Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl und Dr.Kuderna sowie die Beisitzer HONProf.Dr.Gottfried Winkler und HONProf.Dr.Hanns Waas als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1./ Juliane A, Hausfrau in Micheldorf, Adalbert-Stifter-Straße 9, 2./ Hermann A, Bundesbahnbeamter in Linz,
Viethalerstraße 9, 3./ Erika B, Hausfrau in Fohnsdorf, Bahndammgasse 18, 4./ Karl A jun., Bezirksinspektor in Micheldorf, Adalbert-Stifter-Straße 9, alle vertreten durch Mag.Erich C, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, Linz, Volksgartenstraße 40, dieser vertreten durch Dr.Josef Weixelbaum, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei D Allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft in Wien 1., Schottenring 15, vertreten durch Dr.Walter Schuppich, Dr.Werner Sporn und Dr.Michael Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 20.532,-- und S 11.977,--, je sA, sowie Feststellung (Streitwert je S 31.000,--) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 7.November 1983, GZ5 Cg 3/81-29, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeitsgerichtes Kirchdorf an der Krems vom 11. Dezember 1980, GZ Cr 21/80-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung in der Hauptsache zu lauten hat:
'1. Die beklagte Partei ist schuldig,
a)
der Klägerin Juliane A 2.280 S,
b)
den Klägern Herbert A und Erika B je
1.520 S und
c) dem Kläger Karl A jun. 5.520 S jeweils samt 4 %
Zinsen seit 1.2.1979 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig,
a)
den Erben nach Karl A sen. weitere 13.692 S und
b)
dem Kläger Karl A jun. weitere 7.977 S
samt stufenweisen Zinsen zu bezahlen, wird abgewiesen.
3. Der Zwischenantrag der beklagten Partei, es werde festgestellt, daß den Klägern aus den von ihnen zwischen der beklagten Partei und ADEG-Wels vermittelten Versicherungsverträgen, und zwar sowohl beweglicher als auch unbeweglicher Sachen, für die Zeit ab 1.1.1976 kein Provisionsanspruch mehr zusteht, wird abgewiesen.'
Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern von den mit 8.153,35 S (darin 5.316,80 S Barauslagen und 209,74 S USt.) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und von den mit 2.946,17 S (darin 240 S Barauslagen und 246,02 S USt.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens abzüglich eines von ihnen an die beklagte Partei zu ersetzenden Anteiles von 1.411,14 S an Verfahrenskosten erster Instanz, also insgesamt aus 9.688,38 S
a)
der Klägerin Juliane A 9 %, das sind 871,95 S,
b)
den Klägern Hermann A und Erika B je
6 %, das sind je 581,30 S und
c) dem Kläger Karl A jun. 36 %, das sind 3.487,82 S binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Karl A sen. (im folgenden: Erstkläger) war vom 1.10.1955 bis 31.3.1975 Angestellter der beklagten Versicherungsgesellschaft. Karl A jun. (im folgenden: Zweitkläger) hatte zunächst vom 1.10.1969 bis 31.3.1975 als nebenberuflicher Vermittler für die beklagte Partei gearbeitet; seit 1.4.1975 ist er ihr Angestellter. Beide Kläger haben für die von ihnen abgeschlossenen Versicherungsverträge 10 Jahre lang Anspruch auf eine sogenannte 'Folgeprovision', welche alljährlich mit der Prämienzahlung des Versicherungsnehmers fällig wird. Mit den vorliegenden, vom Erstgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen begehren die Kläger von der beklagten Partei die Zahlung von S 18.750,50 (Erstkläger) und S 11.969,50 (Zweitkläger), je sA. Durch den Abschluß von Versicherungsverträgen mit der E Großeinkauf der Kaufleute reg Genossenschaft mbH Wels (im folgenden: E-Wels) hätten die Kläger Provisionsansprüche erworben. Nachdem diese Genossenschaft im Zuge einer Umstrukturierung der E-Organisation im Oktober 1975 als Sacheinlage in die E-Österreich Handels-Aktiengesellschaft (im folgenden: E-Österreich) eingebracht worden war, seien die bestehenden Versicherungsverträge auf die neue Gesellschaft umgeschrieben, die Prämien weiterhin termingerecht gezahlt und die jährlich fälligen Folgeprovisionen den Klägern gutgebracht worden. Dennoch habe die beklagte Partei im Jänner 1979 die seit Oktober 1975 auf den Provisionskonten der Kläger aus Geschäften mit der E gutgeschriebenen Provisionen in der Höhe der eingeklagten Beträge rückwirkend wieder abgebucht und dies damit begründet, daß die E-Österreich die bestehenden Verträge zum 31.12.1975 aufgekündigt habe. Diese Vorgangsweise der beklagten Partei sei durch die bestehenden Verträge nicht gedeckt; im übrigen hätten die Kläger die ihnen jeweils gutgeschriebenen Folgeprovisionen bereits gutgläubig verbraucht.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Auf Grund einer Vereinbarung mit den Klägern sei sie berechtigt gewesen, beim Ausfall einer Prämie oder bei vorseitiger Beendigung eines Vertrages schon gutgeschriebene Provisionen 'einzubehalten bzw rückzuverrechnen'. Von diesem Recht habe sie auch hier nach der Aufkündigung der Versicherungsverträge durch die E-Österreich Gebrauch gemacht und die den Klägern lediglich 'vorschußweise' gutgeschriebenen Folgeprovisionen aus diesen Geschäften wieder rückgebucht. Zwei von der beklagten Partei mit der E-Österreich geführte Prozesse hätten damit geendet, daß die beklagte Partei die Vertragsauflösung mit 31.12.1975 zur Kenntnis nehmen und die ab 1976 gezahlten Prämien habe zurückerstatten müssen.
Die Kläger bezeichnen die von der beklagten Partei herangezogene Bestimmung ihres Arbeitsvertrages als sittenwidrig und daher nichtig. 25 % der rückverrechneten Provisionen hätten im übrigen nicht mehr zurückverlangt werden können, weil sie schon am 1.1.1976 gutgebucht worden seien und der Anspruch insoweit verjährt sei. In der Verhandlungstagsatzung vom 28.10.1980 hat die beklagte Partei mit Zwischenantrag die Feststellung begehrt, daß den Klägern aus den von ihnen zwischen der beklagten Partei und der E-Wels vermittelten Versicherungsverträgen, und zwar sowohl beweglicher als auch unbeweglicher Sachen, für die Zeit ab 1.1.1976 kein Provisionsanspruch mehr zustehe.
Das Erstgericht wies das Zahlungsbegehren der Kläger ab und erkannte im Sinne des Zwischenfeststellungsantrages der beklagten Partei. Die Rückverrechnung der ab 1.1.1976 gutgeschriebenen E-Folgeprovisionen sei durch die Arbeitsverträge der Kläger gedeckt. Die Ausübung dieses Rechtes verstoße nicht gegen die guten Sitten, zumal sich die beklagte Partei gegen die Beendigung der Verträge durch die E-Österreich sogar gerichtlich - wenngleich im Ergebnis erfolglos - zur Wehr gesetzt habe. Die Berufung der Kläger auf gutgläubigen Verbrauch der Provisionen sei ebenso verfehlt wie die Verjährungseinrede.
Das Urteil des Erstgerichtes wurde von den Klägern seinem gesamten Umfang nach mit Berufung angefochten. Die Kläger stellten den Berufungsantrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben wird, bzw das angefochtene Urteil aufzuheben und die Streitsache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsschöpfung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Bei der Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung am 18.11.1981 dehnten die Kläger ihr Zahlungsbegehren um S 1.781,50 (Erstkläger) bzw S 7,50 (Zweitkläger) auf nunmehr insgesamt S 20.532,-- (Erstkläger) und S 11.977,-- (Zweitkläger), je sA, aus. Die neu geltend gemachten Beträge habe die beklagte Partei am 1.4.1980 widerrechtlich von den Provisionskonten der Kläger abgebucht.
Das Berufungsgericht wies zunächst die Erklärungen der Kläger, ihr Klagebegehren um S 1.781,50 bzw S 7,50 auszudehnen, mit Beschluß zurück und erkannte mit Urteil zu Recht, daß der Berufung der Kläger nicht Folge gegeben werde.
Infolge Revision und Rekurses der Kläger hob der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 14.9.1982, 4 Ob 95,96/82 (ON 24) den Zurückweisungsbeschluß und das Urteil der zweiten Instanz auf; dem Berufungsgericht wurde eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der Kläger aufgetragen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung dieser Entscheidung verwiesen. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien in der fortgesetzten mündlichen Berufungsverhandlung (ON 28 a S 156 a) ist Karl A sen. am 13.1.1982 verstorben; sein Nachlaß wurde den Erben Juliane A, Hermann A, Erika
B und Karl A jun. (bisheriger Zweitkläger)
eingeantwortet. (Aus Gründen der übersichtlichkeit wird aber im folgenden weiterhin Karl A sen. als Erstkläger und Karl A jun. als Zweitkläger bezeichnet.)
Auch im zweiten Rechtsgang gab das Berufungsgericht der Berufung der Kläger nicht Folge; zugleich wies es das im Berufungsverfahren neu erhobene Zahlungsbegehren ab. Dieser Entscheidung liegen folgende wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
Nach dem Inhalt ihrer Dienstverträge hatten die beiden Kläger Anspruch auf Abschluß-, Betreuungs- und Interventionsprovisionen.
Dazu wurden ua folgende Vereinbarungen getroffen:
'3.4.3. Der Provisionsanspruch gilt als erworben, sobald die Prämie voll, das heißt, einschließlich aller Nebengebühren, bei der Gesellschaft eingegangen ist.
3.4.5. Den Provisionsanspruch in der vereinbarten Höhe erwerben Sie unter der Bedingung, daß die Versicherung durch die volle vereinbarte Dauer hindurch aufrecht erhalten bleibt. Sofern diese Bedingung aus irgendeinem Grunde nicht erfüllt wird und die Versicherung ohne Ersatz erlischt, ist der Differenzbetrag zwischen der verrechneten und der in Hinsicht auf die tatsächliche Dauer der Versicherung zustehenden Provision rückzuvergüten. Eine solche Rückvergütung entfällt, wenn die Versicherung wenigstens 5 Jahre unverändert bestanden hat.
3.4.7. Der Anpruch auf die Betreuungsprovision wird nur dann erworben, wenn die Betreuungstätigkeit tatsächlich vorgenommen und alle anfallenden Interventionen zeitgerecht erledigt werden.
3.4.8. Die Zuweisung von Versicherungen zur Betreuung kann jederzeit widerrufen werden. .....
3.4.15. Wie es im Ermessen der Gesellschaft steht, einen Antrag anzunehmen oder abzulehnen, steht auch der Gesellschaft die Entscheidung über eine gerichtliche Eintreibung der Prämie zu. Sollte die Gesellschaft von einer solchen absehen, einen Versicherungsvertrag aus welchem Grunde immer auflösen, die Prämie vermindern bzw ganz oder teilweise zurückgeben, so steht Ihnen kein bzw kein weiterer Provisionsanspruch zu. Auch haben Sie den auf die zurückgegangene bzw rückgeführte Prämie entfallenden, bereits erhaltenen Provisionsanteil zurückzuzahlen.'
Beiden Klägern standen Provisionen aus Versicherungen der örtlichen E-Organisation bei der beklagten Partei zu. Im Jahr 1975 wurde die E-Wels im Wege einer Verschmelzung von der E-Ost aufgenommen, welche sodann ihre sämtlichen Betriebe in die E-Österreich einbrachte. Diese kündigte die mit der beklagten Partei abgeschlossenen Versicherungsverträge unter Berufung auf § 70 VersVG auf.
Die beklagte Partei vertrat die Rechtsauffassung, daß diese Kündigungen verspätet ausgesprochen worden seien und die E-Österreich als Gesamtrechtsnachfolgerin der E-Wels an deren Verträge gebunden sei. Sie klagte die ihrer Meinung nach offenen Prämien beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien (2 C 3242/77) und beim Handelsgericht Wien (26 Cg 1445/76) gegen die E-Österreich ein; diese wiederum erhob gegen die beklagte Partei eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens der Versicherungsverträge (14 Cg 32/77 des Handelsgerichtes Wien). Schließlich kam es etwa Ende 1978 zu einer außergerichtlichen Einigung, nach welcher die Verträge der E-Wels mit Ende 1975 'storniert' wurden und die Prämienzahlungen für 1976 von der beklagten Partei zurückzuerstatten waren. Letztere verpflichtete sich, die Prozeßkosten der anhängigen Verfahren - in welchen Ruhen eintrat - zu ersetzen. Zugleich traf die beklagte Partei mit der F G - dem neuen Versicherer der E-Österreich - eine Vereinbarung, wonach sei an anderen, nicht die E-Österreich betreffenden langfristigen Verträgen im Ausmaß von S 85.000,-- Jahresprämien beteiligt wurde. Die Versicherungen der E-Wels bei der beklagten Partei hatten rund S 260.000,-- Jahresprämien umfaßt, hievon drei Viertel für Kraftfahrzeug-Versicherungen.
Die den Klägern für die Zeit ab 1.1.1976 auf ihren Provisionskonten gutgeschriebenen Folgeprovisionen für E-Geschäfte im Ausmaß von S 18.750,50 (Erstkläger) und S 11.969,50 (Zweitkläger) wurden insofern wieder rückgängig gemacht, als diese Beträge von der beklagten Partei in der Zeit vom 1.2. bis 1.4.1979 von den Konten der Kläger wieder abgebucht wurden. In Ansehung weiterer Provisionen des Erstklägers in der Höhe von S 1.781,50 und des Zweitklägers in der Höhe von S 7,50 ist die beklagte Partei in gleicher Weise vorgegangen.
Im Versicherungsgeschäft ist es allgemein üblich, daß bereits gutgebuchte Provisionen nachträglich vom Konto des Versicherungsvertreters wieder abgebucht werden, soweit das Versicherungsverhältnis schließlich nicht jene Zeit besteht, für welche die Provision etwa schon zugunsten des Vertreters gebucht wurde. Die beklagte Partei pflegt ihren Vertretern die Provisionen schon in jenem Zeitpunkt gutzuschreiben, in welchem die Versicherungsprämie, auf die sich die Provision bezieht, dem Versicherungsnehmer vorgeschrieben wird.
Während der längeren Dauer der Rechtsstreitigkeiten zwischen der beklagten Partei und der E-Österreich wurden mehrere Buchungen von Provisionen aus Versicherungsverträgen der beklagten Partei und der E-Wels zugunsten der Kläger durchgeführt. Dem Zweitkläger wurde vom Landesdirektor der beklagten Partei, Bruno H, mitgeteilt, daß die Frage, ob die von der E-Österreich ausgesprochene Kündigung der Versicherungsverhältnisse wirksam war oder nicht, zwischen der beklagten Partei und der E-Österreich bei Gericht ausgetragen werde. Auch dem Erstkläger wurde bekannt, daß ein solcher Streit bei Gericht anhängig war.
Auf Grund dieser Sachverhaltsfeststellungen hielt das Berufungsgericht die Rechtsrüge der Kläger für nicht begründet. Die Vereinbarung einer allfälligen Rückerstattung schon ausgezahlter Provisionen sei - abgesehen davon, daß sie einer allgemeinen übung im Versicherungsgeschäft entspreche - nicht schon an sich sittenwidrig. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gehe nicht so weit, daß er Prozesse von großer wirtschaftlicher Tragweite nur deshalb unter allen Umständen bis zum Ende führen müßte, um seinen Vertretern einen möglichen Provisionsanspruch zu wahren. In dem Abschluß des außergerichtlichen Vergleiches durch die beklagte Partei könne daher keinesfalls ein sittenwidriger, gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßender Rechtsmißbrauch gesehen werden. Die Kläger hätten von den Rechtsstreitigkeiten der beklagten Partei mit der E-Österreich gewußt und deshalb schon auf Grund der - mit ihren Dienstverträgen übereinstimmenden - allgemeinen übung in der Versicherungsbranche mit einer künftigen Rückforderung der an sie geleisteten, aus E-Verträgen stammenden Provisionen rechnen müssen; sie könnten sich daher nicht auf gutgläubigen Verbrauch dieser Beträge berufen. Die für den Anspruch auf Rückerstattung bereits ausgezahlter Provisionsvorschüsse geltende dreijährige Verjährungsfrist (§ 1486 Z 5 ABGB) habe zu laufen begonnen, als die beklagte Partei die Möglichkeit einer solchen Rückforderung hatte, also erst mit der Ende 1978 zustande gekommenen außergerichtlichen Einigung mit E-Österreich; zur Zeit der Abbuchung der entsprechenden Beträge von den Konten der Kläger sei demnach noch keine Verjährung eingetreten gewesen.
Das Urteil des Berufungsgerichtes, nach dessen Ausspruch der Wert des Streitgegenstandes S 30.000,-- übersteigt, wird seinem ganzen Inhalt nach von den Klägern mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO bekämpft. Die Kläger beantragen, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ihrem Zahlungsbegehren vollinhaltlich stattgegeben (zu ergänzen: und der Zwischenfeststellungsantrag der beklagten Partei abgewiesen) werde; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Die beklagte Partei beantragt, die Revision insoweit zurückzuweisen, als sie namens des Karl A sen. erhoben wurde, und ihr im übrigen nicht Folge zu geben.
Richtig ist, daß der Tod des Erstklägers Karl A sen. und die Einantwortung seines Nachlasses an die Erben kraft Gesetzes einen in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigenden Parteiwechsel bewirkt haben, durch den die Erben anstelle des Verstorbenen als Parteien in das Verfahren eingetreten sind; die Bezeichnung der klagenden Partei war infolgedessen von Amts wegen entsprechend zu ändern (SZ 46/27; RZ 1985/8 mwN; Fasching III 113 § 235 ZPO Anm 3; Fasching Lehrbuch 178 Rz 384; Holzhammer, Zivilprozeßrecht 2 ,94). Auch die vorliegende Revision ist deshalb richtigerweise als von Juliane A, Hermann A,
Erika B und Karl A jun. - von diesem
einerseits als Miterbe nach seinem Vater und andererseits im eigenen Namen - erhoben anzusehen. Daß in der Revisionsschrift noch Karl A sen. als (Erst-)Kläger und Rechtsmittelwerber aufscheint, ist auf ein offenkundiges Versehen des Klagevertreters zurückzuführen, welches die sachliche Erledigung des Rechtsmittels nicht hindern kann. Entgegen der Meinung der beklagten Partei besteht daher kein Anlaß, die Revision in diesem Umfang 'mangels Existenz des Revisionswerbers' zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zum Teil berechtigt.
Die beklagte Partei leitet ihre Befugnis zur Rückverrechnung der den Klägern bereits gutgeschriebenen Folgeprovisionen für E-Geschäfte vor allem aus Pkt.3.4.3 und 3.4.5 der 'Ergänzenden dienstvertraglichen Bestimmungen' ab, wonach der Provisionsanspruch als erworben gilt, sobald die Prämie bei der Gesellschaft eingegangen ist, und der Vertreter den Provisionsanspruch in der vereinbarten Höhe nur unter der Bedingung erwirbt, daß die Versicherung durch die volle vereinbarte Dauer aufrecht erhalten bleibt, widrigenfalls der Differenzbetrag zwischen der verrechneten und der im Hinblick auf die tatsächliche Dauer der Versicherung zustehenden Provision rückzuvergüten ist. Die von den Klägern behauptete Sittenwidrigkeit dieser Vertragsbestimmungen hat das Berufungsgericht mit Recht verneint: Sittenwidrig im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB ist, was offenbar widerrechtlich ist, ohne gegen ein ausdrückliches gesetzliches Verbot zu verstoßen, demnach zwar nicht gesetzwidrig, wohl aber grob rechtswidrig ist. Die hier vom Richter vorzunehmende Interessenabwägung muß also eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder - bei Interessenkollision - ein grobes Mißverhältnis zwischen den durch eine Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergeben. Da sich die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäftes nicht nur aus seinem Inhalt, sondern auch aus dem Gesamtcharakter der Vereinbarung - im Sinne einer zusammenfassenden Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck - ergeben kann, sind bei der Beurteilung nach § 879 Abs 1 ABGB insbesondere auch alle Umstände zu berücksichtigen, unter denen das Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde (Arb 9385 = EvBl 1976/9 = RdA 1975,214 = SozM I A e 1111 mwN;
im gleichen Sinn SZ 51/142; SZ 52/67; EvBl 1980/117;
EvBl 1982/31 = JBl 1982,217 = ZAS 1982,220; RdW 1984,215 ua;
Koziol-Welser 6 I 117; siehe dazu auch Krejci in Rummel, Kommentar zum ABGB I 908 ff § 879, Rz 48 ff). Ein derartiges grobes Mißverhältnis zwischen den beiderseitigen Interessen kann aber der Oberste Gerichtshof hier nicht erkennen: Die beklagte Partei kann sich zur Rechtfertigung ihrer Vorgangsweise nicht nur auf eine allgemeine übung im Versicherungsgeschäft berufen; die beanstandete Vereinbarung entspricht inhaltlich auch der Regelung des § 10 Abs3 AngG und des § 6 Abs2 Satz 2 HVG, nach welcher der Anspruch des - angestellten oder
selbständigen - Provisionsvertreters bei Verkaufsgeschäften mangels anderer Vereinbarung erst dann als erworben gilt, wenn und soweit eine Zahlung eingeht, ein schon vorher ausgezahlter oder gutgeschriebener Provisionsbetrag demnach im Zweifel wegen der Möglichkeit eines Stornos nur als Bevorschussung und noch nicht als Erfüllung eines anerkannten Anspruches zu werten ist (siehe dazu Martinek-Schwarz, AngG 6 , 279 f § 10 Anm 15).
Ob das der beklagten Partei in Pkt 3.4.15 vorbehaltene Recht, von einer gerichtlichen Eintreibung der Prämie nach ihrem Gutdünken abzustehen und einen Versicherungsvertrag aus welchem Grund immer aufzulösen und die Prämie ganz oder teilweise zurückzuerstatten, ohne jede Einschränkung mit den guten Sitten in Einklang zu bringen ist, braucht hier nicht weiter geprüft zu werden, hat doch die beklagte Partei in den Jahren 1976 bis 1978 beim Handelsgericht Wien und beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien drei Prozesse geführt, um die E-Österreich zur Anerkennung des Fortbestehens der Versicherungsverträge und damit zur weiteren Prämienzahlung zu zwingen. Daß sie diese Rechtsstreitigkeiten schließlich mit einem außergerichtlichen Vergleich beendet hat, in welchem sie sich dem Rechtsstandpunkt der E-Österreich beugte, die Auflösung der strittigen Verträge anerkannte und sich zur Rückerstattung der seit Beginn des Jahres 1976 gezahlten Prämien verpflichtete, wird ihr von der Revision nicht mehr zum Vorwurf gemacht.
Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf gutgläubigen Verbrauch der ihnen zunächst gutgeschriebenen Provisionsbeträge berufen. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils war ihnen bekannt, daß die Frage des Fortbestehens der E-Verträge (und damit auch ihr Anspruch auf Folgeprovisionen) zwischen der beklagten Partei und der E-Österreich bei Gericht ausgetragen wurde. Die Kläger mußten daher auf Grund ihrer Dienstverträge und der allgemeinen übung im Versicherungsgeschäft für den Fall eines ungünstigen Ausganges dieser Rechtsstreitigkeiten mit der Rückforderung der ihnen seit 1976 aus E-Verträgen gutgeschriebenen Provisionen rechnen. Daß dieser Schwebezustand rund drei Jahre dauerte, kann daran nichts ändern; welche sonstigen Umstände aber die Kläger zweifelsfrei (§ 863 ABGB) zu der Annahme berechtigt hätten, daß ihnen die beklagte Partei einen vom Ausgang des Rechtsstreites unabhängigen Rechtsanspruch auf die strittigen Provisionen hätte einräumen wollen, vermag auch die Revision nicht zu sagen.
Den Klägern kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie die Auffassung vertreten, die Rückforderung der gutgeschriebenen Provisionen sei wenigstens teilweise wegen Ablaufes der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB unzulässig gewesen. Wie das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang richtig erkannt hat, konnte der Ablauf dieser Frist nicht, wie die Kläger meinen, schon mit der Vorschußzahlung, sondern nach allgemeinen Grundsätzen erst mit der objektiven Möglichkeit der Rechtsausübung (§ 1478 ABGB) und damit erst in jenem Zeitpunkt beginnen, in welchem der Anspruch der beklagten Partei auf Rückzahlung der den Klägern geleisteten Provisionen entstanden war. Das war aber im Sinne der zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils erst Ende 1978 der Fall, als die beklagte Partei durch den Abschluß des Vergleiches mit der E-Österreich die Auflösung der Versicherungsverträge anerkannt und sich zur Rückerstattung der seit 1976 gezahlten Prämien verpflichtet hatte. Im Zeitpunkt der Rückforderung der Provisionen und der Abbuchung der entsprechenden Beträge von den Konten der Kläger war somit Verjährung noch nicht eingetreten. Soweit aber die Kläger auch in dritter Instanz daran festhalten, daß ihnen schon wegen der von der beklagten Partei mit der F G abgeschlossenen Beteiligungsvereinbarung zumindest ein Teil der strittigen Provisionsbeträge zugestanden sei, ist ihrer Auffassung zu folgen:
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils war die hier angesprochene Beteiligungsvereinbarung der beklagten Partei mit der F G ein Bestandteil des außergerichtlichen Vergleiches, nach welchem die Verträge mit E-Wels ab Ende 1975 'storniert' wurden und die Prämienzahlungen für 1976 von der beklagten Partei zurückzuzahlen waren. Damit kommt aber dem Umstand, daß diese zusätzliche Vereinbarung ausschließlich andere, nicht E betreffende Versicherungsverträge zum Gegenstand hatte, entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes keine entscheidende Bedeutung zu. Maßgebend ist allein, daß die damals gleichzeitig vereinbarten neuen Beteiligungen, wirtschaftlich gesehen, eine Gegenleistung für die Anerkennung des Rechtsstandpunktes der E durch die beklagte Partei und deren Verpflichtung zur Rückerstattung der bereits gezahlten Prämien waren. Die neuen Beteiligungen sind infolgedessen nach dem auch hier anzuwendenden Grundsatz der Surrogation an die Stelle der von den Klägern vermittelten Verträge mit E-Wels getreten, so daß die Kläger - ohne deren verdienstliche Tätigkeit beim Abschluß der E-Verträge es jetzt nicht zur Beteiligung der beklagten Partei an den G-Verträgen gekommen wäre - mit Recht eine Berücksichtigung dieser Beteiligungsgeschäfte bei der Entscheidung über ihre Provisionsansprüche verlangen. Da die Höhe der den Klägern unter diesem Gesichtspunkt zustehenden Ansprüche nur durch einen Vergleich des Versicherungswertes der von der Beteiligungsvereinbarung erfaßten G-Verträge mit demjenigen der seinerzeitigen E-Verträge festgestellt werden könnte, ein solcher Beweis jedoch naturgemäß nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erbringen wäre, sind die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO gegeben. Wird dabei berücksichtigt, daß die Folgeprovisionen der Kläger auf der Grundlage der jeweiligen Jahresprämien zu berechnen sind, dann erscheint es gerechtfertigt, die Ansprüche der Kläger im selben Verhältnis zu kürzen, in dem das jährliche Prämienaufkommen der G-Beteiligungen (S 85.000,--) hinter dem Prämienvolumen der seinerzeitigen E-Verträge (S 260.000,--) zurückbleibt, den Provisionsanspruch der Kläger also auf rund ein Drittel seiner früheren Höhe herabzusetzen. Diese Erwägung führt zum Zuspruch von S 6.840,-- an die Erben nach dem Erstkläger - wobei Juliane A Anspruch auf ein Drittel dieses Betrages, das sind S 2.280,-- hat, während Hermann A, Erika B und
der Zweitkläger je zwei Neuntel, das sind je S 1.520,--, erhalten - und (weitere) S 4.000,-- an den Zweitkläger. Hingegen bleibt das Mehrbegehren von S 13.692,-- (Erben nach dem Erstkläger) bzw. S 7.977,-- (Zweitkläger) abgewiesen.
Steht damit aber fest, daß die Provisionsansprüche der Kläger für die Zeit ab 1.1.1976 zumindest teilweise berechtigt sind, dann muß der negative, auf Feststellung des gänzlichen Nichtbestehens solcher Ansprüche gerichtete Zwischenfeststellungsantrag der beklagten Partei abgewiesen werden (Fasching III 135 f § 236 ZPO Anm 8 aE; vgl. auch ZBl 1928/65).
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf
§ 43 Abs 1, für das Rechtsmittelverfahren in Verbindung mit
§ 50 ZPO. Da die beklagte Partei ihren Zwischenfeststellungsantrag
gegenüber jedem der beiden Kläger mit S 31.000,-- bewertet hat, ist
der Streitwert im Verfahren Cr 21/80 mit (S 20.532 + S 31.000 =)
S 51.532,-- und im Verfahren Cr 22/80 mit (S 11.977 + S 31.000 =)
S 42.977,-- anzunehmen. Von den Gesamtkosten der Kläger entfallen
rund 54 % auf das erstgenannte und rund 46 % auf das zweitgenannte
Verfahren.
Zu Cr 21/80 haben die Erben nach Karl A sen. mit
(S 6.840 + S 31.000 =) S 37.840,--, das sind rund drei Viertel des Streitwertes von S 51.532,-- obsiegt; sie haben daher grundsätzlich Anspruch auf den Ersatz ihrer halben Kosten, was einem Anteil von 27 % ihrer gesamten Verfahrenskosten entspricht; hievon entfallen - entsprechend den Erbquoten der Kläger nach Karl A sen. - auf Juliane A 9 % sowie auf Hermann
A, Erika B und den Zweitkläger je 6 %.
Zu Cr 22/80 ist der Zweitkläger mit (S 4.000 + S 31.000 =) S 35.000,-- oder (aufgerundet) fünf Sechstel des Streitwertes von S 42.977,-- durchgedrungen. Die beklagte Partei hat ihm daher zwei Drittel der Kosten des auf seine Klage entfallenden Verfahrens und damit (abgerundet) weitere 30 % seiner gesamten Verfahrenskosten zu ersetzen.
Zu berücksichtigen ist aber, daß die beklagte Partei ihren Zwischenantrag auf Feststellung erst unmittelbar vor Schluß der Streitverhandlung erster Instanz gestellt hat. Bis zu dieser Tagsatzung hat demnach die beklagte Partei Anspruch auf Ersatz von einem Drittel ihrer Verfahrenskosten, weil die Kläger mit ihren Geldforderungen nur zu einem Drittel durchgedrungen und mit zwei Drittel unterlegen sind. Der Schriftsatz der beklagten Partei ON 4 ist dabei nur nach TP 1 zu entlohnen, weil er nach Beginn der mündlichen Streitverhandlung nicht zu einem Sachvorbringen aufgetragen worden war (§ 258 ZPO). Für die letzte Tagsatzung vor dem Erstgericht ist mit Rücksicht auf den wechselnden Streitwert, den dadurch bedingten geänderten Prozeßerfolg und den Zeitpunkt der Stellung des Zwischenantrages eine gegenseitige Kostenaufhebung am Platz.
Für beide Abschnitte des Verfahrens erster Instanz hat bei der verhältnismäßigen Teilung der Kosten gemäß § 43 Abs 1 ZPO nach der mit der überwiegenden Lehre übereinstimmenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes keine Aufrechnung der ziffernmäßigen Kostenforderungen beider Parteien stattzufinden, sondern eine Quotenverrechnung, sodaß es gleichgültig ist, daß die Kläger in erster Instanz nicht anwaltlich vertreten waren und daher auch in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung nur Barauslagen verzeichneten (Hule, Zur Kostenentscheidung nach § 43 Abs 1 ZPO, ÖJZ 1973,480 ff mwN; ebenso 2 Ob 364/70 und die ständige höchstgerichtliche Praxis). Der vereinzelt vertretenen gegenteiligen Ansicht (Nachweise ebenfalls bei Hule aaO; zuletzt auch Alexander Schmidt beim Hochschulkurs Altmünster 1985) kann aus den von Hule angeführten Gründen vor allem deshalb nicht gefolgt werden, weil das für die Kostenersatzpflicht im Zivilprozeß geltende Erfolgsprinzip eine Berücksichtigung des zufälligen Mehraufwandes einer Partei erst bei der ziffernmäßigen Berechnung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zuläßt, nicht aber schon bei der Gegenüberstellung der Erfolgsanteile.
Anmerkung
E06828European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00076.84.1015.000Dokumentnummer
JJT_19851015_OGH0002_0040OB00076_8400000_000