Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Werner Alois A, geboren am 28.12.1948 in Jenbach, Angestellter, Erlangerstraße 63, D 8501 Fürth, vertreten durch Dr.Richard Wandl, Rechtsanwalt in St.Pölten, wider die beklagte Partei Adelheid A, geborene B, geboren am 26.11.1950 in Annaberg, Private, Auhofsiedlung 1, 3160 Traisen, vertreten durch Elfriede B, Hausfrau, ebendort, als Prozeßkurator, diese vertreten durch Dr.Stefan Gloß, Rechtsanwalt in St.Pölten, wegen Ehescheidung, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 26.April 1985, GZ.13 R 61/85-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes St.Pölten vom 28.Dezember 1984, GZ.6 Cg 50/84-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision der Klägerin wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, verworfen.
Im übrigen wird beiden Revisionen nicht Folge gegeben. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte mit der am 15.4.1981 zu 6 Cg 185/81 (= 6 Cg 387/83) des Erstgerichtes eingebrachten Klage die Ehescheidung gemäß § 55 Abs 3 EheG. Die Beklagte beantragte, das Verschulden des Klägers an der Ehezerrüttung auszusprechen. Nach Erstattung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, aus welchem sich eine Geisteskrankheit der Beklagten ergab, erklärte der Kläger in der Verhandlungstagsatzung vom 29.11.1982, er werde eine auf § 51 EheG gestützte Scheidungsklage einbringen, worauf die Streitteile Ruhen des Verfahrens vereinbarten.
Am 14.3.1983 überreichte der Kläger zu 6 Cg 125/83 des Erstgerichtes die Klage auf Ehescheidung gemäß § 51 EheG. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, hilfsweise begehrte sie das Verschulden des Beklagten gemäß § 61 Abs 2 EheG festzustellen.
Mit einem als Zwischenurteil bezeichneten Urteil vom 18.4.1983, ON 6, schied das Erstgericht die Ehe und behielt den Ausspruch über das Verschulden einem Endurteil vor. Die Beklagte bekämpfte dieses Urteil mit Berufung und beantragte gleichzeitig die Fortsetzung des auf § 55 Abs 3 EheG gestützten Verfahrens. Das Berufungsgericht verwarf die mit Streitanhängigkeit begründete Nichtigkeitsberufung, gab der Berufung aber im übrigen Folge und hob das Ersturteil auf. Das Erstgericht verband sodann die beiden Ehescheidungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung, schied die Ehe gemäß § 55 Abs 3 EheG und stellte das Verschulden des Klägers nach § 61 Abs 3 EheG fest.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung des Klägers, soweit darin Nichtigkeit geltend gemacht wurde, gab ihr im übrigen aber teilweise dahin Folge, daß die Ehe gemäß § 51 EheG geschieden und ausgesprochen wurde, daß den Kläger ein Verschulden treffe. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen beider Parteien. Der Kläger macht die Revisionsgründe des § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß kein Verschulden seinerseits festgestellt werde. Die Beklagte macht Nichtigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt die Wiederherstellung des Ersturteiles. Hilfsweise stellen beide Parteien einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
1.) Zur Revision wegen Nichtigkeit:
Die Beklagte macht geltend, der auf § 51 EheG gegründeten Scheidungsklage stehe die bereits vorher eingebrachte, auf § 55 Abs 3 EheG gestützte Klage entgegen. Diese Ausführungen sind schon deshalb nicht berechtigt, weil die Beklagte mit derselben Begründung bereits das Ersturteil mit Nichtigkeitsberufung bekämpft hatte und das Berufungsgericht den Nichtigkeitsgrund verneinte (vgl. Fasching, Zivilprozeßrecht, RdZ 1905). Der Beschluß des Berufungsgerichtes über die Verwerfung der Nichtigkeitsberufung kann gemäß § 519 ZPO nicht bekämpft werden (Fasching, a.a.O., RdZ 1979; SZ 24/115 uva).
2.) Zur Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung:
Die Revisionswerberin vertritt die Ansicht, es wäre primär über das auf § 55 Abs 3 EheG gestützte Begehren zu entscheiden gewesen. Der Kläger habe dieses Begehren zuerst gestellt, woraus abzuleiten sei, daß er primär die Ehescheidung darüber begehre und das spätere Begehren nur ein Eventualbegehren sei. Zunächst wäre daher über sein Hauptbegehren zu entscheiden gewesen. Die Beklagte habe durch ihren Fortsetzungsantrag zu erkennen gegeben, daß sie primär eine Sachentscheidung über das zunächst gestellte Begehren anstrebe. Selbst wenn man aber auf dem Standpunkt stehe, der Kläger habe kein Reihung seiner Begehren vorgenommen, sei zu berücksichtigten, daß Verschuldensgründe vor anderen Gründen Vorrang hätten. Der Zerrüttungstatbestand des § 55 EheG stehe jedenfalls einem Verschuldenstatbestand näher als der in keiner Weise auf ein Verschulden oder eine Zerrüttung abstellende § 51 EheG. Daher wäre zunächst über das Begehren nach § 55 Abs 3 EheG abzusprechen gewesen. Die Beklagte habe die Abweisung der Klage beantragt und dadurch zu erkennen gegeben, daß sie die für sie günstigste Lösung auch in unterhaltsrechtlicher Konsequenz anstrebe. Sie sei auf Grund ihrer Krankheit das schutzwürdigere Rechtssubjekt. Durch die vom Berufungsgericht vorgenommene Scheidung nach § 51 EheG werde sie 'diskriminiert' und schlechter gestellt.
Diesen Ausführungen kann nicht beigetreten werden. Macht der Kläger mehrere Scheidungsgründe geltend, dann kann er eine Reihung vornehmen, an die das Gericht gebunden ist (vgl. Pichler in Rummel, ABGB, RdZ 3 zu § 46 EheG). Im vorliegenden Fall brachte der Kläger zunächst die auf § 55 Abs 3 EheG gestützte Klage ein, erklärte jedoch später, er werde eine Klage nach § 51 EheG einbringen und vereinbarte im zuerst eingeleiteten Scheidungsverfahren Ruhen. In der Folge brachte er tatsächlich die auf § 51 EheG gestützte Klage ein und stellte im früher eingeleiteten Ehescheidungsverfahren keinen Fortsetzungsantrag. Damit brachte er eindeutig zum Ausdruck, daß er primär die Ehescheidung nach § 51 EheG anstrebe, nicht aber eine Entscheidung in dem auf Antrag der Beklagten fortgesetzten Scheidungsverfahren nach § 55 Abs 3 EheG. Zutreffend erkannte das Berufungsgericht daher über das auf § 51 EheG gestützte Klagebegehren.
Daß die Voraussetzungen für eine Scheidung nach dieser Gesetzesstelle vorliegen, bestreitet die Klägerin ebensowenig, wie das Nichtvorliegen eines Anwendungsfalls der Härteklausel des § 54 EheG. Dies kann auch nicht zweifelhaft sein, da feststeht, daß die Geisteskrankheit der Beklagten (paranoide Schizophrenie) eine geistige Gemeinschaft zwischen den Parteien nicht mehr zuläßt, eine Wiederherstellung einer solchen Gemeinschaft nicht zu erwarten ist, das Verhalten des Klägers die Krankheit der Beklagten nicht verursacht hat und durch eine Ehescheidung die Gemütsverfassung und der Gesundheitszustand der Beklagten mit größter Wahrscheinlichkeit nicht beeinträchtigt werden.
Der Revision der Beklagten war daher ein Erfolg zu versagen.
3.) Zur Revision des Klägers:
Das Berufungsgericht begründete den Verschuldensausspruch damit, der Kläger habe sich seit 1976 um die Beklagte nicht mehr gekümmert, er sei seiner in einem Vergleich übernommenen Unterhaltspflicht nur teilweise und später überhaupt nicht mehr nachgekommen. Diese schweren Eheverfehlungen des Klägers seien nicht durch ein der Beklagten auch nur irgendwie anlastbares Verhalten ausgelöst worden. Der Revisionswerber bestreitet nicht, nur teilweise bzw. gar nicht Unterhalt geleistet zu haben, versucht aber mit den Revisionsausführungen zu § 503 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO darzutun, daß ihm auf Grund seiner ungünstigen finanziellen Situation Unterhaltsleistungen nicht möglich gewesen seien. Damit wendet er sich aber in unzulässiger Weise gegen die Feststellungen des Erstgerichtes, nach welchen er wegen der von der Beklagten geführten Gehaltsexekution seinen Arbeitsplatz aufgab, woraus das Erstgericht auf seine Zahlungsunwilligkeit schloß. Auf die Revisionsausführungen, der Kläger habe seinen Arbeitsplatz unverschuldet verloren, ist daher nicht weiter einzugehen. Zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führt der Kläger aus, sein Verhalten habe nur eine Reaktion auf das Verhalten der Beklagten dargestellt. Es sei unbillig, der Beklagten auf Grund ihrer Geisteskrankheit keinerlei subjektives Verschulden anzulasten.
Dem ist entgegenzuhalten, daß die Beklagte, wie sich nachträglich herausstellte, schon zur Zeit der Eheschließung an einer Geisteskrankheit litt. Der vom Kläger angeführte Umstand, sie sei nicht mit ihm nach Deutschland gezogen, wo er bessere Verdienstmöglichkeiten gehabt habe, sie sei stets wieder zu ihrer Mutter zurückgekehrt, kann ihr daher nicht als Verschulden angelastet werden. Aus diesem Grund wäre der Kläger verpflichtet gewesen, der Beklagten, die auf Grund ihrer Krankheit berufsunfähig ist, Unterhalt zu leisten. Da er seiner Unterhaltspflicht schuldhaft nicht nachkam, hätte die Beklagte wegen Verschuldens des Klägers Scheidung begehren können, weshalb der Schuldausspruch gemäß § 54 Abs 2 EheG gerechtfertigt ist.
Auch der Revision des Klägers war daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO.
Anmerkung
E06628European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00616.85.1008.000Dokumentnummer
JJT_19851008_OGH0002_0020OB00616_8500000_000