Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dr. Anton Haschka und Johann Herzog als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1.) Bajro A, Arbeiter,
2.) Husejin B, Arbeiter, beide Graz, Lendplatz 22, und vertreten durch Dr. Erich Portschy, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei C D, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen restlicher S 38.077,-- sA (Erstkläger) und S 38.281,30 sA (Zweitkläger), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 23.4.1985, GZ 1 Cg 20,21/84-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Knittelfeld vom 3. Mai 1984, GZ Cr 11,12/83-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es unter Einbeziehung des rechtskräftig gewordenen Teiles des erstgerichtlichen Urteils wie folgt zu lauten hat:
'Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, an die erstklagende Partei einen Betrag von S 91.982,-- und an die zweitklagende Partei einen Betrag von S 93.469,32, jeweils brutto sA zu zahlen, wird abgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit insgesamt S 47.172,50 bestimmten Verfahrenskosten (darin S 160,-- Barauslagen) je zur Hälfte binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger waren bei der beklagten Partei als Lohnbedienstete (Oberbauarbeiter) bis zu ihrer am 24.11.1981 erfolgten Entlassung beschäftigt. Für beide Kläger lagen in diesem Zeitpunkt Beschäftigungsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vor. Im Falle einer von der beklagten Partei ausgesprochenen Kündigung der Kläger stünde dem Erstkläger ein Bruttobetrag von S 38.077,-- und dem Zweitkläger ein solcher von S 38.281,30 zu. Mit der Behauptung, die Entlassung sei ungerechtfertigt erfolgt, weil die Kläger entgegen der Annahme der beklagten Partei die Arbeit nicht verweigert, sondern nur deren Durchführung in einem für sie nicht zumutbaren Ausmaß abgelehnt hätten, begehrten der Erstkläger die Zahlung eines Bruttobetrages von S 91.982,-- sA und der Zweitkläger die Bezahlung eines solchen Betrages von S 93.469,32 sA jeweils an Kündigungs- und Urlaubsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen und Abfertigung.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Der Gleismeister habe von einer für Gleisarbeiten eingesetzten Partie von 25 Gastarbeitern eine zumutbare Tagesleistung von
20 auszuwechselnden Schwellen durch je zwei Arbeiter am 23. und 24.11.1981 verlangt. Die Kläger (und andere Gastarbeiter) hätten sich an beiden Tagen damit nicht einverstanden erklärt und die Aufnahme der Arbeit verweigert. Sie hätten nur neun Schwellen pro Tag durch eine aus zwei Arbeitern bestehende Arbeitspartie auswechseln wollen.
Das Erstgericht sprach dem Erstkläger einen Teilbetrag von S 38.077,-- sA und dem Zweitkläger von S 38.281,30 sA zu und wies die Mehrbegehren von S 53.905,-- bzw. S 55.188,02 jeweils sA ab. Es vertrat die Auffassung, die Kläger hätten wohl die Arbeit verweigert und dadurch einen gröblichen Verstoß gegen ihre Dienstpflichten begangen; dieser Verstoß rechtfertige jedoch nur ihre Kündigung im Sinne des § 24 Abs 2 lit a der Bundesbahn-Dienst- und Lohnordnung (D***), nicht jedoch die Entlassung, weil nach dem hiefür in Betracht kommenden Entlassungstatbestand des § 26 Abs 2 lit d D*** das Tatbestandsmerkmal der Beharrlichkeit fehle. Das Berufungsgericht bestätigte diese in ihrem klagsabweisenden Teil unangefochten gebliebene Entscheidung. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf folgende noch wesentliche Feststellungen:
Die Kläger waren im allgemeinen mit dem Auswechseln von Schienen und Schwellen sowie des Schotterbettes beschäftigt. Das Auswechseln von Schwellen kann, muß aber nicht mit dem Auswechseln des Schotterbettes verbunden sein. Bei der Erteilung eines Auftrages für die Verrichtung konkreter Arbeiten wurde mit den Gastarbeitern für die betreffende Arbeitsstelle in der Regel eine bestimmte Leistungsnorm festgelegt. Es besteht keine offizielle Arbeitsnorm; alle Arbeiten werden grundsätzlich in Regie (Stundenlohn) verrichtet. Die Festlegung einer Arbeitsnorm im konkreten Fall bedeutet, daß die Arbeiter bei Unterschreitung der jeweiligen Arbeitszeit Lohnanspruch für die volle Zeit haben, aber früher nach Hause gehen dürfen. Wäre eine Tagesnorm vom zuständigen Bauzugsführer entgegen den Wünschen der Gastarbeiter festgelegt worden, dann wären diese zur Aufnahme der Arbeit und zur Erbringung einer zumutbaren Tagesleistung verpflichtet gewesen. Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der täglichen Arbeitsleistung hat es zwischen den Gastarbeitern und ihrem Vorgesetzten schon vor dem 23.11.1981 gegeben, doch konnten diese im Verhandlungsweg immer ausgeräumt werden. Eine Tagesleistung wurde für eine Arbeitspartie von zwei Arbeitern im Falle des Auswechselns des Schotterbettes mit neun bis elf Schwellen, bei teilweisem Auswechseln des Schotterbettes mit sechzehn Schwellen und wenn ein Schotterbett nicht auszuwechseln war, mit zwanzig Schwellen je Tag als in Ordnung befunden.
Am 23.11.1981 wurde der Bauzug 401 zu Arbeiten im Bereich des Bahnhofes Trieben eingeteilt. Da ein privates Unternehmen bereits die Gleise gehoben und die Schrauben entfernt hatte und das Schotterbett nicht auszuwechseln war, setzte der Bauzugsführer Franz E die Tagesnorm mit zwanzig Schwellen pro Tag für je zwei Arbeiter fest. Als der Gleismeister Hermann F die Einteilung der Arbeitspartien vornahm, sagten die Kläger und die übrigen Arbeiter, daß die Norm zu hoch sei. Sie lehnten in der Folge den Vorschlag des Gleismeisters, es werde ihnen jede Stunde nach Ablauf der für die Arbeit erforderlichen Arbeitszeit von sechs Stunden über die normale Schicht hinaus gutgeschrieben, ab. Der Gleismeister unterbreitete nach telefonischer Rücksprache mit dem zuständigen Bahnmeister den Arbeitern den Vorschlag, die Norm mit fünfzehn Schwellen festzusetzen. Die Gastarbeiter blieben aber bei ihrer ablehnenden Haltung auch dann noch, als der Gleismeister ihnen zusicherte, daß zu den 8 Normalstunden und zu einer überstunde noch zwei Prämienstunden bei einer Tagesleistung von zwanzig bzw. fünfzehn Schwellen dazukäme. Die Kläger und die übrigen Gastarbeiter verlangten statt dessen, in Regie arbeiten zu dürfen. Der Gleismeister hielt dieser Forderung nur entgegen, daß fünfzehn Schwellen ausgewechselt werden müßten. Die Kläger und die übrigen Gastarbeiter nahmen sodann die Arbeit nicht auf und fuhren um 15 Uhr von Trieben nach Leoben zurück, obwohl ihnen der Gleismeister vorher mitgeteilt hatte, daß dies eine Arbeitsverweigerung sei und sie ohne Abfertigung entlassen werden könnten.
Am 24.11.1981 erklärte der Bauzugsführer Franz E den Gastarbeitern in Leoben, er könne von der Tagesnorm von zwanzig Schwellen nicht abgehen. Er sei jedoch bereit, mit ihnen nach Trieben zu fahren und ihnen die Arbeit an Ort und Stelle zu erläutern. Die Gastarbeiter hielten ihren Gegenvorschlag von neun Schwellen aufrecht und lehnten eine Arbeitsaufnahme zu den Bedingungen des Bauzugführers ab. Die Kläger und die übrigen Gastarbeiter (mit Ausnahme von drei Arbeitern) fuhren in der Folge nicht nach Trieben, sondern blieben in Leoben. Eine Arbeitsaufnahme in Regie wurde vom Bauzugführer bei diesem Gespräch nicht in Erwägung gezogen. Er sagte zu den Gastarbeitern vielmehr: 'Zwanzig Schwellen oder zurück nach Jugoslawien!'. Es kann nicht festgestellt werden, daß die Kläger und die übrigen Gastarbeiter dem Bauzugführer gegenüber erklärt hätten, die Arbeit in Regie zu verrichten, oder daß der Bauzugführer ein solches Verlangen gestellt hätte. Der Bauzugführer drohte den Klägern und den übrigen Gastarbeitern bei diesem Gespräch die Entlassung an, wenn sie die Arbeit nicht aufnehmen. Er stellte in der Folge den schriftlichen Antrag, die Kläger zu entlassen. Die hiefür zuständige Streckenleitung bestätigte noch am selben Tag (24.11.1981) die Entlassung. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Kläger hätten am 23.11.1981 keine Pflichtenverletzung begangen, weil sie sich im Rahmen der betrieblichen übung bereit erklärt hätten, in Regie zu arbeiten; der Gleismeister sei jedoch auf diesen Vorschlag nicht eingegangen. Am 24.11.1981 hätten die Kläger aber ihre Bereitschaft, in Regie zu arbeiten, nicht erklärt. Dieses Verhalten sei eine gröbliche Pflichtenverletzung im Sinne des § 24 Abs 2 lit a D*** und habe die beklagte Partei zur Kündigung berechtigt. Ein Entlassungsgrund nach dem § 26 Abs 2 lit d D*** liege deshalb nicht vor, weil die Arbeitsverweigerung nicht beharrlich erfolgt sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die nur aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.
Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Nach dem § 24 Abs 2 lit a der Bundesbahn-Dienst- und Lohnordnung BGBl. 1954/96 in der im Entlassungszeitpunkt geltenden Fassung (D***) liegt ein Grund, der die beklagte Partei zur Kündigung berechtigt, vor, wenn der Lohnbedienstete seine Dienstpflicht gröblich verletzt, sofern nicht die Entlassung in Frage kommt. Nach dem § 26 Abs 2 lit d D*** liegt ein Entlassungsgrund vor, wenn der Lohnbedienstete sich beharrlich weigert, seine Dienstverrichtungen ordnungsgemäß zu versehen oder sich den dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten widersetzt. Da die Nichtbefolgung dienstlicher Anordnungen ebenfalls eine Pflichtenverletzung ist, besteht der Unterschied - soweit er für die Beurteilung des gegenständlichen Rechtsstreits von Bedeutung ist - zwischen den beiden Auflösungstatbeständen darin, daß die Dienstpflichtverletzung, um eine Entlassung zu rechtfertigen, beharrlich sein muß. Unter dem Begriff der 'Beharrlichkeit' ist - ebenso wie nach dem § 27 Z 4 AngG - die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des in der Arbeitsverweigerung zum Ausdruck gelangenden Willens zu verstehen. Die Arbeitsverweigerung muß sich also entweder wiederholt ereignet haben oder von so schwerwiegender Bedeutung sein, daß auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Arbeitnehmers mit Grund geschlossen werden kann. Vor dem Ausspruch der Entlassung muß der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber in der Regel ermahnt oder wiederholt zur Erfüllung seiner Pflichten aufgefordert worden sein. Es genügt, wenn der Arbeitnehmer auf die Vernachlässigung seiner Pflichten hingewiesen und in einer dem Ernst der Lage angepaßten Weise zur Einhaltung seiner Pflichten aufgefordert worden ist (Arb. 10.146 mwH).
Diese Voraussetzungen der Beharrlichkeit sind im vorliegenden Fall erfüllt. Auch wenn man das Verhalten der Kläger vom 23.11.1981 unberücksichtigt läßt, kann nicht übersehen werden, daß sie die Arbeitsaufnahme zu den ihnen vom Bauzugführer mitgeteilten Bedingungen (zwanzig Schwellen pro Tag) ablehnten und nicht etwa erklärten, die Arbeit in Regie aufzunehmen. Zu einer solchen Arbeitsaufnahme wären sie aber verpflichtet gewesen. Sie haben vor allem auch die Aufforderung des Bauzugführers, mit ihm nach Trieben zu fahren, damit er ihnen an Ort und Stelle die Arbeit erläutern könne, nicht befolgt, obwohl ihnen dieser Vorgesetzte die Entlassung androhte. Die Kläger haben also ungeachtet dieser Aufforderung ihres Vorgesetzten und der Androhung der Entlassung die Arbeitsaufnahme verweigert und damit die Nachhaltigkeit und Unnachgiebigkeit ihrer Willenshaltung mit Nachdruck bekundet. Daß das Auswechseln von zwanzig Schwellen pro Tag für eine aus zwei Arbeitern bestehende Arbeitspartie undurchführbar gewesen wäre (Arb. 9941), haben sie nicht behauptet. Daß ihnen eine solche Arbeit entgegen ihrem Vorbringen auch zumutbar gewesen wäre, ergibt sich aus den Feststellungen über die üblichen Tagesnormen für den Fall, daß wie hier das Schotterbett nicht ausgewechselt werden mußte. Von all diesen überlegungen abgesehen, wären aber die Kläger jedenfalls verpflichtet gewesen, mit dem Bauzugführer zu der Arbeitsstelle nach Trieben zu fahren, um die für die Arbeit notwendigen Erläuterungen anzuhören und die Arbeit aufzunehmen.
Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes sind somit die Voraussetzungen des Entlassungstatbestandes des § 26 Abs 2 lit d D*** erfüllt, so daß den Klägern die aus einer ungerechtfertigten Entlassung abgeleiteten Ersatzansprüche nicht zustehen. Das angefochtene Urteil war daher im klagsabweisenden Sinn abzuändern. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 46 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E06645European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00115.85.1001.000Dokumentnummer
JJT_19851001_OGH0002_0040OB00115_8500000_000