzburg, Anton Neumayr-Platz 2/I, wider die beklagten Parteien 1.) Hermann B, Installateur, 2.) Firma B KG, 3.) Hermann B Gesellschaft mbH, alle 6500 Landeck, Innstraße 35, 4.) C D E, 1010 Wien,
Schottenring 15, alle vertreten durch Dr. Günter Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 3,137.680.40 s.A., Rente und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 5. Februar 1985, GZ 2 R 4/85-24, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Teilurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20. November 1984, GZ 13 Cg 448/83-20, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 25.7.1980 ereignete sich auf der B 171 südlich von Imst im Bereich der dort befindlichen Aral-Tankstelle ein Verkehrsunfall zwischen dem Kläger als Lenker des PKWs Marke Mercedes 280 E, Kennzeichen S 3.434, und dem vom Erstbeklagten gelenkten, von der Zweitbeklagten und der Drittbeklagten als Komplementärin der Zweitbeklagten gehaltenen und bei der Viertbeklagten haftpflichtversicherten LKW Marke Range Rover, Kennzeichen T 46.539. Mit rechtskräftiger Strafverfügung des Bezirksgerichtes Imst vom 5.9.1980, U 754/80-3, wurde der Erstbeklagte schuldig erkannt, am 25.7.1980 gegen 8,20 Uhr als Lenker des genannten Fahrzeuges von Landeck in Richtung Imst fahrend südlich von Imst durch Außerachtlassung der notwendigen und ihm zumutbaren Sorgfalt einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, indem er auf das Tankstellengelände der Aral-Tankstelle einfahren wollte, dabei aber den entgegenkommenden Mercedes des Dr. Fritz A übersah. Das Straßenstück verläuft im Unfallsbereich übersichtlich und gerade über eine Länge von 150 bis 200 m. Die zweispurige Fahrbahn, die in Fahrtrichtung des Klägers eine Steigung von 3 % aufweist, war mit Rauasphalt bedeckt und trocken. Sperrlinien waren nicht angebracht. Es bestand jedoch ein überholverbot und die zulässige Höchstgeschwindigkeit war mit 80 km/h beschränkt.
Der Kläger hielt vor dem Unfall eine Geschwindigkeit von ca.89 km/h ein. Er war noch ungefähr 60 m vom späteren Kollisionsort entfernt, als ihm bewußt wurde, daß der Erstbeklagte seine Fahrbahn kreuzen werde. Er reagierte auf das Abbiegemanöver des Erstbeklagten unverzüglich, ohne einen Fahrfehler, durch Bremsen. Die Kollisionsgeschwindigkeit betrug ca. 40 km/h. Unter Annahme der gleichen Reaktionswerte hätte bei Einhalten einer Geschwindigkeit von 80 km/h der Unfall gerade noch vermieden werden können. Der Kläger begehrte von den Beklagten den Ersatz aon unfallskausalen Schäden von S 3,137.680,40 s.A., den Zuspruch einer monatlichen Rente von brutto S 16.666,66 sowie die Feststellung, daß die Beklagten ihm für alle künftigen Nachteile aus dem Verkehrsunfall vom 25.7.1980 auf der Tiroler(Bundesstraße B 171 südlich von Imst (Tirol) zur ungeteilten Hand zu haften haben, wobei die Haftungen der Zweit- und Drittbeklagten mit den gesetzlichen Haftungshöchstbeträgen und jene der Viertbeklagten durch die Höhe der Versicherungssumme beschränkt seien. Der Erstbeklagte habe durch eine grobe Vorrangverletzung den Unfall allein verschuldet; die Mithaftung der Zweit- bis Viertbeklagten ergebe sich aus dem Gesetz. Dem Begehren des Klägers zum Grund des Anspruches hielten die Beklagten im wesentlichen entgegen, daß er vor dem Unfall eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten habe und ihn ein Mitverschulden von zumindest 1/3 treffe.
Das Erstgericht erkannte mit Teilurteil das Feststellungsbegehren gegen die BAklagten zur Gänze als berechtigt, wobei es die Haftung der Zweit- und Drittbeklagten mit der Höhe der Haftungshöchstbeträge des EKHG und der Viertbeklagten mit der Höhe der Haftpflichtversicherungssumme begrenzte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das angefochtene Teilurteil dahin ab, daß es die Haftung der Beklagten für den Unfall nur mit 75 % für berechtigt erkannte und das Mehrbegehren abwies. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstandes S 15.000, des von der Bestätigung betroffenen S 60.000 und der gesamte Streitwert S 300.000 übersteigt. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Beklagten beantragen in dwr Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Während das Erstgericht die Ansicht vertrat, daß die Geschwindigkeitsüberschreitung des Klägers um etwas mehr als 11 % als geringfügig bei der Verschuldensabwägung vernachlässigt werden könnte, stellte sich das Berufungsgericht auf den gegenteiligen Standpunkt. Es sei zwar richtig, daß die Vorrangverletzung des Erstbeklagten gemäß § 19 Abs 5 StVO gravierender Art gewesen sei, doch könnten demgegenüber überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als 10 % nicht mehr als so geringfügig angesehen werden, daß sie bei der Verschuldensabwägung zu vernachlässigen wären. Unter Bedachtnahme auf die ständige Judikatur (ZVR 1983/53; ZVR 1984/73 ua) sei daher eine Verschuldensteilung von 3 : 1 zugunsten des Klägers gerechtfertigt.
Demgegenüber stellt sich der Kläger in der Revision auf den Standpunkt des Erstgerichtes. Es ist jedoch ständige Rechtsprechung, daß selbst die überschreitung einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 5 bis 10 km/h bei der Verschuldensteilung auch dann nicht mehr außer Betracht bleiben kann, wenn sie einer Vorrangverletzung gegenübersteht (ZVR 1981/8; 1979/38; ZVR 1978/277; 2 Ob 173/81, 2 Ob 122/82, 8 Ob 71/83 ua). Umsoweniger kann dies dann der Fall sein, wenn - wie hier - die im Unfallsbereich angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um über 11 % überschritten wird und außerdem die Feststellung getroffen wurde, daß der Zusammenstoß und damit sämtliche Schäden bei gleichen Reaktionswerten vermieden hätten werden können, wenn der Kläger die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h nicht überschritten hätte. Dies hat das Berufungsgericht richtig erkannt. Demgemäß war der Revision des Klägers der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E06582European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00044.85.0912.000Dokumentnummer
JJT_19850912_OGH0002_0080OB00044_8500000_000