Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth S*****, vertreten durch Dr. Gerald Stenitzer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Eduard S*****, vertreten durch Dr. Werner Schmidt, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 41.293,20 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 21. Mai 1985, GZ 1 R 136/85-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 4. Februar 1985, GZ 31 C 231/84-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Ein Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens findet nicht statt.
Text
Begründung:
Die Streitteile sind seit 1966 verheiratet; zwischen ihnen ist ein Ehescheidungsverfahren anhängig. Der Beklagte hat vor 4 Jahren den gemeinsamen Haushalt, der von der Klägerin geführt wurde, verlassen und ist aus der Ehewohnung ausgezogen. Seither wird die Ehewohnung, eine aus 4 Räumen und Nebenräumlichkeiten bestehende Mietwohnung, von der Klägerin und der am 16. 2. 1969 geborenen ehelichen Tochter Astrid bewohnt. Die Klägerin ist vermögens- und einkommenslos.
Mit ihrer am 23. 10. 1984 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 41.293,20 s.A. im wesentlichen mit der Begründung, daß sie unbedingt notwendige Renovierungsarbeiten in der Ehewohnung durch den Malermeister Franz G***** durchführen habe lassen. Die Klägerin verfüge über keinerlei Einkünfte, sondern sei auf den Unterhalt des Beklagten angewiesen. Infolge ihrer völligen Vermögens- und Einkommenslosigkeit sei die Klägerin nicht in der Lage, die auf den Klagsbetrag lautende Rechnung des Franz G***** zu bezahlen, sodaß dieser gegen sie ein Versäumungsurteil erwirkt habe. Der unterhaltspflichtige Beklagte habe ihr den Klagsbetrag zu bezahlen. Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß die von der Klägerin in Auftrag gegebenen Renovierungsarbeiten in der Ehewohnung nicht notwendig gewesen seien und daß er finanziell nicht in der Lage sei, derart hohe Kosten zu bezahlen.
Der Beklagte habe der Klägerin mehrfach im Rahmen von Verhandlungen über einen Scheidungsvergleich angeboten, selbst die Wohnung auszumalen. Er bezahle den ihm auferlegten Unterhalt für die Klägerin und seine Tochter pünktlich.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte, abgesehen von dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt, im wesentlichen fest, daß der Beklagte an die Klägerin einen monatlichen Unterhalt von S 3.000,-- und an das Kind einen solchen von S 2.300,-- leistet. Er bezieht für das Kind die Familienbeihilfe, die er monatlich an die Klägerin überweist. Darüber hinaus bezahlt er die Mietkosten für die ehemalige Ehewohnung von monatlich S 1.324,52 und die Stromkosten von monatlich S 731,--. Für den Barunterhalt bestehen Exekutionstitel.
Die Ehewohnung ist seit ca. 9 Jahren nicht mehr ausgemalt worden, wodurch die Malerei abzublättern begann. Die Klägerin erteilte dem Malermeister Franz G***** den Auftrag, die ehemalige Ehewohnung zu tapezieren. Diese Arbeiten wurden im Verlauf des ersten Halbjahres 1984 durchgeführt; hiefür wurde der Klägerin ein Betrag von S 41.293,20 in Rechnung gestellt. Zu 23 Cg 328/84 des LG für ZRS Graz erging über Klage des Malermeisters Franz G***** auf Zahlung dieses Betrages gegen die Klägerin ein Versäumungsurteil.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Klägerin habe nicht angegeben, auf welchen Rechtsgrund die Klage gestützt werde. Im Rahmen der sogenannten Schlüsselgewalt (§ 96 ABGB) könne nur bei aufrechter Ehegemeinschaft etwas verlangt werden. Ein Unterhaltsanspruch sei im Nachhinein nicht durchsetzbar und für eine Verwendungsklage nach § 1042 ABGB wäre notwendig, daß von dritter Seite zugewendet worden sei. Gemäß § 97 ABGB sei ein Ehegatte nur verpflichtet, Verfügungen über die Ehewohnung, auf die der andere Ehegatte angewiesen sei, nicht vorzunehmen, weshalb aus dem Eheverhältnis offensichtlich kein Rechtsgrund für eine Rückforderung gegenüber dem Beklagten bestehe. Daß die vorgenommenen Arbeiten im Interesse des aus der Wohnung ausgezogenen Beklagten durchgeführt worden seien, sei nicht behauptet worden. Die von der Klägerin in Auftrag gegebenen Arbeiten seien daher von ihr selbst zu bezahlen.
Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil Folge. Es änderte die Entscheidungen des Erstgerichtes im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zugelassen werde.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und stellte zusätzlich fest, daß der Beklagte als Landesbediensteter ein durchschnittliches Monatseinkommen von etwa S 15.000,-- bezieht, daß er die Vornahme von Malerarbeiten in der Ehewohnung durch ihn selbst mit der Ehescheidung junktimieren wollte und daß die monatlichen Rückzahlungsraten für einen Kredit von S 40.000,-- bei einer mittleren Laufzeit von 3 bis 4 Jahren S 1.300,-- bis S 1.400,-- betragen.
Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, der Unterhaltspflichtige habe neben den übrigen im § 672 ABGB genannten Bedürfnissen vor allem den Nahrungs-, Kleidungs- und Wohnungsbedarf zu befriedigen. Zur Deckung des Wohnungsbedürfnisses gehöre auch die Instandsetzung der Wohnung.
Da im vorliegenden Fall der Ersatz von Instandhaltungskosten betreffend die Ehewohnung verlangt werde, sei zu prüfen, ob der Beklagte seiner auf § 94 Abs. 2 2. Satz ABGB beruhenden Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin nachkomme. Nur im Rahmen dieser Unterhaltspflicht könne er zur Tragung der von ihr verlangten Renovierungskosten verhalten werden, wobei gleichzeitig vorauszusetzen sei, daß es sich bei dieser Wohnungsrenovierung um eine Maßnahme für die Zukunft handle, die sich auf einen längeren Zeitraum - vielleicht von etwa 10 Jahren - auswirke.
Bei der Prüfung der Erfüllung der Unterhaltspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin sei von einem durchschnittlichen Monatsnettoeinkommen des Beklagten von etwa S 15.000,-- auszugehen, welches um seine Unterhaltsleistungen an die eheliche Tochter zu reduzieren sei; an dem sodann verbleibenden Resteinkommen sei der Klägerin eine Partizipierungsquote von etwa 40 % einzuräumen. Die vom Beklagten erbrachten Naturalleistungen seien hinsichtlich der Mietkosten zu dritteln (da die Wohnung den Streitteilen und dem Kind zur Verfügung stehe) und hinsichtlich der Stromkosten zu halbieren (Verbrauch durch Klägerin und Kind). Danach leiste der Beklagte an seine Tochter einen monatlichen Gesamtunterhalt von rund S 3.100,--. Um diesen werde sein Einkommen auf rund S 11.900,-- gemindert. Die daran eingeräumte Quote von etwa 40 % ergebe den der Klägerin gebührenden Unterhalt von rund S 4.800,-- im Monat. Da aber der ihr vom Beklagten erbrachte Bar- und Naturalunterhalt zusammen nur rund S 3.800,-- ausmache, stehe ihr noch ein weiterer Betrag von S 1.000,-- im Monat zu. Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die getätigten Renovierungsarbeiten sich zukünftig auf eine längere Zeitspanne auswirkten, sei der Beklagte zum Ersatz der Renovierungskosten verpflichtet. Dem Einwand, daß er diese Kosten in Anbetracht seines Einkommens nicht auf einmal aufbringen könne, sei entgegenzuhalten, daß ein pater familias diesbezüglich, etwa durch Ansammlung von Ersparnissen, Vorsorge treffe. Im übrigen sei ihm aber auch die Aufnahme eines entsprechenden Kredites zumutbar; die monatlichen Rückzahlungsraten für einen Kredit von S 40.000,-- beliefen sich bei einer mittleren Laufzeit von 3 bis 4 Jahren auf S 1.300,-- bis S 1.400,--.
Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß eine Rechtsprechung des OGH zur Frage, ob die Deckung eines Sonderbedarfes eines Ehegatten durch den anderen gleichsam wie die Leistung eines Prozeßkostvorschusses zu dessen Unterhaltspflicht gehöre, nicht vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten. Er bekämpft sie unter ausdrücklicher Geltendmachung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (inhaltlich wird auch der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend gemacht) mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Das Berufungsgericht hat mit Recht die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zugelassen, weil zu der Rechtsfrage, ob der Unterhaltsgläubiger, dem Unterhalt in Form bestimmter monatlicher Zahlungen rechtskräftig zuerkannt wurde, im Falle eines einmaligen (bereits in der Vergangenheit aufgetretenen) Sonderbedarfes, der aus den laufenden Unterhaltsleistungen nicht gedeckt werden kann, vom Unterhaltsschuldner aus dem Titel des Unterhaltes die Befriedigung dieses Sonderbedarfes zusätzlich zur laufenden Unterhaltsleistung verlangen kann, soweit überschaubar, eine einheitliche Rechtsprechung des OGH nicht vorliegt. Insbesondere bei der Frage, ob die Bestimmung des § 1418 ABGB einer derartigen Forderung des Unterhaltsgläubigers entgegensteht (siehe dazu etwa EFSlg. Bd. 19 2. Teil Nr. 11, auch EFSlg. 43.563, 43.566), handelt es sich um keine Bemessungsfrage im Sinne des § 502 Abs. 2 Z 1 ZPO (SZ 44/29 uva.; zuletzt 1 Ob 577/82).
Allein die unrichtige Lösung derartiger Rechtsfragen wird in der Revision des Beklagten nicht geltend gemacht. Er führt hier sinngemäß nur aus, daß die Klägerin die Wohnung nicht tapezieren lassen hätte dürfen, sondern sich mit dem Ausmalen der Wohnung begnügen hätte müssen, wozu der Beklagte selbst bereit gewesen sei; im übrigen hätte das Berufungsgericht bei nach Meinung des Beklagten richtiger Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zu dem Ergebnis kommen müssen, daß der Beklagte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin durch die ihm auferlegten und von ihm erbrachten monatlichen Unterhaltsleistungen voll erfülle und zur Zahlung des Klagsbetrages wirtschaftlich nicht in der Lage sei. Nur in diesem Zusammenhang behauptet der Beklagte sinngemäß das Vorliegen von Verfahrensmängeln, daß nämlich das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung oder Beweisergänzung zusätzliche Feststellungen getroffen habe.
Damit macht der Beklagte aber in seinem Rechtsmittel nur die unrichtige Lösung von Rechtsfragen geltend, die die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen betreffen und damit im Sinne des Judikates 60 neu (SZ 27/177) zum Bemessungskomplex (§ 502 Abs. 2 Z 1 ZPO) gehören. Auch die Mängelrüge des Beklagten bezieht sich nur auf die behauptete unrichtige Lösung von Bemessungsfragen.
Unter diesen Umständen steht die Rechtsmittelbeschränkung des § 502 Abs. 2 Z 1 nicht nur der Geltendmachung der Rechtsrüge, sondern auch der Mängelrüge (SZ 49/68 uva.) entgegen.
Die vorliegende Revision war daher trotz zu billigender Zulassung durch das Berufungsgericht im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen, weil der Beklagte in diesem Rechtsmittel nicht die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage, der erhebliche Bedeutung im Sinne dieser Gesetzesstelle zukommt, geltend macht, sondern nur die unrichtige Lösung von der Prüfung des OGH im Sinne des § 502 Abs. 2 Z 1 ZPO entzogenen Fragen der Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes.
Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten seines unzulässigen Rechtsmittels. Aber auch ein Zuspruch von Kosten der Revisionsbeantwortung an die Klägerin kommt nicht in Betracht, weil sie den vorliegenden Zurückweisungsgrund nicht geltend gemacht hat (§§ 40, 41, 50 ZPO).
Textnummer
E130977European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00591.850.0918.000Im RIS seit
24.03.2021Zuletzt aktualisiert am
24.03.2021