TE OGH 1985/9/12 13Os129/85

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Veröffentlicht am 12.09.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. September 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Dallinger als Schriftführers in der Strafsache gegen Ewald A wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 12, 15, 288 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengerichts vom 19. Juni 1985, GZ 8 Vr 1103/83-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Ewald A wurde des Vergehens der versuchten Bestimmung zur falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 12, 15, 288 Abs 1 StGB und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB (nicht 'zweiter Fall', sondern höherer Strafsatz: siehe EvBl 1982 Nr. 198, LSK. 1984/129) schuldig erkannt. Er hat die von ihm in der Nacht zum 8. April 1981 zum Beischlaf genötigte Maria B mehrmals, teils durch Mittelspersonen, anzustiften getrachtet, in der gegen ihn am 11. März 1982 wegen § 202 Abs 1 StGB beim Landesgericht Eisenstadt anberaumten Hauptverhandlung und später nach seiner rechtskräftigen Verurteilung im Wiederaufnahmsverfahren als Zeugin falsch auszusagen (A I 1 und 2). Hernach hat er Maria B in einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft Eisenstadt wissentlich falsch bezichtigt, daß sie von ihm für eine 'wahrheitsgemäße' (gemeint: entlastende) Aussage einen sechsstelligen Schillingbetrag erpressen wollte (B). Die fälschlich vorgeworfene Erpressung wurde den § 144, 145 Abs 1 Z. 1 Ende StGB (Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und der gesellschaftlichen Stellung) zugeordnet, die Verleumdung sonach dem höheren Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB unterstellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte macht Urteilsnichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z. 4, 5 und 9 lit b StPO geltend.

Als Verfahrensmangel rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrags auf Vernehmung seines früheren Verteidigers Dr. C sowie der Heidrun D, der Ursula E und des Wilhelm F als Zeugen. Bezüglich des letztgenannten Zeugen war auch die Gegenüberstellung mit Maria B beantragt worden. Rechtsanwalt Dr. C sollte bekunden, daß anläßlich seines Gesprächs mit dem Angeklagten im September 1981 dieser erstmals von dem Tatvorwurf im Zusammenhang mit dem Geschehen vom 8. April 1981 und von der Möglichkeit einer längerdauernden Freiheitsstrafe überraschenderweise erfahren habe. Aus dem betreffenden Akt des Landesgerichts ergebe sich auch, daß die Anklageschrift nicht dem Beschwerdeführer, sondern seinem Verteidiger Dr. C

zugestellt worden sei. Wilhelm F, Heidrun D und Ursula E, die alle vom Tatgeschehen (Nötigung zum Beischlaf) keine eigenen Wahrnehmungen gemacht haben, sondern als Angestellte des Rechtsmittelwerbers oder als mit ihm befreundete Personen von ihm erstmals über den Vorfall unterrichtet worden waren, wurden zum Beweis geführt, daß Maria B für eine von ihrer bisherigen Schilderung abweichende 'wahrheitsgetreue' Darstellung des Vorfalls vom 8. April 1981 eine Geldleistung gefordert habe. Das Erstgericht verzichtete auf die Einvernahme des Dr. C, weil nicht dessen Erklärung dem Angeklagten das Wissen um die Folgen einer Verurteilung wegen Nötigung zum Beischlaf vermittelt hat, sondern allein die Zustellung der diesbezüglichen Anklageschrift an den erfahrenen (weil einschlägig empfindlich vorbestraften) Angeklagten. Die Befragung der übrigen Zeugen hielt das Gericht für entscheidungsunwesentlich.

Die erstrichterliche Begründung ist fehlerfrei, weil Dr. C niemals den gesamten Erfahrungsschatz des Angeklagten wissen konnte und weil die damalige Anklageschrift, entgegen dem Antrags- und Beschwerdevorbringen, nicht dem Anwalt Dr. C, sondern dem Beschwerdeführer selbst (durch Hinterlegung) zugestellt wurde (S. 1 und 36 in 9 Vr 713/81 des Landesgerichts Eisenstadt). Die Protokolle über die Vernehmung der Zeugen Wilhelm F, Heidrun D und Ursula E wurden in der Hauptverhandlung vorgelesen (S. 355, 386). Dem Antrag auf persönliche Vernehmung der Zeuginnen durch das Schöffengericht (S. 384) folgte vor der Beschlußfassung hierüber (S. 386) das Einverständnis des Angeklagten mit der Verlesung der protokollierten Aussagen (S. 386). Daraus ergibt sich, zumal der Ankläger keine gegenteilige Erklärung abgab, die Zulässigkeit der Vorlesung (und deren Verwertung) gemäß § 252 Abs 1 Z. 4 StPO Außerdem haben die in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Zeuginnen (deutsche Staatsbürger) einer Ladung zur Hauptverhandlung nicht Folge geleistet (ON 16, 19), sodaß zusätzlich der Verlesungsgrund des § 252 Abs 1 Z. 1 StPO eingreift.

Die Angaben des Zeugen F, dem das Urteil (neben weiteren Erwägungen) auf Grund von Aussagen anderer Zeugen die Glaubwürdigkeit abspricht (S. 402 f.), wurden Maria B in der Hauptverhandlung vorgehalten (S. 373). Sie konnte sich an ein Telephongespräch mit Wilhelm F nicht erinnern. Die Beschwerde vermag nicht darzutun, daß eine Gegenüberstellung der Zeugin B mit ihrem angeblichen, ihr jedenfalls persönlich nicht bekannten Gesprächspartner eine anders geartete Sachlage hervorgebracht hätte. Für das darüber hinausgehende Beweisthema, daß der Angeklagte, von F über den Inhalt des Telephongesprächs mit B in Kenntnis gesetzt, die Verleitung zur falschen Aussage einerseits bzw. die Verleumdung andererseits subjektiv nicht verwirklicht habe (S. 384), fehlt die vom Verteidiger in seinem Antrag ausdrücklich geforderte Bedingung, nämlich die Annahme, daß der Angeklagte von der Nötigung zum Beischlaf infolge seiner schweren Alkoholisierung oder eines Verdrängungsmechanismus keine eigene Erinnerung mehr hat. Indes gelangte das Schöffengericht unter Berücksichtigung des vom Sachverständigen erläuterten leichtgradigen Psychosyndroms und auf Grund der Einstellung des Beschwerdeführers zu seinen Vorverurteilungen zur gegenteiligen überzeugung: daß er im vollen Bewußtsein des Tatgeschehens (nach § 202 StGB) den Hergang in seinem Sinn günstig darzustellen sucht und in der Absicht, einen Freispruch bzw. einen günstigen Ausgang des Wiederaufnahmeverfahrens zu erwirken, bewußt wahrheitswidrige Angaben von der Zeugin Maria B forderte und sie schließlich wider besseres Wissen bezichtigte (S. 404).

In seiner Mängelrüge verweist der Beschwerdeführer auf das ihm vom Sachverständigen attestierte Psychosyndrom, auf Grund dessen die Möglichkeit bestünde, daß er nicht nur zu Verdrängungsmechanismen neigt, sondern auch Dinge glaubt und an ihnen festhält, die sich vielleicht in Wirklichkeit ganz anders abgespielt haben. Danach - so die Beschwerde - hätte der Angeklagte die Zeugin B immer nur dazu veranlassen wollen, endlich die Wahrheit zu sagen, weil er sich für unschuldig hielt. Dies alles hätte das Gericht nicht mit Stillschweigen übergehen dürfen, sondern sich ausführlich mit dem Gutachten, dem es nicht gefolgt sei, auseinandersetzen müssen. Entgegen diesen Ausführungen hat der Schöffensenat das vom Sachverständigen beim Beschwerdeführer festgestellte organische Psychosyndrom, das allerdings nie mehr als leichtgradig gewesen ist (S. 381 f.), nicht übergangen, sondern samt den vom Sachverständigen beschriebenen Folgen, nämlich der Abschwächung der kritischen Leistungsfähigkeit trotz guter intellektueller Befähung, erwähnt und gewürdigt (S. 404). Die Frage aber, was den so befundeten Angeklagten letztlich dazu brachte, die Zeugin zu beeinflussen, konnte der Sachverständige nicht beantworten (S. 383). Wenn der Gerichtshof unter Heranziehung weiterer Verfahrensergebnisse und der Einstellung des Nichtigkeitswerbers zu seinen Vorverurteilungen davon überzeugt war, daß nicht die vom Sachverständigen aufgezeigten Möglichkeiten ursächlich für die Tathandlungen waren, sondern daß der Beschwerdeführer vielmehr im vollen Bewußtsein des Ablaufs der Ereignisse (der Nötigung zum Beischlaf) gehandelt hat, so ist das Urteil mängelfrei begründet. Indem der Rechtsmittelwerber die vom Sachverständigen aufgezeigten Möglichkeiten als wirkliche Ursachen seines Handelns gewertet wissen will, bekämpft er unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter.

Die Rechtsrüge reklamiert neuerlich, anknüpfend an das Psychosyndrom, die Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten und bezeichnet die weitere Urteilsargumentation, wonach sich für das Vorhandensein eines relevanten Schwachsinns zur Tatzeit kein Anhaltspunkt ergab, als völlig verfehlt. Damit hält die Beschwerde nicht an den Urteilsannahmen fest, was aber Voraussetzung einer gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge wäre.

Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich damit als teils unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z. 2 StPO).), teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z. 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO), weshalb sie schon in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen war.

Für die Verhandlung und Entscheidung über die Berufung wird ein Gerichtstag anberaumt werden (§ 296 Abs 3 StPO).

Anmerkung

E06476

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00129.85.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19850912_OGH0002_0130OS00129_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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