TE OGH 1985/10/8 10Os127/85 (10Os128/85)

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Veröffentlicht am 08.10.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Oktober 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner (Berichterstatter), Dr. Friedrich, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stupka als Schriftführerin in der Strafsache gegen Harald A wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z. 2, Abs. 3 StGB. über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 24. Jänner 1983, GZ. 12 a Vr 1465/80-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschlußfassung des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 24. Jänner 1983, GZ. 12 a Vr 1465/80-19, durch den Vorsitzenden des Schöffensenates allein verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 13 Abs. 3, 495 Abs. 1 StPO.

Dieser Beschluß wird hinsichtlich des darin enthaltenen Ausspruchs über die Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre aufgehoben, ebenso alle auf diesem Ausspruch beruhenden Beschlüsse und Verfügungen, darunter auch der Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 30.August 1985, GZ. 12 a Vr 1465/80-27. Die Anträge der Staatsanwaltschaft vom 5.Oktober 1982 auf Verlängerung der Probezeit und vom 18.Juli 1985 auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht werden abgewiesen; die über Harald A mit dem Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 9.April 1981, GZ. 12 a Vr 1465/80-10, verhängte Freiheitsstrafe wird endgültig nachgesehen.

Mit seiner Beschwerde gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 30.August 1985, GZ. 12 a Vr 1485/80-27, wird der Verurteilte A auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 9.April 1981, GZ. 12 a Vr 1465/80-10, wurde Harald A des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z. 2, Abs. 3 StGB. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten verurteilt, die gemäß § 43 Abs. 1 StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit der Strafverfügung des Bezirksgerichtes Baden vom 9. März 1982, AZ. U 471/82, wurde er sodann wegen eines während der Probezeit begangenen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. zu einer Geldstrafe verurteilt.

Hierauf wurde vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes (allein) der Beschluß vom 24.Jänner 1983, GZ. 12 a Vr 1465/80-19, gefaßt, vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht abzusehen, gleichzeitig jedoch - entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft - gemäß § 53 Abs. 2 StGB. die Probezeit auf 5 Jahre zu verlängern. Dabei blieb es auch nach der weiteren Verurteilung des Harald A vom 21. März 1984 durch das Strafbezirksgericht Wien zum AZ. 11 U 425/84 wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 2 StGB. zu einer Geldstrafe.

Nachdem Harald A mit dem Urteil des Geschwornengerichts beim Kreisgericht Wiener Neustadt vom 22.April 1985, GZ. 12 a Vr 184/85-43, wegen Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB. (Tatzeit: 6.Februar 1985) zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war, wurde mit dem Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 30.August 1985, GZ. 12 a Vr 1465/80-27, die bedingte Nachsicht der über Harald A mit dem eingangs zitierten Urteil verhängte Freiheitsstrafe widerrufen. Gegen diesen Beschluß erhob der Verurteilte Beschwerde, über die noch nicht entschieden wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 24. Jänner 1983 steht mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil er nicht von einem gemäß § 13 Abs. 3 StPO. zusammengesetzten Senat gefaßt wurde, obwohl nach dieser Vorschrift in allen Fällen, in denen außerhalb der Hauptverhandlung ein Beschluß zu fassen ist, die Gerichtshöfe erster Instanz, wenn die Entscheidung nicht ausdrücklich dem Vorsitzenden anheimgegeben wird, durch einen Senat von drei Richtern zu entscheiden haben, und § 495 Abs. 1 StPO. die Beschlußfassung des Gerichtes über den Widerruf einer bedingten Nachsicht (somit auch über ein Absehen vom Widerruf unter gleichzeitiger Verlängerung der Probezeit) in nichtöffentlicher Sitzung und mithin die Entscheidung eines Kollegialorgans, nämlich des Drei-Richter-Senates verlangt.

Dieser Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift bewirkte, daß der Verurteilte seinem gesetzlichen Richter, dem funktionell zuständigen nach § 13 Abs. 3 StPO. zusammengesetzten Senat entzogen wurde, der auch gemäß § 51 Abs. 1 StGB. im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens die Möglichkeit gehabt hätte, insofern zu einer für den Verurteilten noch günstigeren Entscheidung zu gelangen, als nicht nur vom Widerruf, sondern allenfalls auch von einer Verlängerung der Probezeit gemäß § 53 Abs. 2 StGB. hätte Abstand genommen werden können. Schon das Bestehen einer solchen Möglichkeit bedeutet aber, daß dem Verurteilten aus der gesetzwidrigen Beschlußfassung durch den Vorsitzenden des Schöffensenates allein ein Nachteil erwachsen sein konnte.

Die aufgezeigte Gesetzesverletzung war festzustellen und dieser Feststellung darüber hinaus die aus dem Spruch ersichtliche konkrete Wirkung zuzuerkennen, weil nach dem mittlerweiligen Ablauf der Probezeit (von drei Jahren) die Möglichkeit eines Widerrufes der bedingten Strafnachsicht entfällt (vgl. EvBl. 1980/197; 9 Os 5,6/82, 12 Os 51/85).

Diese konkrete Wirkung erstreckt sich insbesondere auch auf den (durch einen Senat gefaßten) Widerrufsbeschluß vom 30.August 1985, GZ. 12 a Vr 1465/80-27, der ohne die - gesetzwidrig zustandegekommene - Verlängerung der Probezeit nicht Bestand haben kann.

Der Verurteilte war mit seiner Beschwerde gegen den letztgenannten Beschluß auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E06591

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00127.85.1008.000

Dokumentnummer

JJT_19851008_OGH0002_0100OS00127_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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