TE OGH 1985/10/24 13Os139/85

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Veröffentlicht am 24.10.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Oktober 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Dallinger als Schriftführers in der Strafsache gegen Wilhelm Maximilian A wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 ff. StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Ried im Innkreis als Schöffengerichts vom 5.März 1985, GZ. 6 Vr 871/83-274, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Wilhelm Maximilian A wurde des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten, schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 2, 129 Z. 1 und 2, 130 und 15 StGB schuldig erkannt und nach § 128 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 1, 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund wird geltend gemacht, daß in der Person des Vorsitzenden des Schöffensenats, Magister Otto B, ein ausgeschlossener Richter an der Entscheidung beteiligt war.

Inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokolls hat der Vorsitzende kurz vor der Vertagung der Hauptverhandlung am 18.Jänner 1985 bekanntgegeben, 'daß er sich jetzt erinnern könne, daß er einige Haftbefehle in dieser Sache erteilt hat', worauf der Verteidiger des Angeklagten nach Rücksprache mit diesem sogleich erklärte, 'daß er auf die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nicht verzichtet' (Bd. VIII S. 181 unten, 182 oben). Der Vorsitzende erachtete sich, wie er hierauf im Anschluß an eine Beratung eröffnete, nicht für ausgeschlossen, weil eine Nachschau in den Akten ergeben habe, daß der Angeklagte A auf Grund eines schriftlichen Haftbefehls des Untersuchungsrichters vom 3.November 1983 verhaftet worden sei und der Vorsitzende als Journalrichter am 5.November 1983 den mündlichen Haftbefehl zur Verhaftung von C, D und E gegeben

habe (Bd. VIII S. 182).

Nach der Aktenlage hat Magister B als Journalrichter am 5. November 1983 in der unter anderem auch gegen A beim Kreisgericht Ried im Innkreis zu Vr 871/83 anhängigen Strafsache (Einleitung der Voruntersuchung gegen A wegen §§ 127 ff. StGB am 3.November 1983: Bd. I S. 2) den mündlichen Befehl zur Verhaftung des Helmut C, des Erwin D und des Herbert E erteilt (Bd. I S. 187, 189). Damals waren die Genannten daher im selben Verfahren wie der Beschwerdeführer wegen des Verdachts der Beteiligung an den gegenständlichen Diebstählen verfolgt worden. Erst später wurde das Verfahren gegen sie wegen Hehlerei ausgeschieden und abgesondert geführt.

Die gerügte Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 1 StPO liegt vor. Auch der sogenannte 'Journalrichter' beim Gerichtshof erster Instanz ist jedenfalls dann, wenn er einen auch nur mündlichen Haftbefehl erläßt, 'als Untersuchungsrichter' tätig und mithin von der Mitwirkung und der Entscheidung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen (LSK 1982/34 = EvBl. 1982/150 = SSt. 52/57, 13 Os 94/82, 10 Os 70/85). Daß sich der Haftbefehl nicht gegen den Beschwerdeführer richtete, sondern gegen dessen Komplizen, verschlägt nichts, weil diese im selben Strafverfahren wie der Beschwerdeführer verfolgt wurden und es nur auf eine untersuchungsrichterliche Tätigkeit in derselben Sache (§ 68 Abs. 2 StGB) ankommt.

Rechtliche Beurteilung

Daß der Angeklagte oder sein Vertreter in der am 28.Februar und am 1., 4. und 5.März 1985 wegen Zeitablaufs (so das Hauptverhandlungsprotokoll ON. 273, Bd. IX S. 2; wohl aber auch wegen Wechsels in der Person des berufsrichterlichen Beisitzers und eines Schöffen) neu durchgeführten Hauptverhandlung (§ 276 a, letzter Satz, StPO) den unverändert fortwirkenden Ausschließungsgrund nicht neuerlich geltend gemacht hat, ist rechtlich ohne Belang. Verliert doch auch ein in einer ersten Hauptverhandlung erklärter Verzicht auf die Geltendmachung dieser Nichtigkeit dadurch, daß es zur Urteilsfällung erst nach einer Neudurchführung der Hauptverhandlung kommt, nicht seine Wirksamkeit (12 Os 18/85). Anders als der Antrag einer Prozeßpartei, für den die ständige Rechtsprechung eine ausdrückliche Wiederholung in der neu durchgeführten Hauptverhandlung verlangt, soll er eine taugliche Basis für die spätere Geltendmachung einer Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO abgeben, geht es bei der Geltendmachung eines der in den §§ 67 und 68 StPO taxativ aufgezählten Ausschließungsgründe um Tatsachen, die unabhängig von der Antragstellung einer Prozeßpartei entweder vorliegen oder nicht. Sie sind keiner abwägenden richterlichen Entscheidung zugänglich (Z. 4: relativer Nichtigkeitsgrund), sondern bedürfen nur einer schlichten Konstatierung (Z. 1: absoluter Nichtigkeitsgrund). Es ist daher nicht erforderlich, den Ausschließungsgrund nach einer allenfalls geänderten Zusammensetzung des Senats in einer fortgesetzten Verhandlung neuerlich geltend zu machen; genug daran, daß er sofort, nachdem er zur Kenntnis der Prozeßpartei gelangt ist, von ihr geltend gemacht wird.

Dem Gebot zu sofortiger Geltendmachung ist schon begrifflich mit einer einmaligen Erklärung Genüge getan, weil eine sofortige Geltendmachung nur einmal möglich ist. Obwohl diese in aller Regel in der Hauptverhandlung stattfinden wird, läßt der Wortlaut des § 281 Abs. 1 Z. 1 StPO: '... gleich beim Beginne der Hauptverhandlung oder sofort, nachdem er in dessen Kenntnis gelangt war ...', auch eine Geltendmachung außerhalb der Hauptverhandlung zu. Daß der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 1 StPO seine Geltendmachung in der Hauptverhandlung nicht zur unabdingbaren Voraussetzung hat, wird offenbar, wenn der Beschwerdeführer zu einem Vorbringen des Ausschließungsgrunds mangels dessen Kenntnis bei Beginn oder doch noch im Verlauf der Hauptverhandlung gar nicht in der Lage war. Ungeachtet der Unterlassung einer derartigen Rüge hat er sich diesfalls des Beschwerdegrunds dennoch nicht verschwiegen (11 Os 59/85). Daraus folgt aber, daß eine einzige, nämlich die sofortige Geltendmachung des Ausschlußgrundes genügt, wobei eine Geltendmachung 'gleich beim Beginne' der Hauptverhandlung in jenen Fällen, in welchen eine frühere (sofortige) Geltendmachung möglich gewesen wäre, zur Vermeidung einer Verschweigung ausreicht. Ohne daß es eines formellen Eingehens auf die des weiteren relevierten Nichtigkeitsgründe bedarf, war daher das angefochtene Urteil in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 285 e StPO) und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 288 Abs. 1 Z. 1 StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Urteilsaufhebung zu verweisen.

Im erneuerten Verfahren wird folgendes zu beachten sein:

Wichtigstes Belastungsmoment war, daß beim Angeklagten oder bei mit ihm in Verbindung stehenden Personen Sachen gefunden wurden, die Eigentum bestimmter Diebstahlsopfer gewesen sein sollen. Nur ein geringer Teil der Beute wurde beim Angeklagten selbst sichergestellt (Urteilsfakten 15, 59, 78, 83, 85; Bd. VII S. 79). Im Urteil wurde jedoch in keiner Weise auf Verfahrensergebnisse eingegangen, die gegen die Zuordnung als angebliches Diebsgut sprechen (so etwa zum Faktum 15: Erhebungsbericht Bd. VII S. 25 ff.; zum Faktum 59:

Widerspruch des Geschädigten über die Herkunft des Schmucks zum Gutachten Bd. IX S. 431). Der Urteilskonstatierung, wonach die einzelnen Stücke jeweils nur von einem einzigen Bestohlenen als Eigentum agnosziert wurden (Bd. IX S. 608), fehlt im Akteninhalt die Deckung (Bd. IX S. 225, 226). Nur ausnahmsweise wird im Urteil erwähnt, bei wem das Diebsgut sichergestellt wurde und wie es in den Besitz des letzten Inhabers gelangte (so im Faktum 96, Bd. IX S. 594); ansonsten wird eine bloß summarische Begründung gegeben, auf den Einzelfall also nicht eingegangen. Der Täter hat sich ferner, den Anzeigen zufolge, der jeweiligen Tatortsituation angepaßt und auf verschiedene Weise den Zutritt zum Tatort verschafft. Gewisse Gemeinsamkeiten (Eindringen von der Rück- bzw. Gartenseite der Häuser, Ausnützen der Dunkelheit - siehe jedoch Faktum 55, Bd. IX S. 568, Ordner III Nr. 52 - Heimlichkeit der Begehung) wurzeln in der Natur des Diebstahls und lassen keinen individuell charakteristischen modus operandi erkennen.

Gleiches gilt für die Auswahl einer leicht transportablen und

verwertbaren Beute, die zudem nicht durchwegs gleichartig war

(allein hinsichtlich vorgefundener Photoapparate: Faktum 41

= Ordner III Nr. 41; Faktum 58, Bd. IX S. 570 oben; Faktum 69

= Ordner IV Nr. 65 sowie die vom Schöffengericht selbst als Ausnahme

erwähnte Mitnahme von Waffen: Bd. IX S. 603). Auch hat der Täter

nicht, wie das Urteil konstatiert (Bd. IX, S. 607), den wertvollen

Schmuck immer mitgenommen (siehe Faktum 3 = Bd. IX S. 550

= Ordner II Nr. 3; Faktum 9 = Ordner II Nr. 9; Faktum 12 = Bd. IX

S. 553 = Ordner II Nr. 12; Faktum 13 = Ordner II Nr. 13; Faktum 41

= Ordner III Nr. 41). Daß stets am Tatort oder in dessen Nähe

vorgefundene Werkzeuge zur Tat verwendet wurden, trifft entgegen

dieser Urteilsannahme (Bd. IX S. 605) nicht zu (siehe etwa die

Fakten 4, 6, 17, 36, 42, 75). Dem Argument, daß mit der Verhaftung

des Angeklagten im Raum von Passau keine Diebstähle mehr vorgekommen

sein sollen, welche 'die Handschrift des Angeklagten in allen

wesentlichen Punkten getragen' haben (Bd. IX S. 606), fehlt damit

die Prämisse. Dazu kommt, daß sich der Aussage des Polizeibeamten

F zufolge noch ähnliche Fälle ereignet haben (Bd IX S. 383,

384). Daß diese aufgeklärt wurden, schließt nicht aus, daß die

ausgeforschten Täter auch dem Angeklagten angelastete frühere Taten

begangen haben könnten.

Daß an jenen Tagen, an welchen der Angeklagte an Musikproben teilnahm, keine Taten begangen wurden (so das Urteil Bd. IX S. 608, 609), trifft ebensowenig zu (siehe Fakten 19, 21 sowie Bd. IX S. 69). Auch wurden die Beweismittel zu einer möglichen Agnoszierung des Täters nicht voll ausgeschöpft (so etwa Faktum 10, Bd. IX S. 367 ff., Antrag Bd. IX S. 303 unten !). Andererseits blieben belastende Indizien unberücksichtigt (so etwa Bd. IX S. 226 ff., 237 ff., 257 ff.). Für die Fakten 51 und 64 fehlt jegliche Begründung.

All die aufgezeigten Umstände werden einer dem Prozeßgericht obliegenden sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung (§ 258 Abs. 2 StPO) zu unterziehen und nach ihrer Tragfähigkeit für einen in der richterlichen überzeugung wurzelnden Schuldspruch zu würdigen sein, wobei schließlich auch auf eine übereinstimmung der Bezeichnung der Fakten in Urteilsspruch und Begründung zu achten wäre.

Anmerkung

E06796

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00139.85.1024.000

Dokumentnummer

JJT_19851024_OGH0002_0130OS00139_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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