Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Vormundschaftssache des mj.Christopher Anton A, geb.am 23.6.1982, Langen am Arlberg Nr.24, infolge Revisionsrekurses der Bezirkshauptmannschaft B gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 16.Juli 1985, GZ.1 b R 174/85-27, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bludenz vom 14.Juni 1985, GZ. P 158/84-24, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der am 23.6.1982 geborene Christopher Anton A, ein
uneheliches Kinder der Barbara C, geb.A, und des Johann D, wird sei Anfang Oktober 1983 mit dem Einverständnis der Mutter von seinen väterlichen Großeltern in E AM F
betreut. Amtsvormund des Kindes ist die Bezirkshauptmannschaft B. Der Antrag des Vaters vom 14.10.1983, ON 1, ihn zum Vormund des Kindes zu bestellen, wurde mit Beschluß vom 10.5.1984, ON 5, abgewiesen; ein vom Vater dagegen erhobener Rekurs blieb erfolglos (ON 9).
Mit dem am 4.12.1984 eingelangten Schriftsatz ON 15 beantragte der Vater, 'festzustellen', daß ihm 'die elterlichen Rechte und Pflichten auf Pflege und Erziehung gegenüber dem Minderjährigen allein zustehen'. Die Mutter sei ganztägig im Gastgewerbe auf saisonalen Arbeitsplätzen tätig und müsse deshalb ihren Aufenthaltsort oft wechseln; aus diesem Grund habe sie auch das Kind selbst den väterlichen Großeltern in Pflege übergeben. Wegen ihrer Berufstätigkeit sei die Mutter, die keine eigene Wohnung habe, auch nicht in der Lage, das Kind in eigene Pflege zu übernehmen. Die Mutter stellte dem gegenüber am 4.12.1984 den Antrag, sie zum Vormund ihres Kindes zu bestellen und ihr bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag ein Besuchsrecht in der Weise einzuräumen, daß sie ihr Kind jeweils am vierten Wochenende im Monat von Samstag, 14 Uhr, bis Sonntag, 18 Uhr, zu sich nehmen könne. Sie habe seit April 1984 einen festen Wohnsitz im G und bewohne mit ihrem Lebensgefährten eine Zweizimmerwohnung. In der Zeit ihrer berufsbedingten Abwesenheit könnte die Mutter ihres zukünftigen Mannes das Kind betreuen (ON 17). Der Amtsvormund beantragte in einem am 19.4.1985 eingelangten Bericht, der Mutter die elterlichen Rechte zu entziehen und diese dem Vater zuzuerkennen. Die Mutter habe mit ihrem Kind - das bisher überwiegend im Haushalt des Vaters und der väterlichen Großeltern gelebt habe und sich seit 1.10.1983 ununterbrochen dort aufhalte - schon ein halbes Jahr keinen persönlichen Kontakt mehr gehabt. Die Schwiegermutter der Mutter - die Mutter sei seit 1.2.1985 mit Stefan C verheiratet - sei nicht bereit, deren Kind in ihren Haushalt aufzunehmen. Der Vater und die väterlichen Großeltern befürchteten, die Mutter werde das Kind gewaltsam aus ihrem Haushalt herausreißen und in Eigenpflege nehmen, wenn ihr die elterlichen Rechte nach wie vor zustehen.
über die Anträge des Vaters, des Amtsvormundes und der Mutter, sie zum Vormund des Kindes zu bestellen, wurde bisher nicht entschieden.
Mit Beschluß vom 14.6.1985, ON 24, regelte das Erstgericht die Besuchsausübung der Mutter gegenüber ihrem Kind in der Weise, daß sie berechtigt sei, das Kind an jedem vierten Montag im Monat um 9 Uhr abzuholen, und es um 17 Uhr wieder zurückzubringen habe. Die zweite Instanz gab dem vom Amtsvormund - der eine zeitliche Einschränkung des Besuchsrechtes auf die Zeit von 14 bis 17 Uhr und dessen Ausübung nur unter Aufsicht der väterlichen Großeltern oder des Vaters anstrebt - dagegen erhobenen Rekurs nicht Folge. In der Begründung seiner Entscheidung führte das Rekursgericht aus, daß der unehelichen Mutter die Pflege und Erziehung ihres Kindes gemäß § 170 ABGB nach wie vor allein zustehe. Ein Besuchsrecht komme grundsätzlich nur für den nicht pflege- und erziehungsberechtigten Elternteil in Betracht. Da jedoch die Mutter das Kind den väterlichen Großeltern zur Pflege überlassen habe, sei eine Regelung des Besuchsrechtes für die Mutter möglich. Oberster Grundsatz jeder Besuchsrechtsregelung sei das Wohl und Interesse des Kindes. Im Konfliktsfall sei dem Kindeswohl gegenüber dem Recht des Elternteils auf Besuchsrechtsausübung der Vorzug zu geben. Die bloße Besorgnis, die Mutter könnte das Kind nicht mehr zurückbringen, rechtfertige nicht die angestrebte Einschränkung des mütterlichen Besuchssrechts. Die Ausübung des Besuchsrechts habe grundsätzlich nicht in Anwesenheit des anderen Elternteils, der Pflegeeltern oder einer dem Kind vertrauten Bezugsperson stattzufinden. Interesselosigkeit an dem Kind, weil sie dieses nur selten besuche, könne der Mutter wegen der großen Entfernung ihres Wohnortes - zunächst H, I, seit April 1984 J IM G - vom Aufenthaltsort
des Kindes nicht vorgeworfen werden.
Die Bezirskhauptmannschaft B bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit ao.Revisionsrekurs und stellt neuerlich den Antrag, das Besuchsrecht der Mutter in der Weise einzuschränken, daß diese (nur) berechtigt sei, das Kind an jedem vierten Montag im Monat von 14 bis 17 Uhr unter der Aufsicht der väterlichen Großeltern oder des Vaters in deren Haushalt zu besuchen. Geltend gemacht wird Nullität und offenbare Gesetzwidrigkeit, da das Grundprinzip des Kindeswohls verletzt worden sei. Die derzeitigen Pflege- und Erziehungsverhältnisse des Kindes bei den väterlichen Großeltern entsprächen vom fürsorgerischen Standpunkt in jeder Hinsicht. Bei der Besuchsrechtsregelung durch die Vorinstanzen bestehe die Gefahr, daß die Mutter nach Ausübung des Besuchsrechtes das Kind nicht mehr zurückbringe. Die Mutter sei jedoch auf Grund ihrer persönlichen Verhältnisse offenbar nicht in der Lage, das Kind selbst zu pflegen und zu erziehen. Unter den gegebenen Voraussetzungen hätte das Erstgericht vorerst die Entscheidung treffen müssen, ob der Mutter Pflege und Erziehung gegenüber ihrem Kind entzogen und dem Vater übertragen wird.
Rechtliche Beurteilung
Ein Rekursgrund im Sinne des § 16 AußStrG liegt jedoch nicht vor.
Festzuhalten ist, daß nach § 170, erster Satz, ABGB die Pflege und Erziehung eines unehelichen Kindes zunächst der Mutter allein zustehen. Der Umstand, daß Barbara C die Pflege und Erziehung des Kindes seit Oktober 1983 nicht selbst besorgt, sondern sie den väterlichen Großeltern überlassen hat, vermag daran nichts zu ändern. Das Gesetz schließt nirgends aus, daß sich die nach § 170 ABGB primär zur Erziehung und Pflege des unehelichen Kindes berufene Mutter hiezu der Hilfe dritter Personen bedienen darf. Es steht der Mutter vielmehr durchaus frei, Pflege und Erziehung des Kindes anderen Personen zu überlassen (EFSlg 35.982, 31.344 ua). Daß Barbara C in der Weise des § 145 Abs 1 ABGB betroffen wäre, so daß diese Rechte dem Vater des Kindes zustünden (§ 170, zweiter Satz, ABGB), wurde nicht behauptet und ist nach der Aktenlage auch nicht der Fall.
Nach den §§ 166, 148 Abs 1 ABGB hat jener Elternteil, dem nicht die Pflege und Erziehung des mj.Kindes zustehen, doch das Recht, mit dem Kind persönlich zu verkehren ('Besuchsrecht'). Barbara C bedürfte daher an sich keiner Besuchsrechtsregelung, da sie jederzeit berechtigt wäre, das Kind wieder in ihre eigene Pflege und Erziehung zu übernehmen. Macht sie von diesem Recht nicht Gebrauch, weil sie wegen der bestehenden Widerstände gegen eine Zurückstellung des Kindes in ihre Pflege und Erziehung die Entscheidung über die noch offenen Anträge - insbesondere auch des Vaters und des Amtsvormundes auf übertragung der Pflege und Erziehung des Kindes an den Vater - abwarten möchte (vgl. hiezu die Angaben der Mutter AS 73), ist ihr doch schon wegen der genannten Widerstände die Befugnis einzuräumen, eine Entscheidung des Gerichts darüber zu verlangen, wann sie - unbeschadet der ihr zustehenden Pflege und Erziehung - ihr Recht auf persönlichen Verkehr mit dem Kind ausüben darf.
Die Entscheidung über das Ausmaß des Besuchsrechtes ist eine Ermessensentscheidung (EFSlg 44.666 ua), deren oberster Grundsatz das Wohl und das Interesse des Kindes ist (EFSlg 43.222 ua). Offenbare Gesetzwidrigkeit kann bei einer Ermessensentscheidung schon begrifflich nicht vorliegen, außer die Entscheidung verstößt gegen eine klare Gesetzeslage oder gegen die Grundprinzipien des Rechts oder sie ist ganz willkürlich und mißbräuchlich (EFSlg 44.666, 39.836 ua). Ein solches Grundprinzip ist im Pflegschaftsverfahren die Außerachtlassung des Wohles des pflegebefohlenen Kindes (EFSlg 39.836 ua). Das Rekursgericht hat bei seiner Entscheidung, wie in dem Rechtsmittel des Amtsvormundes gar nicht verkannt wird, auf das Wohl des Kindes ausdrücklich und ausführlich Bedacht genommen. Keine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt vor, wenn - wie die Rekurswerberin offensichtlich vermeint - nicht alle Umstände des Einzelfalls gebührend berücksichtigt worden sind (EFSlg 39.808, 37.380 ua).
Offenbare Gesetzwidrigkeit ist daher nicht gegeben. Als Nichtigkeitsgründe gelten nach der Rechtsprechung auch im Außerstreitverfahren die Nichtigkeitsgründe der Zivilprozeßordnung, soweit sie dafür in Betracht kommen können (SZ 45/50 ua); Verfahrensverstöße begründen Nichtigkeit dann, wenn sie von einschneidender Bedeutung sind (EvBl 1982/120).
Die Mutter hat die Regelung ihres Rechts auf persönlichen Verkehr mit dem Kind ausdrücklich für die Zeit bis zur Entscheidung über die anderen Anträge - auf Bestellung ihrer Person zum Vormund ihres Kindes bzw. auf übertragung des Rechts auf Pflege und Erziehung auf den Vater - begehrt. Eine vorläufige Regelung war daher der erklärte Zweck des Antrages. In dem Umstand, daß von den Vorinstanzen tatsächlich zunächst über diesen Antrag entschieden wurde, kann dementsprechend kein Verfahrensverstoß - umsoweniger ein solcher von einschneidender Bedeutung - gefunden werden. Der Revisionsrekurs war damit als unzulässig zurückzuweisen.
Anmerkung
E06753European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00624.85.1003.000Dokumentnummer
JJT_19851003_OGH0002_0070OB00624_8500000_000