TE OGH 1985/10/8 2Ob609/85

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Veröffentlicht am 08.10.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin REPUBLIK ÖSTERREICH (Bundesstraßenverwaltung), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wider den Antragsgegner Ing. Horst A, Kaufmann,

Schulstraße 8, 6064 Rum, vertreten durch Dr. G. Heinz Waldmüller, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Neufestsetzung einer Enteignungsentschädigung, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 24. Mai 1985, GZ 3b R 84/85-101, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Telfs vom 4. März 1985, GZ 1 Nc 108/75-95, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Bescheid des Landeshauptmannes für Tirol vom 23.9.1974 wurden dem Antragsgegner eine Reihe von Grundparzellen zur Errichtung der Inntalautobahn im Abschnitt Anschlußstelle Zirl/West enteignet und hiefür Entschädigungsbeträge festgesetzt. Mit Bescheid vom 9.9.1975 wurden zur Errichtung der Autobahnmeisterei Zirl weitere Flächen enteignet und hiefür Entschädigungen festgesetzt. Nachdem bereits zwei Beschlüsse des Erstgerichtes über die Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung aufgehoben worden waren, hob das Rekursgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß neuerlich eine Entscheidung des Erstgerichtes über die Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung im Umfang der Anfechtung durch den Antragsgegner auf und trug dem Erstgericht auf, nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden. Das Rekursgericht führte aus, das Erstgericht sei seinem Auftrag, das Gutachten des Sachverständigen Ing. B dahin zu ergänzen, daß der Sachverständige zu den Einwendungen der Parteien zu den von ihm ermittelten Vergleichspreisen Stellung nimmt, nicht nachgekommen. Es habe einen anderen Sachverständigen, und zwar Univ.Prof.Dr. C bestellt, der auf die Einwendungen der Parteien nicht eingegangen sei. Dieser Sachverständige habe bei Beurteilung der Vergleichswerte im wesentlichen nur darauf abgestellt, ob die Grundstücke dieselbe Widmung hätten. Bei der Ermittlung der nach der Vergleichswertmethode zu eruierenden Durchschnittspreise vergleichbarer Grundstücke komme es aber nicht nur auf die gleichartige Widmung nach dem Flächenwidmungsplan an, sondern dazu noch auf eine Reihe anderer Faktoren, wie insbesondere die Erschließung zum Zeitpunkt des Verkaufes, die Lage, die Flächenform, die Grund- und Hochwassersituation, die Straßen- und Bahnnähe etc. Diese Unterschiede wären durch entsprechende Zu- und Abschläge bei den einzelnen Verkaufspreisen zu berücksichtigen, weil erst dann echte Vergleichswerte vorlägen, aus welchen sich der Durchschnittspreis ermitteln lasse. All diese bereits im früheren Aufhebungsbeschluß dargelegten Grundsätze seien vom Sachverständigen Univ.Prof.Dr. C nicht berücksichtigt worden. So habe der Antragsgegner während des gesamten Verfahrens insbesondere geltend gemacht, daß die enteigneten Grundflächen auf Grund der bestehenden Gleisanschlußmöglichkeit und ihrer günstigen Verkehrslage sowie auf Grund der Nähe zur Autobahnausfahrt und zum Bahnhof zusätzliche Vorteile aufgewiesen hätten, welche bei der Ermittlung der Vergleichspreise entsprechend zu berücksichtigen seien. Auf diese Einwendungen sei der Sachverständige Univ.Prof.Dr. C überhaupt nicht eingegangen und auch das Erstgericht habe sich damit nicht auseinandergesetzt. Dasselbe gelte auch hinsichtlich der vom Antragsgegner erhobenen Einwendung, daß einer den einem Vergleichspreis zugrundeliegenden Kaufverträge bereits ein Jahr früher abgeschlossen sei, als vom Sachverständigen angenommen. Dem Rekurswerber sei somit zuzustimmen, daß dem Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof.Dr. C, soweit es die Frage der Ermittlung der Vergleichspreise betreffe, und damit auch dem angefochtenen Beschluß, der sich auf dieses Gutachten stütze, Mängel anhaften, welche eine neuerliche Ergänzung des Verfahrens unumgänglich machen. Der Sachverständige habe sich bei Beurteilung der Frage, wie hoch die ermittelten Vergleichspreise im Zeitpunkt der Enteignung gewesen wären, statistischer Methoden bedient. Derartige Methoden seien zwar wissenschaftlich fundiert und könnten, wenn auch nur durch Beiziehung eines Statistikers, nachvollzogen werden. Dennoch bestünden gegen das Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof.Dr. C abgesehen davon, daß die Frage der Vergleichspreise noch nicht abschließend abgeklärt sei, erhebliche Bedenken, weil der Sachverständige Ing. B und der im Verwaltungsverfahren beigezogene Sachverständige zu etwa 60 % höheren Quadratmeterpreisen gelangt seien. Dies weise darauf hin, daß dies vom Sachverständigen Univ.Prof.Dr. C herangezogene statistische Methode doch nicht zur Ermittlung des Verkehrswertes der enteigneten Grundflächen zum Zeitpunkt der Erlassung des Enteignungsbescheides geeignet sei. Die vom Sachverständigen Univ.Prof.Dr. C angewandte Methode baue nur auf dem Faktor Zeit auf. Sonstige preisbildende Faktoren, wie etwa die allgemeine Wirtschaftslage, die Entwicklung des Marktes für Grundstücke in Aufschließungsgebieten für Gewerbe und Industrie etc. seien von diesem Sachverständigen offenbar nicht herangezogen worden, was wohl die Ursache dafür sei, daß die von ihm ermittelten Quadratmeterpreise weit unter denen liegen, die sich aus den Gutachten der bisher unter Festsetzung der Enteignungsentschädigung befaßten Sachverständigen ergeben. Auf Grund der doch erheblichen Unterschiede in den Ergebnissen der Gutachten werde es unvermeidlich sein, einen dritten Sachverständigen einzuschalten, der sein Schätzungsgutachten unter Beachtung der dargestellten Grundsätze zu erstatten haben werde. Die ermittelten Vergleichspreise seien sodann vom Sachverständigen auf den Zeitpunkt der Erlassung der Enteignungsbescheide zu beziehen. Ein Anspruch auf Ersatz der Grunderwerbssteuer bestehe nicht, ebensowenig auf eine Valorisierung der Enteigungsentschädigung auf Grund des Kaufkraftverlustes. Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den Unterinstanzen die Rechtsansicht zu überbinden, daß die durch das Bekanntwerden, die Planung und Ausführung des Autobahnprojektes Innsbruck-Landeck entstandenen Werterhöhungen der enteignungsbetroffenen Grundstücke, insbesondere soweit sie auf deren Nähe zur Autobahnausfahrt beruhen, bei der Entschädigungssumme außer Betracht zu lassen seien.

Der Antragsgegner beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin strebt nicht die Beseitigung des rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses an, sondern wendet sich lediglich dagegen, daß die Nähe der Autobahnausfahrt bei der Ermittlung der Vergleichspreise zu berücksichtigen wäre. Dem Aufhebungsbeschluß, der im wesentlichen damit begründet wurde, daß das Sachverständigengutachten mangelhaft sei und ein dritter Sachverständiger beigezogen werden mußte, könnte der Oberste Gerichtshof, der auch im Verfahren außer Streitsachen nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist, auch nicht entgegentreten (EFSlg. 44.569, 44.803 u.v.a.). Die Ablehnung der Zuerkennung der Grunderwerbssteuer entspricht ebenso der Rechtsprechung (SZ 50/158) wie die Verneinung des Anspruches auf Valorisierung der Entschädigungssumme (JBl 1983, 434 u.v.a., zuletzt 2 Ob 621/85). Es ist daher nur die Frage zu erörtern, ob allfällige Wertsteigerungen durch den Autobahnbau bei Festsetzung der Enteignungsentschädigung zu berücksichtigen sind.

Gemäß § 18 Abs 1 Bundesstraßengesetz hat bei Bemessung der Entschädigung die Werterhöhung außer Betracht zu bleiben, die die Liegenschaft durch die straßenbauliche Maßnahme erfährt. Der Antragsgegner vertritt in der Rekursbeantwortung die Ansicht, im ersten Bescheid seien Grundflächen zur Errichtung der Autobahn und der Ausfahrt enteignet worden, im zweiten ein Jahr später durchgeführten Enteignungsverfahren habe es sich hingegen um die Errichtung der Autobahnmeisterei gehandelt. Daraus ergebe sich, daß es sich nicht um ein einheitliches Projekt gehandelt habe, die Bundesstraßenverwaltung habe sich erst zu einem späteren Zeitpunkt entschlossen, auf den Grundstücken des Antragsgegners die Autobahnmeisterei zu errichten, die Nähe der Autobahnausfahrt sei daher bei der Bewertung der Grundstücke zu berücksichtigen. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Autobahnmeisterei als für den Betrieb der Autobahn erforderlich, demselben Projekt dient wie die Anschlußstelle Zirl/West, nämlich der Inntalautobahn im Bereich von Zirl. Eine allfällige Erhöhung des Wertes des für die Autobahnmeisterei enteigneten Grundstückes durch den Autobahnbau ist daher gemäß § 18 Abs 1 Bundesstraßengesetz bei Bemessung der Enteignungsentschädigung nicht zu berücksichtigen, da diese Werterhöhung erst durch das Vorhaben, dem die Enteignung dienen soll (Autobahn Innsbruck-Landeck) eingetreten wäre. Dem Umstand, daß alle benötigten Grundstücke nicht in einem Bescheid enteignet wurden, sondern zwischen den beiden Enteignungsbescheiden ein Zeitraum von nahezu einem Jahr liegt, kommt daher keine Bedeutung zu. Es sei auch noch darauf hingewiesen, daß zur Zeit der Erlassung des zweiten Enteignungsbescheides die Anschlußstelle Zirl/West, der das erste Enteignungsverfahren diente, noch nicht fertiggestellt war. Abgesehen davon, daß der Antragsgegner die diesbezügliche Behauptung im Revisionsrekurs nicht bestreitet, ergibt sich dies daraus, daß zur Zeit des vom Sachverständigen Ing. B durchgeführten Augenscheines am 23.4.1976 die erforderlichen Dämme erst aufgeschüttet waren (siehe AS 81). Eine allfällige Wertsteigerung wäre daher nicht auf einen bereits vorhandenen Autobahnanschluß zurückzuführen, sondern auf eine Vorwirkung der Fertigstellung der Autobahn, der auch die Enteignung der für die Autobahnmeisterei benötigten Fläche diente. Den Ausführungen im Revisionsrekurs, allfällige auf die Nähe der Autobahnausfahrt zurückzuführende Werterhöhungen seien nicht zu berücksichtigen, ist daher beizupflichten.

Trotzdem war auszusprechen, daß dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben wird, weil es beim Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes zu verbleiben hat.

Anmerkung

E06495

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00609.85.1008.000

Dokumentnummer

JJT_19851008_OGH0002_0020OB00609_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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