TE OGH 1985/10/3 6Ob27/85

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Veröffentlicht am 03.10.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Riedler und Dr.Schlosser als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 9.Dezember 1981 verstorbenen, zuletzt in Meiselding, Kogl 7, wohnhaft gewesenen, Landwirt Friedrich A, wegen

Entscheidung nach § 7 Z 4 KrntEHG infolge Rekurses der Witwe des Erblassers, Paula (auch Pauline) A, Landwirtin,

Meiselding, Kogl 7, vertreten durch Dr.Gottfried Hammerschlag, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 19.September 1984, GZ.7 R 93/84-7, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 30.März 1984, GZ.6 Nc 2/83-4, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird stattgegeben, der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Schwester des Erblassers gegen den nach § 7 Z 4 KrntEHG gefaßten Beschluß des Gerichtshofes erster Instanz aufgetragen.

Text

Begründung:

Der Erblasser ist am 9.Dezember 1981 gestorben. Eine letztwillige Verfügung von ihm ist nicht aktenkundig. Er hinterließ keine Nachkommen. Er wurde von seiner Ehefrau Paula (auch Pauline) sowie von seiner Schwester Hildegard, seinem Bruder Hugo und den beiden Kindern seines vorverstorbenen Bruders Viktor, dem Neffen Franz und der Nichte Hilde, überlebt. Das Abhandlungsgericht hat die Erbserklärungen der Witwe, der Schwester, des Bruders sowie des Neffen und der Nichte angenommen.

Der Erblasser war Alleineigentümer einer Kärntner Liegenschaft. Das Abhandlungsgericht hat beschlußmäßig ausgesprochen, daß diese Besitzung einen Erbhof im Sinne des Kärntner Erbhöfegesetzes (KrntEHG) darstellt. Sowohl die Witwe als auch die Schwester, der Bruder und der Neffe des Erblassers erklärten, den Hof als Anerbe übernehmen zu wollen.

Die Schwester machte geltend, die Witwe wäre aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, den Hof persönlich zu bewirtschaften, der Neffe aber werde durch seinen Beruf daran gehindert, den Hof von der Hofstelle aus persönlich zu bewirtschaften, überdies besitze er bereits einen Erbhof. Der Neffe machte geltend, beide überlebenden Geschwister des Erblassers seien aus gesundheitlichen Gründen zur persönlichen Bewirtschaftung des Hofes unfähig.

Das Landesgericht sprach aus, daß in Ansehung der Witwe kein Ausschließungsgrund nach § 7 Z 4 lit.b KrntEHG vorliege. Es vertrat die Ansicht, daß die Witwe vor den Miterben aus der zweiten Linie der Verwandtschaft des Erblassers zur übernahme des Hofes berufen sei.

Das Oberlandesgericht faßte in Stattgebung des Rekurses der Schwester einen Aufhebungsbeschluß. Nach seiner Ansicht gehe die Witwe in der Rangordnung zur Hofübernahme den Verwandten des Erblassers aus der zweiten Linie im Range nach, so daß über das Vorliegen eines sie betreffenden Ausschließungsgrundes erst zu entscheiden sei, wenn feststehe, daß die ihr im Range vorangehenden Bewerber um die Hofübernahme nicht zum Zuge kämen.

Der von der Witwe gegen den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß erhobene Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Rangordnung des überlebenden Ehegatten nach § 7 KrntEHG ist zu erwägen:

Nach der Regel des § 7 KrntEHG wird der übernehmer des Hofes nach dem Rechte und der Ordnung der gesetzlichen Erbfolge bestimmt. Dabei werden unter mehreren zugleich eintretenden Erben bei Abgang einer Einigung unter denselben die einzelnen zur übernahme des Hofes nach folgenden Kriterien berufen: Näherer oder entfernterer Verwandtschaftsgrad, unter Bedachtnahme auf leibliche Abstammung oder Wahlverwandtschaft, eheliche oder nichteheliche Geburt; männliches oder weibliches Geschlecht sowie höheres oder niedrigeres Lebensalter. Der überlebende Ehegatte wird dabei unter die sonstigen erbberechtigten Angehörigen nicht ausdrücklich eingereiht. Historisch ist dazu anzumerken, daß zur Zeit der auf Grund des Reichsrahmengesetzes vom 1.April 1889, RGBl. Nr.52, erlassenen KrntEHG vom 16.September 1903 das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten a) im Falle eines Zusammentreffens mit ehelichen Kindern auf den lebenslänglichen Genuß eines keinesfalls 25 % übersteigenden Verlassenschaftsteiles beschränkt war und in diesem Falle nicht zum Eigentumserwerb führte (!), b) im Falle des Zusammentreffens mit Aszendenten und Seitenverwandten des Erblassers den Anspruch auf ein Viertel des Nachlasses zu Eigentum gewährte und

c) nur beim Fehlen jedes sonstigen gesetzlichen erbberechtigten und erbwilligen Angehörigen den Anspruch auf den Erwerb der gesamten Verlassenschaft zu Eigentum beinhaltete. Es ist verständlich, daß bei dieser Intestaterbfolgeanordnung das Reichsrahmengesetz das Zusammentreffen des überlebenden Ehegatten mit ehelichen Kindern des Erblassers und deren Abkömmlingen (erste Linie der ehelichen Verwandtschaft) bei der Aufstellung einer Rangordnung der zur Hofübernahme berufenen Personen nicht als regelungsbedürftig ansah, weil der überlebende Ehegatte neben der ehelichen Deszendenz des Erblassers nicht zur erbrechtlichen Nachfolge in das Eigentum einer Nachlaßquote berufen war. Eines Zusammentreffens des überlebenden Ehegatten mit sonstigen ehelichen Verwandten des Erblassers gedachte das Rahmengesetz (im § 5 Satz 2) dadurch, daß es den Landesgesetzgeber ermächtigte, den überlebenden Ehegatten unmittelbar nach den Abkömmlingen des Erblassers und vor allen übrigen Verwandten zu berufen. Das Kärntner Landesgesetz aus dem Jahre 1903 hat von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht. Dadurch entstand bereits damals für die Fälle, in denen der überlebende Ehegatte mit sonstigen gesetzlichen Erben, die nicht der ersten Linie der ehelichen Verwandtschaft des Erblassers angehörten, eine durch Auslegung zu schließende Regelungslücke bezüglich der Stellung des überlebenden Ehegatten in der Rangordnung des § 7 KrntEHG. Daß ein neben Verwandten des Erblassers erbberechtigter Ehegatte nicht vor diesen gereiht sein sollte, rechtfertigt für sich allein noch nicht die Folgerung, daß er nach diesen gereiht sein müsse.

Die Lücke in der gesetzlichen Regelung erweiterte sich, als mit der Verbesserung des Ehegattenintestaterbrechtes durch § 68 1.TN dem überlebenden Ehegatten auch neben Kindern des Erblassers und deren Nachkommen eine feste Erbquote zu Eigentum zugewiesen wurde. (Der Vergrößerung dieser Erbquote durch Art.I Z 2 EheRöndG, BGBl. Nr.280/1978, kann ebenso wie der Aufnahme des Ehegatten in den Kreis der Pflichtteilsberechtigten für die Rangordnung in der Berufung zur Hofübernahme nach dem bäuerlichen Sondererbrecht keine unmittelbare Bedeutung beigelegt werden, weil die Größe der Erbquote ungeachtet der Erwägung, daß derjenige unter mehreren Bewerbern um die Hofübernahme, dem selbst eine größere gesetzliche Erbquote zukommt, bei der Erbteilung mit geringeren - regelmäßig aus den Erträgnissen des zu übernehmenden Hofes zu

erwirtschaftenden - Leistungen belastet wäre als ein Miterbe mit einer kleineren Erbquote und daher typischerweise vom Miterben mit der größeren Erbquote eher erwartet werden könne, daß er den zu übernehmenden Hof trotz der Verpflichtungen aus dem Erbfall in seinem Besitz erhalten werden könne, vom Gesetzgeber nicht zum Auswahlkriterium erhoben wurde und die Pflichtteilsberechtigung andere gesetzliche Ziele verfolgt als die anerbenrechtlichen Regelungen.)

Das KrntEHG blieb auch nach den erwähnten Änderungen des gesetzlichen Ehegattenerbrechtes in seiner Anordnung über die Rangordnung zur Hofübernahme unter einer Mehrzahl kraft Gesetzes zur Erbfolge berufenen Personen formell unverändert.

Das Anerbengesetz, das für einen anderen räumlichen Geltungsbereich gleichartige Regelungsfragen zu bewältigen hatte, enthält in seinem § 3 Abs.1 Z 3 über die Rangordnung des überlebenden Ehegatten zur Hofübernahme die ausdrückliche Anordnung, daß Abkömmlinge des Erblassers vor dem überlebenden Ehegatten den Vorzug haben, dieser aber vor den übrigen Verwandten reiht. Der Oberste Gerichtshof hat zu § 7 Z 4 KrntEHG erkannt, daß der überlebende Ehegatte allen miterbenden Verwandten des Erblassers bei der Berufung zur Hofübernahme nachgehe, weil er mangels Verwandtschaft mit dem Erblasser stets einer Person gleichgestellt werden müsse, die mit dem Erblasser entfernter verwandt sei, als jeder mit dem Erblasser verwandte Miterbe (1 Ob 180/57). Diese Ansicht wurde, ohne weitere Ausführung, auch nach der Erlassung des AnerbenG aufrechterhalten (1 Ob 147/74).

In der Literatur vertritt Kralik in Ehrenzweig, System IV 3 (ErbR), 379, die nicht weiter ausgeführte Ansicht, daß die Verwandten der zweiten oder einer höheren Parentel vor dem miterbenden Ehegatten gereiht seien. Dieselbe Ansicht vertraten Webhofer im Klang-Komm. 2 , III,815, 819; Roth in NZ 1949, 138 ff, 154 ff, 170 ff ohne nähere Begründung und Pitter in NZ 1916; 85 ff, 86 mit dem Argument der fehlenden Verwandtschaft. Zemen in NZ 1983, 145 ff, 161 ff,163 erachtet dagegen unter Bedachtnahme auf die Ermächtigung des § 5 ReichsrahmenG 1889 und die seither eingetretene Verbesserung des Ehegattenintestaterbrechtes sowie mit Rücksicht auf die Analogie zu § 3 Abs.1 Z 3 AnerbenG die gegenteilige Auslegung als unverrückbar und zwingend. Die aufgezeigte Rechtsentwicklung gibt Anlaß, die Stellung des Ehegatten in der Rangordnung der nach § 7 KrntEHG zur Hofübernahme Berufenen neu zu überdenken:

Das Anerbenrecht läßt die allgemein bürgerlich-rechtliche Erbfolgeordnung unangetastet, setzt diese voraus und nimmt sie zur Grundlage. Das erste Hauptanliegen jeder anerbenrechtlichen Regelung zielt darauf, daß auch bei einer Erbenmehrheit der Hof im Erbwege nur in die Hände einer einzigen physischen Person gelange. Die Bestimmung dieser Person 'unter mehreren zugleich eintretenden Erben' hat nach der im Sinne des Reichsrahmengesetzes getroffenen Anordnung im § 7 Satz 1 KrntEHG 'nach dem Rechte und der Ordnung der gesetzlichen Erbfolge' zu erfolgen. Änderungen der Bestimmungen über diese gesetzliche Erbfolgeordnung führen daher mittelbar auch zur entsprechenden Änderung der Regeln über die Bestimmung der zur Hofübernahme berufenen Personen.

Nach der Formulierung des § 757 ABGB tritt der Ehegatte des Erblassers entweder neben die ehelichen Kinder und deren Nachkommen (also die erste Linie der Verwandten aus ehelicher Abstammung), neben Eltern des Erblassers und deren Nachkommen (also die zweite Linie der Verwandten aus ehelicher Abstammung) oder neben Großeltern des Erblassers; trifft er nicht mit Verwandten aus ehelicher Abstammung der ersten oder zweiten Linie oder mit Großeltern des Erblassers zusammen, erbt er allein. In diesem letzten Falle kommt es zu keiner Erbengemeinschaft. In allen übrigen Fällen des § 757 ABGB entsteht aber insofern eine heterogene Erbengemeinschaft, als dem Ehegatten zum Unterschied der übrigen Miterben ein für die Bestimmung zur Hofübernahme wesentliches Merkmal abgeht: Er ist nicht mit dem Erblasser verwandt. Im Falle eines Zusammentreffens des Ehegatten mit den im § 757 ABGB genannten Verwandten des Erblassers versagt also das primäre Kriterium zur Bestimmung des Hofübernehmers, der nähere oder entferntere Verwandtschaftsgrad. Die daraus gezogene Folgerung, jeder wenn auch in einem noch so entfernten Grad verwandte Angehörige des Erblassers müsse dem nicht mit ihm verwandten Ehegatten im Range vorangehen, widerspricht dem im § 7 Satz 1 KrntEHG formulierten Grundsatz der übereinstimmung mit der gesetzlichen Erbfolgeordnung, nach der der Ehegatte neben und keinesfalls nach den im § 757 ABGB genannten Personen zum Erben berufen ist. Daß dies nicht bloße Wortauslegung, sondern wertungsgerechte Gesetzesauslegung ist, folgt aus der Erwägung, daß - hier beschränkt sich die Ableitung auf den aktuellen Fall eines Zusammentreffens des überlebenden Ehegatten mit Verwandten der zweiten Linie - der Ehegatte (als einziger unter den Miterben) in abstracto pflichtteilsberechtigt ist und seine Erbquote das Doppelte aller übrigen zusammen ausmacht. Dem Ausmaß der Erbquote kann beim Versagen des gesetzlich bestimmten Berufungskriteriums insoferne eine hilfsweise Bedeutung für die Bestimmung des Anerben zugebilligt werden, als das zweite Hauptanliegen jeder anerbenrechtlichen Regelung das Wohlbestehenkönnen des Hofübernehmers ist und der Miterbe mit der größten Erbquote an die weichenden Erben die geringsten Geldleistungen zu erbringen hat, was die volkswirtschaftlich angestrebte Erhaltung der Lebensfähigkeit des Hofes und seines übernehmers fördert.

Die für die Rangordnung bei der gesetzlichen Erbfolge als erheblich gewertete verwandtschaftliche Nähe der zur Erbfolge berufenen Personen wird zunächst durch die Zugehörigkeit zu einer der im § 731 ABGB umschriebenen Linien in der Weise bestimmt, daß diese Zugehörigkeit zur vorangehenden, näheren Linie jede Konkurrenz mit einem Angehörigen einer folgenden, höheren Linie ausschließt. Beruft nun § 757 ABGB den Ehegatten in abstracto schon neben Angehörigen der ersten Linie, ist daraus zwingend ein Vorrang des Ehegatten gegenüber allen Angehörigen der zweiten Linie (oder den Großeltern des Erblassers) zu folgern, wenn er in concreto neben diesen als Erben berufen ist.

Der überlebende Ehegatte, der zugleich mit Verwandten des Erblassers der zweiten Linie oder mit Großeltern des Erblassers als Erbe eintritt, geht nach der Rangordnung des § 7 KrntEHG bei der Berufung zum Hofübernehmer allen anderen Miterben voran. Das Kriterium des Verwandtschaftsgrades wird nämlich durch die Beiordnung und damit rangmäßige Gleichstellung mit den Verwandten der ersten Linie ersetzt.

Diese Auslegung stimmt im Ergebnis mit der positiv-rechtlichen Regelung nach § 3 Abs.1 Z 3 AnerbenG überein, die entgegen der berufungsgerichtlichen Ansicht durchaus zur Lückenfüllung durch Analogie hätte herangezogen werden dürfen, falls die Lücke nicht bereits aus dem KrntEHG und der darin zur Richtschnur erhobenen gesetzlichen Erbfolgeordnung des ABGB im dargelegten Sinne zu schließen gewesen wäre.

Zur Konkurrenz des Ehegatten mit Angehörigen von Kindern des Erblassers und deren Nachkommen braucht im vorliegenden Fall nicht Stellung genommen zu werden, weil ein solches Zusammentreffen nicht aktuell ist.

Der Oberste Gerichtshof vermag der vom Rekursgericht vertretenen Rechtsansicht über einen Vorrang der Geschwister und des Neffen des Erblassers vor dessen Ehefrau in der Berufung zum Anerben nicht zu folgen und tritt in dieser Frage der vom Erstgericht zugrunde gelegten Auffassung über einen Vorrang der Ehefrau bei. Aus dieser Erwägung war der rekursgerichtliche Aufhebungsbeschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Schwester des Erblassers gegen den Beschluß des Gerichtshofes erster Instanz vom 30.März 1984 unter Bindung an die ausgesprochene Rechtsansicht aufzutragen.

Anmerkung

E06556

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00027.85.1003.000

Dokumentnummer

JJT_19851003_OGH0002_0060OB00027_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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