Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen K***** infolge des Revisionsrekurses des Erben W*****, vertreten durch den Sachwalter W*****, dieser vertreten durch Dr. Robert Krepp, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 25. April 1985, GZ. 43 R 196/85-53, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 21. Dezember 1984, GZ. 4 A 724/83-39, abgeändert wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Im Verlassenschaftsverfahren nach dem am ***** verstorbenen K***** wurde am 5. 7. 1984 in Gegenwart des Sachwalters des behinderten Sohnes des Erblassers W***** vor dem Gerichtskommissär das Inventar errichtet. Dabei wurde unter die Aktiven ein Sparbuch der CA-BV mit der Nummer *****, lautend auf den Namen H*****, aufgenommen. Ob irgendwelche Erhebungen darüber angestellt wurden, ob sich dieses Sparbuch im Zeitpunkt des Todes des Erblassers in dessen Besitz befand, ist aus dem Akt nicht ersichtlich. Es ist auch aus dem Akt nicht ersichtlich, daß das Erstgericht vor Erlassung des Mantelbeschlusses und der Einantwortungsurkunde die Sperre dieses Sparbuches angeordnet hätte; auf dem Vorlagebericht ON 47 ist vermerkt, daß die Sperre des Sparbuches nach der Todfallsaufnahme vom Gerichtskommissär verfügt worden sei. Das errichtete Inventar wurde zu Gericht angenommen. Mit Einantwortungsurkunde vom 21. 12. 1984 (ON 40) wurde der Nachlaß dem erblasserischen Sohn W***** auf Grund seiner bedingten Erbserklärung zur Gänze mit der Beschränkung der fideikommissarischen Substitution auf den Überrest zugunsten verschiedener Nacherben eingeantwortet. Der gleichzeitig erlassene Mantelbeschluß (ON 39) enthält in seinem Punkt 5 unter anderem die Anordnung, daß die CA-BV zu Sparbuch Nummer ***** noe. H***** verständigt wird, daß die Sperre zu Gunsten des BG Innere Stadt Wien als Abhandlungsgericht aufgehoben, jedoch gleichzeitig die Sperre zu Gunsten des BG Innere Stadt Wien als Pflegschaftsgericht im Verfahren ***** vorzunehmen ist. Mit Ausnahme dieser Anordnung erwuchsen Einantwortungsurkunde und Mantelbeschluß in Rechtskraft. Die wiedergegebene Anordnung bezüglich dieses Sparbuches wurde von H***** mit Rekurs bekämpft.
Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht diesem Rechtsmittel Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die bezüglich des erwähnten Sparbuches getroffene Anordnung ersatzlos behob.
Das Rekursgericht stellte fest, daß der eingeantwortete Erbe W***** zu ***** des LG für ZRS Wien die Lebensgefährtin des Erblassers H***** auf Herausgabe des hier in Frage stehenden Sparbuches geklagt hat und führte aus, die bei der Inventarerrichtung nicht angehörte Lebensgefährtin des Erblasser bringe in ihrem Rechtsmittel im Sinne des § 10 AußStrG zulässigerweise vor, daß ihr das fragliche Sparbuch vom Erblasser geschenkt worden sei, weshalb dieses Sparbuch kein Vermögen der Verlassenschaft darstelle. Das Abhandlungsgericht habe über das Eigentumsrecht und Ausfolgungsansprüche an angeblich in den Nachlaß fallenden Sachen nicht abzusprechen. Wer mit der Behauptung, auf Grund einer Vereinbarung mit dem Erblasser Anspruch auf einen bestimmten Nachlaßgegenstand zu haben, einen solchen Gegenstand an sich genommen habe bzw. dessen Herausgabe verweigere, könne nicht vom Abhandlungsgericht zur Herausgabe verhalten werden; vielmehr sei darüber im Rechtsweg zu entscheiden. Das treffe auch im vorliegenden Fall, in dem der eingeantwortete Erbe die Rekurswerberin auf Herausgabe des Sparbuches geklagte habe, zu. Es gehe daher nicht an, daß das Abhandlungsgericht bei Vorliegen strittiger Eigentumsansprüche hinsichtlich dieses Sparbuches dem Ergebnis des Rechtsstreites vorgreife und eine Sperre des Sparbuches zu Gunsten des Pflegschaftsgerichtes verfüge. Wie weit die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Rahmen des streitigen Verfahrens gegeben seien, brauche nicht geprüft zu werden. Die vom Erstgericht zu Gunsten des Pflegschaftsgerichtes verfügte Sperre des Sparbuches sei ersatzlos zu beheben.
Diese Entscheidung wurde dem Sachwalter des Erben am 15. 7. 1985 und dessen nunmehrigem Vertreter, dem RA Dr. Krepp, dessen Vollmacht damals allerdings im Verlassenschaftsverfahren noch nicht ausgewiesen war, am 8. 7. 1985 zugestellt.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Erben mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern. Dieser Revisionsrekurs wurde am 24. 7. 1985 beim Erstgericht überreicht.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel ist rechtzeitig.
Im Sinne des § 6 AußStrG gelten im außerstreitigen Verfahren die gleichen Bestimmungen über die Zustellung wie im streitigen Verfahren. Gemäß § 93 Abs. 1 ZPO haben, wenn eine Partei für einen Rechtsstreit Prozeßvollmacht erteilt hat, bis zur Aufhebung der Prozeßvollmacht alle den Rechtsstreit betreffenden Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu geschehen. Dies setzt aber die Namhaftmachung des Bevollmächtigten durch den Machtgeber für das konkrete Verfahren voraus; solange im konkreten Verfahren diese Namhaftmachung des Bevollmächtigten nicht erfolgte, muß und kann wirksam nur an die Partei zugestellt werden (JBl. 1957, 48). Da im vorliegenden Verfahren die Namhaftmachung des nunmehr für den Sachwalter des Erben einschreitenden Rechtsanwaltes erst gleichzeitig mit der Einbringung des Revisionsrekurses erfolgte, ist für den Beginn des Laufes der Rechtsmittelfrist nicht die vorher erfolgte Zustellung des Beschlusses des Rekursgerichtes an diesen Rechtsanwalt, sondern die Zustellung an den Sachwalter des Erben maßgeblich. Der Revisionsrekurs ist daher rechtzeitig.
Sachlich ist das Rechtsmittel des Erben aber nicht berechtigt.
Es ist hier nicht darüber abzusprechen, ob und unter welchen Voraussetzungen das fragliche Sparbuch in das Inventar aufzunehmen gewesen wäre. Das Rekursgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß das Abhandlungsgericht über die Frage des Eigentumsrechtes an angeblich in den Nachlaß fallenden Sachen nicht abzusprechen hat. Wer mit der Behauptung, auf Grund einer Vereinbarung mit dem Erblasser Anspruch auf bestimmte Nachlaßgegenstände zu haben, einen solchen Gegenstand an sich genommen hat und dessen Herausgabe verweigert, kann nicht vom Abhandlungsgericht zur Herausgabe verhalten werden; vielmehr hat der Erbe einen von ihm behaupteten Herausgabeanspruch im Rechtsweg geltend zu machen (RZ 1968, 110; 3 Ob 133/75; 8 Ob 517/80 ua.). Die Richtigkeit dieser Rechtsansicht bestreitet auch der Rechtsmittelwerber nicht; er hat ihr dadurch Rechnung getragen, daß er die Lebensgefährtin des Erblassers auf Herausgabe des Sparbuches klagte.
Hier ist nur zu untersuchen, ob das Verlassenschaftsgericht zu der von ihm angeordneten Sperre des Sparbuches über die Einantwortung hinaus befugt war. Es handelte sich dabei um keine Maßnahme der Nachlaßsicherung im Sinne der §§ 43 ff AußStrG. Ihr Zweck ging nicht dahin, den Nachlaß bis zur Einantwortung an den Erben zu sichern (die angeblich verfügte Sperre des Sparbuches zu Gunsten des Abhandlungsgerichtes wurde ja aufgehoben), sondern dahin, die Sperre des Sparbuches über die Einantwortung hinaus zu Gunsten des für den behinderten Erben zuständigen Pflegschaftsgerichtes zu prolongieren. Zu einer derartigen Maßnahme ist der Verlassenschaftsrichter aber schon deshalb nicht befugt, weil gemäß § 174 Abs. 1 AußStrG bei Einantwortung der Verlassenschaft „die allenfalls erfolgte Versiegelung der Masse aufzuheben ist“. Im Sinne der §§ 43 ff AußStrG gesetzte Maßnahmen der Nachlaßsicherung sind daher (abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall, daß eine angeordnete Nachlaßabsonderung über die Einantwortung hinaus andauert) bei Einantwortung des Nachlasses aufzuheben, nicht aber über die Einantwortung hinaus zu verlängern (siehe dazu MGA AußStrG2 § 174 Anm. 3 und 4). Nach Beendigung der Abhandlung ist das Abhandlungsgericht zu Verfügungen über das Nachlaßvermögen nicht mehr zuständig (ZBl. 1933/203; SZ 25/293; SZ 47/12 ua.).
Wenn der Rekurswerber vermeint, die Zulässigkeit der vom Erstgericht hinsichtlich des Sparbuches getroffenen Anordnung aus § 176 AußStrG bzw. aus § 2 Abs. 2 Z 7 AußStrG ableiten zu können, kann ihm nicht gefolgt werden. § 176 AußStrG normiert Verpflichtungen des Gerichtes im Zusammenhang mit der Übergabe des eingeantworteten Vermögens an den pflegebefohlenen Erben, ermächtigt es aber nicht, in diesem Zusammenhang in Rechte Dritter einzugreifen, die erst im Rechtsweg klargestellt werden müssen. Auch die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Z 7 AußStrG bietet keine Grundlage für Eingriffe des Außerstreitrichters in derartige Rechte am Verfahren nicht beteiligter Dritter.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes entspricht somit durchaus der Sach- und Rechtslage; dem Revisionsrekurs des Erben mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
Textnummer
E130979European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00601.850.1010.000Im RIS seit
24.03.2021Zuletzt aktualisiert am
24.03.2021