Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A B, Körperschaft
öffentlichen Rechts mit dem Sitz in Lermoos, vertreten durch Dr.Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei A C, Körperschaft öffentlichen Rechts mit
dem Sitz in Biberwier, vertreten durch Dr.Josef Heis, Dr.Markus Heis, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 3.Juli 1985, GZ 6 R 160/85-9, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 16.April 1985, GZ 10 Cg 89/85-5, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung:
Die Klägerin brachte vor, sie sei Eigentümerin des sogenannten Lermooser Grubig. Der Beklagten stehe auf Teilen dieser Grundparzelle auf Grund eines Bescheides der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz ein Mitweiderecht für 30 bis 40 Galtkühe in der Zeit vom 25.7. bis 15.10. eines jeden Jahres zu. Die Beklagte habe bei der Agrarbehörde den Antrag gestellt, das Weiderecht dahin zu regulieren, daß statt der Kühe ganzjährig Schafe aufgetrieben werden dürfen. Dieser Antrag sei von der Agrarbehörde erster Instanz abgewiesen worden, das Verfahren befinde sich im Berufungsstadium. Trotzdem lasse die Beklagte auf dem Lermooser Grubig Schafe weiden, und zwar auch in einer Zeit, für die auch kein Weiderecht für Kühe bestehe, und auch auf Teilen der Liegenschaft, die überhaupt nicht mit einem Mitweiderecht belastet seien. Es werde daher beantragt, die Beklagte schuldig zu erkennen, das Beweiden des Lermooser Grubig durch Schafe zu unterlassen.
Die Beklagte beantragte, die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen, allenfalls das Klagebegehren abzuweisen. Bei dem Weiderecht auf fremdem Grund handle es sich um ein öffentliches Recht, über das nicht die Gerichte, sondern die Agrarbehörden abzusprechen hätten. überdies sei die Behauptung über das Weiden von Schafen auf dem Lermooser Grubig nicht richtig. Das Erstgericht erklärte das Verfahren für nichtig und wies die Klage zurück. Es vertrat die Ansicht, daß es sich um einen Streit über Bestand und Umfang von Nutzungsrechten bzw. um einen Streit hinsichtlich der Ausübung von Nutzungsrechten handle, über den nach § 38 des Tiroler Wald- und Weideservitutengesetzes vom 17.3.1952, LGBGl.Nr.21 (D), die Agrarbehörden zu entscheiden hätten. Der ordentliche Rechtsweg sei daher unzulässig.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteige und der Revisionsrekurs nach den §§ 528 Abs 2 und 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, bürgerliche Rechtsstreitigkeiten seien auf Grund des § 1 JN im Zweifel durch die Gerichte zu entscheiden. Für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges sei in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und der in der Klage behauptete Sachverhalt maßgebend (SZ 50/70; EvBl 1975/186; Fasching I 42 f). Es komme auf die privatrechtliche Natur des erhobenen Anspruches an. Ohne Einfluß für die Zulässigkeit des Rechtsweges sei, mit welchen Einwendungen sich der Beklagte zur Wehr setze und ob der behauptete Anspruch begründet sei (RZ 1984/18; EvBl 1976/80; SZ 47/40; EvBl 1964/10 u.a.). Es komme nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben werde, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden hätten (SZ 51/159; SZ 50/18,65 und 109 u.a.). Dies gelte auch dann, wenn dem erhobenen Anspruch eine Einwendung, die sich auf einen öffentlich-rechtlichen Titel stütze, entgegengehalten werde (RZ 1984/18; SZ 50/18; SZ 47/40 u.a.). In Anwendung dieser Grundsätze habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß mit der Eigentumsfreiheitsklage stets ein privatrechtlicher Anspruch erhoben werde, dessen Beurteilung auch dann im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen habe, wenn sich der Beklagte auf ein Recht berufe, für dessen Begründung, Inhalt und Umfang öffentlich-rechtliche Vorschriften maßgebend und hierüber Verwaltungsbehörden zur Entscheidung berufen seien (RZ 1984/18). Der Bestand eines derartigen Rechtes sei dann als Vorfrage zu prüfen und bei Bejahung des Rechtes die Negatorienklage abzuweisen. Die Entscheidungsbefugnis des Zivilgerichtes werde somit nicht dadurch ausgeschlossen, daß Vorfragen geprüft werden müssen, zu deren selbständiger Entscheidung der Zivilrichter nicht berufen wäre. Nur dort, wo das Gesetz ausdrücklich die Entscheidung über eine solche Vorfrage verwehre, müsse die Entscheidung der zuständigen Behörde eingeholt oder abgewartet werden (SZ 45/139). An der Zulässigkeit des Rechtsweges ändere aber auch eine besondere gesetzliche Verpflichtung, zunächst über die Vorfrage, die Entscheidung der zuständigen Behörde einzuholen, nichts. Liege eine solche Entscheidung noch nicht vor, so sei das Verfahren zu unterbrechen, die Entscheidung durch die zuständige Behörde abzuwarten und deren Erkenntnis der Entscheidung zugrundezulegen (RZ 1984/18). Die Einwendung der Beklagten gegen die Negatorienklage, es handle sich beim Weiderecht um ein öffentliches Recht und es werde somit auf der Grundlage des öffentlichen Rechtes das Weiderecht ausgeübt, entziehe somit die Sache nicht dem ordentlichen Rechtsweg (SZ 39/85; JBl 1962/261; SZ 9/194 u.a.). Weiderechte auf fremdem Grund und Boden gehörten zwar zu den im D geregelten Nutzungsrechten, bei welchen es sich um öffentliche Rechte handle. Nach § 38 Abs 2 D hätten die Agrarbehörden darüber zu entscheiden, ob und inwieweit eine Ablösung oder Regulierung solcher Nutzungsrechte stattfinde; die Agrarbehörden hätten weiters auch außerhalb eines Regulierungs- oder Ablösungsverfahrens mit Ausschluß des Rechtsweges über Bestand und Umfang von Nutzungsrechten, über die Frage, welche Liegenschaften berechtigt und welche verpflichtet seien, sowie über Streitigkeiten hinsichtlich der Ausübung von Nutzungsrechten, insbesondere auch über Einwendungen gegen einen Nutzungsplan für belastete Grundstücke nach § 33 D und über Beschwerden wegen Nichteinhaltung derselben zu entscheiden. Soweit im vorliegenden Verfahren solche Fragen als Vorfragen zu beurteilen seien, sei dem Gericht auf Grund der Bestimmung des § 38 D die Entscheidung über eine solche Vorfrage verwehrt und müsse die Entscheidung der Agrarbehörde eingeholt oder abgewartet werden. Dies ändere aber nichts an der privatrechtlichen Natur des mit der Klage geltend gemachten Anspruches. Die Klägerin behaupte, daß die Beklagte Teile des im Alleineigentum der Klägerin stehenden Grundes mit Schafen beweide, obwohl ihr ein Weiderecht mit Schafen nicht zustehe. Sie mache somit einen privatrechtlichen Anspruch geltend, über den die Gerichte zu entscheiden hätten. Soweit diese Entscheidung von der Vorfrage abhänge, ob und in welchem Umfang der Beklagten Nutzungsrechte im Sinne des D zustehen, werde das Gericht seinem Urteil die Entscheidung der dafür zuständigen Agrarbehörde als bindend zugrundezulegen haben. Aus dem Akt der Agrarbehörde ergebe sich überdies, daß die Agrarbehörde mit Bescheid vom 8.3.1977 gemäß § 38 Abs 2 D rechtskräftig festgestellt habe, daß zugunsten der Gemeinde Biberwier kein Schafweiderecht auf dem Grundbesitz der Klägerin bestehe. Dadurch werde jedoch die von der Klägerin erhobene Eigentumsfreiheitsklage nicht dem ordentlichen Rechtsweg entzogen. Im übrigen sei die Klage auch darauf gestützt, daß die Beklagte ihre Schafe auch auf jenen Teilen weiden lasse, welche nicht mit einem Mitweiderecht für die Beklagte belastet seien. Der Revisionsrekurs sei für zulässig zu erklären gewesen, da - soweit ersichtlich - eine neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges für Eigentumfreiheitsklage im Zusammenhang mit Nutzungsrechten nach dem D 1952 nicht vorliege. Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Die Rechtsausführungen des Rekursgerichtes, mit einer Eigentumsfreiheitsklage werde stets ein privatrechtlicher Anspruch erhoben, dessen Beurteilung auch dann im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen habe, falls sich der Beklagte auf ein Recht berufe, für dessen Begründung, Inhalt und Umfang öffentlich-rechtliche Vorschriften maßgebend und hierüber Verwaltungsbehörden zur Entscheidung berufen seien, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Da die Beklagte dagegen keine stichhaltigen Gründe anführt, genügt es, auf die Rechtsausführungen des Rekursgerichtes zu verweisen. Abgesehen von der vom Rekursgericht zitierten Judikatur wurde diese Ansicht insbesondere auch in den nichtveröffentlichten Entscheidungen 3 Ob 184/75 und 7 Ob 525/84 vertreten. Der Ansicht der Beklagten, aus § 38 Abs 2 D ergebe sich, daß die Agrarbehörde zu entscheiden habe, sodaß auch im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Zurückweisung der Klage gerechtfertigt sei, ist entgegenzuhalten, daß § 38 D keine Zuständigkeit der Agrarbehörden für Eigentumsfreiheitsklagen begründet. Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits zu 3 Ob 184/75 ausgesprochen, daß § 38 Abs 2 D der Zulässigkeit eines Begehrens auf Feststellung der Freiheit von einer Weidedienstbarkeit und einem diesbezüglichen Unterlassungsbegehren nicht entgegenstehe.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E06627European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00619.85.1008.000Dokumentnummer
JJT_19851008_OGH0002_0020OB00619_8500000_000