TE OGH 1985/9/26 13Os104/85 (13Os105/85)

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Veröffentlicht am 26.09.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. September 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Hörburger, Dr. Lachner und Dr. Brustbauer (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführers in der Strafsache gegen Naim A und andere wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 15 StGB., § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. (a. F.) über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Naim A gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 21. Februar 1985, GZ. 12 b Vr 6252/83-38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Rzeszut, des Angeklagten Naim A und des Verteidigers Dr. Heller zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO. wird das angefochtene Urteil aufgehoben und nach § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Naim A, Manfred B und Johann C werden von der Anklage, im Frühjahr 1983 in Damaskus und anderen Orten getrachtet zu haben, vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider mindestens 50 kg Rohopium, mithin ein Suchtgift in solchen Mengen aus Syrien auszuführen und nach Israel einzuführen, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen hätte entstehen können, und zwar

1. Naim A und Manfred B als Mittäter Mitte April 1983 durch einen versuchten Transport von ca. 10 bis 20 kg Rohopium,

2. Manfred B Anfang Mai 1983 durch einen versuchten Transport von Rohopium in der Größenordnung von mindestens 20 kg,

3. Manfred B und Johann C als Mittäter Mitte Mai 1983 durch einen weiteren versuchten Transport von zumindest 20 kg Rohopium,

4. Naim A dadurch, daß er die unter 2 und 3 näher

beschriebenen Schmuggelfahrten organisierte und das Zusammentreffen zwischen Suchtgiftlieferanten und Abnehmern arrangierte und derart zur Ausführung der unter 2 und 3 näher bezeichneten strafbaren Handlungen des Manfred B und des Johann C beitrug;

sie haben hiedurch das Verbrechen wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. (§ 12 StGB.) in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB. begangen,

gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Naim A wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Die drei österreichischen Staatsbürger Naim A, Manfred B und Johann C wurden des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. (a. F.) in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB.) schuldig erkannt. Darnach haben sie als Angehörige der österreichischen UN-Truppen auf den Golanhöhen im April und Mai 1983 in drei Fahrten insgesamt wenigstens 50 kg Haschisch (in Abweichung von der auf Rohopium lautenden Anklage) aus Syrien auszuführen getrachtet.

Inhaltlich der Urteilsgründe wurde A bei einem seiner Freizeitaufenthalte in Damaskus von Marwan D und Adnan Abu E dafür gewonnen, mit UNO-Fahrzeugen "etwas" von Syrien nach Israel zu schmuggeln. A, der nicht Chauffeur eines UNO-Fahrzeugs war, gewann zum Transport seinen Kollegen B, der bei zwei Schmuggelfahrten jeweils einen Kraftwagen lenkte, beim dritten Transport fuhr C einen Teil der Strecke (von Damaskus bis zum UNO-Lager), die restliche Strecke (vom UNO-Lager nach Tiberias) steuerte wiederum B den Kraftwagen. Das transportierte "Etwas" wurde von Abu E zuerst als Haarfärbemittel "Henna" und später als Rohhaschisch bezeichnet, wofür es schließlich auch alle drei Angeklagten hielten; vorher hatten A und B die Ware für Sprengstoff gehalten. Das Schöffengericht stellte fest, daß es sich "höchstwahrscheinlich" um Plastiksprengstoff gehandelt hat (S. 409 f.). Dessen Ausfuhr aus Syrien hielt es in seinen Rechtsausführungen (unter Hinweis auf JBl. 1983 S. 103) zur Vollendung des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. (a. F.) für tauglich.

Rechtliche Beurteilung

Damit ist das Schöffengericht einem Rechtsirrtum erlegen, der, nicht geltend gemacht, von Amts wegen wahrzunehmen war (§§ 290 Abs. 1, 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.).

Der Versuch einer Tat und die Beteiligung daran sind unter anderem dann nicht strafbar, wenn die Vollendung der Tat nach der Art der Handlung oder des Gegenstands, an dem die Tat begangen wurde, unter keinen Umständen möglich war (§ 15 Abs. 3 StGB.). Die vom Erstgericht zitierte Entscheidung JBl. 1983 S. 103 besagte keinesfalls, daß es auch ohne Suchtgift möglich gewesen sei, die vom § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. a. F. geforderte Gemeingefahr zu verwirklichen, sondern nur, daß das Vergehen nach § 16 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG. a. F. nach der Art der Handlung schon dann versucht war, wenn jemand von einer tatsächlich über Haschisch verfügenden (!) und scheinbar zur Ausfolgung von Suchtgift bereiten Person ein Quantum Haschisch sogleich als Pfand nehmen wollte, wenngleich er dann - wie in dem der Entscheidung JBl. 1983 S. 103 zugrundeliegenden Fall - mit dem Haarfärbemittel "Henna" getäuscht wurde. Mit dem im § 15 Abs. 3 StGB. angeführten "Gegenstand, an (!) dem die Tat begangen wurde", ist das durch die Norm geschützte Rechtsgut gemeint (JBl. 1983 S. 103). Das von § 12 SuchtgiftG. geschützte Rechtsgut (Schutzobjekt) war und ist die menschliche Gesundheit (Leukauf-Steininger, Nebengesetze 2 S. 841). Das Mittel der Tatbestandsverwirklichung ist das Suchtgift (es ist nicht das Schutz- oder Deliktsobjekt, welches das geschützte Rechtsgut verkörpert). Die im § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. a. F.

vertatbestandlichte Gefahr in größerer Ausdehnung für das Leben oder die Gesundheit von Menschen (d. i. der in diesem Tatbestand verpönte Erfolg) konnte durch eine als "höchstwahrscheinlich Plastiksprengstoff" angenommene Masse unter keinen Umständen herbeigeführt werden. Daher ist gegenständlichenfalls ein Versuch des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. a. F. gemäß § 15 Abs. 3 StGB. nicht strafbar (so schon RiZ. 1975 Nr. 13 S. 26, im gleichen Sinn 13 Os 18/84).

Für die Annahme eines straflosen Versuchs kommt es nach einer auch in der Rechtsprechung vielfach vertretenen Meinung auf den Eindruck an, den das Verhalten des Täters auf einen mit Durchschnittswissen ausgestatteten Dritten zur Tatzeit gemacht hätte, der sowohl den Tatplan als auch die für dessen Verwirklichung in bezug auf das Deliktsobjekt, das Deliktssubjekt und die Deliktshandlung bedeutsamen objektiven Umstände gekannt hätte (SSt. 53/32). Der Schöffensenat hat in Verwertung aller (auch den Angeklagten) bekannten und bedeutsamen Umstände das Deliktsmittel (siehe oben), das nicht sichergestellt wurde und daher nicht überprüft werden kann, "höchstwahrscheinlich" als Sprengstoff angesehen. Ein mit diesem Wissen ausgestatteter verständnisvoller Durchschnittsbetrachter würde eine Vollendung des Verbrechens nach § 12 SuchtgiftG. als unmöglich erachtet haben.

Zuweilen wird im Schrifttum die Ansicht geäußert, die Abgrenzung des absolut untauglichen Versuchs vom relativ untauglichen solle sich daran orientieren, ob das Vertrauen der Allgemeinheit in die Sicherheit der Rechtsordnung erschüttert würde, wenn ein Täter straflos bliebe, der sich zur Ausführung einer Straftat angeschickt hat. Sonach wird auch auf diesem Rechtsgebiet die Erzielung "kriminalpolitisch wünschenswerter Ergebnisse" postuliert. Die erste Antwort auf derartige Gedanken hat der Oberste Gerichtshof schon in seiner Entscheidung vom 23. Oktober 1974, RiZ. 1975 Nr. 13 S. 26, erteilt und ausgesprochen, daß eine Überspitzung der (auf die Gefährlichkeit des Täters abhebenden) subjektiven Theorie in das sogenannte Willensstrafrecht münden würde. Die zweite Antwort muß sein, daß sich die Strafrechtspflege im Rechtsstaat, in dem die gesamte Vollziehung auf dem Boden der Gesetze vor sich geht, um keinen Preis, auch nicht um den einer wirklichen oder vermeintlichen allgemeinen Zustimmung, vom strengen Gesetzlichkeitsprinzip des § 1 Abs. 1 StGB. entfernen und darum jedwede Subsumtion ausschließlich am Wortlaut der Tatbestände messen darf. Daraus folgt, daß es der Rechtsstaat um seiner selbst willen ertragen muß, daß manchmal ein strafwürdiges Verhalten ungeahndet bleibt (den gegenteiligen Grundsatz verkörperte einst § 2 RStGB.). Ebendarum geht es auch nicht an, auf die Erfüllbarkeit des objektiven Tatbestands zu verzichten, wenn nur der auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Vorsatz des Täters erwiesen ist. Stellt man der sohin kompromißlosen Tatbestandsgarantie des Rechtsstaats, die allein eine klare Grenzziehung zwischen strafbarem und straflosem Verhalten ohne theoretische Konstruktionen ermöglicht, die Auswüchse des "kriminalpolitisch Wünschenswerten" in der neueren Rechtsgeschichte gegenüber, so kann gewiß auch das soeben gewonnene Ergebnis befriedigen.

Der Oberste Gerichtshof hält aus den angeführten Gründen trotz der Kritik in einem Teil des Schrifttums an der objektiven Verbrechensauffassung fest (vgl. Rittler 2 I S. 78 mit zeitlos gültiger Instruktivität).

Zum selben Ergebnis wie oben, nämlich zur Straflosigkeit der Angeklagten, kommt man unter dem Gesichtspunkt des Mangels am Tatbestand: Läßt sich das objektive Tatbestandsmerkmal "Suchtgift" (§ 12 Abs. 1 SuchtgiftG.) im erweisbaren Geschehen nicht feststellen, so kann eine auf dieses Merkmal als Tatmittel abzielende Versuchshandlung denkfolgerichtig nicht angenommen werden. Damit waren Naim A, der in seiner Nichtigkeitsbeschwerde den aufgezeigten Rechtsirrtum (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.) nicht geltend gemacht hat, sowie seine beiden Mitangeklagten, die ein Rechtsmittel nicht ergriffen haben, von Amts wegen gemäß §§ 290 Abs. 1, 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. sofort freizusprechen. A war mit seinen Rechtsmitteln auf diese Entscheidung zu verweisen. Eine Verurteilung der Angeklagten wegen der Vorbereitung eines Verbrechens durch Sprengmittel (§ 175 StGB.) scheidet aus, weil, von allen subjektiven Voraussetzungen (§ 5 Abs. 2 und 3 StGB.) abgesehen, die Feststellung, daß der transportierte Stoff ein Sprengmittel war, nicht getroffen wurde und nach der Aktenlage auch nicht mehr getroffen werden kann.

Anmerkung

E07139

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00104.85.0926.000

Dokumentnummer

JJT_19850926_OGH0002_0130OS00104_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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