Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. Dkfm. Wilhelm Otto A, Steuerberater, 2. Diplom-Volkswirt Volkmar Ernst B, Steuerberater, 3. Dkfm. Wolfgang C, Steuerberater und Rechtsanwalt, alle D-8000 München 22, Widenmayerstraße 23, alle vertreten durch Dr. Otto Hauck, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, wider die verpflichtete Partei Verlassenschaft nach dem am 16. April 1984
verstorbenen Heinz-Wilhelm D, zuletzt D-8000 München, Bergerwaldstraße 44a, vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin Gertraud E, Hausfrau, 4040 Linz, Obermüllnerweg 7, diese vertreten durch Dr. Rudolf Just, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, wegen 29.804,30 DM s.Ng., infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 14. März 1985, GZ. 5 R 56/85-15, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Steyr vom 14. Dezember 1984, 1 Nc 56/84- 9, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse beider Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Exekutionsantrag abgewiesen wird.
Die betreibenden Parteien haben der verpflichteten Partei binnen 14 Tagen die mit S 6.152,85 (darin S 559,35 Umsatzsteuer) und S 8.495,85 (darin S 772,35 Umsatzsteuer) bestimmten Rekurs- und Revisionsrekurskosten zu ersetzen.
Text
Begründung:
Laut Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichtes München vom 26. April 1984, 2 B 003278/84, zum am 4. April 1984 zugestellten Mahnbescheid vom 30. März 1984 machten die nunmehrigen betreibenden Gläubiger als Antragsteller gegen Heinz Wilhelm D, D-8000 München 35, Bergerwaldstraße 44a, fällige angemahnte Forderungen aus Steuerberatungs- und Rechtsanwaltsleistungen von zusammen 29.804,30 DM samt 15 % Zinsen jeweils laut Anlage, und der bisherigen Verfahrenskosten von 1.162,-- DM, Gesamtbetrag daher 30.966,30 DM zuzüglich Zinsen geltend, wobei der Anspruch nach der Erklärung der Antragsteller nicht von einer Gegenleistung abhängig ist. Auf Grundlage des Mahnbescheides erging wegen vorstehender Beträge Vollstreckungsbescheid. Hiezu kamen weitere Kostenbeträge von 485,-- DM. Dieser Bescheid wurde dem Antragsgegner laut Vollstreckungsbescheid am 9. Juli 1984 zugestellt.
Laut Bestätigung des Amtsgerichtes München vom 7. August 1984, 2 B 3278/84, wurde sein Mahnbescheid 'vom 23. 11. 1983' dem Antragsgegner am 4. April 1984 zugestellt und dagegen von ihm kein Widerspruch eingelegt. Der zitierte Vollstreckungsbescheid wurde Hans Aeg. F, D-8000 München 22, Maximiliansplatz 126, als Nachlaßpfleger des am 16. April 1984 verstorbenen Antragsgegners am 9. Juli 1984 zugestellt. Gegen den Vollstreckungsbescheid wurde kein Einspruch eingelegt. 'Dieser Vollstreckungsbescheid ist rechtskräftig. Die mit der Urschrift übereinstimmende Ausfertigung des zit. Vollstreckungsbescheides wird dem Antragsteller zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt.' Laut Postzustellungsurkunde vom 4. April 1984 wurde an diesem Tag ein für Heinz D bestimmtes Schriftstück des Amtsgerichtes München (höchstwahrscheinlich der Mahnbescheid) bei der Postanstalt München 82 niedergelegt und eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung unter der Anschrift des Empfängers abgegeben.
Laut einer weiteren Postzustellungsurkunde vom 9. Juli 1984 wurde ein weiteres Schriftstück des Amtsgerichtes München für den im Geschäftslokal nicht angetroffenen Empfänger Hans A. F dort der Angestellten Helma G über 1d0n.
Auf Grund des zitierten Vollstreckungsbescheides bewilligte das Kreisgericht Steyr den betreibenden Parteien gegen die 1). Verlassenschaft nach dem am 16. April 1984 verstorbenen Heinz Wilhelm D, vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin Gertraud E, Hausfrau, 4040 Linz, Obermüllnerweg 7, zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von äS im Gegenwert von 29.804,30 DM samt 15 % Zinsen laut Beilage zum Vollstreckungsbescheid und der Kosten von 1.652 DM zum Bärsendevisenkurs Wien am Zahlungstag die Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 262 Grundbuch Steyrling im Gerichtsbezirk Kirchdorf an der Krems.
Gegen den Exekutionsbewilligungsbeschluß erhob die verpflichtete Partei durch die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 9. Oktober 1984, 2 A 526/84-22, bestellte Verlassenschaftskuratorin unter anderem mit der Begründung Rekurs, daß die Zustellung des Vollstreckungsbescheides an den deutschen Nachlaßpfleger unwirksam, dieser Beschluß daher kein Exekutionstitel sei.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs nicht Folge; es erklärte den Revisionsrekurs für zulässig und führte aus:
In diesem Fall komme nur der einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumungsurteil entsprechende Vollstreckungsbescheid als Exekutionstitel in Betracht. Die Bestätigung des Amtsgerichtes München vom 7. August 1984 sei das im Artikel 7 Abs. 1 Z 2 des Vertrages vom 6. Juni 1959 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen, BGBl. Nr. 105/1960, geforderte Zeugnis. Nach Artikel 4 dieses Vertrages dürfe der in der Bundesrepublik ergangene Vollstreckungsbescheid in Österreich nur daraufhin geprüft werden, ob einer der in den Artikeln 2 oder 3 Abs. 2 des Vertrages genannten Versagungsgründe vorliege, was aber nicht der Fall sei. ie erwähnte Bestätigung des Amtsgerichtes München dürfe nicht auf ihre inhaltliche Richtigkeit geprüft werden, daher auch nicht darauf, ob der Vollstreckungsbescheid an den Nachlaßpfleger in der Bundesrepublik Deutschland oder an den Verlassenschaftskurator in Österreich zuzustellen gewesen sei. Habe sich die unterlegene Partei - wie im vorliegenden Fall - nicht auf das Verfahren eingelassen, so habe der betreibende Gläubiger nach Art. 7 Abs. 2
des genannten Vertrages außerdem nachzuweisen, daß die das Verfahren einleitende Ladung oder Verfügung der unterlegenen Partei ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Die das Mahnverfahren einleitende Verfügung, deren Zustellung nachzuweisen sei, sei der Mahnbescheid, der Heinz-Wilhelm D am 4. April 1984 ordnungsgemäß zugestellt worden sei.
Dagegen wendet sich der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen durch Abweisung des Exekutionsantrages abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Das nach den §§ 83 Abs. 3 und 78 EO sowie § 528 Abs. 2 ZPO wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO - es handelt sich um die Frage der Überprüfbarkeit der sich auf Grund des Ablebens einer Partei während einer laufenden Frist ergebenden Rechtsfolgen - zulässige Rechtsmittel ist begründet. Nach Art. 7 Abs. 1 des zitierten Vertrages hat der betreibende Gläubiger dem Antrag auf Bewilligung der Exekution zur Vollstreckung rechtskräftiger Entscheidungen beixufügen 1. eine mit amtlichem Siegel oder Stempel versehene Ausfertigung der Entscheidung ...;
2. den Nachweis, daß die Entscheidung rechtskräftig und vollstreckbar ist; dieser Nachweis ist bei Entscheidungen von Gerichten in der Bundesrepublik Deutschland durch das Zeugnis über die Rechtskraft und durch die Vollstreckungsklausel zu erbringen. Hat sich die unterlegene Partei nicht auf das Verfahren eingelassen, so hat der betreibende Gläubiger nach dem 2. Absatz des zitierten Artikels außerdem nachzuweisen, daß die das Verfahren einleitende Ladung oder Verfügung der unterlegenen Partei ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Dieser Nachweis ist durch eine beglaubigte Abschrift der Zustellungsurkunde oder durch eine gerichtliche Bestätigung über den Zustellungsvorgang zu erbringen. Dem Gericht zweiter Instanz ist darin beizupflichten, daß im Mahnverfahren nicht der Vollstreckungs-, sondern der Mahnbescheid die das Verfahren einleitende Verfügung darstellt, sodaß die ordnungsgemäße Zustellung des Mahnbescheides an den Antragsgegner ausschlaggebend ist (so auch - außer der schon vom Rekursgericht zutreffend zitierten Literatur - Thoma, Die Zwangsvollstreckung in Österreich, NJW 1966, 1059).
Der zweiten Instanz kann aber nicht mehr darin gefolgt werden, daß die sich aus der Postzustellurkunde vom 4. April 1984 ergebende Niederlegung (höchstwahrscheinlich) des Mahnbescheides für Heinz D am genannten Tag bei der Postanstalt München 82 nach Abgabe einer schriftlichen Mitteilung über die Niederlegung unter der Anschrift des Empfängers schon die ordnungsgemäße Zustellung der das Verfahren einleitenden Verfügung im Sinn des Art. 7 Abs. 2 des Vollstreckungsvertrages gewesen sei.
Da Heinz-Wilhelm D am 16. April 1984, demnach zwar nach der erwähnten Zustellung des Mahnbescheides, aber noch während der Widerspruchsfrist von zwei Wochen seit der Zustellung starb, trat dadurch nach dem wegen der Notwendigkeit, die Parteirechte zu wahren, auch im Mahnverfahren entsprechend anzuwendenden § 239 I dZPO eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme ein (BGH NJW 74, 494; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO+43, S 1433 f; Stein-Jonas, ZPO+20 RdNr. 14 zu § 693).
Die Unterbrechung hat die Wirkung, daß der Lauf einer jeden Frist aufhärt und nach Beendigung der Unterbrechung die volle Frist von neuem zu laufen beginnt (§ 249 I dZPO) und daß die während der Unterbrechung von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozeßhandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkungen sind (§ 249 II dZPO).
Deshalb härte der am 4. April 1984 ausgeläste Lauf der zweiwächigen Widerspruchsfrist am 16. April 1984 auf, so daß die im § 699 I dZPO festgelegten Voraussetzungen für die Erlassung des Vollstreckungsbescheides, nämlich daß der Antragsgegner nicht rechtzeitig Widerspruch erhoben hat und daß der Vollstreckungsbescheid nach Ablauf der Widerspruchsfrist beantragt worden ist, am 26. April 1984, an dem er erlassen wurde, offenkundig noch nicht vorliegen konnten (in diesem Sinn hat übrigens auch das Landgericht München in seiner Verfügung vom 7. August 1985, AZ. 25012350/85, ausgesprochen, daß der Vollstreckungsbescheid vom 26. April 1984 wegen der durch den Tod des Schuldners bewirkten Unterbrechung des Verfahrens nicht hätte ergehen dürfen und daß das Verfahren fehlerhaft erscheine).
Wird im Fall der Unterbrechung des Verfahrens durch den Tod einer Partei ein Nachlaßpfleger bestellt ..., so sind nach § 243 dZPO die Vorschriften des § 241 dZPO ... anzuwenden. Das heißt, daß das Verfahren unterbrochen wird, bis der Nachlaßpfleger von seiner Bestellung dem Gericht Anzeige macht oder der Gegner seine Absicht, das Verfahren fortzusetzen, dem Gericht anzeigt und das Gericht diese Anzeige von Amts wegen zugestellt hat, wobei die Anzeige des Nachlaßpflegers dem Gegner der durch ihn vertretenen Partei, die Anzeige des Gegners dem Nachlaßpfleger zuzustellen ist (Stein-Jonas aaO RdNr. 25 zu § 239, RdNr. 13 zu § 241 und RdNr. 1 und 2 zu § 243).
Das während der Widerspruchsfrist durch den Tod des Antragsgegners unterbrochene Mahnverfahren wird daher bei Bestellung eines Nachlaßpflegers in entsprechender Anwendung der zitierten Unterbrechungsvorschriften so aufgenommen, daß der Nachlaßpfleger seine Bestellung oder der Antragsteller seine Absicht, das Verfahren fortzusetzen, dem Gericht angezeigt und das Gericht die Anzeige der Gegenseite von Amts wegen zustellt.
Es wird kaum vorkommen, daß der Nachlaßpfleger als Vertreter des Antragsgegners das unterbrochene Mahnverfahren von sich aus aufnimmt. In einem solchen Fall hätte er mit seiner Anzeige den Widerspruch zu verbinden (Stein-Jonas aaO RdNr. 14 zu § 693). Zeigt hingegen der Antragsteller dem Gericht seine Absicht an, das Verfahren fortzusetzen, so wird die Aufnahmeanzeige des Antragstellers dem Nachlaßpfleger als Vertreter der Erben des Antragsgegners mit der Aufforderung zuzustellen sein, der im Mahnbescheid enthaltenen Aufforderung, innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung dieser Aufforderung die behauptete Schuld samt Nebengebühren zu begleichen oder dem Gericht mitzuteilen, ob und in welchem Umfang dem geltendgemachten Anspruch widersprochen wird, nachzukommen (Stein-Jonas am letztgenannten Ort;
Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann aaO S 1434).
Im vorliegenden Fall hätten die betreibenden Gläubiger daher nach Art. 7 Abs. 2 des zitierten Vollstreckungsvertrages wegen der während der Widerspruchsfrist durch den Tod des Antragsgegners eingetretenen Unterbrechung des Mahnverfahrens nicht nur die ursprüngliche Zustellung des Mahnbescheides an den Antragsgegner, sondern auch die ordnungsgemäße Zustellung der das Mahnverfahren hinsichtlich der vom Nachlaßpfleger vertretenen Erben des Antragsgegners einleitenden Verfügung nachweisen müssen. Ein diesbezüglicher Nachweis durch eine beglaubigte Abschrift der Zustellurkunde oder durch eine gerichtliche Bestätigung über den Zustellungsvorgang wurde von den betreibenden Gläubigern nicht erbracht und kann von ihnen auch nicht erbracht werden, weil sich aus den in den ersten vier Absätzen der Begründung genannten Urkunden (im Zusammenhalt mit der schon erwähnten Verfügung des Landgerichtes München vom 7. August 1985) ergibt, daß dem Nachlaßpfleger lediglich der während der durch den in die Widerspruchsfrist fallenden Tod des Antragsgegners bewirkten Unterbrechung des Mahnverfahrens unzulässigerweise erlassene Vollstreckungsbescheid zugestellt wurde.
Da die betreibenden Gläubiger den nach Art. 7 Abs. 2 des zitierten Vollstreckungsvertrages zwingend vorgeschriebenen Nachweis daher auch nach einem Verbesserungsauftrag nicht erbringen könnten, kann der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichtes München vom 26. April 1984, 2 B 003278/84, in Österreich schon aus diesem Grund nicht vollstreckt werden.
Die Exekutionsbewilligungsbeschlüsse beider Vorinstanzen waren daher ohne Prüfung weiterer Abweisungsgründe durch Abweisung des Exekutionsantrages abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO und den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E06932European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00042.85.1030.000Dokumentnummer
JJT_19851030_OGH0002_0030OB00042_8500000_000