TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/29 2003/08/0082

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Veröffentlicht am 29.06.2005
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §16 Abs1 litl;
ASVG §11 Abs2;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §4 Abs1 Z6 lita;
GSVG 1978 §4 Abs1 Z6 litb;
UrlaubsG 1976 §10 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der G in K, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Hauptplatz 12/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 24. Februar 2003, Zl. 221.931/2-6/02, betreffend Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 1. Jänner 1999 bis 31. Dezember 1999 der Pensionsversicherung und vom 6. Februar 1999 bis 31. Dezember 1999 der Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterlegen sei. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin laut rechtskräftigem Einkommensteuerbescheid 1999 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von S 80.642,-- erzielt habe. Mit Versicherungserklärung, eingelangt am 7. November 2000 bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt, habe die Beschwerdeführerin erklärt, dass die Einkünfte aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit als Zeitungskolporteurin resultierten. Daher sei die maßgebliche Versicherungsgrenze von S 46.788,-- überschritten worden. Die Beschwerdeführerin habe "von 1. 1. 1999 bis 5. 2. 1999" eine Urlaubsabfindung von einer näher genannten Gesellschaft bezogen und sei (in diesem Zeitraum) noch der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterlegen. Dieser Sachverhalt sei unstrittig, strittig sei im Wesentlichen lediglich die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes.

Bei der verfahrensgegenständlichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin handle es sich um eine selbstständige Tätigkeit nach dem Einkommensteuergesetz. Die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG sei subsidiär und anderen Pflichtversicherungen nachrangig. Vorgehende Pflichtversicherungen seien im vorliegenden Fall jedoch auszuschließen. Ob eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG bestehe, könne erst beurteilt werden, wenn die Frage nach dem Bestehen eines Ausnahmegrundes nach § 4 Abs. 1 Z. 5 GSVG beantwortet werden könne. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1235 BlgNR 20. GP) werde zu § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG ausgeführt, dass die Änderungen in § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG weiters bewirken sollten, dass für die Bezieher von Pensionen und sonstigen Erwerbsersatzeinkommen die niedrigere Grenze (das Zwölffache der monatlichen ASVG-Geringfügigkeitsgrenze) für die Feststellung der Versicherungspflicht gelten solle, wobei auch dabei die kalenderjährliche Betrachtung vorzunehmen sei.

Gemäß § 11 Abs. 2 ASVG bestehe die Pflichtversicherung weiter für die Zeit des Bezuges einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) sowie für die Zeiten des Bezuges einer Kündigungsentschädigung. Der Verwaltungsgerichtshof gehe in seinen Entscheidungen davon aus, dass es letztendlich ebenfalls der Entgeltanspruch sei, der das Ende der Pflichtversicherung determiniere.

Die Ausnahme des § 4 Abs. 1 Z. 5 GSVG komme der Beschwerdeführerin nicht zu, "da sie eine der in Z. 6 entsprechende Leistung" erhalte. Bei der Urlaubsabfindung handle es sich um ein sozialversicherungsrechtliches Entgelt im Sinne des § 11 Abs. 2 ASVG und es bestehe die Pflichtversicherung weiter für die Zeit des Bezuges einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 139/1998, lautet wie folgt:

"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

(...)

4. selbstständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z 5 oder Z 6) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen."

§ 4 Abs. 1 Z. 5 und 6 GSVG in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2001 lauten:

"§ 4. (1) Von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung sind ausgenommen:

(...)

5. Personen gemäß § 2 Abs. 1 Z 4, deren Beitragsgrundlagen (§ 25) im Kalenderjahr das 12fache des Betrages gemäß § 25 Abs. 4 Z 2 lit. a aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 unterliegenden Tätigkeiten nicht übersteigen, wenn sie im betreffenden Kalenderjahr ausschließlich diese Erwerbstätigkeit(en) ausüben und keine in Z 6 lit. b angeführte Leistung beziehen; dies gilt nicht für Personen, die eine Erklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 zweiter Satz abgegeben haben;

6. Personen hinsichtlich ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4, deren Beitragsgrundlagen (§ 25) im Kalenderjahr das 12fache des Betrages gemäß § 25 Abs. 4 Z 2 lit. b aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten nicht übersteigen, wenn sie im betreffenden Kalenderjahr

a)

sonstige Erwerbstätigkeiten ausüben, oder

b)

eine Pension nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz, einen Ruhe- oder Versorgungsgenuss, Kranken- oder Wochengeld, Karenzgeld nach dem Karenzgeldgesetz, BGBl. I Nr. 47/1997, Sonderunterstützung nach dem Sonderunterstützungsgesetz, BGBl. Nr. 642/1973, oder Geldleistungen nach dem AlVG 1977, BGBl. Nr. 609, beziehen;

dies gilt nicht für Personen, die eine Erklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 zweiter Satz abgegeben haben;"

Nach dem diesbezüglich unstrittigen Sachverhalt überstiegen die Beitragsgrundlagen der Beschwerdeführerin im von der belangten Behörde beurteilten Zeitraum (Kalenderjahr 1999) das Zwölffache des Betrages gemäß § 25 Abs. 4 Z. 2 lit. b GSVG, nicht jedoch das Zwölffache des Betrages gemäß § 25 Abs. 4 Z. 2 lit. a GSVG. Ob die Beschwerdeführerin von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung im Jahr 1999 gemäß § 4 Abs. 1 GSVG ausgenommen ist, ist daher ausschließlich davon abhängig, ob sie im betreffenden Kalenderjahr sonstige Erwerbstätigkeiten ausgeübt oder Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG bezogen hat.

Die belangte Behörde hat zutreffend festgehalten, dass während des Zeitraums des Bezuges der Urlaubsabfindung die Pflichtversicherung gemäß § 11 Abs. 2 ASVG weiter besteht. Der belangten Behörde kann jedoch nicht darin gefolgt werden, dass es bei der Beurteilung, ob eine Person im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. a GSVG eine Erwerbstätigkeit ausübt, auf den - durch den Bezug einer aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses geleisteten Urlaubsabfindung vermittelten - Bestand der Pflichtversicherung ankomme bzw. dass der Bezug einer Urlaubsabfindung dem Bezug einer Leistung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG gleichkomme.

Die Beschwerdeführerin hat, ohne dass dies von der mitbeteiligten Partei oder der belangten Behörde in Zweifel gezogen worden wäre, ausgeführt, dass das Dienstverhältnis, auf Grund dessen Beendigung sie eine Urlaubsabfindung bezogen hat, zum 31. Dezember 1998 geendet hat. Auch wenn für das Bestehen der Pflichtversicherung gemäß § 11 Abs. 2 ASVG - ebenso wie für das Ruhen des Anspruchs auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung nach § 16 Abs. 1 lit. l AlVG - eine Umlegung der Urlaubsabfindung auf den dadurch "abgegoltenen" Zeitraum erfolgt, so ändert dies nichts daran, dass während dieses "Bezugszeitraums" das Dienstverhältnis nicht mehr besteht, gebührt doch diese Ersatzleistung gemäß § 10 Abs. 1 UrlaubsG "zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses". Aus dem Bestehen der Pflichtversicherung für den Zeitraum des Bezugs einer Urlaubsabfindung kann daher nicht die Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. a GSVG abgeleitet werden.

Der Bezug einer Urlaubsabfindung kann auch nicht einem Pensionsbezug oder dem Bezug anderer in § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b genannter Geldleistungen gleichgestellt werden, handelt es sich bei den im Gesetz abschließend genannten Bezügen doch um Leistungen, die sich aus sozial- und arbeitslosenversicherungsrechtlichen Bestimmungen ergeben. Auch die von der belangten Behörde herangezogenen Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1235 BlgNR 20. GP, S. 20) betreffend die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG, in denen ausgeführt wird, dass für die Bezieher "von Pensionen und sonstigen Erwerbsersatzeinkommen" die niedrigere Grenze gelten solle, vermag nicht darzulegen, dass auch der Bezug einer - im Wortlaut des Gesetzes nicht genannten - Urlaubsabfindung, somit einer aus dem Dienstverhältnis resultierenden Leistung, nicht aber einer sozialversicherungsrechtlichen Geldleistung, als "Erwerbsersatz" gemäß § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG anzusehen wäre.

Da die Beschwerdeführerin im von der belangten Behörde beurteilten Kalenderjahr neben ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit keine sonstige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat und der Bezug der Urlaubsabfindung für das mit 31. Dezember 1998 beendete Dienstverhältnis keine Leistung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG darstellt, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das den Ersatz der Eingabegebühr betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 46 GSVG abzuweisen.

Wien, am 29. Juni 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003080082.X00

Im RIS seit

22.08.2005

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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