TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/28 2005/11/0085

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Veröffentlicht am 28.06.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

AVG §66 Abs4;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §5 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Petra Patzelt, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Franz Josef Straße 33, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 1. März 2005, Zl. UVS-FSG/6/1594/2005/2, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Führerscheingesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 1. Februar 2005 (Zustelldatum) erließ die Bundespolizeidirektion Wien einen (mit 27. Jänner 2005 datierten) Bescheid mit folgendem Spruch:

"Die Bundespolizeidirektion Wien-Verkehrsamt - schränkt gemäß § 5 Abs. 5 Führerscheingesetz 1997 Ihre am 03.01.2005 unter der Zl.  2420879 von der Bundespolizeidirektion Wien-Verkehrsamt für die Klasse(n)  A, B, C, E erteilte Lenkberechtigung unter der Auflage 'Alkoholverbot (Code 05.08)' ein.

Einer eventuellen Berufung wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 aberkannt."

Begründend führte die Bundespolizeidirektion Wien aus, laut amtsärztlichem Gutachten vom 14. Dezember 2004 sei der Beschwerdeführer wegen offensichtlichen nicht kontrollierbaren Alkoholkonsums (Kontrollverlust, dreimaliger Entzug der Lenkberechtigung wegen Alkoholmissbrauchs seit 1999) zum Lenken von Kraftfahrzeugen nur unter der Auflage 05.08-Alkoholverbot geeignet. Entsprechend dieser gesetzlichen Bestimmungen werde seine Lenkberechtigung "mit der Auflage 05.08-kein Alkohol eingeschränkt". Gemäß § 5 Abs. 5 FSG sei die Lenkberechtigung, soweit dies auf Grund des ärztlichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen.

Im Verwaltungsakt (Aktenseite 21) erliegt ein mit 15. Februar 2005 datierter Berufungsschriftsatz. Das Briefkuvert, mit dem der Berufungsschrift zur Post gegeben wurde, trägt den Eingangsvermerk der Bundespolizeidirektion Wien "16.Feb.2005", der Poststempel ist unleserlich. Im Verwaltungsakt erliegt weiters ein Aktenvermerk der Sachbearbeiterin der Erstbehörde vom 17. Februar 2005, demzufolge das Rechtsmittel verspätet eingebracht worden sei.

Mit Bescheid vom 1. März 2005 wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (UVS) die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück. Begründend führte der UVS aus, der erstbehördliche Bescheid habe eine richtige und vollständige Rechtsmittelbelehrung enthalten und sei laut Zustellnachweis RSa am 1. Februar 2005 vom Beschwerdeführer persönlich an der Abgabestelle übernommen worden. Die Rechtsmittelfrist habe daher mit diesem Tag begonnen und am 15. Februar 2005 geendet. Die vorliegende Berufung sei "am 16. 2. 2005 (Datum der Postaufgabe)" eingebracht worden. Die Berufung sei daher ohne Eingehen auf die Berufungsausführungen als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

2.1. Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, endete die Berufungsfrist im Beschwerdefall auf Grund der (unstrittigen) Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 1. Februar 2005 mit Ablauf des 15. Februar 2005. Die belangte Behörde legte ihrem Bescheid die Annahme zu Grunde, die mit 15. Februar 2005 datierte Berufung des Beschwerdeführers sei erst am 16. Februar 2005, dem Datum der Postaufgabe, eingebracht worden. Mangels nachvollziehbarer Feststellungen (Ermittlungsschritte sind dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen) zum Aufgabedatum, das wie bereits erwähnt unleserlich ist, entzieht sich vor dem Hintergrund des Umstands, dass der Berufungsschriftsatz laut Verwaltungsakt schon am 16. Februar 2005 bei der Erstbehörde eingelangt ist, die entscheidende Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, wonach die Berufung erst an diesem Tag zur Post gegeben worden sei, einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof.

2.2. Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

2.3. Im fortgesetzten Verfahren wird sich die belangte Behörde, sofern sich die Berufung als rechtzeitig erweist, insbesondere mit der Frage zu beschäftigen haben, ob dem Beschwerdeführer anlässlich der Aushändigung seines Führerscheins (laut Aktenseite 18 verso am 3. Jänner 2005) die Lenkberechtigung bereits unter der mit dem erstinstanzlichen Bescheid ausgesprochenen Einschränkung erteilt wurde, da diesfalls der erstinstanzliche Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. Jänner 2005 gegen den Grundsatz "ne bis in idem" verstoßen hätte. Sollte die eingeschränkte Erteilung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers hingegen erst mit dem Bescheid vom 27. Jänner 2005 erfolgt sein, so hätte sich die belangte Behörde mit der Frage zu beschäftigen, ob nicht - im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 4. Dezember 1990, Zl. 90/11/0150, und vom 29. März 2001, Zl. 2001/06/0004) - der im Akt erliegende Einspruch des Beschwerdeführers vom 11. Jänner 2005 (Aktenseite 13) als zunächst verfrühte, infolge der Erlassung des Bescheides vom 27. Jänner 2005 aber zulässig gewordene Berufung zu werten wäre. Sollte sich der erstinstanzliche Bescheid vom 27. Jänner 2005 aber als nachträgliche Einschränkung einer zunächst unbeschränkt erteilten Lenkberechtigung des Beschwerdeführers herausstellen, so fehlte es ihm an einer tragfähigen Begründung, weil nach § 24 Abs. 1 FSG eine nachträgliche Einschränkung einer erteilten Lenkberechtigung nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2001/11/0183) nur dann in Frage kommt, wenn sich seit der Erteilung der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers verändert hat. Das im erstinstanzlichen Bescheid zitierte Gutachten vom 14. Dezember 2004 böte hiezu keine tragfähige Grundlage.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. Juni 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005110085.X00

Im RIS seit

01.08.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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