TE OGH 1985/10/1 11Os140/85

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Veröffentlicht am 01.10.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Oktober 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ferdinand A und Günter B wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143, erster und zweiter Fall, StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Korneuburg vom 24.Mai 1985, GZ 10 b Vr 840/84-43, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Kodek, sowie der Verteidiger Dr. Edgar Kollmann und Dr. Margarete Scheed, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch zu Punkt I des Urteilssatzes, die Tat sei unter Verwendung einer Waffe begangen worden, ferner in der rechtlichen Einordnung dieser Tat auch unter den 2.Deliktsfall des § 143 StGB sowie im Straf- und Kostenausspruch, einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft, aufgehoben, und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Ferdinand A und Günter B werden für die ihnen nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last fallenden Straftaten, und zwar das Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB und (zu Ferdinand A überdies) das Vergehen der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB, nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB wie folgt verurteilt:

Ferdinand A unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB und gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 30.April 1985, GZ 11 c Vr 550/83-39, sowie unter Anwendung des § 41 StGB zu einer (Zusatz-) Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 (zwei) Jahren und 7 (sieben) Monaten, Günter B zu einer Freiheitsstrafe von 5 1/2 (fünfeinhalb) Jahren.

Der Kostenausspruch sowie der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft werden aus dem Ersturteil übernommen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 19.Feber 1966 (siehe S 3, 59; im Urteil unrichtig: 15.November 1962) geborene Ferdinand A und der am 15.Juli 1961 geborene Günter B, beide Hilfsarbeiter und zuletzt beschäftigungslos, aufgrund des einstimmigen Wahrspruches der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143, erster und zweiter Fall, StGB, A überdies des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Die Geschwornen hatten die an sie gerichteten Hauptfragen 1 und 2, ob die Angeklagten schuldig seien, jeweils in Gesellschaft des anderen als Beteiligten (§ 12 StGB) am 5.Oktober 1984 in Groß Reipersdorf unter Verwendung einer Waffe dadurch, daß Ferdinand A dem Siegfried C mit einem ca. 40-60 cm langen Stock zweimal auf den Kopf schlug und ihm die Armbanduhr im Wert von ca. 500 S wegnahm, während ihn Günter B mit beiden Armen von hinten am Oberkörper festhielt, eine fremde bewegliche Sache mit Gewalt gegen eine Person mit Bereicherungsvorsatz weggenommen zu haben, mit der Einschränkung bejaht, daß A nicht mit dem Stock, sondern mit dem Kopf geschlagen habe. Die Eventualfragen nach Erpressung und Hehlerei blieben folgerichtig unbeantwortet. Dem - in Rechtskraft erwachsenen - Schuldspruch des Erstangeklagten Ferdinand A wegen versuchter Nötigung liegt ferner der Wahrspruch der Geschwornen zugrunde, er sei schuldig, unmittelbar nach dieser Tathandlung dem flüchtenden Siegfried C nachgerufen zu haben, 'Wennst dahoam was sagst, dann hau ma di nieder!', womit er versuchte, ihn durch gefährliche Drohung zur Unterlassung der Mitteilung von seiner Beraubung an seine Angehörigen zu nötigen.

Nur den Schuldspruch wegen schweren Raubes bekämpfen die beiden Angeklagten, und zwar allein in der Qualifikation nach dem 2.Fall des § 143 StGB, mit Nichtigkeitsbeschwerde, welche Ferdinand A ausdrücklich auf die 'Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO' (gemeint: § 345 Abs. 1 Z 12 StPO), Günter B auf die Z 9 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO stützt.

Die Beschwerdeführer bringen im wesentlichen vor, das bloße Mitführen einer Waffe, also des ca. 50 cm langen Stockes, reiche zur Annahme der Qualifikation des 2.Falles des § 143 StGB nicht aus, weil dazu deren 'Verwendung' erforderlich sei.

Rechtliche Beurteilung

Vorausgeschickt sei, daß die - auch von den Beschwerdeführern nicht ausdrücklich bestrittene - Eignung eines ca. 40-60 cm langen hölzernen Stockes als Waffe im Sinn des § 143 2.Fall StGB grundsätzlich gegeben ist (vgl. Zipf, Wr. Kommentar Rz 12-16 zu § 143 StGB, mit Erörterung entgegenstehender Rechtsmeinungen; 13 Os 124/80; 11 Os 5/82, 13 Os 158/82, 12 Os 20/84; siehe auch SSt. 53/22 zum 'erweiterten Waffenbegriff' des § 143 StGB). Die 'Verwendung ' einer Waffe bei der Verübung eines Raubes bedeutet jedoch mehr als bloßes Mitsichführen. Sie erfordert freilich nicht den tatsächlichen Einsatz der Waffe (vorliegend des Stockes durch Versetzen von Schlägen), es würde vielmehr schon genügen, daß die Waffe zur Ausführung der räuberischen Drohung gebraucht wird, unter Umständen auch bloß konkludent (vgl. Zipf aaO RN 9). Vorliegend stellten nun die Geschwornen zwar ausdrücklich fest, daß A einen Stock mit sich führte (vgl. S 195, und - verdeutlichend - S 205), sodaß Undeutlichkeit der Fragebeantwortung im Sinn des vom Zweitangeklagten geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes der Z 9 des § 345 Abs. 1 StPO nicht vorliegt. Aus der Beantwortung der Hauptfragen 1 und 2 ergibt sich jedoch nicht, daß einer der beiden Angeklagten den (von A mitgeführten) Stock zur Durchführung des Raubes tatsächlich, sei es auch nur, um das Opfer damit einzuschüchtern, verwendet hätte. Demgemäß wird im Schuldspruch (Pkt. I) des Geschwornengerichtes auch die Tat der Angeklagten lediglich dahin beschrieben, daß Ferdinand A, 'der einen ca. 50 cm langen Stock in der Hand hielt und mit seinem Kopf gegen den Kopf des Siegfried C vorsätzlich stieß', diesem Mann die Armbanduhr wegnahm, während ihn Günter B mit beiden Armen von hinten am Oberkörper festhielt. Hieraus, daß nämlich Ferdinand A bei der Tatbegehung einen Stock in der Hand hielt, läßt sich eine Verwendung dieser Waffe zur Durchführung des Raubes nicht ableiten. Auch den zweiten Fall des § 143 StGB bei der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes zu bejahen, war daher verfehlt (§ 345 Abs. 1 Z 12 StPO; vgl. SSt. 39/50). Im Zug der infolge Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden und Aufhebung des angefochtenen Urteils (auch) im Strafausspruch vorzunehmenden Neubemessung der Strafen wertete der Oberste Gerichtshof beim Angeklagten Ferdinand A als erschwerend die einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen, als mildernd seine zur Wahrheitsfindung beitragende Art der Verantwortung, das Alter unter 21 Jahren, die vernachlässigte Erziehung, die Zustandebringung der Raubbeute und den Umstand, daß eine der Taten beim Versuch blieb.

Das demnach beträchtliche überwiegen der Milderungsumstände und auch die Erwägung, daß die vorliegende Straftat in ihrer konkreten Ausgestaltung, bezogen auf den Deliktstypus, als in ihrem Unrechtsgehalt nicht allzu hoch veranschlagt werden darf, gestatteten die Anwendung des § 41 StPO.

Bei diesem Angeklagten war zudem auf das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 30.April 1985, GZ 11 c Vr 550/83-39, womit über ihn wegen der Vergehen der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 StGB, der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB, der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB, des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 StGB und der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 2 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten rechtskräftig verhängt wurde, gemäß den §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen. Ausgehend von einer bei Erfassung aller in diesen Strafbemessungsvorgang einzubeziehenden Taten als dem Unrechtsgehalt und der Schwere der Schuld des Täters angemessen erscheinenden Freiheitsstrafe von drei Jahren ergibt sich das Ausmaß der hier auszusprechenden Zusatz-(Freiheits-)Strafe mit zwei Jahren und sieben Monaten. Beim Angeklagten Günter B waren als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, als mildernd sein Beitrag zur Wahrheitsfindung und der Umstand zu berücksichtigen, daß die Raubbeute zustandegebracht werden konnte.

Angesichts der Tatsache, daß der Angeklagte B schon wegen (eines im übrigen auf ähnliche Weise verübten) Raubes vorbestraft ist, konnte eine außerordentliche Strafmilderung hier nicht mehr vorgenommen werden. Die Strafe war vielmehr - dem Grad des Verschuldens adäquat - dem unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens zu entnehmen und in der aus dem Spruch ersichtlichen Höhe tat- und tätergerecht zu bestimmen.

Die Aussprüche über die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und über die Anrechnung der Vorhaftzeiten konnten aus dem Ersturteil übernommen werden.

Mit ihren durch die Strafneubemessung gegenstandslos gewordenen Berufungen waren die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Entscheidung über den Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E06598

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00140.85.1001.000

Dokumentnummer

JJT_19851001_OGH0002_0110OS00140_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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