TE OGH 1985/10/8 10Os117/85

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Veröffentlicht am 08.10.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Oktober 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stupka als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rudolf A wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach den § 127 Abs 1, Abs 2 Z. 3, 128 Abs 1 Z. 4 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Rudolf A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Juli 1985, GZ 13 Vr 1191/85-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, und des Verteidigers Dr. Laimer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, der Angeklagte habe das ihm zur Last gelegte Vergehen des Diebstahls teils unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit geschaffen worden ist, zum Nachteil des Auftraggebers begangen und in der darauf beruhenden Unterstellung des Diebstahls auch unter § 127 Abs 2 Z. 3 StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben. Unter Ausschaltung der umschriebenen Qualifikation wird gemäß § 288 Abs 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Rudolf A wird für das aufrecht bleibende Vergehen des Diebstahls nach § 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 4 StGB nach § 128 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von

11 (elf) Monaten

verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung

verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Rudolf

A des Vergehens des schweren Diebstahls nach § 127 Abs 1, Abs 2 Z. 3, 128 Abs 1 Z. 4 StGB schuldig erkannt. Darnach liegt ihm zur Last, am 4.März 1985 in Graz fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er teilweise (im Faktum 1) unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit geschaffen wurde, zum Nachteil des Auftraggebers handelte, und zwar

1.)

Berechtigten der Firma B AG. 190 S Bargeld,

2.)

der Andrea C eine Handtasche im Wert von 2.000 S mit 6.500 S Bargeld, einer goldenen Halskette im Wert von 15.000 S, einem Pfandschein im Wert von 3.500 S, einem Schlüsselbund nicht näher bekannten Wertes, einer Toilettentasche samt Inhalt im Wert von 400 S, einem Feuerzeug der Marke Dupont im Wert von 3.000 S sowie 5 Packungen Zigaretten der Marke Marlboro im Wert von 175 S (als Inhalt).

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft mit seiner auf § 281 Abs 1 Z. 5, 9 (lit a) und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde lediglich die Feststellung des Umfanges der Diebsbeute im Urteilsfaktum 2 (soweit er nicht von ihm zugegeben wurde), wobei er (insoweit inkonsequent) in seinem Rechtsmittelantrag in erster Linie einen gänzlichen Freispruch in diesem Urteilsfaktum anstrebt. Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z. 5) stellte das Erstgericht in den Entscheidungsgründen nicht nur den Schadensbetrag in der Höhe von 30.375 S fest, sondern auch mit hinreichender Deutlichkeit, welche Gegenstände zur Diebsbeute geworden waren. Es gab nämlich die Aufzählung in der Anzeige der Geschädigten wieder und erachtete diese Angaben beweiswürdigend als glaubhaft (US. 3 verso).

Das weitere Vorbringen der Mängelrüge, es läge keine Tatsachengrundlage für die Feststellung vor, welche Sachen die Diebsbeute bildeten, weil in der Hauptverhandlung 'keine wie immer gearteten Beweise zum Inhalt der Handtasche aufgenommen worden' seien, geht daran vorbei, daß nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls gemäß § 252 Abs 2 StPO die Anzeige ON 2 verlesen wurde (S. 84), in der sich die Angaben der Geschädigten über die ihr gestohlenen Gegenstände finden (S. 17, 18). Die Frage, ob diese nicht in Form einer Niederschrift, sondern 'sinngemäß' festgehaltenen Angaben auch als Vernehmungsprotokoll im Sinn des § 252 Abs 1 Z. 1 StPO angesehen werden können, kann vorliegend auf sich beruhen. Denn durch die Verlesung der Anzeige wurden diese Angaben jedenfalls in die Hauptverhandlung eingeführt und konnten vom Schöffengericht als Urteilsgrundlage verwertet werden (§ 258 Abs 1 StPO).

Soweit die Rechtsrüge des Angeklagten von der 'nicht zu widerlegenden Verantwortung' des Angeklagten ausgeht, er habe von den wertvollen Gegenständen in der Handtasche nichts gewußt und daher insoweit keinen 'Wegnahme- und Zueignungsvorsatz' gehabt, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt. Sie verläßt nämlich die gegenteiligen Urteilsfeststellungen und übergeht, daß das Erstgericht die Verantwortung des Angeklagten, er habe aus der gestohlenen Handtasche lediglich 500 S und 4 Packungen Zigaretten entnommen, (mit zureichender und lebensnaher Begründung) als unglaubwürdig ablehnte (US. 4 und 4 verso).

Gesetzmäßig ausgeführt ist die Rechtsrüge, soweit vorgebracht wird, ein Pfandschein sei 'nicht grundsätzlich ein geeignetes Objekt für einen Diebstahl'. Sie ist indes unberechtigt.

Pfandscheine sind nämlich nach herrschender Lehre und Rechtsprechung diebstahlsfähige Gegenstände (SSt. 40/29; Leukauf-Steininger Komm. z. StGB 2 RN. 5 g zu § 127; Kienapfel BT. II RN. 30 zu § 127 u.a.). Daß der bestohlene eine Sperre des gestohlenen Pfandscheines veranlassen und damit unter Umständen dessen Verwertung verhindern kann, ändert nichts an seiner Wertträgereigenschaft im allein maßgeblichen Zeitpunkt des Diebstahls.

Eine Feststellung dagegen, daß der Pfandschein bereits zu diesem Zeitpunkt gesperrt gewesen sei, war durch kein Verfahrensergebnis indiziert; der Aktenlage ist vielmehr sogar im Gegenteil zu entnehmen, daß der Pfandschein erst im Zug der sicherheitsbehördlichen Erhebungen gesperrt wurde (S. 47). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Anläßlich der Nichtigkeitsbeschwerde mußte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugen, daß das erstgerichtliche Urteil mit einer materiellrechtlichen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z. 10 StPO) behaftet ist.

Der in Punkt 1 des Urteilsspruches umschriebene diebische Angriff wurde dem § 127 Abs 2 Z. 3 StGB unterstellt. Hiezu fehlt es aber an den erforderlichen Feststellungen in den Entscheidungsgründen.

Ein - hier im Freigang (§ 126 Abs 3 StVG.)

arbeitender - Strafgefangener kann allerdings entgegen einer in der Lehre vertretenen Ansicht (Bertel WK. RZ. 69 zu § 127 StGB, Kienapfel BT. II RN. 295 zu § 127 StGB) einen Diebstahl unter den Qualifikationsbedingungen des § 127 Abs 2 Z. 3 StGB begehen. Die Bestimmung des § 176 II lit a und b StG. 1945 handelte (nur) von Dienstleuten, Dienstgebern, Gewerbsleuten, Gehilfen, Lehrjungen und Taglöhnern. Daraus war freilich abzuleiten, daß es auf ein (wesensnotwendig freiwillig eingegangenes) Arbeitsverhältnis privatrechtlichen Charakters ankam (SSt. 40/33) und eine aus einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis erfließenden Dienstpflicht, wie etwa ein militärisches Dienstverhältnis zur Begründung dieser Qualifikation nicht heranzuziehen war (SSt. 1/78).

Eine derartige Beschränkung auf ein Verhältnis privatrechtlichen Charakters läßt sich jedoch aus dem nunmehr im § 127 Abs 2 Z. 3 StGB verwendeten Begriff der aufgetragenen Arbeit, der eine Ausweitung gegenüber der erwähnten Vorgängerbestimmung darstellt (vgl. Laich, Dienstdiebstahl, ÖJZ. 1976, 388), nicht mehr ableiten. Dementsprechend unterfällt auch der durch einen Beamten verübte (nicht als Mißbrauch der Amtsgewalt zu beurteilende) Diebstahl an seinem Dienstgeber dieser Bestimmung (Leukauf-Steininger 2 , RN. 89 zu § 127 StGB, Bertel WK. RZ. 73 zu § 127 StGB, Laich a.a.O. S. 389; a.M. Kienapfel BT. II RN. 296 zu § 127 StGB). Ebensowenig läßt sich der nunmehrigen Gesetzeslage eine Beschränkung auf die (beim privatrechtlichen Dienstverhältnis wesensnotwendige) Freiwilligkeit der Aufnahme des Arbeitsverhältnisses und eine Ausklammerung jener Arbeit, die auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung erfüllt wird, entnehmen. Der Gesetzeswortlaut ('aufgetragene Arbeit' im Gegensatz zum früher verwendeten Begriff 'bedungene' Arbeit) bietet dafür keinen Anhaltspunkt. Die in den Gesetzesmaterialien (Dok. S. 158) enthaltene Bezugnahme auf Gewerbebetriebe ist bloß demonstrativer Art. Zweck dieser Bestimmung aber ist erklärtermaßen, die Ausnützung der besonderen Gelegenheit beim Diebstahl und die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit einer Abwehr des diebischen Angriffs unter erhöhte Strafsanktion zu stellen (Dok. S. 158). Gerade diese Kriterien treffen auf einen - im Freigang arbeitenden - Strafgefangenen in gleicher Weise zu wie auf einen neben ihm auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages arbeitenden Dienstnehmer. Ein Grund für eine Privilegierung des Strafgefangenen wäre nicht einzusehen.

Dem erstgerichtlichen Urteil sind jedoch Feststellungen dahin nicht zu entnehmen, ob das vom Angeklagten in der Betriebsstätte der B AG. gestohlene Geld im Eigentum des Auftraggebers oder eines Angehörigen (aus dem Personenkreis des § 72 StGB) stand. Schon aus diesem Grund war eine Aufhebung des Ausspruches, der Angeklagte habe das ihm zur Last gelegte Vergehen des Diebstahls teils unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit geschaffen worden ist, zum Nachteil des Auftraggebers begangen und der darauf beruhenden Unterstellung des Diebstahls auch unter § 127 Abs 2 Z. 3 StGB erforderlich.

Eine Feststellung der zuletzt bezeichneten Art könnte in einem erneuerten Verfahren ersichtlich nicht getroffen werden, denn nach den in der Anzeige enthaltenen Bekundungen des Abteilungsleiters der B AG. Magister D und der Angestellten E (S. 22)

handelte es sich bei der Diebsbeute um 'Privatgeld', somit Eigentum der Letztgenannten. Aus diesem Grunde erkannte der Oberste Gerichtshof sogleich in der Sache selbst und schaltete die Qualifikation des § 127 Abs 2 Z. 3 StGB aus dem erstgerichtlichen Urteil aus.

Bei dieser Sachlage war ein Eingehen auf die weitere Frage, ob der Angeklagte beim Diebstahl in den Räumlichkeiten der B AG. zudem unter Ausnützung einer Gelegenheit handelte, die durch die ihm aufgetragene Arbeit geschaffen wurde - wozu Feststellungen fehlen, die eine abschließende Beurteilung ermöglichen könnten - nicht mehr erforderlich.

Bei der Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten und einen überaus raschen Rückfall (sogar noch während der Verbüßung einer wegen Diebstahls verhängten Freiheitsstrafe), als mildernd dagegen das Teilgeständnis des Angeklagten.

Eine drückende Notlage kann entgegen dem Begehren des Angeklagten in seiner Berufung - mit der er auf die Neubemessung der Strafe zu verweisen war - nicht als mildernd angesehen werden, weil er diese selbst erst durch seine rechtswidrige Flucht geschaffen hatte. Auch von einer verlockenden Gelegenheit (beim Diebstahl der Handtasche samt Inhalt) kann nicht gesprochen werden, hatte doch die Kellnerin Andrea C, die eben erst ihren Dienst angetreten hatte und demgemäß mit den Lokalitäten noch nicht vertraut war, die Handtasche an ihrem Arbeitsplatz abgestellt (S. 18).

Ausgehend von den festgestellten Strafzumessungsgründen erschien dem Obersten Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in der Dauer von elf Monaten als der Schuld des Täters und dem Unrechtsgehalt der Taten angemessen; mit einer geringfügigen Reduktion des Strafausmaßes gegenüber dem erstgerichtlichen Urteil wird auch dem Wegfall einer Qualifikation in hinreichendem Maß Rechnung getragen.

Anmerkung

E06770

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00117.85.1008.000

Dokumentnummer

JJT_19851008_OGH0002_0100OS00117_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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