Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A B, C D
E F G H, Martiusstraße 9,
D-8000 München, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Paul Fritz Renn, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagten Parteien
1. Firma Wilhelm I Obst- und Gemüsegroßhandlung,
Teilenstraße 10, 6890 Lustenau, 2. Dieter J, Angestellter, Schwaketenstraße 14 d, D-7750 Konstanz, und 3. Ursula J, im Haushalt, Schwacketenstraße 14 d, D-7750 Konstanz, alle vertreten durch Dr. Josef Spiegel, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Wiederaufnahme des Rechtsstreites AZ C 101/83 des Bezirksgerichtes Feldkirch wegen Unzulässigkeit der Exekutionsführung und Erteilung einer Einwilligung (Streitwert S 293.036,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 16. April 1985, GZ 1 a R 95/85-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 10. Dezember 1984, GZ C 1772/84-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 12.688,44 (darin S 1.066,22 Umsatzsteuer und S 960,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Ernst und Ingeborg K verkauften am 9.4.1980 dem Franz L ein Grundstück. Ernst K nahm vom Käufer Anzahlungen von S 400.000,-- entgegen. Er wollte den Kaufpreisteilbetrag erstatten, als die grundverkehrsbehördliche Genehmigung des Kaufes versagt worden war. Man kam aber überein, den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens abzuwarten. Die Entscheidung der Grundverkehrslandeskommission wurde am 11.3.1982 bestätigt. Am 16.3.1982 erfolgte die Zustellung der Beschlüsse des Erstgerichtes vom 11.3.1982, GZ E 2375/82-1 und GZ E 2376/82-1, mit denen zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung der Erstbeklagten von S 138.077,16 samt Anhang und einer vollstreckbaren Forderung des Zweit- und der Drittbeklagten von DM 41.000,-- samt Zinsen und Kosten die Pfändung und die überweisung der Geldforderung des Verpflichteten Franz L gegen den Drittschuldner Ernst K bewilligt worden war. Damit hatten die Beklagten ein Pfandrecht an der betreffenden Forderung erworben (§ 294 Abs 3 EO).
Am 25.3.1982 wurde dem Ernst K eine von der klagenden Gesellschaft gegen ihn, Ingeborg K und Franz L erhobene Klage auf Zahlung von S 400.000,-- samt Zinsen zugestellt, in der die Behauptung aufgestellt war, Franz L habe seine Forderung auf Rückstellung des Geleisteten aus dem nicht zustande gekommenen Kauf der Klägerin abgetreten.
Am 1.4.1982 erlegte Franz K S 293.036,-- zu Gericht (§ 307 EO und § 1425 ABGB).
Am 20.1.1983 erhob die Klägerin zu AZ C 101/83 des Erstgerichtes gegen die beklagten betreibenden Gläubiger mittels Klage Widerspruch nach § 37 EO. Sie begehrte das Urteil, die Vornahme der in den beiden von den Beklagten geführten Exekutionsverfahren bewilligten Forderungspfändung und die Einzugsüberweisung sei unzulässig; die Beklagten hätten in die Ausfolgung des verwahrten Betrages von S 293.036,-- samt Zinsen an die Klägerin einzuwilligen. Franz L habe seine Forderung gegen Ernst K schon vor der Zustellung der Exekutionsbewilligungsbeschlüsse an den Drittschuldner Ernst K der Klägerin am 7.1.1982 abgetreten.
Die Beklagten traten dem Exszindierungsbegehren entgegen. Die Zession sei fingiert, es fehle an einem Grundgeschäft, die devisenrechtliche Genehmigung sei nicht erfolgt und eine Abtretung vor Erlangung ihres richterlichen Pfandrechtes an der Forderung habe nicht stattgefunden.
Das Erstgericht wies mit dem Urteil vom 20.1.1984, GZ C 101/83-16, das erhobene Begehren der Klägerin ab. Das Berufungsgericht bestätigte mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes sowohl in Ansehung der Erstbeklagten wie auch des Zweit- und der Drittbeklagten S 300.000,-- übersteige. Beide Tatsacheninstanzen gingen davon aus, daß die Klägerin den ihr obliegenden Beweis, sie habe die in Exekution gezogene Forderung vor ihrer Pfändung zugunsten der Beklagten durch rechtsgeschäftliche Abtretung erworben, nicht erbracht habe. Es habe nicht festgestellt werden können, daß der handschriftliche Zusatz des Franz L auf einem am 7.1.1982 vom Geschäftsführer der Klägerin verfaßten Schreiben, er trete seine Forderung von S 400.000,-- an die Klägerin ab, vor der Zustellung der Exekutionsbewilligungsbeschlüsse am 16.3.1982 geschrieben worden sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin gegen das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes vom 17.4.1984, GZ R 248/84-21, mit seiner Entscheidung vom 12.12.1984 nicht Folge (3 Ob 83/84).
Am 4.7.1984 hatte die Klägerin gegen Franz L beim
Landesgericht Feldkirch eine Klage mit dem Begehren erhoben, es werde festgestellt, daß der Beklagte von der Klägerin bestimmte Geldbeträge zur Finanzierung des Projektes, das die Errichtung von Ferienhäusern auf dem zu erwerbenden Grundstück, für das S 400.000,-- Anzahlungen geleistet waren, vorsah, erhalten hat und daß er 'zur Sicherung dieser angeführten Beträge unwiderruflich am 7.1.1982 einen Betrag von S 400.000,-- abgetreten hat'. Dem Auftrag zur Beantwortung der Klage (§ 243 Abs 4 ZPO) kam der Beklagte nicht nach. Auf Antrag der Klägerin wurde dem Begehren mit Versäumungsurteil vom 20.9.1984, GZ 10 Cg 5423/84-3, stattgegeben. Die Ausfertigung des Versäumungsurteiles ist dem Rechtsvertreter der Klägerin am 5.10.1984, dem Beklagten Franz L am 8.10.1984 zugestellt worden. Franz L hat gegen dieses Urteil nichts unternommen.
Am 11.10.1984, also noch vor Eintritt der Rechtskraft der Abweisung des Exszindierungsbegehrens, erhob die Klägerin die Wiederaufnahmsklage. Die Abweisung ihres Klagebegehrens im wiederaufzunehmenden Rechtsstreit sei mangels Nachweises der Forderungsabtretung vor dem 16.3.1982 erfolgt; nun könne die Klägerin diesen Nachweis aber erbringen, weil durch das Versäumungsurteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 20.9.1984, GZ 10 Cg 5423/84-3, feststehe, daß die Zession am 7.1.1984 stattgefunden habe und daß der abgetretene Betrag forderungsbekleidet war. Diese öffentliche Urkunde rechtfertige die Wiederaufnahme des Rechtsstreits nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO. Das Erstgericht bestimmte eine Tagsatzung für die mündliche Verhandlung. Die Beklagten brachten vor, es fehle an einem gesetzlichen Anfechtungsgrund; das nach Schluß der Verhandlung in erster Instanz im Exszindierungsprozeß erwirkte Versäumungsurteil entfalte keine Bindung, verstoße gegen § 228 ZPO, enthalte keine Feststellung des Zessionars und sei zwischen der Klägerin und Franz L abgesprochen.
Das Erstgericht wies das Wiederaufnahmebegehren mit Urteil ab. Das Berufungsgericht bestätigte und sprach wie schon im wiederaufzunehmenden Rechtsstreit aus, daß der Wert des von ihm zu entscheidenden Streitgegenstandes sowohl hinsichtlich der Erstbeklagten als auch des Zweit- und der Drittbeklagten insgesamt S 300.000,-- übersteige.
Das Erstgericht führte zur rechtlichen Begründung der Abweisung aus, es könne wohl ein Gerichtsurteil ein neues Beweismittel darstellen, das die Klägerin ohne ihr Verschulden vor Schluß der Verhandlung vorzubringen außerstande war, wenn es sich auf Tatsachen beziehe, die schon vor dem Schluß der Verhandlung vorhanden waren, sofern das neue Beweismittel konkret geeignet sei, eine der Klägerin günstigere Entscheidung herbeizuführen. Die Tatsachenfeststellung des Zeitpunktes der Forderungsabtretung habe gar nicht Gegenstand eines Begehrens nach § 228 ZPO sein dürfen. Das paktierte Versäumungsurteil könne - weil es an der Parteienidentität fehle - im Exszindierungsprozeß nicht binden und hätte als zwischen der Klägerin und Franz L abgesprochen auf die Beweiswürdigung im Exszindierungsprozeß keinen Einfluß gehabt, selbst wenn es schon vor Schluß der Verhandlung in erster Instanz vorgelegen wäre. Das Berufungsgericht meinte, es sprächen gewichtige Gründe für die Annahme des Erstgerichtes, daß das Ergehen des Versäumungsurteiles zwischen den Parteien im Feststellungsprozeß abgesprochen war. Franz L und der Geschäftsführer der Klägerin hätten ja im Exszindierungsprozeß übereinstimmend ausgesagt, daß die Zession am 7.1.1982 erfolgte. Der Klägerin habe jedes Interesse an der begehrten Feststellung gefehlt. Es komme aber gar nicht darauf an, ob die Erhebung der Feststellungsklage und die Fällung des Versäumungsurteils zwischen den Parteien im Feststellungsprozeß abgesprochen war.
An einem tauglichen Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO fehle es schon deshalb, weil die Klägerin nicht dargetan habe, warum sie das nun als neue Tatsache oder neues Beweismittel angeführte Versäumungsurteil nicht vor Schluß der Verhandlung im Exszindierungsprozeß erwirkt habe. Dem Beweismittel fehle auch jede Eignung, eine günstigere Entscheidung für die Wiederaufnahmsklägerin im wiederaufzunehmenden Rechtsstreit herbeizuführen. Es ergäben sich daraus keine neuen Gesichtspunkte, die nicht schon im Vorprozeß vorhanden waren und Berücksichtigung fanden. Der Geschäftsführer der Klägerin und der Zeuge Franz L hätten unter Wahrheitspflicht ausgesagt, daß die Abtretung am 7.1.1982 stattfand. Bei Fällung des Versäumungsurteiles habe das Prozeßgericht hingegen ohne Prüfung das Tatsachenvorbringen der Klägerin für wahr halten müssen. Es könne daher auf die Beweiswürdigung keinen Einfluß nehmen und entfalte auch nicht die von der Klägerin aus der Rechtskraft abgeleitete Bindungswirkung.
Die Klägerin bekämpft das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision. Sie macht Mängel des Berufungsverfahrens und eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend. Ihr Antrag richtet sich auf Abänderung in die Stattgebung der Wiederaufnahmsklage, hilfsweise auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache zu neuer Entscheidung.
Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die geltendgemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Abs 1 Z 2 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Den Vorinstanzen ist jedoch auch kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn sie nach Verhandlung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens zur Abweisung der Wiederaufnahmsklage gelangten, weil die Voraussetzungen der Wiederaufnahme nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nicht vorliegen. Darauf, ob die Klägerin schon früher die Feststellungsklage erheben konnte oder mußte und ihr vorwerfbar ist, die rechtzeitige Geltendmachung der neuen Tatsachen und Beweismittel im früheren Rechtsstreit unterlassen zu haben, kommt es nicht an. Weder die Tatsache, daß die Klägerin gegen den Zeugen Franz L Feststellungsklage erhob noch das darüber ergangene rechtskräftige Versäumungsurteil haben nämlich die für die Stattgebung der Klage geforderte Eignung, eine der Klägerin günstigere Entscheidung im früheren Verfahren herbeizuführen. Die Ansicht der Klägerin, der Spruch des Versäumungsurteiles binde im Wiederaufnahmsverfahren, stelle einen tauglichen Wiederaufnahmsgrund dar und müsse im wiederaufgenommenen Rechtsstreit nun zufolge der Rechtskraftwirkung als Nachweis der vor der Forderungspfändung stattgefundenen Forderungsabtretung ausreichen, ist verfehlt.
Die materielle Rechtskraft wirkt grundsätzlich nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits. Die Wirkung rechtskräftiger Urteile muß im Regelfall auf die Parteien beschränkt bleiben, die im Prozeß rechtliches Gehör haben, und nur als Ausnahme wird eine Rechtskrafterstreckung auf bestimmte Personen oder auf alle Rechtssubjekte anerkannt. Keiner der denkbaren Fälle liegt vor, wenn die Klägerin ein über ihre Feststellungsklage gegen den an diesem Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten ergangenes Versäumungsurteil für sich hat, ohne daß hier auf die Zulässigkeit und den Inhalt des ergangenen Spruches einzugehen ist, weil es jedenfalls schon an der Identität der Parteien des rechtskräftig entschiedenen Feststellungsrechtsstreits und des Wiederaufnahmsprozesses wie des früheren Verfahrens fehlt (Fasching, Handbuch Rz 1524, 1525, 1526 und 1527; Fasching, Kommentar III, 727 ff; Holzhammer, Zivilprozeßrecht 2 , 302 f). Der Hinweis des Berufungsgerichtes, es sei im früheren Verfahren die Aussage des Geschäftsführers der Klägerin und die Aussage des Zeugen Franz L nicht geeignet gewesen, das Gericht von der Richtigkeit des von der Klägerin behaupteten und zu beweisenden Zeitpunkts der Abtretung zu überzeugen und daran könne es nichts ändern, daß nun die Klägerin diese Tatsachenbehauptung zum Gegenstand eines Feststellungsbegehrens gemacht hat und Franz L diesem nicht entgegengetreten ist, enthält entgegen der Ansicht der Revisionswerberin keinen inneren Widerspruch. Es genügt zwar, daß die neuen Tatsachen und Beweismittel nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen (EvBl 1961/26), doch fehlt die zur Stattgebung erforderlich konkrete Eignung dem hier ergangenen Versäumungsurteil, dem ein einseitig behaupteter und durch die Untätigkeit des Säumigen für wahr zu haltender Sachverhalt zugrunde liegt. Der Versuch der Klägerin, aus der Regelung ihrer Rechtsbeziehung zu dem Zeugen durch ein gegen diesen erwirktes Versäumungsurteil Rückwirkungen auf das wiederaufzunehmende Verfahren abzuleiten, stellt sich bei dem vorliegenden Sachverhalt als ein untauglicher Versuch dar, die von den Tatsacheninstanzen im früheren Verfahren abgeschlossen gewesene Beweiswürdigung neu aufzurollen, ohne dazu keine konkret relevante neue Tatsache oder ein taugliches neues Beweismittel vorbringen zu können.
Die Abweisung der Wiederaufnahmeklage beruht daher nicht auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sacne. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ergeht nach den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E06511European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00090.85.1002.000Dokumentnummer
JJT_19851002_OGH0002_0030OB00090_8500000_000