Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin REPUBLIK ÖSTERREICH (Bundesstraßenverwaltung), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die Antragsgegnerin A B C D
E F G, Linz, Wurmstraße 3, vertreten durch Dr.Alfred Haslinger, Rechtsanwalt in Linz, wegen Festsetzung einer Enteignungsentschädigung infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 25.Februar 1985, GZ.R 881/84-160, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 17.August 1984, GZ.1 Nc 126/81-156, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstrichters wiederhergestellt wird.
Text
Begründung:
Die Rechtssache war Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 22.September 1982, 1 Ob 505/82 = SZ 55/133, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Der Oberste Gerichtshof sprach aus, daß es einer weiteren Verfahrensergänzung zur Feststellung der Höhe der gebührenden Enteignungsentschädigung nur dann bedürfen werde, wenn die von der Antragsgegnerin behauptete Vereinbarung, auf die Anrufung des Gerichtes zu verzichten, wenn die Entschädigungssumme in der Höhe von ca. S 15 Millionen festgesetzt wird, nicht erweislich ist.
In der Enteignungssache wurden vom Amt der oberösterreichischen Landesregierung in der Zeit vom 27.Mai bis 30.Mai 1969, am 19. Juni 1969 und am 21.Mai 1970 Verhandlungen durchgeführt. In der Verhandlung vom 28.Mai 1969 bezifferte die Antragsgegnerin die Kosten, die aus der Verlegung der Schule und des Internats erwachsen, mit S 13,500.000,-- (Schulbau) und S 11,500.000,-- (Internatsbau). In der Verhandlung am 30.Mai 1969 gab der Vertreter der Bundesstraßenverwaltung folgende Stellungnahme ab:
'Die Kongregation erhebt gegen das gegenständliche Straßenbauprojekt - bei dessen Erstellung übrigens auf die Wünsche der Kongregation Bedacht genommen wurde - keinen Einwand und stimmt der Einlösung der beanspruchten Flächen unter der Voraussetzung zu, daß ihr außer den benötigten Grundflächen die Kosten für den Neubau einer Schule und eines Internates in der Höhe von zusammen rund S 25,000.000,-- ersetzt werden. Von der sich ergebenden Gesamtsumme wären die Bestandwerte der Altgebäude abzuziehen, so daß der Gesamteinlösungsbetrag, einschließlich des beanspruchten Grundes, rund S 28,000.000,-- betragen würde. Die Notwendigkeit zur Verlegung bzw. Neuerrichtung und modernen Ausgestaltung der Schule und des Internates wurde mit dem geplanten Straßenbauprojekt offensichtlich aktuell und vor allem mit dem öffentlichen Interesse an der Existenz einer den modernen Verhältnissen entsprechenden Fachschule für wirtschaftliche Frauenberufe begründet. Dazu ist festzustellen, daß die Vertreter der Bundesstraßenverwaltung über die zweckgebundenen Mittel des Straßenbaukredites bei Grundeinlösungen nur in jenem Umfang verfügen können, der durch die Bestimmungen der §§ 12 ff. Bundesstraßengesetz gedeckt ist. Da es sich bei Enteignungsschäden um Schäden am Vermögen handelt, beschränkt sich der Entschädigungsanspruch des Enteigneten gemäß § 13 Bundesstraßengesetz bzw. § 1323 ABGB auf den Ersatz des objektiven Schadens unter Ausschluß darüber hinausgehender subjektiver Nachteile. Außerdem hat bei der Bemessung der Entschädigung der Wert der besonderen Vorliebe - hier das Interesse am Weiterbestand bzw. der Modernisierung von Schule und Internat - im Sinne dieser Gesetzesstelle außer Betracht zu bleiben. Auf Grund dieser Rechtslage ergibt sich zwingend, daß die Bundesstraßenverwaltung nicht in der Lage ist, dem von der Kongregation geforderten Entschädigungsbetrag zuzustimmen. Um zu vermeiden, daß irgendwelche Entscheidungen getroffen werden, welche für beide Vertragsteile unannehmbar sind, wird empfohlen, vorerst den Herrn Landeshauptmann auf das Problem aufmerksam zu machen, um zu erreichen, daß die Frage vorerst auf höchster Ebene zwischen den betroffenen Ressorts, und zwar dem Bundesministerium für Bauten und Technik, Bundesministerium für Unterricht und Bundesministerium für Finanzen - welches auf Grund der Bestimmungen über den finanziellen Wirkungsbereich unbedingt beizuziehen ist - soweit durchbesprochen wird, daß die Bundesstraßenverwaltung die Angelegenheit auf Grund konkreter Weisungen abzuschließen in der Lage ist.
Im übrigen wird das Ergebnis der Verhandlung zur Kenntnis genommen: Vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesministeriums für Bauten und Technik kauft und übernimmt die Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, die in den Stellungnahmen der Grundeigentümer näher bezeichneten Grundstücke und Grundstücksteile einschließlich der darauf befindlichen Bäume, Gebäude und sonstigen Anlagen und den dort angeführten Entschädigungen und Bedingungen. Es muß darauf hingewiesen werden, daß die Zustimmung des Bundesministeriums für Finanzen in jenen Fällen benötigt wird, in denen die Entschädigungssumme bei Gebäuden mehr als S 3 Millionen, bei unbebauten Grundstücken mehr als S 1 Million beträgt.'
In der Verhandlung am 19.Juni 1969 erstattete der hochbautechnische Amtssachverständige sein Gutachten. Die Antragsgegnerin erklärte, ihre in der Verhandlung vom 28.Mai 1969 erhobene Forderung aufrecht zu erhalten. Die Vertreter der Bundesstraßenverwaltung (SR Dr.Johann H und I Ing.Johann J) erklärten:
'Die Vertreter der Bundesstraßenverwaltung schließen an ihre Stellungnahme vom 30.Mai 1969 an und weisen nochmals darauf hin, daß auf Grund des Bundesstraßengesetzes (§§ 13 ff.) bzw. Eisenbahnenteignungsgesetzes keine Möglichkeit abgesehen werden könne, im Falle einer Enteignung Entschädigungssummen zuzustimmen, welche die Kosten der Neuerrichtung von Schule mit Internat an anderer Stelle voll decken. Die Bundesstraßenverwaltung ist jedoch der Ansicht, daß auf Grund der unbestrittenen Tatsache, daß sich hier das öffentliche Interesse am Weiterbestand der Schule sowie am Bau der Umfahrungsstraße gegenüberstehen, vorerst die Erlassung eines auf § 13 Bundesstraßengesetz abgestellten Enteignungsbescheides vermieden werden soll. Es wäre zu versuchen, durch Beiziehung der zuständigen Ressorts (Bundesministerium für Unterricht und Bundesministerium für Finanzen) eine grundsätzliche Entscheidung auf höchster Ebene zu erreichen, durch welche die Voraussetzung zur Lösung des Problems durch Abschluß eines übereinkommens geschaffen würde.
Im Falle der Enteignung würde sich die Entschädigungssumme auf den Ersatz des objektiven Schadens (entzogener Grund) und kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung auf die Verminderung des Wertes des verbleibenden Grundstücksrestes zu beschränken haben. Zu dieser Frage wolle nochmals objektiv geprüft werden (allenfalls Fakultätsgutachten), ob der Schulbetrieb tatsächlich durch den Entzug der beanspruchten Flächen eingestellt werden müsse. Dabei hat die Erwägung, daß auf dem enteigneten Grund eine Straße errichtet wird, außer Betracht zu bleiben, weil nach den Enteignungsbestimmungen der Kausalzusammenhang auf die Inanspruchnahme des Grundes und nicht auf den Betrieb der Straße abgestellt ist. Die Bundesstraßenbehörde wird ersucht, im Hinblick auf die Höhe der Entschädigung ein entsprechend ausführliches Gutachten einzuholen und dem Sachverständigen die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Schätzung bekanntzugeben. Abschließend wird auf die Notwendigkeit verwiesen, daß dann - wenn die interministeriellen Besprechungen zu keinem Ergebnis führen würden - bis längstens Ende Februar 1970 ein Enteignungsbescheid zu erlassen wäre.'
Vor dem nächsten Verhandlungstermin sprach Sr.Elsbeth K, die damalige Direktorin der Schule, mit dem Bundesminister für Bauten und Technik Dr.Vinzenz L, der erklärte, der Betrag von S 25 Millionen, den sich RA Dr.Alfred M vorstelle, sei zuviel, er könne sich S 17 Millionen vorstellen; dann würde die Sache in Ordnung gehen und das Geld schnell ausbezahlt werden. Ob es sich dabei um eine verbindliche Zusage gehandelt habe, kann nicht festgestellt werden. Am 12.März 1970 richtete SR Dr.Johann H für den Bundesminister für Bauten und Technik an den Landeshauptmann von Oberösterreich ein Schreiben, in dem u.a. ausgeführt wurde:
'Im Laufe der Besprechung wurden die Kreuzschwestern wiederholt auf die gesetzlichen Bestimmungen und ihre in der Rechtsprechung nicht gedeckte Forderung von S 25 Millionen, die dem vollen Wiederbeschaffungswert entspricht, verwiesen und gaben schließlich im Einvernehmen mit Univ.Doz.DDr.N zu erkennen, daß sie nach Erhalt einer Gesamtablösesumme von rund S 15 Millionen für die beanspruchte Fläche und alle Nebenentschädigungen bereit wären, dem projektsmäßigen Ausbau unter Verzicht auf jegliche Rechtsmittel zuzustimmen, so daß jedwede Umbauten, Umplanungen oder Untertunnelungen vermieden werden könnten.
Herr Landeshauptmann werden ersucht, unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen feststellen zu lassen, ob und in welcher Höhe ein Vergleich mit den Kreuzschwestern vertretbar erscheint und das Enteignungsverfahren sodann unverzüglich abzuschließen, wobei unterstrichen wird, daß ein allfälliges übereinkommen nur vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesministeriums für Finanzen abgeschlossen werden kann, ein Umstand, auf den die Kongregation wiederholt hingewiesen wurde.'
Das Erstgericht wies den Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Enteignungsentschädigung zurück. Es traf folgende Feststellungen:
Der Verhandlungstermin vom 21.Mai 1970, bei dem die Bundesstraßenverwaltung durch SR Dr.Johann H vom BM für Bauten und Technik und I Ing.Johann J vertreten gewesen sei, habe folgenden Verlauf genommen: Zu Beginn der Verhandlung sei entweder vom Verhandlungsleiter ORR Dr.Josef P oder vom Vertreter der Bundesstraßenverwaltung erklärt worden, wenn man sich auf einen bestimmten Betrag einigen könnte, dann wäre die Sache ein für allemal erledigt. Die Kongregation habe zunächst eine Forderung von S 25 Millionen geltend gemacht. In der Folge sei viel herumgerechnet worden, schließlich habe sich ein Betrag von rund
S 15 Millionen als Entschädigung herauskristallisiert. SR Dr.Johann
H habe schließlich die Vertreter der Kongregation gefragt, ob sie mit einem Betrag von rund S 15 Millionen einverstanden wären. Die Provinzoberin Sr.Sidonia Q habe daraufhin ersucht, daß sie während der heranstehenden Mittagspause mit dem Vertreter der Kongregation RA Dr.Alfred M Rücksprache nehmen könne. SR Dr.Johann H habe erklärt, er werde mit 'seinem' oder mit 'dem' Ministerium sprechen und gefragt, wo er telefonieren könne. Es sei nicht feststellbar, ob ein solches Telefonat tatsächlich stattgefunden habe. Während der Mittagspause hätten Sr.Sidonia Q und Sr.Elsbeth K mit RA Dr.Alfred
M die Situation besprochen. Sr.Sidonia Q sei von ihrer ursprünglichen Linie, die mit der des RA Dr.Alfred M übereingestimmt habe (wonach als Entschädigung ein Betrag von S 25 Millionen verlangt werden sollte) abgekommen und auf die Linie von Sr.Elsbeth K eingeschwenkt, die einen Betrag von
S 15 Millionen als angemessen erachtet habe, wenn die Sache rasch beendet und das Geld schnell ausbezahlt werde. RA Dr.Alfred
M sei schon während der vormittägigen Verhandlung die Sinnesänderung von Sr.Sidonia Q erkennbar geworden, da diese erwähnt hatte, es solle eine fixe Zusage über einen Betrag von
S 15 Millionen gegeben werden, dann werde sich die Kongregation überlegen, ob sie dieses Anbot akzeptieren werde. Während der Verhandlungspause habe sich Sr.Sidonia Q endgültig dem Standpunkt von Sr.Elsbeth K angeschlossen. RA Dr.Alfred M, der während der vormittägigen Verhandlung den Eindruck gewonnen hatte, daß es der Gegenseite gelungen sei, zwischen ihn und seine Mandantschaft einen Keil hineinzutreiben, habe mit Sr.Sidonia
Q und Sr.Elsbeth K nicht mehr viel über die Sache
diskutiert, sondern darauf verwiesen, sie müßten wissen, was es ihnen wert sei, wenn sie die Entschädigung früher bekämen und nicht nach einem langwierigen gerichtlichen Verfahren. Nach Wiederaufnahme der Verhandlung habe der Verhandlungsleiter ORR Dr.Josef P Sr.Sidonia Q und RA Dr.Alfred M gefragt, ob sie mit dem Betrag von S 15 Millionen einverstanden seien. Diese hätten erklärt, damit einverstanden zu sein, wenn die Auszahlung rasch erfolge. Für RA Dr.Alfred M sei dabei erkennbar gewesen, daß die Gegenseite ein gewisses Mißtrauen in der Richtung anklingen habe lassen, daß er auch bei Festsetzung der Enteignungsentschädigung mit dem Betrag von ca. S 15 Millionen das Gericht anrufen könnte. ORR Dr.Josef P und SR Dr.Johann H hätten daraufhin
die ausdrückliche Erklärung verlangt, daß mit der Auszahlung des Betrages von S 15 Millionen die Sache endgültig abgeschlossen sei, daß es nichts mehr gebe, insbesondere keine Anrufung des Gerichtes und auch keine Intervention bei irgendwelchen Stellen oder Ministerien. RA Dr.Alfred M, der auf Grund der Ergebnisse der Besprechung in der Mittagspause noch etwas verärgert gewesen sei, habe erwidert, daß ihm dies klar sei, bzw. 'das ist doch klar'. Während der Verhandlung sei von den Vertretern der Bundesstraßenverwaltung ein Vorbehalt in der Richtung, daß noch entsprechende ministerielle Zustimmungen erforderlich seien, nicht gemacht worden. Sr.Sidonia Q, Sr.Elsbeth K und RA Dr.Alfred M seien völlig davon überzeugt gewesen, daß man sich geeinigt habe. Es seien dann gemeinsam alle Beträge durchgerechnet und zusammengestellt worden, wobei dann mit dem Hinweis darauf, daß man sich geeinigt habe, ein Betrag von S 127.000,-- in die Aufstellung hineingenommen worden sei, den die Kongregation dem Gastwirt Fritz R für den ihm auf dem Grundstück 301 der Antragsgegnerin in Bestand gegebenen Parkplatz zu zahlen hatte. Der als hochbautechnischer Amtssachverständiger beigezogene S Dipl.Ing.Robert T habe in einem Ende Juli 1970 angelegten Gedächtnisvermerk festgehalten, daß das Bundesministerium mit S 15 Millionen einverstanden gewesen sei. Da er bei der Verhandlung vom 21.Mai 1970 seinerseits den Eindruck gewonnen hatte, daß man sich auf den Betrag von S 15 Millionen geeinigt habe, seien die einzelnen Ansätze in seinem Gutachten so erstellt worden, daß hiebei unter Berücksichtigung der anderen Ansätze annähernd jener Betrag von S 15 Millionen herausgekommen sei, auf den man sich geeinigt hatte. Zu einem formellen übereinkommen sei es in der Verhandlung deshalb nicht gekommen, weil man in Ansehung der Grunderwerbsteuerbefreiung bei der Beschaffung von Ersatzgrundstücken keine Schwierigkeiten haben wollte und deshalb die Festsetzung der Enteignungsentschädigung in einem Bescheid vorgezogen habe. Die abschließende Stellungnahme der Parteien in der Verhandlung habe dahin gelautet, daß die Kongregation auf ihre früheren Stellungnahmen verwiesen habe, denen nichts hinzuzufügen sei. Die Vertreter der Bundesstraßenverwaltung hätten erklärt, zum Verhandlungsergebnis keine Stellungnahme abzugeben und auf die Durchführungsbestimmungen zum Bundesfinanzgesetz 1970, Erlaß des BM für Finanzen vom 22.Dezember 1969, Zl.118.000-I/69, Anlage A, verwiesen, wonach zum Kauf der gegenständlichen Grundstücke das Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen herzustellen sei. Wenn es zu keinem übereinkommen gekommen wäre, hätte RA Dr.Alfred M namens der Kongregation mit Sicherheit bei Gericht den Antrag auf Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung gestellt, im Hinblick auf die getroffene Einigung habe er sich an einer solchen Antragstellung gehindert gesehen. Der Enteignungsbescheid, der die Entschädigungssumme mit insgesamt S 15,037.141,-- festgesetzt habe, sei am 6.Juli 1970 ergangen und im Juli 1970 den Parteien zugestellt worden.
In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, SR Dr.Johann H habe als Vertreter der Bundesstraßenverwaltung der Antragsgegnerin den Vorschlag über eine Gesamtentschädigung von S 15 Millionen gemacht. Er habe weiters erklärt, hiezu noch die Zustimmung 'des Ministeriums' einholen zu müssen. Nach der Verhandlungspause sei der Vorschlag des Vertreters der Bundesstraßenverwaltung von der Antragsgegnerin angenommen worden. SR Dr.Johann H habe nicht erklärt, daß das Bundesministerium für Finanzen zu einer Regelung auf der Basis einer Entschädigungssumme von S 15 Millionen seine Zustimmung verweigert habe. Er habe keinerlei Vorbehalte gemacht, aus denen der Gegenseite erkennbar gewesen wäre, daß er zu einer solchen Erklärung nicht bevollmächtigt sei. Das Verhalten Dris.Johann H habe von der Gegenseite nur dahin verstanden werden können, daß bei Annahme der Entschädigungssumme von S 15 Millionen auf eine Antragstellung bei Gericht verzichtet werde. Nach Treu und Glauben wären die Vertreter der Bundesstraßenverwaltung gehalten gewesen, Vorbehalte zu machen, wenn sie einer solchen Deutung ihres Verhaltens entgegentreten wollten. Im ganz allgemeinen Hinweis auf einen Erlaß des BM für Finanzen könne ein solcher Vorbehalt nicht erblickt werden.
Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der Antragstellerin Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Das Rekursgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen der angefochtenen Entscheidung, in Ansehung des Verhandlungsverlaufs am 21. Mai 1970 jedoch mit der Maßgabe, daß es feststellte, ORR Dr.Josef P oder SR Dr.Johann H hätten Bedenken gehabt, ob
nicht RA Dr.Alfred M später selbst einen Antrag bei Gericht auf Neufestsetzung stellen werde, so daß einer von ihnen von ihm die ausdrückliche Erklärung verlangt habe, daß mit der Auszahlung des Betrages von S 15 Millionen die Angelegenheit endgültig abgeschlossen sei, was RA Dr.Alfred M bejaht habe.
In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, SR Dr.Johann H habe zwar namens der Bundesstraßenverwaltung in Aussicht gestellt, daß er die erforderliche Zustimmung zu einem Verzicht auf die Anrufung des Gerichtes telefonisch einholen wolle, es hätte aber die Antragsgegnerin nach Wiederaufnahme der Verhandlung klären müssen, ob diese Genehmigung erteilt worden sei. Dies wäre auch deshalb erforderlich gewesen, weil nach der Verhandlungspause der Verhandlungsleiter die Initiative ergriffen habe und SR Dr.Johann H sich über das Ergebnis des in Aussicht gestellten Telefongesprächs nicht geäußert habe. Auch die Schlußerklärungen des Vertreters der Antragstellerin seien mit der behaupteten vertraglichen Regelung nicht vereinbar. Da ein Verzicht auf die Anrufung des Gerichtes demnach nicht vorliege, sei das Verfahren ergänzungsbedürftig.
Rechtliche Beurteilung
Dem gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobenen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin kommt Berechtigung zu. Die gerügte Nichtigkeit, die darin erblickt wird, daß der Antragsgegnerin keine Ausfertigung des Rekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Erstrichters zur öußerung zugestellt worden sei, liegt nicht vor, weil § 30 Abs.2 bis 5 EisbEG nur für Rechtsmittel gegen Beschlüsse über die Festsetzung der Enteignungsentschädigung gilt, nicht für Beschlüsse, mit denen der Antrag wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen wurde (Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 120; JBl.1973, 263).
Die Antragstellerin hat dem Vorbringen der Antragsgegnerin, in der Verhandlung vor dem Amt der oberösterreichischen Landesregierung vom 21.Mai 1970 sei von beiden Teilen auf die Anrufung des Gerichtes verzichtet worden, wenn die Entschädigungssumme mit dem Betrag von ca. S 15 Millionen festgesetzt werde, entgegengehalten (S.42 d.A.), daß die Vertreter der Bundesstraßenverwaltung nach dem Inhalt der Verhandlungsschrift vom 21.Mai 1970 zu dem im Verwaltungsverfahren abgegebenen Sachverständigengutachten keine Erklärung abgegeben und auf die erforderliche Genehmigung des Bundesministeriums für Finanzen verwiesen hätten. Eine solche Genehmigung sei nicht erteilt worden. Eine rechtswirksame Einigung, das Gericht nicht anzurufen, liege demnach nicht vor.
Der Anspruch auf Enteignungsentschädigung ist privatrechtlicher Natur und unterliegt der freien Disposition der Parteien. Es ist daher auch eine während des Enteignungsverfahrens vor Erlassung des Enteignungsbescheides geschlossene Vereinbarung über den beiderseitigen Verzicht auf die Anrufung des Gerichtes für den Fall, daß die Behörde die Entschädigung in bestimmter Höhe oder in einem bestimmten Rahmen festsetzen sollte, rechtswirksam. Ein solches übereinkommen ähnelt einem Entschädigungsübereinkommen, unterscheidet sich von diesem jedoch dadurch, daß es der Behörde die Kompetenz zur Festsetzung der Entschädigung und damit dem Enteigneten den Vorteil eines vollstreckbaren Anspruchs beläßt und der Zustimmung dinglich Berechtigter nicht bedarf. Die Bestimmung des § 63 Abs.4 AVG 1950, wonach auf die Berufung vor Erlassung des Bescheides nicht verzichtet werden kann, steht der Rechtswirksamkeit eines solchen übereinkommens nicht entgegen, da die Anrufung des Gerichtes nicht nur keine Berufung, sondern überhaupt kein Rechtsmittel im üblichen Sinne ist (SZ 55/133; Brunner a.a.O. 87). Ein übereinkommen über den Verzicht auf die Anrufung des Gerichtes kann auch konkludent zustandekommen (Brunner a.a.O.; vgl. SZ 55/168; SZ 43/213; JBl.1959, 131), wenn bei überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig bleibt (§ 863 ABGB). Das konkludente Verhalten muß von jenem Organ gesetzt werden, das nach der Verfassung der juristischen Person zur Erklärung des ausdrücklichen Geschäftswillens berufen wäre (SZ 55/168; SZ 54/111; SZ 52/165; SZ 49/142). Für das Vorliegen wie auch für die Bedeutung einer Erklärung kommt es dabei primär nicht auf den Willen des Erklärenden, sondern auf das Verständnis an, das ein redlicher Erklärungsempfänger von der Erklärung gewinnen durfte und gewonnen hat (SZ 54/163; SZ 54/111; SZ 49/64; JBl.1977, 486; Krejci in Rummel, ABGB, Rdz 8 zu § 863).
Die in Organisationsvorschriften von juristischen Personen öffentlichen Rechts enthaltenen Handlungsbeschränkungen der zur Vertretung berufenen Organe sind grundsätzlich auch im Außenverhältnis wirksam (EvBl.1982/177; SZ 54/111; JBl.1981, 33; SZ 48/71; JBl.1976, 96). Eine nicht kundgemachte und praktisch nicht überprüfbare Beschränkung des Zuständigkeitsbereiches eines an sich vertretungsbefugten Organes kann einem Vertragspartner, der sie weder kannte noch kennen mußte, nicht entgegengehalten werden (JBl.1976, 49). Beschränkungen der Vertretungsbefugnis, die sich aus Durchführungserlässen des Bundesministeriums für Finanzen zum Bundesfinanzgesetz ergeben, sind nicht geeignet, die rechtliche Verfügungsmacht des Organes im Außenverhältnis einzuschränken, da es sich hiebei nur um eine die interne Willensbildung regelnde Verwaltungsanordnung handelt (SZ 52/82) und dem Dritten eine überprüfung, ob die im Erlaß verfügte Beschränkung der Vertretungsmacht eingehalten wurde, praktisch unmöglich oder doch vernünftigerweise nicht zumutbar ist (vgl. JBl.1976, 49; Wilhelm,
Die Vertretung der Gebietskörperschaften im Privatrecht, 128). Die für die Republik Österreich erschienenen Beamten, deren Bevollmächtigung unstrittig ist, waren grundsätzlich berechtigt, für diese rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben.
Im vorliegenden Fall vertrat die Antragsgegnerin zunächst den Rechtsstandpunkt, daß allein für den erforderlichen Neubau der Schule und des Internats eine Enteignungsentschädigung von S 25 Millionen gebühre. Bundesminister Dr.Vinzenz L hatte der Antragsgegnerin erklärt, dieser Betrag sei zu hoch, er könne sich eine Entschädigung in der Höhe von S 17 Millionen vorstellen, dann würde die Angelegenheit in Ordnung gehen und das Geld rasch ausbezahlt werden. Demgegenüber hielt der Vertreter der Antragsgegnerin RA Dr.Alfred M an seiner Rechtsansicht fest, sollte ein Betrag von S 25 Millionen nicht geleistet werden, müsse man es auf eine gerichtliche Festsetzung der Entschädigungssumme ankommen lassen. Auch die Provinzoberin bekannte sich zunächst zu dieser Auffassung, wogegen Sr.Elsbeth K auf eine rasche Bereinigung drängte. SR Dr.Johann H brachte im Schreiben an den Landeshauptmann von Oberösterreich vom 12.März 1970 zum Ausdruck, daß die Antragsgegnerin erklärt habe, bei Leistung eines Entschädigungsbetrages von S 15 Millionen dem projektgemäßen Ausbau unter Verzicht auf jegliches Rechtsmittel zuzustimmen, so daß eine vergleichsweise Regelung auf dieser Grundlage angestrebt und das Enteignungsverfahren sodann unverzüglich abgeschlossen werden möge. In der Verhandlung vom 21.Mai 1970 wurde - ganz im Sinne dieser Bestrebungen - vom Verhandlungsleiter oder vom Vertreter der Bundesstraßenverwaltung erklärt, wenn man sich auf einen bestimmten Betrag einigen könne, wäre die Sache ein für allemal erledigt; SR Dr.Johann H fragte schließlich den Vertreter der Kongregation, ob die Antragsgegnerin mit S 15 Millionen einverstanden wäre. SR Dr.Johann H erklärte zugleich, mit 'seinem' oder mit 'dem' Ministerium Rücksprache nehmen zu wollen, ob eine Regelung in diesem Sinne genehmigt werde. Nach der Verhandlungspause erklärten sich Sr.Sidonia Q und RA Dr.Alfred M mit einem Entschädigungsbetrag von rund S 15 Millionen einverstanden und gaben darüber hinaus die Erklärung ab, daß es selbstverständlich sei, daß eine Anrufung des Gerichtes nicht erfolgen werde. SR Dr.Johann H hingegen brachte nicht zum Ausdruck, daß sich die Republik Österreich vorbehalte, das Gericht anzurufen, oder daß eine erforderliche Genehmigung nicht erteilt worden sei.
Stillschweigen gilt, wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, nicht schlechthin als Zustimmung, es sei denn, der Schweigende hätte nach Treu und Glauben reden müssen (SZ 55/168; JBl.1977, 593; SZ 44/90 u.v.a.; Gschnitzer in Klang, Kommentar 2 IV/1, 79). Im Hinblick auf den dargestellten Verhandlungsverlauf und insbesondere die Erklärung des SR Dr.Johann H, er werde telefonisch die erforderliche Genehmigung 'des Ministeriums' einholen, wäre es nach Wiederaufnahme der Verhandlung seine Pflicht gewesen, klar und unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen, daß diese Genehmigung nicht zu erlangen gewesen sei und daher eine endgültige Bereinigung der Sache nicht möglich ist. Das Stillschweigen des SR Dr.Johann H konnte von der Antragsgegnerin redlicherweise nur dahin verstanden werden, daß eine Anrufung des Gerichtes nicht mehr erfolgen werde. Auch die zuvor von den Antragsgegnerin abverlangte Erklärung 'daß mit der Auszahlung des Betrages von S 15 Millionen die Sache endgültig abgeschlossen sei, daß es nichts mehr gebe, insbesondere keine Anrufung des Gerichtes und auch keine Intervention bei irgendwelchen Stellen oder Ministerien' konnte ohne Klarstellung des Gegenteils nur in dem Sinne verstanden werden, daß nicht nur die Antragsgegnerin auf die Anrufung des Gerichtes verzichtet sondern auch die Republik Österreich. Der Hinweis des Vertreters der Bundesstraßenverwaltung auf einen Durchführungserlaß des BM für Finanzen, wonach zum Kauf der Grundstücke das Einvernehmen mit dem BM für Finanzen herzustellen sei, war, zumal kein Kauf vereinbart worden war, nicht geeignet, die Schlüssigkeit des Verhaltens des SR Dr.Johann H im Sinne eines Verzichts auf die Anrufung des Gerichtes in Frage zu stellen. Wollte er einen Verzicht ausschließen, hätte es einer ausdrücklichen Erklärung im vorangeführten Sinn bedurft. Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E06488European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00598.85.0916.000Dokumentnummer
JJT_19850916_OGH0002_0010OB00598_8500000_000