Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jürgen Erik K*****, vertreten durch Dr. Fritz Czerwenka, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Erich Schröfl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Nichtigerklärung eines Generalversammlungsbeschlusses (Streitwert 125.000 S), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. November 1983, GZ 4 R 196/83-59, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 5. Juli 1983, GZ 34 Cg 168/81-54, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit 15.676,81 S (einschließlich 2.710 S Barauslagen und 1.043,31 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
In der außerordentlichen Generalversammlung der beklagten Gesellschaft mbH am 28. 5. 1979 haben die Gesellschafter M***** Aktiengesellschaft *****, Ludwig G***** und Hildegard d***** mit einer Mehrheit von 85,2275 % der abgegebenen Stimmen in Abwesenheit der Gesellschafter Elisabeth d*****, Dr. Christian d***** und Dr. Michael d***** gegen die Stimmen des nun klagenden Gesellschafters und seiner Mutter Anneliese K***** unter gleichzeitiger Änderung des § 5 des Gesellschaftsvertrags (Stammkapital) die Erhöhung des Stammkapitals um 2 Millionen S von 10 Millionen S auf 12 Millionen S und die Überlassung der neuen Stammeinlagen „gegen Barzahlung und Zahlung eines Aufgeldes (Agio)“ von 8 Millionen S an die Bank G***** Aktiengesellschaft „zur Übernahme“ beschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit 1,25 %, seine Mutter mit 8,9775 % und die M***** AG mit 42,6175 % am Stammkapital der beklagten Gesellschaft und die M***** AG mit 40 % am Grundkapital der Bank G*****Aktiengesellschaft beteiligt.
Die Beschlüsse der außerordentlichen Generalversammlung vom 28. 5. 1979, gegen die der Kläger und seine Mutter Widerspruch zu Protokoll gaben, wurden am 11. 6. 1979 ins Protokollbuch der beklagten Gesellschaft eingetragen.
Mit der am 10. 7. 1979 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Nichtigerklärung dieser Generalversammlungsbeschlüsse gemäß § 41 GmbHG.
Im ersten Rechtsgang hat der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen, die übereinstimmend auf Abweisung des Klagebegehrens lauteten, aufgehoben und dabei die Grundsätze dargelegt, an denen im Rahmen der Anfechtung die angefochtenen Beschlüsse der Generalversammlung der beklagten Gesellschaft vom 28. 5. 1979 zu messen sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diesen Beschluss des Obersten Gerichtshofs, der in der Zwischenzeit auch mehrfach publiziert wurde (GesRZ 1981, 44, EvBl 1981/72 S 238, JBl 1981, 545, SZ 53/172), verwiesen.
Im zweiten Rechtsgang brachte die beklagte Gesellschaft ergänzend zur Rechtfertigung des Ausschlusses der Gesellschafterbezugsrechte vor, dass ihre Gesellschafter nicht in der Lage und auch nicht bereit gewesen seien, 10 Millionen S in das Unternehmen einzubringen, und hielt dem Einwand des Klägers, dass in der Generalversammlung vom 28. 5. 1979 nicht einmal der Versuch unternommen worden sei, festzustellen, ob die Gesellschafter zu einer Finanzierung der geplanten Kapitalerhöhung bereit seien, entgegen, dass dies bereits in den vorhergegangenen Verhandlungen geklärt worden sei; dies gelte insbesondere für die Gruppe G*****. Außer Streit wurde gestellt, dass in der Generalversammlung selbst eine Übernahme der Geschäftsanteile aus der Kapitalerhöhung durch die Gesellschafter nicht besprochen wurde.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte ua fest:
Die beklagte Gesellschaft hat dem Kläger die Übernahme weiterer Geschäftsanteile im Zuge der Kapitalerhöhung nicht angeboten. Die Tagesordnung der Generalversammlung vom 28. 5. 1979 sah bereits fix vor, dass die neue Stammeinlage von der Bank G***** Aktiengesellschaft übernommen wird. Vor Festsetzung der Tagesordnung dieser Generalversammlung hat der Geschäftsführer der beklagten Gesellschaft mit dem in der Zwischenzeit verstorbenen Mehrheitsgesellschafter Ludwig G***** - der sich immer zum Fürsprecher für die anderen deutschen Gesellschafter machte - gesprochen und geklärt, dass dieser an einer Kapitalerhöhung, die nicht aus einer Dividende bezahlt wird, nicht mitmachen würde. Bei drei vorangegangenen Kapitalerhöhungen waren in zwei Fällen der Dividenden für die Kapitalerhöhung verwendet worden. Ludwig G***** erklärte damals dem Geschäftsführer der beklagten Gesellschaft, dass man eine Kapitalerhöhung, die nicht aus der Dividende bezahlt wird, den Gesellschaftern nicht zumuten könne. Bei der Beschlussfassung in der Generalversammlung am 28. 5. 1979 lag eine ausdrückliche Erklärung des Klägers, von seinem gesetzlichen Bezugsrecht nicht Gebrauch machen zu wollen, nicht vor. Der Gesellschaftsvertrag der beklagten Gesellschaft enthält keine Bestimmung für die Kapitalerhöhung.
Das Erstgericht kam zu dem rechtlichen Ergebnis, dass die beklagte Gesellschaft keine Gründe vorgetragen habe, die den Ausschluss des Klägers vom Bezugsrecht im überwiegenden Interesse der Gesellschaft rechtfertigen könnten; sie sei von der Annahme ausgegangen, dass der Kläger ebenso wie der Gesellschafter Ludwig G***** an einer anteiligen Übernahme der neuen Stammeinlage unter Aufbringung von Eigenmitteln nicht interessiert sei. Die Übernahme des neuen Geschäftsanteils durch die Bank G***** Aktiengesellschaft wäre nur aufgrund eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses zulässig.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts mit dem Vorbehalt der Rechtskraft zum Zwecke der Ergänzung des Verfahrens erster Instanz und neuerlichen Entscheidung auf. Es äußerste die Ansicht, dass die beklagte Gesellschaft mit ihrem ergänzenden Vorbringen im zweiten Rechtsgang, dass ihre Gesellschafter nicht in der Lage und auch nicht bereit gewesen seien, 10 Millionen S in das Unternehmen einzubringen, Umstände vorgetragen habe, die den Bezugsrechtsausschluss ihrer Gesellschafter zulässig erscheinen ließen, handle es sich dabei doch um den vom Obersten Gerichtshof beispielsweise angeführten Rechtfertigungsfall, dass ein bestimmter Gesellschafter oder ein Dritter anders als die übrigen Gesellschafter bereit sei, über den Anteilswert hinaus weitere finanzielle Leistungen zu erbringen. Die gegenteilige Behauptung des Erstgerichts erweise sich demnach als aktenwidrig. Es fehlten Feststellungen darüber, ob die überstimmten beiden Gesellschafter (Kläger und seine Mutter) überhaupt in der Lage und auch bereit gewesen wären, ihren Anteilen entsprechend der Gesellschaft jene notwendigen Kapitalbeträge zuzuführen, zu deren Zahlung die Bank G***** Aktiengesellschaft insgesamt bereit gewesen sei (10 Millionen S). Erst wenn dies feststehen sollte, wäre der Kläger durch den angefochtenen Beschluss von seinem Bezugsrecht unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausgeschlossen worden, denn der Beschluss sei gegen seine Stimme gefasst worden. Andernfalls müsste die vom Kläger im zweiten Rechtsgang präzisierte Behauptung der Identität der Bank G***** Aktiengesellschaft und der M***** Aktiengesellschaft geprüft werden. Dies gelte auch für die vom Kläger behauptete Unangemessenheit des festgestellten Übernahmspreises für den neuen Geschäftsanteil.
Den Beschluss des Berufungsgerichts bekämpft der Kläger mit Rekurs. Er begehrt die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts.
Die beklagte Gesellschaft beantragt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat in seinem im ersten Rechtsgang gefassten Aufhebungsbeschluss klar und unmissverständlich dargestellt, dass auch bei Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung - der Entziehung des gesetzlichen Bezugsrechts jedes Gesellschafters eine sachliche Schranke gesetzt ist, weil sein Ausschluss einen schweren Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des Gesellschafters und damit eine Störung des gebotenen Ausgleichs zwischen dem Interesse der Gesellschaft an der Verbreiterung ihrer Kapitalbasis und dem Interesse der einzelnen Gesellschafter an der Aufrechterhaltung ihrer Beteiligungsquote und ihres wirtschaftlichen Wertes bedeutet, wenn er beliebig und nach Willkür beschlossen wird und nicht im überwiegenden Interesse der Gesellschaft eine sachliche Rechtfertigung findet; der Ausschluss dieses Rechts muss im recht verstandenen Interesse der Gesellschaft erforderlich und - vom Ziel her gesehen - das einzig vertretbare Mittel sein, wobei nach dem Grundsatz der geringsten Last die Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck zu beachten ist (so jetzt auch Reich-Rohrwig, Das Österreichische GmbH-Recht 475 f; vgl auch Ulmer in Hachenburg GmbH-Großkommentar7 Rdn 41, 42 zu § 55). Es wurde auch darauf hingewiesen, dass ohne eine besonders gerechtfertigte Interessenlage die Gesellschaft versuchen muss, ihren Geldbedarf im Wege der Kapitalerhöhung in erster Linie bei den Gesellschaftern selbst zu decken, und dass erst dann, wenn diese von ihrem gesetzlichen Bezugsrecht nicht Gebrauch machen, die Übernahme der neuen, von den Gesellschaftern nicht beanspruchten Geschäftsanteile durch Dritte in Betracht kommt, und dass die Gesellschaft die Gründe für die sachliche Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses darzulegen hat.
Die beklagte Gesellschaft hat zur Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses ihrer Gesellschaft lediglich vorgebracht, dass diese nicht in der Lage und auch nicht bereit gewesen seien, 10 Millionen S in das Unternehmen einzubringen, und dass dies bereits in den der maßgeblichen Generalversammlung - in der der angefochtene Beschluss gefasst wurde - vorangegangenen Verhandlungen, insbesondere mit der Gesellschaftergruppe G*****, geklärt worden sei. Es steht jedoch fest, dass die beklagte Gesellschaft niemals dem Kläger die Übernahme weiterer Geschäftsanteile angeboten, sondern nur mit dem Fürsprecher der Gesellschaftergruppe G*****, dem Mehrheitsgesellschafter Ludwig G***** über die Ausübung des Bezugsrechts gesprochen und von diesem abschlägigen Bescheid bekommen hat und daraufhin - in der offenkundigen Annahme, auch der Kläger werde sein Bezugsrecht nicht ausüben - den nun angefochtenen Generalversammlungsbeschluss auf die Tagesordnung der Generalversammlung vom 28. 5. 1979 gesetzt und dort zur Beschlussfassung gestellt hat. Der Kläger wäre nur dann nicht berechtigt, den gefassten Generalversammlungsbeschluss anzufechten, wenn er der beklagten Gesellschaft gegenüber auf das ihm zustehende gesetzliche Bezugsrecht verzichtet hätte, gleichviel ob der Grund dieses Verzichts in dem fehlenden Anspruchswillen oder in der fehlenden Möglichkeit, von dem Bezugsrecht Gebrauch zu machen, gelegen wäre. Da ein solcher Verzicht nicht vorliegt, stand es der beklagten Gesellschaft auch nicht zu, den - offenbar vermuteten - fehlenden Anspruchswillen oder/und das - aus welchen Gründen auch immer - angenommene Unvermögen des Klägers das Bezugsrecht auszuüben, zur Grundlage für den Ausschluss auch seines Bezugsrechts zu nehmen. Ob der einzelne Gesellschafter das ihm zustehende gesetzliche Bezugsrecht ausüben wird, hat die Gesellschaft nicht prognostisch zu beurteilen. Sie kann vor dem entsprechenden Generalversammlungsbeschluss mit allen oder einzelnen Gesellschaftern Vereinbarungen treffen, in denen auf das Bezugsrecht ganz oder teilweise verzichtet wird, so dass dann eine Anfechtung des vereinbarungskonform gefassten Beschlusses der Generalversammlung durch diese Gesellschafter ausgeschlossen ist. Andernfalls muss sie aber das Bezugsrecht beachten und jedem Gesellschafter die Entscheidung überlassen, ob er innerhalb der ihm zustehenden Frist von dem Bezugsrecht Gebrauch macht oder nicht. Da dies hier nicht geschehen ist und der Kläger auch nicht auf sein Bezugsrecht verbindlich vor der Beschlussfassung verzichtet hat, wurde er zu Unrecht durch den nun angefochtenen Beschluss, der eine Einheit darstellt und deshalb gleiches Schicksal haben muss, von seinem gesetzlichen Bezugsrecht ausgeschlossen.
Das Berufungsgericht hat - in völliger Verkennung des Inhalts der entsprechenden Ausführungen im Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs über die Natur besonderer zusätzlicher, über den Anteilswert hinausgehender, denkbarer finanzieller Leistungen eines Dritten, dem das Alleinbezugsrecht eingeräumt werden kann, die unrichtige Ansicht vertreten, das Vorbringen der beklagten Gesellschaft über die mangelnde Bereitschaft und das Unvermögen ihrer Gesellschaft zur Ausübung des Bezugsrechts stelle - sollte es erweislich sein - einen Rechtfertigungsgrund für den Bezugsrechtsausschluss im Sinne der entsprechenden Ausführungen dar. Hat auch nur ein Gesellschafter auf sein Bezugsrecht nicht verzichtet, dann muss ihm die Möglichkeit, dieses Recht auszuüben, offen gehalten werden, dh er darf im Kapitalerhöhungsbeschluss nicht schon von vornherein von diesem Recht ausgeschlossen werden, wenn nicht ein besonderer Rechtfertigungsgrund im Interesse der Gesellschaft vorhanden ist; dieser kann nicht darin liegen, dass die Gesellschaft prognostisch annimmt, der Gesellschafter werde dieses Recht nicht ausüben können, etwa aus mangelnder finanzieller Potenz, denn es muss dem Gesellschafter selbst überlassen werden, ob und auf welche Weise er sich die für die Ausübung des Bezugsrechts notwendigen Mittel beschaffen kann.
Aus den dargelegten Gründen war in Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.
Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Textnummer
E114608European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0050OB00526.840.1015.000Im RIS seit
24.05.2016Zuletzt aktualisiert am
24.05.2016